Fresia (Fre'ji-System)

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel – Mit Exodus –

Nein, er war kein Jedi. Giselle konnte nicht anders, als Exodus nur stumm anzusehen. Vor ein paar Tagen noch hätte sie ihm alles geglaubt, das er ihr erzählt hatte, doch plötzlich begann sie, an seiner Ehrlichkeit zu zweifeln. Zwischen ihnen hatte sich ein Abgrund aufgetan, als hätte ein Erdbeben genau zwischen ihnen beiden die Erde geteilt und auseinander kluften lassen und bisher war es ihnen noch nicht gelungen, eine Brücke zu errichten, um wieder zueinander zu finden. Giselle hatte sich bemüht. Nachdem Exodus in seiner Hütte zum ersten Mal versucht hatte, sie zu einer weiteren gemeinsamen Nacht zu überreden, hatte sie dies ignorieren können, doch er hatte nicht aufgehört und der Abgrund zwischen ihnen war breiter und unüberwindbarer geworden. Mitten im Dschungel waren sie nun wieder aufeinander getroffen. War es Zufall, fragte sie sich, dass sie sich hier gefunden hatten? Giselle jedenfalls hatte Exodus nicht gesucht, doch er hatte ihr schon einmal zuvor bewiesen, dass er ein guter Spurenleser war – zu gut eigentlich. Dass er sie damals im strömenden Regen gefunden hatte, war beinahe unmöglich gewesen. Bisher hatte sie es nie weiter hinterfragt, doch der Boden war zu diesem Zeitpunkt aufgeweicht gewesen und es hatte seit Stunden gestürmt...

“Exodus, ich verstehe das nicht...“

Überdeutlich war Giselle anzusehen, dass es in ihrem Kopf arbeitete. Fragend sah sie ihn an, suchte in seinem Gesicht nach Antworten, doch er gab ihr keine, fragte sie stattdessen nur wieder nach dem Rancor. Dabei hatte sie das längst beantwortet. Was wollte er noch wissen?

“Ich weiß auch nicht. Es passiert einfach.“

Antwortete sie, ihre Gedanken zweigeteilt.

“Du musst... verstehen, dass er ein Wesen ist, wie du auch. Ihn nicht als Objekt sehen.“

Doch Giselle war nicht bei der Sache, um ihm eine Erklärung zu geben. Als wolle sie sich von allem, das sie ablenkte, befreien, schüttelte sie den Kopf. Exodus hielt noch immer das Lichtschwert in der Hand und ihr Blick fixierte sich darauf. Die Klinge war verschwunden, das Schwert nicht viel mehr als ein metallischer Griff. Wenn er kein Jedi war, woher hatte er dann diese Waffe?

“Kann man solche Schwerter kaufen? Auf Coruscant, meine ich.“

Wollte sie wissen. Er hatte ihr einmal kurz von seinem Heimatplaneten erzählt. Es war kein Ort, den Giselle anstrebte zu besuchen, doch die Möglichkeiten dort schienen endlos zu sein.

“Ich verstehe nicht so richtig, wie du mich gefunden hast. Wie hast du mich damals gefunden, während der Monsunphase?“

Der Blick der Vahla hob sich von dem Schwert in Exodus' Hand zu seinem Gesicht.

“Du musst ein besserer Spurenleser sein, als ich es bin. Kannst du mir beibringen, wie du das machst?“

Es war ein schmaler Grat zwischen Unschuld und Berechnung und beides lag in Giselles Augen. Wenn er sie tatsächlich etwas lehren konnte, wollte sie dies gerne annehmen. Konnte er es jedoch nicht, dann musste es eine andere Erklärung geben und Giselle würde wissen, dass er nicht ganz ehrlich zu ihr gewesen war.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – im Dschungel | mit Giselle ]

Es funktionierte nicht. Giselle ließ sich nicht abwimmeln und statt über sich selbst zu reden, wollte sie wieder über ihn sprechen. Sie verstand nicht, sagte sie. Natürlich nicht! Er hatte ihr keine Antwort gegeben und anders als erhofft, entwickelte sie nicht automatisch eine Lösung, die alles auf wundersame Weise erklärte. Es war ohnehin naiv gewesen, darauf zu setzen. Es gab keine einfache Antwort und mit jedem Hauch eines Hinweises, den er ihr gab, kämen weitere Fragen auf. Es fühlte sich an, als würde sich eine Schlinge um seinen Hals legen, die sich mit jedem weiteren Wort von Giselle enger zog. Er saß in der Falle, wie ein gejagtes Tier, ohne Ausweg.
Doch dann bot sie ihm auf wundersame Weise einen kleinen Strohhalm und er war willens ihn zu ergreifen: Sie stellte sich vor, man könne Lichtschwerter einfach so in einem Geschäft auf Coruscant kaufen. Er musste das nur bestätigen und wäre aus dem Schneider. Nur ein kleines Wort, nur ein einfaches: Ja. Er musste es nur sagen.


