[Fiction]Der letzte Schüler


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Die nächsten Stunden waren schleppend vergangen, obwohl Mace eine Aufgabe fand, die ihn beschäftigte und die Wartezeit bis zur Rückkehr seines Meisters verkürzte.
Diese Beschäftigung war typisch für ihn. Er war zur Treppe hinunter marschiert und hatte sich in der Bibliothek verkrochen. Wenn Mace einen spannenden Text las, vergaß er die Welt um sich herum und seine Fantasie hauchte den Worten Leben ein. Mace war in den dritten Text über die Mandalorianischen Kriege vertieft, als ihn plötzlich ein Gefühl von Gefahr überkam. Der Film vor seinem inneren Auge riss abrupt ab und Mace sah von dem leuchtenden Datapad auf. Der mit hölzernen Regalen voll gestellten Raum war mittlerweile von dämmrigem Zwielicht erfüllt, obwohl die auf beiden Seiten verstauten, deaktivierten Datenträger mattes Licht abgaben. Mace hatte vergessen das Hauptlicht in dem Archiv zu aktiveren, da seine Gedanken in einer Zeit vor mehr als drei tausend Jahren verweilten waren.

Die letzten Zeilen die er gelesen hatte, hatten sich mit der Verteidigung von Onderon gegen die Mandalorianer beschäftigt. Damals hatten sich junge Jedi-Ritter gegen den Willen des Rats in den Krieg der Republik gegen die Mandalorianer, einem Kriegervolk, das danach strebte die Gebiete der Republik zu erobern, eingemischt und der republikanischen Armee als Generäle gedient.
Für Mace war es verwunderlich, dass sich der Jedi Rat vor so vielen Jahren dagegen entschieden hatte in den Krieg einzugreifen. Im kürzlich beendeten Klonkrieg war er dafür gewesen. Natürlich lagen mehr als drei Jahrtausende zwischen den beiden Kriegen und die Beweggründe der Jedi-Meister im Rat und die Umstände unter denen sie die Entscheidungen trafen, hatten sich verändert. Er wollte aus der Vorgehensweise der Jedi in der Vergangenheit lernen, er würde sich nicht anmaßen über irgendeine Entscheidung zu richten.
Weitere Überlegungen mussten jedoch warten. Mace spürte eine nahende Gefahr und er musste seine Konzentration darauf verwenden sie genauer auszumachen.

Etwas oder jemand näherte sich dem Haus und verbreitete eine Aura der Bösartigkeit.

Mace wusste, dass er sich selbst absichern musste. Er legte das Datapad neben sich auf die breite gepolsterte Stuhllehne.
Er stürmte aus der Bibliothek in den Sicherheitsraum, der eine Ebene höher lag.
An der Durastahltür des Sicherheitsraums angekommen, tippte er den Code, den ihn Meister Yuster auswendig lernen hatte lassen, in das Sicherheitspaneel neben der Tür. Die Tür fuhr zischend nach oben und enthüllte einen kleinen Raum mit Displays, Eingabeterminals und einem Drehstuhl. Mace schwang sich in den Stuhl und betrachtete nacheinander die Displays. Auf den ersten Blick entdeckte er nichts, dass eine Gefahr darstellen konnte. Er wartete einen Moment, bis die Bilder der Überwachungskameras wechselten und bemerkte ein seltsames viereckiges Objekt am äußeren Rand des Sichtfeldes der Kamera. Mace rutschte an den Rand des Stuhls und beobachtete die Bewegung des fremdartigen Objekts.

Es bewegte sich von rechts oben auf den Landeplatz vor dem Haus zu. Mace´ Beunruhigung nahm von Moment zu Moment zu. Der erste Eindruck war, dass ein Fluggerät beabsichtigte, auf der Landeplattform vor der Wohnanlage aufzusetzen.

Sein Gefühl sagte ihm, dass es, wer auch immer auf der Plattform zu landen versuchte, nicht Meister Yuster war. Meister Yuster war mit einem an die Atmosphäre gebundenen Gleiter aufgebrochen und konnte nicht in einem solchen Anflugwinkel auf die Landeplattform zufliegen.

Ohne einen weiteren Augenblick zu zögern aktivierte er das Sicherheitssystem der Anlage: die Defensivdroiden und die Energieschilde um und im Grundstück. Er überprüfte mit Hilfe der Anzeigen am Sicherheitscomputer, ob die Droiden und die Energiefelder voll geladen waren. Was er dabei fand erinnerte ihn an die pazifistische Natur der Alderaaner, die Droiden waren nur mit Betäubungsblastern ausgestattet.

Inzwischen war das Shuttle ins Sichtfeld der Holocam vorgedrungen und Mace erkannte die vertraute Silhouette eines dreiflügeligen Shuttles der Theta-Klasse. Eines solches Shuttle hatte vor einigen Monaten im Hangar der Secundhand angelegt und eine Garnison Sturmtruppler abgesetzt.

Einen Moment lang überlegte er, ob es im Haus etwas gab, das den imperialen Soldaten nicht in die Hände fallen durfte. Er wusste nicht, ob auf den Memoryspeichern des Hauptcomputers etwas abgespeichert war, das den Imperialen nützen konnte, noch konnte er ahnen, welche Auswirkung das Formatieren dieser Speichereinheiten auf das Sicherheitssystem des Hauses hatte.
Mace dachte angestrengt über die Konsequenzen jeder seiner Handlungen nach. Er war sich darüber im Klaren, dass eine große Verantwortung auf seinen Schultern ruhte und abermals erinnerte er sich an einen Weisheit, die Meister Yoda mehr als einmal wiederholt hatte:

„Vertrauen auf eure Gefühle ihr müsst“, hatte der jahrhundertealte, grünhäutige Jedi-Meister einige Mal zu den Jünglingen gesagt.
Genau dies tat er im Moment und begann nach der Möglichkeit zu suchen, wie er den Kern der Memoryspeicher formatieren konnte.
Er durchsuchte die Menüs und Anwendungen, indem er sich vom Terminal aus durch das Betriebsystem arbeitete. Mace war kein Computergenie und deshalb auch nicht besonders schnell, da er nicht wusste, wonach er eigentlich suchte. Jedes Mal wenn er sich in einem Untermenü verirrte und wertvolle Zeit vergeudete, musste er sich einen Fluch verkneifen.
Die Zeit verrann erbarmungslos und Mace fühlte den wachsenden Druck körperlich. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, er fühlte, dass ihm heiß wurde.
Als ihm klar wurde, dass er auf jeder Ebene des Computers mindestens zwei Mal gewesen war, versuchte er seine Gedanken zur Ruhe zu bringen, um sich von der Macht leiten zu lassen.
Er betätigte eine Tastenkombination, die ihm unerwartet in den Sinn kam und plötzlich erschien mitten im Computer-Display ein Anwendungsfenster, das ihn aufforderte ein Kennwort einzugeben. Natürlich wusste er das Kennwort nicht. Er atmete tief ein und aus und die Wut in seinem Inneren verrauchte. Er musste bei klarem Verstand bleiben, um den Sturmtruppen zu entgehen. Er ließ seinen Blick über die Holodisplays im Raum schweifen und entdeckte, dass das Theta-Klasse Shuttle die Flügel hochgeklappt hatte.

Auf der Landeplattform stand eine Garnison Sturmtruppen, zwei Offiziere und eine weitere Gestalt, die Mace nicht erkennen konnte. Sturmtruppen begannen bereits in Richtung Haustore loszumarschieren, während die ungepanzerten, in olivegrüne Uniformen gekleideten Offiziere und der nicht zu erkennende Fremde vor dem Shuttle zurückblieben.

Mace begriff, dass er keine Zeit mehr hatte das Passwort zu knacken und rutschte vom Rand des weichen Drehstuhls herunter. Mit einer Hand am Lichtschwertgriff verließ er den Sicherheitskontrollraum. Geduckt, aufs äußerste gespannt schlich er die dämmrigen Gänge entlang. Es dauerte nur wenigen Minuten, bis er die ersten gleichmäßigen Schritte durch die Gänge hallen hörte. Mace hielt hinter einer Ecke kauernd inne und presste den Rücken gegen die kalte Wand. Er bemerkte, dass die Sturmtruppler sich keine Mühe machten, ihre Anwesenheit zu verbergen.
Bald hörte er die monotonen Schritte in unmittelbarer Nähe und schlich in die andere Richtung davon. Mace fasste den Plan, nach draußen zur Landeplattform zu schleichen, da die Soldaten nun im Hausinneren waren. Mace rannte hinauf zur steinernen Terrasse und sprang drei Meter hinab ohne ein Geräusch zu verursachen. Erst als er sich hinter einem grünen Busch duckte verursachte er ein leises Rascheln.

Die Gestalt auf der Landeplattform, die dem Strauch am nächsten stand, bemerkte das Geräusch. Erst als sie einen kurzen Blick darauf warf, erkannte Mace sie. Der strenge Haarknoten war neu zusammengedreht und die grünen Augen waren matt geworden. Ebenso hatte sich ihre Haltung verändert, sie war abweisender geworden. Mace erkannte Melina Vandar, Dalias Mutter und es erschreckte ihn, wie sehr sie sich verändert hatte. Noch mehr jedoch erschreckte Mace, das sie hier war und nur wenige Meter von den olivegrün gekleideten imperialen Offizieren entfernt stand.
Mace hatte immer gedacht, dass es das Schlimmste war, was einem passieren konnte, wenn man von einem Freund verraten wurde, doch dieser Verrat traf ihn härter, um einiges härter.
Indem sie hier stand bezeugte sie, dass sie ihre Familie an das Imperium ausgeliefert hatte.

