Die schlimmeren Fesseln?

A

Annie

Gast
Hi,
gestern machte ich "auf der Arbeit" eine interesannte Exkursion in den Keller des Gebäudes ( Ich arbeite in einer "Klapsmühle" die in einem 400 Jahre alten ehemaligen Kloster "stationiert" ist). Dieser Kellerbereich ist wirklich alt und riesig groß. Mein Kollege zeigte mir im hintersten Eck einen alten Raum der wirklich unbearbeitet quasi "Naturbelassen" ist und seit ein paar Hundert Jahren nicht großartig verändert wurde. An den Wänden waren dicke Halteringe für Ketten angebracht.
Und ja! Natürlich arbeitet mein Gehirn nicht ganz so schnell wie andere :D Ich machte mir sofort die buntesten Gedanken darüber was die Franziskaner Mönche mit Ketten in ihren Kellern gemacht haben (sehr unreif ich weis) bis mir dann einfiel das dieses Kloster früh von den Möchen verlassen und schon seit (ich weis es nicht ganz genau) 200 Jahren für "Verrückte" benutzt wird.
Obwohl ich um solche Geschichte durchaus weis, lief mir doch ein kalter Schauer über den Rücken als ich an die armen Leute dachte die wohl lange in diesem Keller leben mussten.
Mein Kollege meinte nur sehr trocken " Ja heute haben wir andere Fesseln, die Medikation".

Was emfindet ihr schlimmer? Das Dämpfen des Geistes durch Medikation? Oder das bädigen des Körpers durch Fixierung?

Diese Fragen stelle ich hier sehr oberflächlich, denn Medikamente sind oftmals mehr als Dämpfer (in weniger harten Fällen) und helfen vielen Menschen ein halbwegs Normales Leben zu führen. Aber diesen Sacherverhalt zu erläutern wäre ein bisschen zu tiefgehend .
 
Wie du schon sagst, das ist eine ziemlich oberflächliche Betrachtung.
Psychopharmaka können vieles tun, nicht nur dämpfen. Sie sind allerdings gerade aufgrund der vielen Möglichkeiten, die sie haben, um in den menschlichen Geist einzugreifen auch sehr gefährlich.

Natürlich ist es leichter, jemandem eine Spritze zu setzen, als u.U. pädagogisch auf ihn einzuwirken.
Andererseits gibt es Krankheiten, bei denen die Spritze oder Pille notwendig ist, um überhaupt auf ihn einwirken zu können.

Jemanden mit Problemen einfach festzuketten ist in jedem Fall keine dauerhafte Lösung, sondern nur eine Möglichkeit, sicherzugehen, daß er sich nicht selbst verletzt, bis andere Maßnahmen ergriffen werden können, bzw. wirken.
 
Was emfindet ihr schlimmer? Das Dämpfen des Geistes durch Medikation? Oder das bädigen des Körpers durch Fixierung?

nun, ich habe selbst über nen jahr als fsjlerin in einem pflegeheim gearbeitet..
ich will das ganze jetzt nicht zu sehr dramatisieren und einen ausschweifenden bericht über meine erfahrung dazu niedertippseln.. interessiert eh kein schwein, da mans auch kurz zusammen fassen kann ^^

die medikation ist schlimmer als die fixierung.
klar.. die fixierung eines menschen, der es gewohnt war, frei zu laufen und dergleichen ist für ihn an sich auch schlimm.. aber, er lernt damit umzugehen.

für mich als "anordnende person" ist die medikation moralisch unvertretbarer. aus dem ganz einfachen grund. an körperliche einschränkungen gewöhnt sich ein mensch. er lernt das beste draus zu machen und damit umzugehen.
die geistige einschränkung, die meist bei fortgeschrittener medikation schon heftig ist, die hat der patient.. ich wage zu behaupten - nur sehr sehr selten im griff. ich meine jetzt die wirklich starken dämpfer.

klar, bei vielen sind sie leider ein muss. man muss sie anwenden um herr dieser person zu werden da evtl sonst deren taten zu weit größeren schäden führen könnten.. aber an sich, ist dies moralisch ein zu großer einschnitt in das recht eines menschens.

es gäbe jetzt noch das beispiel der "letzten fessel". in der man die palliativmedizin anwendet, bzw. anwenden muss. dies an sich ist ja auch schon eine gewisse fessel. aber eine, wie ich finde, "gute fessel". aber das ganze thema würde nun schon zu weit greifen.
 