„Nein.“

Es war seine Eitelkeit, die das verhängnisvolle Wort im letzten Moment formte. Sein Lichtschwert war etwas Besonderes, er hatte es unter großer Anstrengung und mit einigem Können gebaut – es war ein Teil von ihm. Es war etwas Einzigartiges. Nichts, was jeder einfach so kaufen und besitzen konnte und darauf war er stolz.

„Vielleicht auf dem Schwarzmarkt.“

relativierte sein erwachender Verstand, während er unruhig an dem kühlen Metallzylinder an seinem Gürtel herumnestelte.

„Aber ansonsten kann man es nicht kaufen. Man muss es selbst bauen.“

Erst im letzten Moment wurde Exodus klar, das er ihr erneut einen fatalen Hinweis gegeben hatte. Was war er doch für ein Angeber! Man muss es selbst bauen?! Da konnte er ihr ja gleich ausbreiten, dass er ein Sith gewesen war, Menschen und Nichtmenschen ermordert und hingerichtet hatte – alles unter dem Banner des Imperiums. Dass seine Tochter eine Sith war und sein Sohn ein Jedi und dass der Streit in der Familie nicht nur mit seiner vielen Arbeit in der Wingston Corporation zu tun hatte. Dass alles, was er ihr erzählt hatte, ein großes Lügengebilde gewesen war. Wunderbar.

„Wie ich dich gefunden habe?“

echote er ihre letzte Frage und zog unsicher die Augenbrauen zusammen. Giselle pulverisierte seine sonst so übliche Coolness immer weiter, Schlag um Schlag. Ob ihr das bewusst war? In seinem Kopf musste es viel schneller arbeiten, doch die Angst, völlig von ihr aufgedeckt zu werden, lähmte die Gedanken. Damals im Dschungel während der Monsunphase hatte er sie über die Macht erspürt und es gab noch mehr Situationen, in denen er auf diese übersinnliche Kraft zurückgegriffen hatte. Die kleine Sandspielerei, um ihre nackte Schulter das erste Mal berühren zu können. Das beeindruckende Baumfällen mit den Nautolanern. Nach ihrem Sprung von den Klippen, als er sie aus dem Wasser gezogen hatte. Und natürlich seine Rettungsaktion auf der brennenden Plattform im Meer. Das alles wäre ohne die Macht nicht möglich gewesen. Bisher hatte er sie damit beeindrucken können – nur kam sie ihm und seinen Lügen jetzt langsam auf die Schliche.

„Ich suche keine Spuren. Nicht in dem Sinne.“

Ab in die Offensive! Vielleicht konnte er sie damit ablenken von den vielen anderen Fragen, die sich auftaten. Vielleicht war das seine einzige Möglichkeit, auch wenn es ein Spiel mit dem Feuer war. Seine Methode war die Macht. Sie beherrschte die Macht ebenfalls – der Vorfall mit dem Rancor war der Beweis. Wenn er sie nun darauf brachte, die Macht erneut zu benutzen … ja, das gefiele ihm. Es war perfekt, gefährlich zwar, aber das Beste, was er im Moment tun konnte. Langsam holte er Luft und rollte seine angespannten Schultern.

„Ich sehe mir nicht den Boden an. Da gibt es nichts, was ich dir beibringen könnte.“

Der laute Schrei eines Vogels über ihren Köpfen ließ ihn nach oben blicken. Die Blätter raschelten und kurz darauf war es wieder still und er fing erneut Giselles Blick auf.

„Ich mache es so wie du mit dem Rancor. Alles um mich herum … das akzeptiere auch ich als Teil der Welt. Und als Teile der Welt nehme ich alles wahr. So wie dich. Wenn ich mich auf dich konzentriere, dann erhalte ich eine Ahnung davon, in welche Richtung ich gehen muss, um dich zu finden. Es ist einfach ein Gefühl, das mir die Welt gibt. So habe ich es gemacht.“

Das war gut, das war gut. Hoffentlich war es gut. Es musste einfach klappen, er musste sie endlich von diesen verhängnisvollen Fragen abbringen. Wenn es ihm jetzt noch gelang, die Spannung aufrecht zu erhalten …

„Versuch es doch selbst einmal. Sprich zu mir, wie du zu dem Rancor gesprochen hast. Schließe die Augen und sprich zu mir.“

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – im Dschungel | mit Giselle ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel – Mit Exodus –