Ihm war, als würde ein gewaltiger Sturm in seinem Inneren losbrechen und ihn überwältigen. Seine Gedanken entglitten ihm und seine Fantasie gab diesen Vorstellungen Form. Ein ekliger Geschmack machte sich in seinem Mund breit. Er biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf um die grausamen Bilder vor seinem inneren Auge abzuschütteln.
Er schämte sich, dass er in seiner Vorstellung fähig war jemanden zu töten ohne angegriffen worden zu sein.
Ein klammes Gefühl machte sich in seiner Brust breit und er befestigte das Lichtschwert an seinem Gürtel. So wie er sich fühlte wollte er es nicht benutzten.
Mace hätte es verstanden, wenn sie ihn an die Imperialen verraten hätte, um ihre Familie zu retten. Doch Dalia und ihren Mann, ihre eigene Familie, dem Feind auszuliefern, stellte für Mace etwas Unfassbares dar.
Mace musste seine Selbstdisziplin aufbringen, um nicht aus den Büschen zu springen. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn er ihr gegenüberstand. Da er nicht riskieren wollte, eine Dummheit zu begehen, beschloss er seinen Plan dementsprechend anzupassen.
Mace zog sein Comlink heraus. Er hoffte, dass er seinen Meister erreichen konnte. Sein Gefühl sagte ihm, dass er daran bereits früher hätte denken sollen. Er justierte die Frequenz mit einigen Drehungen an einem kleinen Kopf an der Seite des handlichen Geräts. Er stellte sie so ein, dass er sein Signal über die Frequenz versandte von der er wusste, dass sie Yuster benutzen würde. Anschließend hob er es bis knapp vor die Lippen und flüsterte: „Meister…?“ Er wartete einen Augenblick und erweiterte die Bandbreite der Frequenz: „Meister Yuster hört ihr mich?“

Ein weiterer Moment verging bis sich einen raue Mannerstimme, unterlegt von Interferenzen, meldete. „Da du die Funkstille, die ich dir aufgetragen habe, gebrochen hast, haben unsere Feinde wohl herausgefunden, wo wir uns versteckt haben.“

Mace versuchte die Unruhe und das Zittern in seiner Stimme zu vertreiben. Er verdrängte die sich überschlagenden Gefühle, die sich in ihm angestaut hatten, und hielt seine Stimme emotionslos, so weit es ihm möglich war. „ Eine Garnison Sturmtruppen mit zwei Offizieren und einer Zivilistin sind vor zehn Minuten hier angekommen und durchsuchen das Haus. Ich verstecke mich hinter einem Grünlaubbusch an der rechten Seite des Landegitters, ungefähr fünfhundert Meter vom Abhang entfernt.“

Die Erwiderung des Jedi-Meisters fiel ähnlich deutlich aus: „Ich will dass du keinen Kampf provozierst und dich versteckt hältst. Unter diesen Umständen kann ich nicht auf dem Landegitter landen, um dich an Bord zu holen, aber es gibt eine alternative Landemöglichkeit. Das Haus war bis vor einigen Jahren eine Forschungsanlage der Universität von Alderaan und es gibt eine Beobachtungsplattform die auf der Rückseite des Berges in eine Nische eingebaut worden ist. Dort werde ich in einer dreiviertel Stunde landen und warten.“

„Ich werde dort sein, Meister“, versprach Mace. Er hatte das Gefühl, dass der Jedi nicht lange warten würde, wenn er es nicht schaffte in der genannten Zeit dort zu sein. Mace verstaute das Comlink in einer Gürteltasche, nachdem er es deaktiviert hatte.
 
11​

Das kurze halbgefrorene Gras knirschte unter Mace´ Schritten. Er hatte die Hände verschränkt um seinen eiskalten Fingern ein wenig Wärme zu verschaffen. Er spürte den kalten Wind auf seinem Gesicht und dem Hals und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als eine warme Robe, wie sie die erwachsenen Jedi trugen oder wenigstens eine warme Jacke.
Beides war jedoch unerreichbar und er versuchte die Kälte, die durch seine dünne Tunika und Hose bis zur Haut vordrang, zu akzeptieren. Er hoffte die beißende Kälte würde nachlassen, wenn er sie annahm, denn so hatte er gelernt Schmerzen zu widerstehen. Man durfte sich nicht auf den Schmerz konzentrieren oder versuchen ihn zu verdrängen, sondern sollte sich stattdessen bewusst machen, dass der Schmerz eine Warnung des eigenen Körpers war. Wenn man dies einige Zeit tat, verlor der Schmerz an Intensität und wurde erträglicher.
Mace akzeptierte das Prickeln und Stechen des eisigen Windhauchs auf seiner Haut. Nach einigen Minuten wurde es zwar nicht wärmer, doch der Einfluss den der kalte Luftzug auf Mace hatte, nahm deutlich ab.
Mit dem Kopf geduckt zwischen den Schultern und verschränkten Armen stapfte Mace weiter den Berghang hinauf. Die atemberaubende Aussicht erregte seine Aufmerksamkeit nicht. Seine Gedanken waren nur auf sein Ziel, die Beobachtungsplattform gerichtet.

Vor ihm ragten zwei Bergspitzen auf, die ein schmaler Pass teilte. Sie waren leicht angeschneit, doch da der kühle Sommer auf Alderaan nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, würde dieser Schnee bald verschwunden sein. Der Berg sah neben seinen riesigen Brüdern wie ein Zwerg aus und war die kleinste Erhebung, die in diesem Teil des Planeten emporragte. Wahrscheinlich war deshalb hier die Forschungsstation errichtet worden. Es wäre mit viel höheren Kosten verbunden gewesen eine Forschungsstation im ewigen Eis eines Gletschers zu bauen.

Er rannte den Hang hinauf und keuchte vor Anstrengung. Es war damit bei weitem nicht mehr so kalt wie am Anfang seines Fußmarsches. Er benötigte dennoch weitere zehn Minuten bis er den Hang hinter sich gebrachte hatte und in den Schatten der Bergspitzen trat. Der Weg, der sich öffnete war felsig und fiel steil ab. Mace seufzte tief und resignierend.
Er hatte erwartet klettern zu müssen, jedoch hatte er die Hoffnung bewahrt, dass die Forscher, die hier vor langer Zeit tätig gewesen waren, keine Kletterprofis waren und eine Kletterhilfe dagelassen hatten. Mace hatte früh gelernt, dass es nichts half, wenn man sich beschwerte oder jammerte. Dadurch wurde der Verstand abgelenkt und verlor an Fokus, was wiederum dazu führte, dass man leichter Gefahr lief sich zu verletzen. Er begann sich einen Weg durch den schorfigen Stein zu suchen. Der Hang fiel in einem Winkel von ungefähr fünfundvierzig Grad ab und er brachte die Böschung halb kletternd und halb über den Kies rutschend hinter sich. Zwei Mal musste er sich mit den Händen abstützen und die spitzigen gesplitterten Steine bohrten sich in seine Handballen. Seine Hände waren verschwitzt, obwohl sie ein kalter Bergwind umwehte. Er hatte sich sichtlich angestrengt.
Vor Mace erstreckte sich ein kurzes Kiesfeld, das nach einigen Metern in eine kränklich wirkende Wiese überging. Einige Moosbewachsene Felsen lagen wahllos auf dem schwach geneigten Abhang verteilt. Da Mace sich in der für ihn unbekannten Umgebung orientieren musste, stolperte er bis zu einem schroffen Felsen, der Mace den Eindruck vermittelte, als würde er bei der kleinsten Berührungen den Abhang hinabstürzen. Aus diesem Grund trat er vorsichtshalber mit der Fußsohle gegen die Hinterseite des Felsens.
Der Steinbrocken rührte sich keinen Millimeter und Mace erklomm ihn. Von dieser erhöhten Position aus, hatte er einen guten Überblick über das wie ein Löffel geformte Tal, das sich unter ihm ausbreitete. Im Zentrum des Tals lag ein kleiner, klarer Bergsee, dessen Wasser eisig kalt sein würde, um einiges kälter als es die Luft war. Der Gedanke allein ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er konnte sich jetzt nichts Schöneres vorstellen, als im warmen duftenden Wasser einer Badewanne zu plantschen.
Mit einer Geste schüttelte er diese Wunschvorstellung ab und konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung. Er prägte sich die Aussicht gut ein und versuchte den möglichen Weg zur Beobachtungsplattform zu finden. Die Forscher hatten höchstwahrscheinlich ein Shuttle benutzt um vom Haus hier herauf zu fliegen, und deshalb keine Spuren am Boden hinterlassen, denen er hätte folgen können. Ein wenig ratlos sprang Mace von seinem Aussichtsfelsen herunter und sah sich nach allen Seiten um, als er nach unten ging.
Die Wiese war uneben und Mace musste sich anstrengen damit er vorankam. Es war genauso beschwerlich hinab zu gehen, als es das hinaufgehen gewesen war. Er hielt inne, um erneut nach einer Spur der Plattform Ausschau zu halten. Er ließ seinen Blick von einer Seite zur anderen schweifen und meinte, auf der rechten Seite hinter einem großen Felsbrocken den Schatten von etwas kantigem und unnatürlichem zu sehen. Mace glaubte, endlich ein Zeichen der Plattform gefunden zu haben. Ohne weiter nachzudenken eilte er schräg über den Hang weiter bergab, bis er bei dem Felsbrocken ankam. Neben dem rissigen Felsen fiel sein Blick auf eine Nische, die von einem Felsvorsprung an der steil abfallenden Seite des Bergs geformt wurde. Die Nische war offensichtlich mit Baulasern bearbeitet worden, da sie tiefer in den Berg ragte. Aus dieser ungünstigen Position, konnte Mace nur den sich im Licht befindlichen Teil der Plattform erkennen. Er furchte die Stirn und presste die Lippen aufeinander. Der Gedanke, dass dies ein perfekter Ort für einen Hinterhalt war, kam ihm in den Sinn.
Statt sich die Zeit zu nehmen alle für und wider abzuwiegen, suchte er mit seinen erweiterten Sinnen die Umgebung ab und fand was er suchte.

Der begradigte Boden der Spalter befand sich etwa zwei und ein viertel Meter unter seiner jetzigen Position und seine Fähigkeit über die Macht seine Umgebung zu erfassen reicht aus um die gesamte Kluft zu sondieren. Seine Vorsicht war berechtigt gewesen. Er fühlte deutlich die Anwesenheit der stumpfen Sturmtrupplerpräsenzen, sowie die Bedrohung, die von der strapazierten Geduld der Offiziere ausging und die, von Angst und unterdrückter Panik gepeinigte Melina Vandar. Mit seinen noch unzureichend geschulten Sinnen konnte er ihre Position jedoch nicht genau ausmachen, auch wenn er sich bemühte. Es beunruhigte ihn jedoch welch widersprüchliche Gefühle von Melina Vandar ausgingen. War sie nicht umgeben von ihren neuen Verbündeten in Sicherheit? Hatte sich Mace vielleicht geirrt?