Du warst anordnende Person?

das war ungeschickt ausgedrückt. für die medikation nicht.. wenn es um eine "nächtliche fixierung im bett" / oder "fixierung im rollstuhl" ging, unter anderem ja (betrug allerdings beides nur die gesetzlichen 24 erststunden aufgrund von akuter verletzungsgefahr).

ich hätte schreiben sollen "wäre" statt "ist. schulligung, war ziemlich spät..aber ich hatte es ja auch in "" geschrieben.. zur verständigung
 
Also ich finde man sollte hier mal etwas unterscheiden. Nicht jedes Psychopharmaka ist gleich schlecht, wird aber irgendwie schlecht gemacht. Wenn einem Kind weil es laut ist Ritalin reingzwungen wird weil Eltern und Lehrer überfordert sind dann ist das unverantwortlich und schon ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wenn einem psychisch Kranken ein Medikament gegeben wird was ihn überhaupt wieder normal leben läßt und er das durch seine psychische Störung nicht akzeptieren will(einfach weil er nich im Vollbesitzt seiner geistigen Kräfte ist) dann finde ich das schon ok, vor allem wenn er es dann auch hinterher einsieht das er das Zeug nehmen muß wenn er nicht wieder in den alten Zustand verfallen will.

Das sind zwar zwei Extremfälle, aber sie zeigen sehr gut das man unterscheiden muß. Natürlich gibt es massig andere Fälle, in dem Fall muß man aber immer schauen was eigentlich Sache ist. Wenn jemand ans Bett gefesselt wird damit er sich nicht selber verletzt dann kann ich damit leben wenn alle Bemühungen dahin gehen ihm wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Da kann ich auch damit leben das man ihn unter Drogen setzt, sofern man dies nicht mit dem Ziel tut "endlich seine Ruhe zu haben" sondern um ihm zu helfen.

Wenn jemand unheilbar geisteskrank ist finde ich die Entscheidung schon wesentlich schwerer wie mit ihm verantwortlich umzugehen ist. Ich denke das hängt viel vom Einzelfall ab und kann nicht pauschal beantwortet werden.
 
Es ist halt von Fall zu Fall verschieden.

Ein lebhaftes Kind mit Ritalin still zu machen ist für mich ein moralisches Vergehen, aber einem ADHS-Kind mit Ritalin zu ermöglichen, sich überhaupt mal für ein paar Minuten zu konzentrieren ist eine völlig andere Sache.

Jemanden auf Dauer festzuketten kann keine Lösung sein.
Klar kann man es lernen, damit zu leben, aber es lernten, um ein Extrembeispiel zu nennen, auch viele Menschen mit regelmäßigem Mißbrauch zu leben.

Ich will jetzt natürlich nicht Psychopharmaka beschönigen, sie können sehr viel kaputtmachen, angefangen von Nebenwirkungen körperlicher und psychischer Art bis hin zu massiven Persönlichkeitsveränderungen.

Man braucht eben gute, erfahrene Ärzte, intensive Beobachtung, die vollkommene Mitarbeit der Familie und des Umkreises und manchmal sogar etwas Glück, um die absolut richtige Diagnose stellen zu können.
Wie oft/selten diese Zusammenstellung zum idealen Ergebnis führt, möchte ich lieber nicht wissen, aber sie sollte immer das Ziel sein.
 
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