Nein, er war kein Jedi. Nein, man konnte Lichtschwerter nicht kaufen. In Exodus' Tonlage schwang nach jder Antwort, nach jedem „Nein“ etwas endgültiges mit und Giselle begann zu begreifen, dass dies etwas war, worüber er nicht sprechen wollte. Sie hatte geglaubt, dass sie einander viel erzählt hatten in ihrer Zeit auf Palm Island. Exodus hatte Giselle von seiner Familie berichtet, von den Problemem mit seinen Kindern, von der Trennung seiner Frau. Wenn sie auf den Felsen am Strand gesessen hatten, hatte er sich ihr geöffnet und Giselle hatte in der kurzen Zeit, in der sie sich erst kannten, Vertrauen zu ihm gefasst und über das dunkelste Kapitel ihres Lebens mit ihm gesprochen. Sie hatte ihm erzählt, wie ihr Clan Kaneshis Augenlicht geraubt und man Giselle dabei hatte zusehen lassen und wie sich eine alte Frau für sie geopfert und dafür auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war. Für Giselle war es eine große Überwindung gewesen, diese Momente wiederholt zu erleben. Jede einzelne Erinnerung war lebendig, jeden Tag, doch sie hatte gelernt mit den Geistern ihrer Vergangenheit zu leben, so lange sie nicht darüber sprach. Exodus' gegenüer all das in Worte zu fassen, war schwierig gewesen, aber sie hatte es getan, vielleicht damit er sie besser verstand, vielleicht aber auch weil es Trost spendente, grausame Erinnerungen wie diese mit jemandem zu teilen. In jedem Fall hatte Giselle an diesem Abend gespürt, dass sie Exodus näher gekommen war und wie sehr sie ihm vertraute. Daran änderte auch ihr Zerwürfnis nichs. Sie hätte gerne noch mehr von sich mit ihm geteilt, wäre ihm noch näher gekommen, doch leider war er ein Mann, der ihr nicht das geben wollte was Giselle suchte.

Sie hörte ihm zu, als er ihr erklärte, wie er sie gefunden hatte, doch ihre Irritation wuchs nur noch mehr. Er sagte, er hätte sie gefunden, indem er die Augen geschlossen hatte, weil er auf die Welt hörte, so wie sie. Das klang so gar nicht nach dem Exodus, den Giselle kannte. Sie hatte ihn als logischen, pragmatischen Menschen kennen gelernt.


“Du liest also gar keine Spuren auf dem Waldboden?“

Fragte sie, um sich zu vergewissern, ob sie richtig verstanden hatte. Exodus' schüttelte den Kopf. Er wollte, dass sie es versuchte, forderte sie auf, die Augen zu schließen und sich auf ihn zu konzentrieren. Zweifelnd sah Giselle ihn an und fragte sich dabei, was es war, das er ihr nicht erzählen wollte. Sie dachte an das Lichtschwert in seiner Hand und sah ihn noch einmal, wie er dort drüben aus dem Wald auftauchte: Nebel waberte um seine Beine und in seiner Hand leuchtete eine Klinge aus, wie es schien, purem Licht. Sie versuchte ihn sich vorzustellen, wie er auf der vom Unwetter geplagten Insel nach ihr gesucht und das beinahe unmögliche fertig gebracht hatte, sie zu finden. Die Lösung zu diesem Mysterium bot er an mit ihr zu teilen, doch da war noch mehr, das er für sich behalten wollte. Giselle war ihm nicht böse. Sie wusste, wie es war, wenn man nicht über etwas sprechen wollte, doch sie hätte sich gewünscht, dass er ihr so vertraute, wie sie ihm vertraut hatte.

“Nein.“

Sagte sie, als er sie aufforderte, die Augen zu schließen.

“Ich möchte das nicht tun.“

Sie wusste nicht einmal, warum sie es nicht wollte. Vielleicht war es, weil sie schlicht nicht wusste, was es war, das er ihr nicht erzählte und weil sie es nicht verstand. Vielleicht war es auch, weil sie ihm auf einer gewissen Ebene signalisieren wollte, dass sie ihm nicht länger vertraute, wenn er es im Gegenzug auch nicht tat. Sie wandte sich ab, dachte einen Moment nach. Jetzt, wo sie sich hier im Wald getroffen hatten, würde Exodus umkehren und mit ihr zum Camp zurück gehen wollen, doch sie wollte nicht mit ihm zusammen laufen. Es lag noch ein gutes Stück vor ihnen und sie würden einmal für die Nacht rasten müssen. Giselle aber wollte kein Lager mit ihm teilen, nicht nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, bevor sie in den Dschungel aufgebrochen war. Sie sah ihn wieder an und wies mit der Hand in den Wald zu ihrer Rechten.