Er schüttelte missmutig den Kopf und beschloss, dass er nahe liegender Probleme hatte.
Diese Frau hatte es geschafft allen Widrigkeiten zum Trotz am Leben zu bleiben, wo ihre Familie tot ist. Sie braucht meine Hilfe nicht. Sie verdient sie nicht, dachte Mace mit bitterer Genugtuung.
Dessen ungeachtet blieb Mace keine Wahl, als sich in die Grube des Rancors zu begeben und hinabzuklettern, da er unter keinen Umständen dorthin zurücklaufen konnte, wo er hergekommen war.
Er bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor und zog den Schwertgriff vom Gürtel.
Mace beruhigte seine Gedanken und suchte nach der Ruhe, die ihm helfen würde den Willen der Macht zu fühlen. Daraufhin begann er mit dem Abstieg.
Er kniete nieder und ließ sich die schroffe Steinwand hinab gleiten. Leicht fand er Halt mit den Füßen, doch der Berg war keine Trainingskletterwand. Die ungeschliffenen Kanten war scharf und unter seinem Körpergewicht brachen Steine ab, die lärmend auf der Beobachtungsplattform aufschlugen. Mace machte sich keine Sorgen, dass die Imperialen vorzeitig angreifen würden. Sie glaubten, dass er nichts ahnend herunter klettern würde und sie ihn nur gefangen nehmen mussten, wenn er auf der Ebene ankam. Mace würde ihnen diesen Gefallen nicht tun und stieß sich mit einem flinken Satz auf halber Höhe von der Mauer ab.
Er kam ohne Probleme auf dem glatt geschliffenen Stein auf und hatte den deaktivierten Lichtschwertgriff in beiden Händen. Mace spähte in die Tiefe der Nische, wo sich Gestalten zu regen begannen. Beinahe im selben Augenblick stürmten Sturmtruppen auf den Platz und umzingelten ihn. Er hob drohend sein Lichtschwert, doch sie eröffneten kein Feuer.
Der Kodex verbot, dass er angriff und deshalb wartete Mace, bis er gezwungen wurde sich zu verteidigen. Plötzlich vernahm er das Dröhnen von Turbinen eines Raumschiffes und blickte auf. Eine schlanke SoruSuub Yacht neuester Bauart zerteilte die Luft über ihren Köpfen mit ihrem schnittigen Bug. Mace fühlte die verschleierte Präsenz von Meister Yuster und wusste, dass dies das Schiff war, mit dem der Jedi geplant hatte, Alderaan zu verlassen.

Den Padawan erfüllte ein warmes Gefühl von Freude und die Gewissheit, dass er nie einen Grund gehabt hatte, dem Meister nicht voll und ganz zu vertrauen. Er ließ das Lichtschwert sinken.

Die störmlinienförmige Yacht kam näher und zu Mace´ Verwunderung verharrten die Sturmtruppler in Teilnahmslosigkeit und Passivität. Keiner von ihnen feuerte auf das sich nähernde Schiff. Mace verstand nicht, warum die Truppen des Imperiums das sich im Landeanflug befindliche Schiff nicht als feindlich gesinnt betrachteten. Die Yacht verharrte neben der Plattform in der Luft und die Rampe fuhr aus, da auf dem Landeplatz nicht genug Platz war, als das die Yacht auf festem Untergrund hätte landen können. Die Stabilisatoren hielten das Schiff, ohne dass es schwankte.

Meister Yuster verließ das Schiff und die beinahe schwarze Robe bauschte sich hinter ihm. Seine Schritte waren entschlossen und er holte weit aus und kein Zeichen deutete daraufhin, dass der Jedi-Meister auf Grund einer Verletzung manchmal einen Gehstock benötigte. Die Macht hatte sich um den Meister verdichtet und durchströmte ihn mit ihrer Kraft. Die starke Präsenz hatte etwas Allmächtiges an sich, das keinen Widersprach erlaubte und Gehorsam forderte.

Mace überfiel ein unheilvolles Frösteln und gleichzeitig spürte er, dass er mit halb offenem Mund starrte. Die Art, wie sich der Meister gekleidet hatte, hatte sich nicht verändert, doch Mace hatte das unwirkliche Gefühl, dass der Eindruck von Tiefe sich deutlicher hervorhob.

?Tretet zur Seite?, befahl er den weiß gepanzerten Gestalten vor ihm und sie taten es augenblicklich.
?Komm her, mein Junge?, rief er Mace mit einem fast väterlichen Ton entgegen.

Mace begriff immer noch nicht, was sich vor seinen Augen abspielte.

Als er sich in Bewegung setzte, rief völlig unerwartet eine weitere Stimme nach ihm.
Eine kränklich schwache Stimme, die zitterte wie die Flügel eines Piranhakäfers im ersten Sonnenschein von Yavin 4: ?Lass dich nicht fangen, Mace!?

Etliche Sturmtruppler verloren das Interesse an Mace und wandten sich der sprechenden Person zu, sie hoben ihre Repetiergewehre in Abschusshöhe.

Melina straffte sich und verhinderte so, dass sie zitterte: ?Sonst werden sie dich zu einem der ihren machen.? Die Frau, deren Gesicht von Leid und Angst zerfurcht war, begann zu schluchzen. ?Ich wollte den Schutz für meine Familie erkaufen, indem ich ihnen sagte, wo du bist, doch das war umsonst, weil ?? Sie wurde zurückgeschleudert wie von einer unsichtbaren Windböe getroffen und konnte den Satz nicht beenden.

Die Frau blieb bewusstlos liegen und ein Sturmtruppler legte ihr mit zwei schnellen Bewegungen Betäubungshandschellen an.

Mace jedoch hatte inne gehalten. Verwirrung und Schock ergriffen von ihm Besitz, wie betäubt stand er wenige Schritte von Yuster entfernt.

Er blickte dem alten Mann in die undruckdringlichen ernsten Züge und suchte darin die Wahrheit. Mace fand Zorn in den Augen des Mannes. Wie eine eiskalte Welle überrollte ihn die Erkenntnis: Zorn war ein Gefühl, das zur dunklen Seite führte. Dieser Mann war unmöglich ein Jedi. Vermutlich hatte man ihn aus dem Orden verbannt und er war nicht, wie er erzählt hatte, freiwillig gegangen. Er war verstoßen worden, weil die dunkle Seite sich seiner bemächtig hatte.

Im nächsten Moment griff Mace nach seinem Lichtschwert und wollte es aktivieren, um sich zu verteidigen. Ein bläulicher Strahl traf ihn in den Rücken und ließ seine Bewegung erstarren. Wie tot fiel er nach vorne, schlug hart auf dem Boden auf und blieb dort reglos liegen.

Yuster eilte zielstrebig an den Sturmtruppen vorbei, nahm Mace das Lichtschwert, das ihm aus der Hand gefallen war, ab, fühlte kurz seinen Puls und drehte sich zu den wartenden Sturmtruppen.
?Ich werde den Knaben persönlich zum Imperator Palpatine bringen.? Die Sturmtruppen machten keine Anstalten sich zu ihrem Fluggerät zu bewegen.

?Ich werde ihn mit meinem Schiff persönlich zum Kaiser bringen.?

Der Sturmtruppler mit der orange Plakette an der Schulter, die ihn als Commander auszeichnete, erwiderte gefühllos: ?Wir haben den Befehl den Flüchtigen unter allen Umständen nach Coruscant zu eskortieren.?

Yuster lächelte kalt: ?Meint ihr ich komme mit einem bewusstlosen Jungen nicht zurecht?? ?Befehl ist Befehl?, erklärte der Comander ungerührt. ?Dann erteile ich euch hiermit als spezieller Agent des Imperiums einen neuen Befehl: Kehrt zu eurem Truppenstützpunkt zurück und überlasst beide Gefangenen mir.? Yuster zeigte auf die bewusstlose Melina, ?mir. Ich werde sie auf Imperiale Center dem Geheimdienst zur weiteren Ermittlung in dieser Sache übergeben.?

Der Sturmtruppler zögerte einen Moment, doch schließlich nickte er und gab den Befehl weiter.

Yuster wandte sich von Mace ab und ging auf den schlaffen Körper der Frau zu. Er kniete sich neben sie, legte ihr die Hand auf die Stirn und flüsterte ihr Erwache ins Ohr. Yuster wartete bis Melina vor Panik mit den Armen um sich schlagend, sich aus seinem Griff zu befreien versuchte. Yuster hielt sie erbarmungslos mit einer Hand, die ihren dünnen Unterarm wie ein Schraubstock umfasste, fest. Der, den verlorenen Zwanzig angehörende Jedi-Meister drang mit der Macht als Verbündete in ihr Bewusstsein ein und durchforschte ihre Erinnerungen. Um seine Konzentration nicht zu stören, hatte er die Augen geschlossen und befand sich in einem tranceähnlichen Zustand.

In dem Gedächtnis der Frau lag verborgen zwischen Ängsten, Zweifeln und dem Wunsch ihre Lieben zu beschützen, die Erinnerung an Mace. Sie hatte den Jungen gefürchtet, ihn nicht verstanden und als Absonderlichkeit, die ihre Familie in Gefahr brachte, betrachtet.

Der ehemalige Jedi empfand, dass diese Frau viel Schlimmeres verdiente, als er ihr antat, indem er ihr Gedächtnis veränderte. Mit unerwarteter Leichtigkeit entriss er ihr die Erinnerung an Mace und versetzte sie mit der Macht in einen unnatürlichen Tiefschlaf. Anschließend ließ er sie getragen von seinen Gedanken waagrecht einen halben Meter in der Luft schweben. Er hob Mace hoch und trug den Jungen auf beiden Armen die Raumschifframpe hoch ins Schiff. Die Rampenhydraulik setzte sich ohne ein Geräusch in Bewegung und schloss die Luke hinter Melinas frei schwebendem Körper.
Ohne wertvolle Zeit zu vergeuden, machte sich Yuster daran, den Planeten zu verlassen. Zuvor schnallte er den besinnungslosen Mace auf die Liege in der Krankenstation des Schiffs und legte Melina auf die Andruckliege einer unbenutzten Koje.
 
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Eine Kaskade aus blauem Licht wirbelte vor den Sichtfenstern des Raumschiffes. Während des Hyperraumflugs war es unmöglich zu manövrieren, noch konnte man Signale senden oder empfangen. Es war als wäre man abgeschnitten vom Rest der Galaxie. Doch die Macht war überall und auch wenn die Grenzen von Raum und Zeit im Hyperraum nicht beachtet wurden, war das Energiefeld, welches die Jedi kurz als die Macht bezeichneten, im ständigen Fluss um den ehemaligen Jedi-Meister, als er auf die Schwingungen der Macht konzentriert in seiner Koje meditierte. Die Macht fand einen Fokus in Yuster und er zog neue Kraft aus ihr. Die Kraft, die er benötigte, um das Gedächtnis von Mace zu verändern.
Yuster hatte die Koordinaten für den Hyperraumsprung manuell eingegeben, da der Planet Brex in einer Region der Galaxie lag, die zum größten Teil nicht kartographiert war. Der Planet war unabhängig von jeglichen Handelsbeziehungen und es gab keinen regulären Hyperraumverkehr. Der Planet war der perfekte Ort, um einen Zehnjährigen vor dem Rest der Galaxie zu verstecken. Natürlich brauchte Mace jemanden, der sich um ihn kümmerte und das war ein weiterer Punkt, der für den Planeten sprach, weil einer seiner Bewohner Yuster einen Gefallen schuldete. Vor mehr als vier Jahrzehnten, als er selbst ein Padawan gewesen war, hatte ihn die vorletzte Mission mit seiner Meisterin nach Reecee geführt. Der Auftrag war einfach und schnell erledigt worden und erst kurz vor ihrem Abflug auf einem Frachter, dessen Pilot sich durch ihre Anwesenheit geehrt gefühlt hatte, hatte ein träumerischer, wie ein Farmerjunge aussehender Bursche ihn angerempelt, obwohl er abseits, vor dem Eingang des Miethangars 37-A mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt auf seine Meisterin gewartet hatte.
Die Ungeduld und die unterdrückte Wut auf seine Meisterin hatten ihn leicht reizbar gemacht. Sie hatte ihn ständig auf seine Fehler hingewiesen, Lob war Seltenheit und man hatte nicht ansatzweise in Erwägung ziehen dürfen, dass sie Unrecht haben könnte.

