Dunkirk

Als großer Nolan-Fan, der gefühlt jeden neuen Nolan-Film besser findet als den jeweils vorherigen (klar, ganz stimmt die Regel nicht, TDK ist einfach das unangefochtene Highlight), war ich dann auch mal in "Dunkirk". Und ich muss sagen: Ich bin etwas enttäuscht. Nein, nicht weil es ein schlechter Film ist, denn das ist es nicht - die Produktionswerte sind großartig und die Ideen, wie man hier "Krieg" erfahrbar macht, sind auf jeden Fall beachtenswert: Durch den Gegenschnitt dreier Zeitebenen und einer Kamera, die häufig sehr nah an den Gesichtern bleibt, weiß man nie so ganz genau, wo (und wann) man sich gerade befindet - die einzigen Ankerpunkte sind (neben den Gesichtern halt) Tag und Nacht auf der einen Seite, Schusslärm oder kein Schusslärm auf der anderen Seite.

Trotzdem ist es einfach so: Dadurch, dass das Thema eben "Krieg" ist, so konsequent es durchgezogen wird, gehen für mich einfach die Tugenden, die ich normalerweise an Nolan-Filmen mag, verloren. Ja, es wäre irgendwie auch nicht passend gewesen, hier Mindfucks einzubauen. Und ja, dass es eben nicht die Nolan'schen "Erklärbär-Szenen" gibt (die ich übrigens, trotz der negativen Konnotation des Wortes, sehr zu schätzen weiß) ist nach langer Zeit mal wieder was Neues bei Nolan, aber dennoch: Die Abwesenheit dieser Dinge führt eben dazu, dass ich "Dunkirk" als einen aus meiner Sicht schwächeren Nolan-Film sehe. Bei Nolan ist das Interessanteste immer die Konstruktion - und auch, wenn er das hier ebenfalls durch die 3 Zeitebenen einbringt, so kann (ja eigentlich darf) die Konstruktion in einem Kriegshistorienfilm nicht so kunstvoll sein, wie sie es beispielsweise in "Inception" ist. Das führt dann an manchen Stellen dazu, dass ich - obwohl es dem Thema an sich irgendwie doch gerecht wurde - manche Gegenschnitte (wenn z. B. in zwei verschiedenen Strängen gerade ein Boot untergeht) sogar ein wenig platt fand.

Insofern mag es vielleicht folgendermaßen sein: "Dunkirk" ist ein Film, der konsequent an seinem Thema "Krieg" bleibt und das ist auch gut so. Lediglich die Nolan'schen Tugenden passen für mich nicht so ganz zu der selbstgestellten Aufgabe. So gut ihm der Film also gelungen ist, so sehr denke ich, dass er andere Genres - vielleicht sogar einfach erst einmal nur den Bereich des Fiktionalen - noch etwas besser kann.
 
War gerade im Kino. Sehr atmosphärische Momentaufnahme eines Kriegsschauplatzes, die von den beeindruckenden Bildern und dem starken Sounddesign lebt. Nicht Nolans bester Film, aber absolut sehenswert und einer der besten Kriegsfilme des letzten Jahrzehnts. Auch gut gespielt, nicht nur von den Stars wie Kenneth Branagh, Cillian Murphy und Tom Hardy sondern auch vom jüngeren und eher unbekannteren Haupt-Cast.

Unbedingt im Kino gucken!

9 / 10
 
Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich den Film gesehen habe; irgendwie dümpelte meine unmittelbar danach getippte Kritik lange auf der Festplatte 'rum, aber ganz versanden lassen will ich sie dann doch nicht.

Zunächst ein paar Beobachtungen zum Publikum (Kleinstadtkino, mittwochs 18:00): Außer mir überraschenderweise nur ältere Leute, bei denen ich mich frage, ob sie wirklich wissen, was sie erwartet. Offenbar extremst seltene Kinogänger. Mehrere schimpfen über die vorab laufenden Filmtrailer (actionlastig) und die Lautstärke, das sei ja unmöglich, kündigen an, sich später beschweren zu wollen. Regen sich so auf, dass sie schließlich in den Anfang des Hauptfilmes reinquatschen.
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Ich glaube, es sind dann auch nicht alle bis zum Ende geblieben...

Meine Erwartungen waren angesichts der vielen Vorschusslorbeeren natürlich sehr hoch und auch wenn ich ihn beeindruckend fand, so ganz konnte der Film ihnen nicht ganz gerecht werden. Mein Hauptproblem war, dass die teilweise hochgelobte klaustrophobische Spannung und die hohe Opferzahl am Strand / an der Mole zu Beginn für mich eben gerade nicht rüberkam. Dafür war die Einleitung an diesem Schauplatz zu kurz.

Vielleicht wären mehr Szenen unter Bomberbeschuss sinnvoll gewesen - diesen einen Überflug, nach dem zudem gefühlt nur einzelne Soldaten nicht mehr aufstanden, fand ich nicht eindrücklich genug. Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, aufgereihte oder aufgestapelte Leichen zu zeigen (von Weitem ohne blutige Details - der Verzicht auf Blut- und Metzel-Optik hat mir insgesamt gut gefallen, schreckt vielleicht gewisse Besuchertypen ab ;)).