“Ich gehe jetzt dort lang.“

Sagte sie sachlich.

“Wenn du den Weg zurück gehst, den du gekommen bist, wirst du vermutlich vor mir im Camp ankommen. Ich mache noch einen kleinen Umweg.“

Wieder sah sie ihn an, nachdem sie kurz ihren Blick über die Bäume hatte schweifen lassen und als sie ihn betrachtete, fiel ihr noch einmal auf, wie gut er aussah. Er war ein attraktiver Mann in seinen besten Jahren, ohne dass man ihm sein Alter angesehen hätte. Er war fit, fitter als so mancher Jungspund. Wie aus dem Nichts tauchte das Bild des Mon Calamari Jungen vor Giselles Augen auf. Es war ihm gut gegangen, als sie ihn besucht hatte und erholte er sich von den leichten Brandverletzungen, die er sich Feuer auf der Plattform im Meer zugezogen hatte. Es war schon erstaundlich, dachte sie sie plötzlich, dass Exodus völlig von dem Feuer verschont geblieben war. Er hatte nicht einen Kratzer abbekommen. Er verheimlichte ihr definitiv etwas. Das Lichtschwert, die übersinnliche Spurensuche, seine wundersame Rettung des Jungen vor der Explosion. Sie hatte es bisher noch nicht so gesehen, aber es passte perfekt in das Bild.

“Du erzählst mir irgendetwas nicht.“

Sagte sie offen. Es war eine bloße Feststellung. Die Vahla deutete ein halbes, aber kaum fröhliches Lächeln an.

“Das ist in Ordnung. Es ist deine Entscheidung.Ich wünschte bloß, du würdest nicht denken, nicht mit mir reden zu können... nicht, nachdem ich dir mein ganzes Herz ausgeschüttet habe.“

Sie schluckte. Es war nicht ganz einfach, das noch einmal anzusprechen. Sie sprach sonst nie darüber, weder in deutlichen Worten, noch in wagen Anspielungen. Dieser eine Abend am Strand, als sie im Dunkeln unter dem Sternhimmel gesessen hatten, hatte sie mehr Überwindung gekostet, als sie jemals in Worte fassen konnte.

“Aber wie gesagt, es ist okay und es geht mich nichts an. Wir sehen uns dann im Camp. Es wäre nett, wenn du Fleetfire Bescheid geben könntest, den Wassergleiter startbereit zu halten. Ich möchte nach Hill City aufbrechen, sobald ich meine Sachen zusammen gepackt habe.“

Ihre Stimme war ruhig. Sie konnte ihm nicht böse sein, wenn sie wusste, dass sie selbst ebenfalls nicht gerne über ihre Vergangenheit sprach. Sie kannte das Gefühl, ein Geheimnis bewahren zu wollen, weil es zu schwierig war, es aufleben zu lassen.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel – Mit Exodus –
 
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel | mit Giselle ]

Giselle wandte sich ab und in Exodus keimte ein allzu bekanntes Gefühl auf, das alle seine Organe zu einem kleinen Klumpen zusammen zu ziehen schien. Verloren. Wieder einmal. Alle Versuche, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und die Situation ins Positive zu wenden, waren missglückt. Giselle wollte sich nicht von ihm zeigen lassen mit welcher Technik er sie im Dschungel hatte finden können. Sie wollte nicht die Augen schließen und sich auf ihn konzentrieren. Sie wollte ihn nicht mit der Macht berühren – ohne zu wissen, dass es darauf hinausgelaufen wäre. Vielleicht war es besser so. Giselle war eine Gefahr für ihn, das hatte ihm das Flüstern in seinem Kopf schon seit ihrer ersten Begegnung gesagt. Wahrscheinlich war es besser. Und trotzdem fiel es ihm schwer, die Enttäuschung in seiner Miene zu verbergen. Diese Berührung über die Macht – er hätte sie gerne gespürt, bevor sie sich endgültig von ihm verabschiedete. Eine Berührung, so intim, wie sie nur zwei machtsensitive Menschen teilen konnten. Trotz ihrer kurzen gemeinsamen Zeit kam es ihm so vor, als hätte er ihr Geheimnis viel zu spät entdeckt. Wenn er es von Anfang an verstanden hätte, dann … – ja, was dann? Er hatte keine Antwort, nur das dumpfe Gefühl, das dann alles besser geworden wäre.
Giselle gab schließlich auf und stellte keine weiteren Fragen. Nicht zum Lichtschwert und nicht zu seinen geheimnisvollen Fähigkeiten. Doch Exodus war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er diesen Ausgang überhaupt wollte. Denn alles schien jetzt erneut den Bach herunterzugehen. Er war sich fast sicher, dass ihn diese Niederlage endgültig brechen würde.