Jocasta Nu war für Ream Yuster der Inbegriff von Halsstarrigkeit.

An diesem Tag auf Reecee war Yuster zum ersten Mal einem Brexer begegnet. Sie waren Menschen, die sich durch Isolation völlig an ihre Heimatwelt, eine kalte Welt, die von ihrem Zwillingsplaneten Xnur umkreist wurde, angepasst hatten. Da auf Brex eine stärkere Gravitation herrschte, waren Brexer kleiner und kräftiger gebaut, ihre Haare, die Augen und die Haut waren hell und erinnerten ein wenig an Albinos, obwohl alle blau oder grün als Augenfarbe hatten und nicht, wie man annehmen hätte können, rot. Jedoch musste er zugeben, dass er nur ein einziges Mal auf Brex gewesen war. Er besuchte Derik, den jungen Mann, den er auf Reecee angefaucht hatte und einige Stunden später, auf der Suche nach seiner Meisterin, vor einer Banditenbanden rettete. Derik Dekari schuldete ihm seit damals einen Gefallen und nun würde er ihn einlösen.

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„Sie müssen keine Angst haben“, erklärte Yuster mit einschmeichelnder Stimme der Frau, die mit angezogenen Beinen auf der Beschleunigungsliege saß, die sich in einer Koje im Heck der sich im Hyperraum befindlichen Yacht befand. In ihren grünen Augen stand Unsicherheit und Panik. Sie hielt den alten Mann, der einige Meter entfernt in der Schleusentür stand, für einen Imperialen Agenten, der sie auf die imperiale Thronwelt, vormals Coruscant genannt, bringen würden. „Dieses Schiff fliegt nicht nach Coruscant.“ Yuster weigerte, sich den Planeten als Imperial Center anzuerkennen. „Ich möchte ihnen ein Angebot machen. Ich biete ihnen einen Neuanfang auf einer isolierten Welt, weit weg vom Imperium und weit weg von dem Verrat, für den sie verantwortlich sind.“

Die vor Frucht erstarrte Frau sah den Jedi misstrauisch an: „Was wollen sie von mir?“

„Nur eine Kleinigkeit, im Gegenzug dafür, dass ich sie nicht den Imperialen ausliefere.“

Melinas Körper begann Kraft zurück zu gewinnen und ihre Kooperationsbereitschaft schwand.
„Reden sie weiter.“

Yuster verschränkte die Hände vor der Brust und zauberte ein nachsichtiges Lächeln ins Gesicht. Er lockerte seine Haltung, dieses Gespräch würde noch einige Zeit dauern. „Wir sind auf dem Weg zu einem Planeten, der in einem Randbereich der unerforschten Region liegt.“

Yuster sah wie sich der Blick der Frau verdüsterte, er wusste, dass alle Wesen der bekannten Galaxie es vermieden, in die Nähe der unbekannten Region zu reisen. Einige glaubten sogar, dass sich dort unbekannte Mächte aufhielten, die danach strebten, die bekannte Galaxie zu erobern oder gar zu zerstören.

Für Ream Yuster war dies lächerlich. Seiner Meinung nach waren die Planeten in diesen Regionen deshalb nie katalogisiert worden, weil dort Spezies lebten, die die Kunst des interstellaren Flugs noch nicht entdeckt hatten.
„Der Planet wird von den Einheimischen Brex genannt und bildet zusammen mit seinem Bruder ein Zwillingsgestirn. Die Bewohner von Brex sind menschenähnlich, legen jedoch sehr großen Wert auf ihre Autonomie. Es gab seit mehr als tausend Jahren kaum Kontakt zwischen Brex und der Republik, was sich leicht erklären lässt, wenn man bedenkt, dass die ersten Kolonisten des Planeten Mandalorianer war. Seit dem Bruch mit dem Rest der Galaxie ist der Planet isoliert und seine Bewohner haben im Lauf der Jahrhunderte vergessen, wie man die Sterne bereist. Außerdem ist ihre Gesellschaft so autark, dass sie keinen Nutzen darin sehen ihre Heimat zu verlassen.“ Er fixierte Melina und senkte den Kopf verschwörerisch. „Wie sie bestimmt bemerkt haben, ist ein solcher Ort perfekt um sich zu verstecken. Die einzigen Brexer, die Brex in den letzten Jahrzehnten verlassen haben, waren auf die Hilfe und das Wissen von Außenseitern, wie Schmugglern, Händlern oder Piraten angewiesen, um wieder in ihre Heimatwelt zurückzukehren.“
Er fixierte sie mit undurchdringbarem jeglichen Widerstand brechendem Blick: „Was ich von ihnen will ist, dass sie, wenn ich sie auf Brex in die Obhut eines Freundes übergebe, auf den Jungen achten, den ich zusammen mit ihnen auf dem Planeten zurücklassen werde.“

„Warum ist der Junge wichtig?“, fragte Melina mit Misstrauen in der Stimme.

„Sein Name ist Mace und er war ein Jedi.“

„Darum wollten die Truppen ihn. Ich habe gehört, die führen einen regelrechten Krieg gegen Jedi.“ Melina verzog angewidert das Gesicht, „Soll ich etwa babysitten?“

Yuster nickte: „Und?“

„Ich werde Credits brauchen?“

Der alte Mann schüttelte den Kopf: „Auf Brex gibt es keine Credits und es ist auch nicht möglich zu tauschen. Mein Bekannter wird alles arrangieren.“

Melina biss sich auf die Lippe und blickte zu ihrem Gesprächspartner: „Werde ich den Planenten wieder verlassen können?“

„Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein, aber bedenken sie, dass sie nichts zu verlieren haben.“

„Geben sie mir Zeit darüber nachzudenken?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Wir landen in fünf Stunden, bis dahin haben sie Zeit.“ Yuster verließ einen Augenblick später die Kammer. Seine Schritte führten ihn zur Krankenstation.


***​

Eine kaum erleuchtete Halle breitete sich vor Mace aus. Er sah Schatten ohne Körper an den Wänden. Schwere Stille lastete auf ihm. Mace rannte an Gestalten, die regungslos zusammengekrümmt am Boden lagen, vorüber. Er hatte Angst davor, auf den Pflasterboden zu blicken. Mace rannte. Ohne Ziel, von dumpfer Panik und Furcht getrieben. Ohne zurückzublicken, von unheilvollen Schatten verfolgt, die ihn nicht fliehen lassen wollten.
Plötzlich öffnete sich vor ihm eine riesige Flügeltür und Licht blendete ihn. Er schirmte das Licht mit der Hand ab und schritt in den Raum.
Im nächsten Moment schlug Mace die Augen auf. Ein unerwarteter Schmerz traf ihn und er rang nach Atem. Er blinzelte und versuchte die Hände anzuheben. Seine Hände wurden von weichen Bändern festgehalten. Er wollte um sich schlagen, doch außer einem leisen Stöhnen brachte er nichts hervor. Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und er hörte eine Stimme, die ihn zu beruhigen versuchte: „Ruhig, Schüler.“

Mace schluckte, zwinkerte mit den Augen und spürte im selben Moment eine durchdringende Ruhe, von der er nicht gedacht hätte, sie noch in sich zu tragen. Als er zu den kantigen Zügen des Jedi-Meisters aufblickte, ging sein Pulsschlag gleichmäßig und sein Atem hatte sich beruhigt.
Mace´ meerblaue Augen begegneten den tief in den Augenhöhlen liegenden dunklen Augen von Meister Yuster und plötzlich drang ein greller Schmerz in Mace´ Kopf ein. Wie wenn eine fremde Macht sich Zugang zu seinen Gedanken verschafft hätte und jetzt alle verknüpften Neurone auseinander reißen und neu zusammensetzte würde.
Mace war entsetzt und zu schmerzerfüllt um zu schreien. Der Schock lähmte ihn. Er zitterte innerlich. Er versuchte sich zu befreien, doch kräftige Hände hielten ihn zurück. Mace verdrehte die Augen und das Weiß darin wurde sichtbar. Ein Film von Erinnerungen wurde vor seinem inneren Auge zerrissen und zerstückelt.
Für den alten Meister dauerte es nur wenige Momente, bis er mit seinen Sinnen den Ort lokalisierte, wo sich das Langzeitgedächtnis befand. Tief in die Gedanken eines anderen einzudringen war gefährlich und konnte viel Schaden verursachen. Wenn er nicht sorgfältig arbeitete und zu viele Verbindungen zerstörte, konnte es geschehen, dass er die Persönlichkeit des Jungen auslöschte. Der Umstand, dass Mace sich wehrte und in Panik geriet, machte alles komplizierter und langwieriger. Er manipulierte mit Feingefühl, das ihm die Macht verlieh, das empfindliche dichte Neuronengeflecht im äußeren Kortex. Wenn der Junge älter gewesen wäre, wäre es fast unmöglich gewesen nur die Erinnerungen an die Jedi zu löschen. Die Verbindungen wären zu eng verflochten, um nicht einen Teil auf Kosten eines anderen zu versperren und das ganze Geflecht einzureißen. Mace war jung und hatte sein Leben vor sich, die Erinnerungen an seine Kindheit im Tempel würden ihm mehr Gefahr als Nutzen sein und er hatte noch viele Jahre, um sich andere Erfahrungen anzueignen.

Der Knabe, der sich unter seinem Griff und den Haltebändern der Sanitätsliege wand, schluckte und stöhnte, bis die sich wild in seinem Schädel kreisenden Gedanken beruhigten.

Yuster spürte, wie sich Widerstand in Mace aufbaute. Mace begann eine mentale Barriere zu errichten. Yuster spürte den Drang zur Eile und den Willen des Jungen, ihn aus seinem Gehirn zu vertreiben. Er versuchte sich sanft zurückzuziehen, doch unerwartet wehrte sich das Unterbewusste des Kindes. Yuster wurde zurückgeworfen und flog beinahe gegen die Schiffsinnenwand. Als er sich hochzog, erkannte er, dass Mace das Bewusstsein verloren hatte. Yuster trat zur Sanitätsliege und sein Blick strich beunruhigt über Mace Gesicht. Alle Farbe war daraus gewichen und er atmete nur sehr flach. Der erste Impuls von Yuster war Mace über die Stirn zu streichen, doch er unterließ es. Yuster war schon lange kein Mitglied des Jedi-Ordens, mehr und Mace war nicht sein Schüler gewesen, obwohl der Padawan dies angenommen hatte. Yuster verbot sich Mitleid oder Bedauern zu empfinden. Er musste völlig von seinem Handeln überzeugt sein, um sich nicht sein restliches Leben mit Schuldgefühlen zu plagen.
Yuster verließ die Krankenstation. Er verbrachte die restliche Zeit im Hyperraum mit Meditieren.
 