Und schließlich habe ich mich gefragt: Ist es wirklich die ganze Zeit so diszipliniert abgegangen, dass die Soldaten brav auf der Mole und in den Reihen am Strand standen? Da geht's ja bei jedem Stadioneinlass wilder zu. ;) Ist wirklich niemand mal vor Angst ausgerastet und wortwörtlich über Leichen gegangen, um seine eigenen Chancen auf Rettung zu verbessern? Ist keiner der die Ordnung wahrenden Kommandeure gezwungen gewesen, zum Äußersten zu greifen, um weiteren Schaden durch so einen Ausrastenden zu vermeiden? Und falls es doch passiert ist, warum wurde im Film auf dieses "beschmutzende" egoistische Element verzichtet?

Glücklicherweise stieg die Spannungskurve mit dem Einstieg in die Stränge "See" und "Luft", dann aber auch für den Strang "Mole", wesentlich an. Insgesamt am nächsten gegangen sind mir die Ereignisse auf der Moonstone mit dem grandios stoisch-entschlossenen Mark Rylance. Mit dem Trauma der Figur des ebenfalls groß aufspielenden Cillian Murphy wurde auch verdeutlicht, wie schrecklich die Situation am Strand war und was Krieg Menschen antut. Auch die anderen Schauspieler auf dem Boot und anderswo wussten zu überzeugen -sogar One Direction-Sänger Harry Styles, dessen Mitwirkung bei mir erstmal hochgezogene Augenbrauen ausgelöst hat. Beim ersten Bild des Nicht-Tom-Hardy-Piloten habe ich übrigens gedacht, dass sie eine alte Aufnahme von Hardy Krüger hineinmontiert haben...

Ärgerlich war, dass ich den Film nicht im Original sehen konnte. Dass abgesehen von ein paar französischen Brocken alle ausgerechnet deutsch gesprochen haben, war schon sehr irritierend. Auch, dass trotz des übernommenen englischen Filmtitels immer von Dünkirchen gesprochen wurde.

Die Verschachtelung und zeitliche Nicht-Paralellität der Stränge war aus künstlerischer Sicht ein interessantes und spannendes Element, das einen dazu zwang, aufzupassen und immer wieder "Aha-so-gehört-das-zusammen"-Erlebnisse bescherte. Es machte den Film aber andererseits auch sehr "verkopft", was den emotionalen Eindruck schmälerte. Und gegen Ende wurde es auch etwas verwirrend und lief der Spannung entgegen, als der letzte Angriff von Hardys Figur (Tom, nicht Krüger ;)) zwei Mal gezeigt wurde. Ich weiß nicht, ob es möglich gewesen wäre, die Stränge anders zusammenlaufen zu lassen, so dass dieses Ereignis gleichzeitig gewesen wäre. Außerdem war es für mich nicht ersichtlich, dass die Moonstone schon so nah an der Küste ist, dass sie die mit dem gestrandeten Fischerboot Geflüchteten aufnehmen kann. Eine Weile dachte ich daher, dass zwei der Kriegsschiffe versenkt worden wären.

Apropos Fischerboot: Wie die Jungens da drin saßen, auf die Flut warteten und die Kugeln anfingen, einzuschlagen, war für mich die eindringlichste und nervenzerfetzendste Passage. Hier kam dann auch endlich mal die Frage auf, wie weit man sich entmenschlicht, um zu überleben, anhand des Problems, ob zuerst der Franzose und dann der Nichtangehörige der eigenen Gruppe geopfert werden sollen.

Am Schluss wurde es natürlich schon ziemlich schmalzig-heroisch. Aber ich konnte mir ein Tränchen nicht ganz verdrücken, als Kenneth Branagh "die Heimat" gesichtet hat. Die ewig vor untergehender Sonne in Szene gesetzte Landung von Tom Hardy fand ich dann allerdings etwas zuviel. Und ich habe auch nicht ganz verstanden, warum er sich hat gefangennehmen lassen. Der Ausstieg mit dem Fallschirm oder die Notwasserung wäre doch auf jeden Fall die bessere Chance gewesen...

Ganz großer akustischer Moment nochmal, als im Zug plötzlich die Uhr aufhört, zu ticken.

Zum Schluss blieb noch ein kleiner fader Beigeschmack, weil ich mir eine stärkere Antikriegsbotschaft erwartet hatte. Man hätte beispielsweise dem Zuschauer noch deutlicher vermitteln können, dass die 300.000 nicht gerettet werden sollten, um sie zu retten und wieder zu ihren Familien zu bringen, sondern um sie erneut in den Krieg schicken zu können... Das wäre nochmal ein ordentlicher Schlag auf den Solarplexus gewesen.

Edit: Ach ja, eine Wertung habe ich auch noch: 8/10

Micah
 
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