„Warte doch mal …“

setzte er leise an, ehe sie weiter sprach: Darüber, dass es etwas gab, was er ihr nicht sagen wollte und dass es in Ordnung für sie war, wenn er Dinge für sich behielt. Das war doch gut. Nur ihre Schlussfolgerung war es nicht. Sie hatte ihm ihr Herz ausgeschüttet, weil sie ihm vertraute. Er schüttete ihr nicht sein Herz aus – also vertraute er ihr nicht. Sie würde gehen, allein. Erst im Camp würden sie sich wiedersehen.

„Nein.“

Exodus schüttelte instinktiv mit dem Kopf und sah dann betrübt auf seine Schuhspitzen. Überall waren kleine Schlammspritzer zu sehen, auch sein Hosensaum hatte sich durch die Feuchtigkeit dunkel verfärbt.

„Ich bin den Weg durch den Dschungel marschiert, um zu dir zu kommen. Um noch einige Stunden mit dir verbringen zu können, bevor du Fingers Mark verlässt.“

Sie mochte den dominanten Exodus nicht, so viel war ihm mittlerweile bewusst und entsprechend leise hatte er gesprochen. Er durfte ihr nicht verbieten alleine zu gehen, er durfte ihr nichts vorschreiben, er durfte sie zu nichts drängen, was sie nicht wollte. Es blieb ihm nicht viel anderes übrig, als mit ruhiger Stimme klarzustellen:

„Ich respektiere deine Entscheidung unser Projekt zu verlassen. Aber das heißt nicht, dass ich es gut finde. Ich bin gerne in deiner Anwesenheit. Ich möchte diesen Umweg mit dir gemeinsam gehen.“

Es würde nichts helfen. All die schönen Worte hatte er schon einmal gebraucht, er hatte ihr gesagt, sie sei unverzichtbar für das Projekt und er brauche sie. Sie war dennoch gegangen und war nun erneut bereit, ihn stehen zu lassen. Für sie schien in diesem Moment alles an seiner Geschichte zu hängen, an dem was er nicht sagte. Seine Vergangenheit verfolgte ihn. So viele Möglichkeiten wie sie ihm damals eröffnet hatte, so viele verweigerte sie ihm in der Gegenwart. Er würde ewig für die Taten seiner Vergangenheit büßen.

„Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue.“

Was konnte er noch sagen, um sie davon zu überzeugen? Was konnte er sagen? Was?

„Ich würde dir ja davon erzählen, wirklich.“

Die Verzweiflung in seiner Stimme war mittlerweile unüberhörbar. Instinktiv machte er einen Schritt auf sie zu und fasste sich, wie von einer inneren Qual gepackt, an den Hinterkopf und schloss für eine Sekunde die Augen. Dann fing er ihren Blick auf.

„Aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.“

Kraftlos ließ er die Schultern wieder hängen. Sein Blick wurde ungewöhnlich ernst, die Stimme belegt und jegliche Körperspannung schien aus seinen Gliedern zu weichen. Er war geschlagen. Es gab keine Lösung für die Situation, in der er sich befand.

„Wenn ich es täte, … dann würdest du keine Minute mehr in meiner Gegenwart verbringen wollen.“

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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel – Mit Exodus –

Was Giselle ganz sicher nicht erwartet hatte, war der Schmerz in Exodus‘ Gesicht, als er zugab, mit ihr reden zu wollen, es aber nicht zu können. Er konnte ihr keine Antworten auf die Fragen geben, die sie ihm stellte, weil es zu schwierig war. Weil sie ihn nicht mehr ansehen oder mit ihm sprechen wollen würde. Es war zwecklos, dachte Giselle, darüber zu spekulieren, was er vor ihr verbarg. Inzwischen war klar, dass dort etwas war, das er ihr vorenthielt, denn das hatte er längst zugegeben, aber es war unmöglich für Giselle zu erraten, worum genau es dabei ging. War er ein Jedi? War er kein Jedi? Was bedeutete das Lichtschwert in seinen Händen? Woher hatte er es? Was hatte er getan, das so schrecklich war? Wie hatte er sie wieder einmal gefunden und wie machte er es, dass ihm immer alles zu gelingen schien? Sie schüttelte leicht den Kopf, als ihr klar wurde, dass sie die Wahrheit nicht von selbst finden würde und dass sie es auch nicht wollte. Sie hatte ihn gefragt, doch er verweigerte ihr eine Antwort. Damit würde sie sich abfinden müssen. Sie konnte und wollte ihn zu nichts zwingen – mit welchem Recht auch?