Epilog

36 Wochen nach imperialer Zeitrechnung –
BREX


Der Sublichtfusionsantrieb war in der Herbstluft von Brex schnell abgekühlt. Wasser verdunstete von der Durastahlhülle in wabernden Wolken. Der Himmel lastete schwer über den verstreuten Nadelwäldern. Zwischen den spitzen Kronen hingen Nebelschwaden, die gemächlich in die Wolken übergingen. Die Luft war voll mit dem fremden, betörenden Geruch der Blaunadelbäume.
Einigen Klicks entfernt vom Landegitter, das eigentlich nur einen Piste aus Sand war, kreiste ein federloses Tier mit riesigen ledrigen Schwingen stumm über ein weites Ackerfeld, das trotz der späten Stunde noch von einem uralten, monströsen Agrardroiden bestellt wurde. Der klobige Körper des Droiden war als Schatten zwischen den gepflügten Furchen zu erkennen und ein unheimliches Knattern und Summen ging von der Maschine aus.

Mace war froh dicht an der Seite des alten Mannes zu stehen, der sich ihm vor einigen Stunden als Ream Yuster vorgestellt hatte. Yuster sprach mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht mit drei anderen Erwachsenen, zwei Männern und einer Frau.

Mace kannte keinen dieser Menschen und dennoch stellte er fest, dass die beiden Männer sich ähnlich sahen. Da einer um Jahrzehnte älter sein musste, war es für Mace offensichtlich, dass der jüngere Mann der Sohn des älteren war, oder die beiden eng miteinander verwandt waren. Weiters war es für Mace nicht zu übersehen – er erkannte es an der Haltung und wie sie miteinander sprachen – dass der jüngere der beiden Männer die Frau neben sich sehr mochte und auf ihre Argumente einzugehen versuchte.
Er hörte deutlich, auch wenn sie leise sprachen und versuchten, ihn auszuschließen, dass sie über ihn redeten. Er hörte seinen Namen mehr als einmal.

Mace fand es unfair, dass sie ihn nicht einbezogen und ignorierten, wo er doch ebenso sagen konnte, ob er hier bleiben wollte oder nicht. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Moment, als er seine Augen in der Schiffskrankenbucht aufgeschlagen hatte. Sein Kopf hatte sich angefühlt als hätte eine Schar Flederfalken mit ihren spitzen Schnäbeln auf ihn eingehackt. Er hatte Angst gehabt und war verwirrt gewesen. Mace konnte sich nicht vorstellen, was er getan hätte, wenn er bei dem Erwachen alleine gewesen wäre. Er hatte nicht gewusst, wo er war und was mit ihm geschehen war. Seine Erinnerung fehlte, bis zu dem Zeitpunkt, als er Historien vom Computer des Archivs auf sein Datapad herunterladen wollte und plötzlich Klonsoldaten der Großen Armee der Republik sein Zuhause gestürmt hatten und jeden getötet hatten, der dort gelebt hatte.
Mace wusste nicht warum, genauso wenig wusste er, was rechtfertigte, Soldaten in eine Schule zu schicken und Schüler und Lehrer umzubringen. Doch so war es gewesen, nur wenige hatten überlebt und mussten vor der neuen Regierung versteckt werden. Deshalb waren sie hier. Er würde bleiben müssen und warten, bis er den Planeten verlassen konnte oder bis jemand kam, um ihn mitzunehmen. Fürs Erste war er allein und so fühlte er sich auch. Seine Erinnerungen waren ein Sumpf aus undeutlichen Bildern und Aussagen eines fremden alten Mannes, der behauptete einer der Lehrer gewesen zu sein, die ihn unterrichtet hatten.
Mace wusste nicht was mit ihm geschehen war, doch er spürte, dass es Narben hinterlassen hatte. Seit er aufgewacht war, hatte er einige Male versucht sich zu erinnern, doch jedes Mal war er auf wirre, undeutliche Bilder und Gefühle gestoßen. Dies hatte Angst ausgelöst und aus dieser Furcht war nun Ungewissheit und Unsicherheit entstanden. Klar war, dass er hier versteckt wurde, weil die Sicherheitstruppen einer Diktatur ihn umbringen wollten, für etwas von dem er nicht wusste, was es war.
Er hatte keine Ahnung, wie weit er den Menschen trauen konnte, die sich scheinbar um ihn Sorgen machten. Wenn er sich an einen der Menschen erinnern könnte, wäre es leichter gewesen. Inzwischen war Mace in einen gemächlichen Trott verfallen und Yuster drängte ihn vorwärts, damit er nicht zurückblieb. Sie verließen die Landepiste und marschierten durch eine weitläufige Halle, die den Eindruck vermittelte eine verlassene Lagerhalle zu sein.
Mace bemerkte alte Droiden und Raumschiffteile, die sich neben Frachtkisten stapelten und einige dunkelhäutige Wesen mit sechs Beinen und einem spitz zulaufenden Maul, die zwischen unachtsam abgestellten Kisten und Teilen ihr Abendessen zu fangen versuchten.
Mace beobachtete die Tiere neugierig, erst als sie eine niedrige Flügeltür erreichten, wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen.

Neben der niedrigen hölzernen Flügeltür standen zwei bewaffnete, in blaue Uniformen gekleidete Männer. Sie sprachen etwas in ihr Comlink, als die kleine Gruppe sich näherte.
Die Männer kamen ihm bekannt vor. Nicht genau ihr Aussehen, sondern ihre blaue Uniform erinnerte ihn an etwas. Mace ertappte sich, dass er sie neugierig anstarrte und einer der beiden ihn freundlich angrinste und die Mütze über den strohblonden Haaren zu Recht rückte.

Yuster zog Mace mit einem sanften Druck weiter in das Innere des Gebäudes.

Die Wachmänner folgten ihnen und verriegelten die Tore, indem sie einen Mechanismus betätigten, der einige Riegel niedersausen ließ.

Der Gang, der sich vor Mace ausbreitete, rief Unbehagen hervor. Die Wände des Ganges waren mit riesigen Gemälden, Verschnörkelungen, kantigen Säulen, Statuen, Vasen auf Säulenpodesten in auffälligen Farben und mit seltsamen Mustern bedeckt. Mace musste sich Bemerkungen verkneifen, als sie an heroischen Bildern der, wie ihm schien, Brexer Geschichte vorbeieilten.

Tiefer im Gebäude erklärte ihm Yuster, dass er noch einiges mit den Menschen, die ihn bei sich aufnehmen würden, besprechen musste.

Mace beschwerte sich, dass sie nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden konnten und er wissen wollte, was los war.

Daraufhin erteilte ihm Yuster eine kräftige Rüge und erwiderte ruhig und bestimmt, dass dies Gespräche waren, die sich zwar um ihn drehten, jedoch auf einer Ebene bewegten, die er noch nicht verstand.

Mace musste sich zurückhalten, um Yuster nicht wütend anzuschreien. Er wusste, dass er sehr wohl verstehen würde, worüber sich die Erwachsenen unterhielten und dass es wichtig sein würde. Mace hielt sich jedoch zurück, der alte Mann mit den wachen Augen jagte ihm Respekt ein. Mit einem hörbaren Seufzer ließ er sich in einen Sessel in einem Vorraum des Konferenzsaales, in den die Erwachsenen verschwanden, sinken.
Einige Momente lang betrachtete er eine Vase mit leuchtend gelben Blumen, die auf einem sich nach oben verjüngenden Podest stand. Ein seltsamer Anblick fand Mace und blickte den Flur entlang.

Unbekannte Personen in rot-goldenen Roben schlenderten durch den Vorraum und unterhielten sich. Mace meinte etwas über eine Abstimmung zu hören und entschied, dass diese Menschen Politiker sein mussten.

Aus irgendeinem Grund kam ihm der Gedanke, dass er Politikern nicht traute. Er hielt den Großteil für korrupt.
Mace versuchte sich zu entspannen, da er vermutete, dass die Unterhaltung der Erwachsenen einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Er lehnte sich zurück, schwang die Füße auf die Couch, überkreuzte die Arme hinter dem Kopf und weil er merkte, wie sehr der Hyperraumflug an seinen Kräften gezehrt hatte, schloss er die Augen, um kurz auszuruhen.
Plötzlich hörte er neben sich eine angenehme Bassstimme und schreckte aus dem Halbschlaf auf.

Unbeholfen stemmte er sich hoch zu einer sitzenden Haltung. Mace´ Sinne waren betäubt vom Schlaf, sodass er die Worte des unbekannten Mannes nicht genau verstand, als er jedoch in die Richtung blickte, aus der die Laute kamen, sah er einen kleinen Mann in blauer Uniform, der seine Mütze locker in einer Hand hielt und sich mit der anderen durch die schütteren, blonden Haare strich.

Mace benötigte einen Augenblick um sich von dem Schreck zu erholen und starrte mit offenem Mund zu dem Uniformierten hinüber.
„Diese Sitzgelegenheit ist für wartende Gäste der Kanzlerin reserviert, man darf sich hier nicht nach Belieben hinlegen und ein Nickerchen machen“, erklärte der Unbekannte grimmig.
Mace stand ruckartig auf und strich mit der Hand über seinen wirren rotbraunen Haarschopf: „Das wusste ich nicht, weil ich erst vor kurzem hier angekommen bin, aber wenn diese Tür“, er deutete nach links zur runden Schleusentür, „ zum Büro der Kanzlerin führt, dann spricht ihre Kanzlerin gerade mit dem Mann, der mich her gebracht hat und diskutiert darüber was mit mir geschehen soll.“ Der Klang seiner Stimme war säuerlich und ein wenig ironisch. „Natürlich ohne mich, ich soll dann das tun was sie für richtig halten.“

Die Stimme des Mannes wurde freundlicher und ein wenig Bedauern schwang mit: „Nun dann kannst du hier bleiben. Ich dachte einen Moment lang einer der Kadetten vom Gardistenlehrgang hätte sich hierher verirrt.“

Der letzte Satz des Mannes zog Mace´ Neugier auf sich: „Was meinen sie mit Kadetten und Gardistenlehrgang?“

Plötzlich alarmiert sah ihn der Mann erschrocken an: „Du kommst nicht vom östlichen Bezirk, oder?“
Mace schüttelte verwirrt den Kopf und die Erschrockenheit des Mannes grub sich tiefer in seine Züge. „Du bist dann mit einem Sternenschiff gekommen?“

Mace nickte unschuldig und erwiderte: „Ja.“ Er zuckte mit den Achseln. „Aber das ist doch nichts Besonderes.“

Der Mann wich ein wenig zurück: „Außenweltler sind auf Brex nicht willkommen.“

Mace machte einen Schritt auf den Gardisten zu und versuchte das Gespräch wieder aufzunehmen: „Aber…“

Der Mann reagierte nicht und marschierte schnurstracks zur Tür des Kanzlerbüros.