“Es ist deine Entscheidung.“

Wiederholte sich Giselle. Sie hatte dies schon zuvor gesagt und die Worte noch einmal laut auszusprechen half auch ihr selbst, zu akzeptieren, dass sie Exodus' nicht drängen durfte. Sie hatte sich selbst ebenfalls nicht drängen lassen, als sie ihm von ihrer Verbannung erzählt hatte. Sie hatte es getan, als sie bereit dazu gewesen war, als sie es von sich aus gewollt hatte. Es hatte sich an jenem Abend gut angefühlt, sich ihm zu öffnen und ihn Teil haben zu lassen an ihrer Geschichte. Es hatte ihr das Gefühl vermittelt, dass sie einander noch näher gekommen waren. Dieses Gefühl war jetzt dahin, verwelkt wie der Blütenkopf einer Blume, der zu lange in der Trockenheit ausgeharrt hatte, ohne jemals die Erlösung einiger weniger Regentropfen erleben zu dürfen. Sie standen sich noch immer gegenüber. Verständnisvoll zu sein, war nicht immer einfach. Es wäre vielleicht anders, dachte Giselle, wenn sie ihm nicht bereits über sich erzählt hätte. Sie konnte verstehen, dass es ihm schwer fiel. Niemand verstand das besser als sie. Doch zurück zu halten und ihr nicht zu vertrauen – denn genau das tat er nicht, trotz seiner anderslautenden Bekundung – bestätigte, was sie eigentlich längst geahnt hatte: es würde immer so sein zwischen ihnen, dass sie mehr gab als sie von ihm zurück erhielt. Sie wollte ihn lieben, doch er suchte nur das Abenteuer einiger Nächte. Sie teilte ihr Innerstes mit ihm, doch er schwieg über das, was ihn bewegte.

“Ich möchte nur, dass du weißt, dass du mit mir hättest sprechen können. Wenn du mir vertraut hättest, hätte ich dich nicht enttäuscht.“

Bevor sie in den Dschungel aufgebrochen war, hatte Giselle Exodus gesagt, dass sie ihren Job kündigte. Dann war sie gegangen, um ihre letzte Aufgabe abzuschließen und ihre Pflicht zu erfüllen. Obwohl sie ihn nicht verlassen wollte, wusste Giselle, dass es das einzig Richtige war. Es war inzwischen klar, dass er ihr nicht das würde geben wollen, das sie sich erhoffte und je länger sie in seiner Nähe blieb, um so schwieriger wurde es für sie, die Bande zwischen ihnen zu zerschneiden. Sie konnte nicht bei ihm bleiben, wenn er nicht das Gleiche empfand wie sie für ihn. Sie konnte nicht mit ihm schlafen, wenn es für ihn nur Vergnügen war und für sie Tortur, weil sie mehr für ihn sein wollte als ein bloßer Zeitvertreib. Exodus jedoch wollte sie nicht gehen lassen und er machte ihr dies klar, wieder und wieder. Dafür war er ihr in den Dschungel gefolgt. Er sagte es ihr frei heraus, er wollte, dass sie den Rückweg gemeinsam antraten, damit er noch ein paar Stunden mit ihr verbringen konnte. Wozu, fragte sich Giselle. Sie verstand ihn nicht. Er konnte unmöglich glauben, dass sie sich auf einem grünen Moosbett unter den Blätterdächern des Waldes von ihm verführen ließ, wenn sie ihn zuvor mehrmals zurück gewiesen hatte. Es konnte unmöglich sein Plan sein, es überhaupt noch einmal zu versuchen. Was aber wollte er dann? Dass er überhaupt der Ansicht war, noch Forderungen stellen zu können, ärgerte sie. Er war es gewesen, der die Grenze überschritten und der ihr zu nahe gekommen war. Was trieb ihn dazu, ihr zu folgen, wenn sie doch seinetwegen gekündigt hatte? Zeit wollte er mit ihr verbringen... war es dazu nicht ein bisschen zu spät?

“Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, zusammen zurück zu gehen.“

Sie betrachtete ihn musternd. Bisher hatte er sich kein einziges Mal für sein Verhalten entschuldigt und Giselle glaubte auch nicht, dass er es noch tun würde. Er sah den Fehler nicht bei sich, dazu war Exodus viel zu sehr von sich selbst überzeugt. Oder wollte er mit ihr darüber reden, während sie zurück gingen? Vielleicht sollte sie ihm diese Chance geben, dachte Giselle. Sie hatte eigentlich vor gehabt, noch einmal zu den Klippen zu gehen, von denen sie bereits einmal mit Exodus zusammen ins Meer gesprungen war. Sie hatte es noch einmal tun wollen, alleine diesmal. Sehnsüchtig blickte sie in die Richtung, in die sie alleine hatte aufbrechen wollen.

“Na gut, gehen wir.“

Lenkte sie schließlich ein und wies in die Richtung, aus der Exodus gekommen war. Es war der schnellere Weg zurück zum Camp, ein Weg der nicht an jenen Klippen vorbei führen würde, sondern sich den Fluss hinauf wandte und an der Heiligenstätte der Mon Calamari vorbei, wo die Toten verbrannt wurden.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel | mit Giselle ]

Aus einem Grund, den er sich selbst nicht so genau erklären konnte, willigte Giselle schließlich ein. Sie äußerte Zweifel daran, ob es eine gute Idee war, den Weg gemeinsam zurück zu legen – doch sie tat es. Die Vahla würde die letzten Stunden auf dieser Insel mit ihm verbringen und gemeinsam den Dschungel durchqueren. Seine Überraschung zu verbergen fiel ihm schwer. Mit großen Augen blinzelte er ihr entgegen, ungläubig darüber, wirklich so viel Glück zu haben. Irgendeines seiner Worte musste diesen Sinneswandel bei ihr ausgelöst haben. Nur welches?

„In Ordnung.“

sagte er ruhig, aber immer noch überrascht klingend. Nach der Tortur, die er auf sich genommen hatte, um dieses Ziel zu erreichen, wäre ein lauter Freudensschrei in den Himmel Fresias ebenfalls angemessen gewesen. Einige Stunden blieben ihm. Ein paar Stunden … was konnte er hoffen, noch zu erreichen? Ihre Entscheidung war endgültig. Sie sprach davon, dass es seine Entscheidung war, doch das stimmte nicht. Sie hatte sich zuerst dafür entschieden, ihn zu verlassen. Trotz seiner wiederholten Beteuerungen, sie zu brauchen, wollte Giselle nicht bleiben. Als ob es ihr gefiele, dies wieder und wieder von ihm zu hören. Sie hatte es doch so entschieden, nicht er. Oder bezog sich sich gar nicht auf ihre Kündigung? Nein, vermutlich nicht. Vermutlich sprach sie davon, ob er seine Geschichte erzählte oder nicht. Ja, sicher – das war seine Entscheidung. Und wieder nicht. War es wirklich eine faire Wahl, wenn er sie verlieren würde, sobald er auch nur ein Wort erzählte? Sie hingegen beteuerte, sie würde ihn nicht enttäuschen. Doch sie log, ohne es zu wissen, dessen war Exodus sich sicher.

„Danke.“

sagte er, während sie gemeinsam den Weg antraten. Schulter an Schulter, im Gleichschritt, soweit es der Dschungel erlaubte. Ihm war nicht danach sich zu bedanken, doch es schien ihm angemessen, angesichts der Tatsache, dass sie ihre Pläne änderte, um seiner Bitte nachzukommen. Immerhin das. Eine neue und paradoxe Unzufriedenheit keimte in ihm auf, während er den kleinen und großen Hindernissen des Dschungels auszuweichen versuchte. Gut, er hatte diese Stunden mit ihr. Doch was brachte ihm das schon? Er sehnte sich nach der ungezwungenen Atmosphäre zwischen ihnen. Den lockeren Gesprächen. Den neckischen Spielchen. Doch Giselle würde all das nicht zulassen, dafür stand mittlerweile zu viel zwischen ihnen. Es gefiel ihm nicht, wenn andere Leute Kontrolle über ihn hatten, doch genau in dieser Situation befand sich die Vahla. Es gefiel ihm nicht, neben ihr zu laufen und zu wissen, was er alles nicht haben konnte und das sie es war, die ihm diese Dinge verweigerte. Es gefiel ihm nicht – und doch berauschte ihn ihre Nähe.

Unsicher, welchen Teil dieser paradoxen Gefühle er in Worte fassen konnte oder sollte, beließ er es zunächst bei einem Schweigen und dachte wieder über ihre Worte nach. Sie hatte ihn wissen lassen, dass er mit ihr hätte sprechen können. Dass sie ihn nicht enttäuscht hätte, hätte er ihr nur vertraut. Sie sprach in der Vergangenheit – als wäre das alles schon vorbei. Als wären seine Chancen längst vergangen. Und vielleicht war das auch so. Doch ihre Worte lösten noch etwas anderes in ihm aus. Sie fühlten sich nach Herausforderung an. Auch wenn sie es mit ziemlicher Sicherheit nicht so meinte – in seinen Ohren klang es, als sagte sie: Du traust dich ja doch nicht. Du hast zu viel Angst vor deiner Vergangenheit. Deine Vergangenheit beherrscht dich, Exodus. Du wirst immer vor ihr davon laufen und deshalb vertraust du mir nicht. Du traust dich nicht, mir zu vertrauen.
Stirnrunzelnd verlangsamte er seinen Schritt, während Giselle die tiefhängenden Zweige eines Baumes bei Seite hielt und an dem natürlichen Vorhang vorbei ihren Weg fortsetzte. Über ihren Köpfen balgten zwei kleine Nagetiere mit braunem Fell und hervorstehenden Schneidezähnen. Einer der beiden jagte den anderen den Baumstamm hinauf. Es sah aus wie ein Spiel. Exodus blickte wieder hinab und schloss mit größeren Schritten zu Giselle auf.