Bevor er sie erreichte wurde sie geöffnet und Ream, die Kanzlerin, gefolgt von ihrem Mann und dessen Vater, verließen die Büroräume.

„Oberst Neers, warum haben sie ihren Posten verlassen?“ fragte die Kanzlerin in einem milden Befehlston.

Der Gardist, der nur um einige Zentimeter größer war als die Kanzlerin in ihrem hochgeschlossenen pfirsichfarbenen Kleid, salutierte und entgegnete zackig: „Madam, ich wollte die unbefugte Anwesenheit eines Außenweltlers melden.“

Die Frau mit den feinen, glatten Zügen, dem schmalen Mund und den dünnen Augenbrauen schwenkte ihre zierliche Hand: „Der Knabe ist auf meinen ausdrücklichen Wunsch hier und wird auch für einige Zeit hier bleiben, vielleicht sogar für immer, wenn er dies wünscht.“ Hinter dem gebieterischen Blick, der dem Gardisten gewidmet war, entdeckte Mace Zuneigung, die auf Mitgefühl zu gründen schien, als sie sich ihm zuwandte.

Verwirrung erfasste Mace. Er wusste nicht wie weit diese Mitgefühl oder die daraus resultierende Zuneigung gerechtfertigt war. Für Mace war es falsch, wenn Yuster der Kanzlerin irgendeine schreckliche Geschichte erzählt hatte, nur um sicher zu gehen, dass er hier bleiben durfte. Er hasste es, wenn Lügen verbreitet wurden, um irgendeinem vermeintlich höheren Zweck zu dienen. Ganz besonders wenn jemand ihm so einen Gefallen tun wollte. Er selbst log nur äußerst selten, da ihm das Talent und das Interesse für die Kunst der Täuschung fehlten. Für ihn war es erheblich leichter die Wahrheit zu sagen, auch wenn dies gefährlich sein konnte.

Inzwischen hatten alle Beteiligte die Vorhalle des Büros betreten und Mace merkte an der Haltung des Uniformierten, dass ihm unwohl war. Ream Yuster war der größte im Raum und seine Gestalt unterschied sich deutlich von denen, die ihn umgaben. Seine Haltung spiegelte seine innere Ruhe und Stärke wider, ebenso deutlich Überlegenheit. Trotz dessen hielt er sich zurück und schenkte seine Aufmerksamkeit dem älteren Brexer. In der Art wie sie miteinander sprachen, erkannte Mace, dass sie sich seit einiger Zeit gut kannten.

Einen Schritt schräg hinter der Kanzlerin stand ihr junger Begleiter. Er war ein wenig größer als die wohlgeformte Frau in der trefflichen, mit Stickereien verzierten Robe, doch durch den reservierten Eindruck, den er vermittelte, wirkte er kleiner und bescheidener.

Der ältere, hellhäutige Mann mit dem kräftigen Kinn erinnerte Mace an einen in die Jahre gekommenen Soldaten. Er hatte breite Schultern, kurze borstige Haare, helle Augen und tiefe Kanten und Furchen, die sich ins Gesicht gegraben hatten. Seine Gestalt wirkte kräftig und sehnig, wie ein wildes Tier, das gelernt hatte zu überleben.
Der Mann löste Respekt aus und, wenn sich nicht völlig überraschend sein grimmiges Gesicht in ein Lächeln verwandelt hätte, als Yuster ihm etwas zuflüsterte, hätte Mace angenommen dieser Mann wäre nicht fähig, Freude zu zeigen.

„Aber Madam, den Autonomie-Gesetzen nach, steht auf das Eindringen in Brexer-Territorium die Höchststrafe“, ergänzte der verunsicherte Gardist.

Mit einem skeptischen Blick, der bereits an Belustigung grenzte, erwiderte die Kanzlerin mit erhobenen Mundwinkeln. „Sie wollen doch nicht vorschlagen einen Zehnjährigen hinzurichten, der von einem geschätzten Freund Ihres ehemaligen Hauptmanns hergebracht wurde. Jemand, der durch den Umsturz der galaktischen Regierung zu einem Flüchtling geworden ist und in Sicherheit gebracht werden muss.“

Ein kalter Schauer ließ Mace frösteln. Diese Abgrenzung vom Rest der Galaxie war Mace völlig fremd. Außerdem empfand er jegliche Art von Todesstrafe als ungerechtfertigt. Vielleicht war seine Sicht der Dinge naiv oder kindlich, doch seiner Weltanschauung nach hatte niemand den Tod verdient. Es konnte durchaus sein, dass er noch niemanden getroffen hatte, der so böse war, dass es keine Möglichkeit gab außer denjenigen zu töten, um weitere unheilvolle Taten zu verhindern. Mace verlangsamte seinen Gang, um Abstand zwischen sich und die Erwachsenen zu bringen. Er kam nicht umhin misstrauisch zu sein, obgleich er keinen Grund nennen konnte, sondern nur ein ungutes Gefühl empfand.

„Nein, natürlich nicht, Madam. Es liegt nicht in meiner Zuständigkeit mir über solche Dinge Sorgen zu machen“, erklärte der Gardist.

„Nun, dann werdet ihr entschuldigen, es gibt andere Dinge zu tun.“ Die Kanzlerin schritt an dem Gardisten vorbei.

Yuster packte Mace bei der Schulter und zog ihn sanft neben sich den Gang hinunter, hinter der Kanzlerin her. „Mace, dieser Mann hier ist Derik Dekari.“

Der ältere, breitschultrige Brexer hielt Mace seine Hand hin und Mace ergriff sie. Wenn Mace seinem Gefühl gefolgt wäre, hatte er sich verbeugt, doch da ihm der alte Brexer Hand entgegen hielt ergriff er diese nach kurzem Zögern.

Yuster sprach unbeirrt weiter, während Mace seine Hand aus dem festen schwieligen Händedruck löste. „Derik ist ein guter Freund und weil er der Hauptmann der Kanzlergarde war und der Schwiegervater der Kanzlerin ist, ist sein Einfluss auf Brex gleich bedeutend, wie der des amtierenden Hauptmanns. Ihm hast du zu verdanken, dass du bleiben kannst.“ Yuster sah zu Mace und bemerkte den erwartungsvollen Ausdruck im Gesicht des Jungen, die Zeit war gekommen ihm zu eröffnen, was geschehen würde.
„Du wirst hier unter der Obhut dieser Familie leben, bis die Gefahr vorbei ist.“ Yuster versuchte eine Reaktion in den hellen Augen des Jungen zu erkennen.

Mace reagierte nicht.
Yuster wurde ein weiteres Mal überrascht. Obwohl er den Großteil seines Gedächtnisses verloren hatte, hatte der Junge seinen Scharfsinn und Intuition behalten. „Was werdet Ihr tun?“

Yuster versuchte aufmunternd zu lächeln, was ihm nur halbherzig gelang: „Ich werde den Planeten in Richtung Kernwelten verlassen. Dort warten einige Leute auf mich.“
Dieser Satz rief Yuster in Erinnerung, wie viele lose Enden es in dem Geflecht, das sein Leben darstellte, gab. Nach dem Tod seines Sohnes schien sich ein riesiger Teil dieses Geflechts aufgelöst zu haben. Er hatte Menschen verletzt, die ihm wichtig waren und ohne Ziel vor sich hin gelebt. Plötzlich hatte er das Gefühl, das ändern zu müssen. Den Grund für diesen Sinneswandel konnte er nur in dem Lebenswillen des Jungen begründen.

Mace hatte ebenso viel verloren wie er selbst und doch gab er nicht auf, dies hatte einen Teil von Yuster wieder belebt, den er bereits verloren glaubte. „Ich hoffe wir sehen uns irgendwann wieder“, erklärte Mace mit einem unschuldigen schiefen Lächeln.

Yuster klopfte ihm sanft auf die Schulter und entgegnete: „Ganz bestimmt irgendwann.“
Ream Yuster war der Gedanke, Mace auf einem anderen Planeten zu begegnen unangenehm. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass die Imperialen ihre Jagd nach dem Jungen fortsetzten, obwohl es jetzt, da ihm die Erinnerung an seinen früheren Jedi-Fähigkeiten fehlte, keinen Grund mehr gab, ihn zu verfolgen. Vielleicht war es der Gedanke, den Knaben an diese dunkle und heimtückische Galaxie zu verlieren, der ihm Unbehagen bereitete. Für Yuster stand fest, dass es Mace besser gehen würde, wenn er sein Leben lang auf Brex blieb und sich nicht in das Schicksal der restlichen Galaxie einmischte.
Er hatte mit Melina Vandar eine gute Aufpasserin für Mace gefunden. Die Frau des ermordeten Senators hatte zugestimmt, auf Brex zu bleiben, nach Mace zu sehen und jeden Monat einen kodierten Bericht an seine private Yacht zu schicken. So würde Yuster es erfahren, wenn Mace den Planeten verließ oder ihm etwas geschah. Eine reine Vorsichtsmaßnahme und Melinas Anwesenheit wäre dadurch gerechtfertigt.
„Ich habe alles gesagt. Also muss ich mich jetzt verabschieden, Mace. Ich hasse lange Verabschiedungen, wir sollten uns kurz halten. Auf Wiedersehen und dir ebenso mein alter Freund.“ Yuster legte Mace die Hand freundschaftlich auf die Schulter und umarmte den alten Hauptmann neben sich.
Anschließend wartete er bis Mace, Derik Dekari und der Rest der Familie außer Sicht waren, dann ging er alleine durch die Gänge zurück zum Landedeck, um endlich die Schuld, die, auf seinen Schultern lastete, abzutragen.
 
Epilog

36 Wochen nach imperialer Zeitrechnung ?
BREX


Der Sublichtfusionsantrieb war in der Herbstluft von Brex schnell abgekühlt. Wasser verdunstete von der Durastahlhülle in wabernden Wolken. Der Himmel lastete schwer über den verstreuten Nadelwäldern. Zwischen den spitzen Kronen hingen Nebelschwaden, die gemächlich in die Wolken übergingen. Die Luft war voll mit dem fremden, betörenden Geruch der Blaunadelbäume.
Einigen Klicks entfernt vom Landegitter, das eigentlich nur einen Piste aus Sand war, kreiste ein federloses Tier mit riesigen ledrigen Schwingen stumm über ein weites Ackerfeld, das trotz der späten Stunde noch von einem uralten, monströsen Agrardroiden bestellt wurde. Der klobige Körper des Droiden war als Schatten zwischen den gepflügten Furchen zu erkennen und ein unheimliches Knattern und Summen ging von der Maschine aus.

Mace war froh dicht an der Seite des alten Mannes zu stehen, der sich ihm vor einigen Stunden als Ream Yuster vorgestellt hatte. Yuster sprach mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht mit drei anderen Erwachsenen, zwei Männern und einer Frau.

Mace kannte keinen dieser Menschen und dennoch stellte er fest, dass die beiden Männer sich ähnlich sahen. Da einer um Jahrzehnte älter sein musste, war es für Mace offensichtlich, dass der jüngere Mann der Sohn des älteren war, oder die beiden eng miteinander verwandt waren. Weiters war es für Mace nicht zu übersehen ? er erkannte es an der Haltung und wie sie miteinander sprachen ? dass der jüngere der beiden Männer die Frau neben sich sehr mochte und auf ihre Argumente einzugehen versuchte.
Er hörte deutlich, auch wenn sie leise sprachen und versuchten, ihn auszuschließen, dass sie über ihn redeten. Er hörte seinen Namen mehr als einmal.

Mace fand es unfair, dass sie ihn nicht einbezogen und ignorierten, wo er doch ebenso sagen konnte, ob er hier bleiben wollte oder nicht. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Moment, als er seine Augen in der Schiffskrankenbucht aufgeschlagen hatte. Sein Kopf hatte sich angefühlt als hätte eine Schar Flederfalken mit ihren spitzen Schnäbeln auf ihn eingehackt. Er hatte Angst gehabt und war verwirrt gewesen. Mace konnte sich nicht vorstellen, was er getan hätte, wenn er bei dem Erwachen alleine gewesen wäre. Er hatte nicht gewusst, wo er war und was mit ihm geschehen war. Seine Erinnerung fehlte, bis zu dem Zeitpunkt, als er Historien vom Computer des Archivs auf sein Datapad herunterladen wollte und plötzlich Klonsoldaten der Großen Armee der Republik sein Zuhause gestürmt hatten und jeden getötet hatten, der dort gelebt hatte.
Mace wusste nicht warum, genauso wenig wusste er, was rechtfertigte, Soldaten in eine Schule zu schicken und Schüler und Lehrer umzubringen. Doch so war es gewesen, nur wenige hatten überlebt und mussten vor der neuen Regierung versteckt werden. Deshalb waren sie hier. Er würde bleiben müssen und warten, bis er den Planeten verlassen konnte oder bis jemand kam, um ihn mitzunehmen. Fürs Erste war er allein und so fühlte er sich auch. Seine Erinnerungen waren ein Sumpf aus undeutlichen Bildern und Aussagen eines fremden alten Mannes, der behauptete einer der Lehrer gewesen zu sein, die ihn unterrichtet hatten.
Mace wusste nicht was mit ihm geschehen war, doch er spürte, dass es Narben hinterlassen hatte. Seit er aufgewacht war, hatte er einige Male versucht sich zu erinnern, doch jedes Mal war er auf wirre, undeutliche Bilder und Gefühle gestoßen. Dies hatte Angst ausgelöst und aus dieser Furcht war nun Ungewissheit und Unsicherheit entstanden. Klar war, dass er hier versteckt wurde, weil die Sicherheitstruppen einer Diktatur ihn umbringen wollten, für etwas von dem er nicht wusste, was es war.
Er hatte keine Ahnung, wie weit er den Menschen trauen konnte, die sich scheinbar um ihn Sorgen machten. Wenn er sich an einen der Menschen erinnern könnte, wäre es leichter gewesen. Inzwischen war Mace in einen gemächlichen Trott verfallen und Yuster drängte ihn vorwärts, damit er nicht zurückblieb. Sie verließen die Landepiste und marschierten durch eine weitläufige Halle, die den Eindruck vermittelte eine verlassene Lagerhalle zu sein.
Mace bemerkte alte Droiden und Raumschiffteile, die sich neben Frachtkisten stapelten und einige dunkelhäutige Wesen mit sechs Beinen und einem spitz zulaufenden Maul, die zwischen unachtsam abgestellten Kisten und Teilen ihr Abendessen zu fangen versuchten.
Mace beobachtete die Tiere neugierig, erst als sie eine niedrige Flügeltür erreichten, wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen.

Neben der niedrigen hölzernen Flügeltür standen zwei bewaffnete, in blaue Uniformen gekleidete Männer. Sie sprachen etwas in ihr Comlink, als die kleine Gruppe sich näherte.
Die Männer kamen ihm bekannt vor. Nicht genau ihr Aussehen, sondern ihre blaue Uniform erinnerte ihn an etwas. Mace ertappte sich, dass er sie neugierig anstarrte und einer der beiden ihn freundlich angrinste und die Mütze über den strohblonden Haaren zu Recht rückte.

Yuster zog Mace mit einem sanften Druck weiter in das Innere des Gebäudes.

Die Wachmänner folgten ihnen und verriegelten die Tore, indem sie einen Mechanismus betätigten, der einige Riegel niedersausen ließ.

Der Gang, der sich vor Mace ausbreitete, rief Unbehagen hervor. Die Wände des Ganges waren mit riesigen Gemälden, Verschnörkelungen, kantigen Säulen, Statuen, Vasen auf Säulenpodesten in auffälligen Farben und mit seltsamen Mustern bedeckt. Mace musste sich Bemerkungen verkneifen, als sie an heroischen Bildern der, wie ihm schien, Brexer Geschichte vorbeieilten.

Tiefer im Gebäude erklärte ihm Yuster, dass er noch einiges mit den Menschen, die ihn bei sich aufnehmen würden, besprechen musste.

Mace beschwerte sich, dass sie nicht über seinen Kopf hinweg entscheiden konnten und er wissen wollte, was los war.

Daraufhin erteilte ihm Yuster eine kräftige Rüge und erwiderte ruhig und bestimmt, dass dies Gespräche waren, die sich zwar um ihn drehten, jedoch auf einer Ebene bewegten, die er noch nicht verstand.

Mace musste sich zurückhalten, um Yuster nicht wütend anzuschreien. Er wusste, dass er sehr wohl verstehen würde, worüber sich die Erwachsenen unterhielten und dass es wichtig sein würde. Mace hielt sich jedoch zurück, der alte Mann mit den wachen Augen jagte ihm Respekt ein. Mit einem hörbaren Seufzer ließ er sich in einen Sessel in einem Vorraum des Konferenzsaales, in den die Erwachsenen verschwanden, sinken.
Einige Momente lang betrachtete er eine Vase mit leuchtend gelben Blumen, die auf einem sich nach oben verjüngenden Podest stand. Ein seltsamer Anblick fand Mace und blickte den Flur entlang.

Unbekannte Personen in rot-goldenen Roben schlenderten durch den Vorraum und unterhielten sich. Mace meinte etwas über eine Abstimmung zu hören und entschied, dass diese Menschen Politiker sein mussten.

Aus irgendeinem Grund kam ihm der Gedanke, dass er Politikern nicht traute. Er hielt den Großteil für korrupt.
Mace versuchte sich zu entspannen, da er vermutete, dass die Unterhaltung der Erwachsenen einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Er lehnte sich zurück, schwang die Füße auf die Couch, überkreuzte die Arme hinter dem Kopf und weil er merkte, wie sehr der Hyperraumflug an seinen Kräften gezehrt hatte, schloss er die Augen, um kurz auszuruhen.
Plötzlich hörte er neben sich eine angenehme Bassstimme und schreckte aus dem Halbschlaf auf.

Unbeholfen stemmte er sich hoch zu einer sitzenden Haltung. Mace´ Sinne waren betäubt vom Schlaf, sodass er die Worte des unbekannten Mannes nicht genau verstand, als er jedoch in die Richtung blickte, aus der die Laute kamen, sah er einen kleinen Mann in blauer Uniform, der seine Mütze locker in einer Hand hielt und sich mit der anderen durch die schütteren, blonden Haare strich.

Mace benötigte einen Augenblick um sich von dem Schreck zu erholen und starrte mit offenem Mund zu dem Uniformierten hinüber.
?Diese Sitzgelegenheit ist für wartende Gäste der Kanzlerin reserviert, man darf sich hier nicht nach Belieben hinlegen und ein Nickerchen machen?, erklärte der Unbekannte grimmig.
Mace stand ruckartig auf und strich mit der Hand über seinen wirren rotbraunen Haarschopf: ?Das wusste ich nicht, weil ich erst vor kurzem hier angekommen bin, aber wenn diese Tür?, er deutete nach links zur runden Schleusentür, ? zum Büro der Kanzlerin führt, dann spricht ihre Kanzlerin gerade mit dem Mann, der mich her gebracht hat und diskutiert darüber was mit mir geschehen soll.? Der Klang seiner Stimme war säuerlich und ein wenig ironisch. ?Natürlich ohne mich, ich soll dann das tun was sie für richtig halten.?

Die Stimme des Mannes wurde freundlicher und ein wenig Bedauern schwang mit: ?Nun dann kannst du hier bleiben. Ich dachte einen Moment lang einer der Kadetten vom Gardistenlehrgang hätte sich hierher verirrt.?

Der letzte Satz des Mannes zog Mace´ Neugier auf sich: ?Was meinen sie mit Kadetten und Gardistenlehrgang??

Plötzlich alarmiert sah ihn der Mann erschrocken an: ?Du kommst nicht vom östlichen Bezirk, oder??
Mace schüttelte verwirrt den Kopf und die Erschrockenheit des Mannes grub sich tiefer in seine Züge. ?Du bist dann mit einem Sternenschiff gekommen??

Mace nickte unschuldig und erwiderte: ?Ja.? Er zuckte mit den Achseln. ?Aber das ist doch nichts Besonderes.?

Der Mann wich ein wenig zurück: ?Außenweltler sind auf Brex nicht willkommen.?

Mace machte einen Schritt auf den Gardisten zu und versuchte das Gespräch wieder aufzunehmen: ?Aber??

Der Mann reagierte nicht und marschierte schnurstracks zur Tür des Kanzlerbüros.

Bevor er sie erreichte wurde sie geöffnet und Ream, die Kanzlerin, gefolgt von ihrem Mann und dessen Vater, verließen die Büroräume.

?Oberst Neers, warum haben sie ihren Posten verlassen?? fragte die Kanzlerin in einem milden Befehlston.

Der Gardist, der nur um einige Zentimeter größer war als die Kanzlerin in ihrem hochgeschlossenen pfirsichfarbenen Kleid, salutierte und entgegnete zackig: ?Madam, ich wollte die unbefugte Anwesenheit eines Außenweltlers melden.?

Die Frau mit den feinen, glatten Zügen, dem schmalen Mund und den dünnen Augenbrauen schwenkte ihre zierliche Hand: ?Der Knabe ist auf meinen ausdrücklichen Wunsch hier und wird auch für einige Zeit hier bleiben, vielleicht sogar für immer, wenn er dies wünscht.? Hinter dem gebieterischen Blick, der dem Gardisten gewidmet war, entdeckte Mace Zuneigung, die auf Mitgefühl zu gründen schien, als sie sich ihm zuwandte.

Verwirrung erfasste Mace. Er wusste nicht wie weit diese Mitgefühl oder die daraus resultierende Zuneigung gerechtfertigt war. Für Mace war es falsch, wenn Yuster der Kanzlerin irgendeine schreckliche Geschichte erzählt hatte, nur um sicher zu gehen, dass er hier bleiben durfte. Er hasste es, wenn Lügen verbreitet wurden, um irgendeinem vermeintlich höheren Zweck zu dienen. Ganz besonders wenn jemand ihm so einen Gefallen tun wollte. Er selbst log nur äußerst selten, da ihm das Talent und das Interesse für die Kunst der Täuschung fehlten. Für ihn war es erheblich leichter die Wahrheit zu sagen, auch wenn dies gefährlich sein konnte.

Inzwischen hatten alle Beteiligte die Vorhalle des Büros betreten und Mace merkte an der Haltung des Uniformierten, dass ihm unwohl war. Ream Yuster war der größte im Raum und seine Gestalt unterschied sich deutlich von denen, die ihn umgaben. Seine Haltung spiegelte seine innere Ruhe und Stärke wider, ebenso deutlich Überlegenheit. Trotz dessen hielt er sich zurück und schenkte seine Aufmerksamkeit dem älteren Brexer. In der Art wie sie miteinander sprachen, erkannte Mace, dass sie sich seit einiger Zeit gut kannten.

Einen Schritt schräg hinter der Kanzlerin stand ihr junger Begleiter. Er war ein wenig größer als die wohlgeformte Frau in der trefflichen, mit Stickereien verzierten Robe, doch durch den reservierten Eindruck, den er vermittelte, wirkte er kleiner und bescheidener.

Der ältere, hellhäutige Mann mit dem kräftigen Kinn erinnerte Mace an einen in die Jahre gekommenen Soldaten. Er hatte breite Schultern, kurze borstige Haare, helle Augen und tiefe Kanten und Furchen, die sich ins Gesicht gegraben hatten. Seine Gestalt wirkte kräftig und sehnig, wie ein wildes Tier, das gelernt hatte zu überleben.
Der Mann löste Respekt aus und, wenn sich nicht völlig überraschend sein grimmiges Gesicht in ein Lächeln verwandelt hätte, als Yuster ihm etwas zuflüsterte, hätte Mace angenommen dieser Mann wäre nicht fähig, Freude zu zeigen.

?Aber Madam, den Autonomie-Gesetzen nach, steht auf das Eindringen in Brexer-Territorium die Höchststrafe?, ergänzte der verunsicherte Gardist.

Mit einem skeptischen Blick, der bereits an Belustigung grenzte, erwiderte die Kanzlerin mit erhobenen Mundwinkeln. ?Sie wollen doch nicht vorschlagen einen Zehnjährigen hinzurichten, der von einem geschätzten Freund Ihres ehemaligen Hauptmanns hergebracht wurde. Jemand, der durch den Umsturz der galaktischen Regierung zu einem Flüchtling geworden ist und in Sicherheit gebracht werden muss.?

Ein kalter Schauer ließ Mace frösteln. Diese Abgrenzung vom Rest der Galaxie war Mace völlig fremd. Außerdem empfand er jegliche Art von Todesstrafe als ungerechtfertigt. Vielleicht war seine Sicht der Dinge naiv oder kindlich, doch seiner Weltanschauung nach hatte niemand den Tod verdient. Es konnte durchaus sein, dass er noch niemanden getroffen hatte, der so böse war, dass es keine Möglichkeit gab außer denjenigen zu töten, um weitere unheilvolle Taten zu verhindern. Mace verlangsamte seinen Gang, um Abstand zwischen sich und die Erwachsenen zu bringen. Er kam nicht umhin misstrauisch zu sein, obgleich er keinen Grund nennen konnte, sondern nur ein ungutes Gefühl empfand.

?Nein, natürlich nicht, Madam. Es liegt nicht in meiner Zuständigkeit mir über solche Dinge Sorgen zu machen?, erklärte der Gardist.

?Nun, dann werdet ihr entschuldigen, es gibt andere Dinge zu tun.? Die Kanzlerin schritt an dem Gardisten vorbei.

Yuster packte Mace bei der Schulter und zog ihn sanft neben sich den Gang hinunter, hinter der Kanzlerin her. ?Mace, dieser Mann hier ist Derik Dekari.?

Der ältere, breitschultrige Brexer hielt Mace seine Hand hin und Mace ergriff sie. Wenn Mace seinem Gefühl gefolgt wäre, hatte er sich verbeugt, doch da ihm der alte Brexer Hand entgegen hielt ergriff er diese nach kurzem Zögern.

Yuster sprach unbeirrt weiter, während Mace seine Hand aus dem festen schwieligen Händedruck löste. ?Derik ist ein guter Freund und weil er der Hauptmann der Kanzlergarde war und der Schwiegervater der Kanzlerin ist, ist sein Einfluss auf Brex gleich bedeutend, wie der des amtierenden Hauptmanns. Ihm hast du zu verdanken, dass du bleiben kannst.? Yuster sah zu Mace und bemerkte den erwartungsvollen Ausdruck im Gesicht des Jungen, die Zeit war gekommen ihm zu eröffnen, was geschehen würde.
?Du wirst hier unter der Obhut dieser Familie leben, bis die Gefahr vorbei ist.? Yuster versuchte eine Reaktion in den hellen Augen des Jungen zu erkennen.

Mace reagierte nicht.
Yuster wurde ein weiteres Mal überrascht. Obwohl er den Großteil seines Gedächtnisses verloren hatte, hatte der Junge seinen Scharfsinn und Intuition behalten. ?Was werdet Ihr tun??

Yuster versuchte aufmunternd zu lächeln, was ihm nur halbherzig gelang: ?Ich werde den Planeten in Richtung Kernwelten verlassen. Dort warten einige Leute auf mich.?
Dieser Satz rief Yuster in Erinnerung, wie viele lose Enden es in dem Geflecht, das sein Leben darstellte, gab. Nach dem Tod seines Sohnes schien sich ein riesiger Teil dieses Geflechts aufgelöst zu haben. Er hatte Menschen verletzt, die ihm wichtig waren und ohne Ziel vor sich hin gelebt. Plötzlich hatte er das Gefühl, das ändern zu müssen. Den Grund für diesen Sinneswandel konnte er nur in dem Lebenswillen des Jungen begründen.

Mace hatte ebenso viel verloren wie er selbst und doch gab er nicht auf, dies hatte einen Teil von Yuster wieder belebt, den er bereits verloren glaubte. ?Ich hoffe wir sehen uns irgendwann wieder?, erklärte Mace mit einem unschuldigen schiefen Lächeln.

Yuster klopfte ihm sanft auf die Schulter und entgegnete: ?Ganz bestimmt irgendwann.?
Ream Yuster war der Gedanke, Mace auf einem anderen Planeten zu begegnen unangenehm. Es gab immer noch die Möglichkeit, dass die Imperialen ihre Jagd nach dem Jungen fortsetzten, obwohl es jetzt, da ihm die Erinnerung an seinen früheren Jedi-Fähigkeiten fehlte, keinen Grund mehr gab, ihn zu verfolgen. Vielleicht war es der Gedanke, den Knaben an diese dunkle und heimtückische Galaxie zu verlieren, der ihm Unbehagen bereitete. Für Yuster stand fest, dass es Mace besser gehen würde, wenn er sein Leben lang auf Brex blieb und sich nicht in das Schicksal der restlichen Galaxie einmischte.
Er hatte mit Melina Vandar eine gute Aufpasserin für Mace gefunden. Die Frau des ermordeten Senators hatte zugestimmt, auf Brex zu bleiben, nach Mace zu sehen und jeden Monat einen kodierten Bericht an seine private Yacht zu schicken. So würde Yuster es erfahren, wenn Mace den Planeten verließ oder ihm etwas geschah. Eine reine Vorsichtsmaßnahme und Melinas Anwesenheit wäre dadurch gerechtfertigt.
?Ich habe alles gesagt. Also muss ich mich jetzt verabschieden, Mace. Ich hasse lange Verabschiedungen, wir sollten uns kurz halten. Auf Wiedersehen und dir ebenso mein alter Freund.? Yuster legte Mace die Hand freundschaftlich auf die Schulter und umarmte den alten Hauptmann neben sich.
Anschließend wartete er bis Mace, Derik Dekari und der Rest der Familie außer Sicht waren, dann ging er alleine durch die Gänge zurück zum Landedeck, um endlich die Schuld, die, auf seinen Schultern lastete, abzutragen.
 
***​

Bald darauf wanderte Melina Vandar durch die Innenstadt von Orios, der Hauptstat von Brex. Sie besichtigte ihre neue Heimat und erschrak über die Rückständigkeit des Planeten, doch sie empfand dieses Exil als gerechtfertigt. Sie hatte gedacht, ihre Familie zu retten, indem sie einem Handel mit den Imperialen, die sie verfolgten hatten, zustimmte, doch letztendlich hatte sie ihre Familie damit verraten. Es bedeutete eine Art Entlastung, dass niemand sie hier kannte und durch ihre Ähnlichkeit mit den Brexer Frauen fiel es ihr nicht schwer, als Einheimische aus einer anderen Gegend zu gelten. Melina wusste nicht was sie getan hatte, um die Chance für einen Neuanfang zu erhalten, doch sie war gewillt sie anzunehmen.


Ende
 
Diese Story ist sehr gut gelungen. Die Fakten und Ideen die eingebracht wurden, haben mir sehr gut gefallen. Der Beginn der Story im Jedi-Tempel ist genial umgesetzt. Der Realität entsprechend natürlich auch dementsprechend hart. Bis zu Pantolomin habe ich die Story 'gefressen'. Sie liest sich wie ein gutes Starwars Buch. Die Länge der Story ist gerechtfertig. Die vielen Stunden die ich investiert habe um diese Geschichte zu lesen haben sich auf alle Fälle rentiert. Wenn jemand schreibt, dass dieses Lesen zu lang, zu mühsam zu lesen ist, soll er doch den Text ins Word kopieren die Schriftgröße ändern und den Text ausdrucken.

Die Entfernung der Jedi Erinnerungen hat mir weniger gut gefallen, ist aber trotzdem eine Möglichkeit Mace ein 'Leben eines normalen Bürgers' zu ermöglichen. Warum Meister Yuster sich auf Alderaan mit der dunklen Seite verbunden hat und die Sturm/Klontruppen befehligt hat, sollte besser erklärt werden. Die vielen Zeitsprünge, die einen mitten in der Handlung aus der Story reißen, gefallen mir persönlich auch weniger gut.

Dieser Fehler sind mit aufgefallen: Ein Padawan ist man nur wenn man von einem Jedi Ritter/Meister zu seinem Schüler aufgenommen wude. Da Kim schreibt, dass Mace wahrscheinlich in vier Jahren von Meister Windu zum Schüler aufgenommen würde, ist dies eindeutig ein Fehler.
Weiters sind mir nur wenige Rechtschreib-/Tippfehler aufgefallen. Schwer lesbare Megasätze sind zwar ein paar dabei, aber nicht weiter schlimm.

Ich beurteile diese Story mit Note 1 - Sehr gut
 
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