Sie war überzeugt davon, ihn nicht zu enttäuschen, wenn er sich ihr anvertraute. Er wiederum war der Auffassung, sie würde genau das tun. Wer sollte Recht behalten? Sie gab ihm das Gefühl, derjenige zu sein, der diese Sache zwischen ihnen verbockt hatte. Dabei stimmte das nicht. Wenn er ihr wirklich die Wahrheit sagte, dann würde sie gehen und hätte er es früher getan, wäre sie schon längst von der Insel verschwunden. Sein Schweigen, die vorsichtige Konstruktion des Lügengebildes, in dem er die wichtigsten Details seiner Vergangenheit stets ausgelassen hatte, war die Grundlage dafür gewesen, dass sie sich überhaupt so nahe gekommen waren. Nur dadurch hatte es zwischen ihnen funktioniert. Nur würde sie das niemals einsehen.
Aber was war, wenn sie doch die Wahrheit sagte? Wenn sie nicht ging, wenn sie ihn wirklich nicht enttäuschte? Er warf ihr einen bedächtigen Seitenblick zu und die Härchen auf seinen Armen richteten sich unvermittelt auf. In ihrer Nähe fühlte er sich wie berauscht, von einer neuen Kühnheit erfasst. Sie wollte also wirklich wissen, was er ihr verheimlichte? Sie wollte beweisen, dass sie nicht weglief, ihn nicht verachtete, ihm dennoch in die Augen sehen konnte? Glaubte sie das wirklich? Konnte er ihr das glauben? Abrupt blieb er stehen, mitten in einem kleinen Rinnsaal Wasser, das sich seinen Weg über den Dschungelboden wandt. Konnte er das wirklich tun? Es war ungewöhnlich still. Nur das Plätschern dieses winzigen Baches drang an seine Ohren. Als erwarteten die Tiere seine nächsten Worte. Als wüssten sie, dass gleich etwas Bedeutendes passieren würde. Das Wasser umspielte seine Schuhe und löste langsam die getrockneten Schlammspritzer von der Oberfläche. Exodus fixierte ihren Hinterkopf, die blonden Strähnen, die ihr über die Schultern fielen. Seine Stimme klang merkwürdig fremd, als er anfing zu sprechen.


„Ich bin ein Mörder.“

Er war verrückt. Übergeschnappt. Ein absoluter Vollidiot. Ein Masochist. Und doch war es die einzige Möglichkeit die Wahrheit zu erfahren. Wenn er das jetzt nicht tat, würde er niemals wissen, ob er noch eine letzte Chance gehabt hätte, sie zu halten. Und wenn sie ging – was hätte er dann verloren? Alles. Und nichts. Einen Spaziergang, der ihn wütend und verrückt machte. Sein Blick wurde glasig und sein Mund trocken.

„Mit meinem Schwert habe ich unzählige Leben eigenhändig beendet. Ich kann nicht einmal mehr sagen, wieviele es tatsächlich waren.“

Er wagte nicht zu blinzeln, aus Angst zu verpassen, wie sie sich herumdrehte und ihren entsetzten Gesichtsausdruck zeigte, ihre Abscheu und ihren Ekel. Er wagte nicht zu schlucken, aus Angst, es nicht mehr fertig zu bringen, die Wahrheit, die er ihr bisher vorenthalten hatte, vollends loszuwerden. Es war verrückt. Und doch eine Befreiung.

„Ich habe dem Imperium gedient – als einer der Lords der Sith.“

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Sie waren in Schweigen gegangen, mal nebeneinander, mal hintereinander, je nachdem wie der Dschungel es zuließ. Dass kein Gespräch zwischen ihnen entstanden war, hatte Giselle nicht überrascht und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Exodus etwas anderes erwartet hätte. Vielleicht hatte er sich etwas anderes erhofft, bevor er aufgebrochen war um sie zu suchen, aber nachdem sie sich im Wald gegenüber gestanden hatten, hatte er wissen müssen, dass sie sich nicht einfach wieder in die Arme fallen und miteinander scherzen würden. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Giselle Blicks war auf den Boden und die Bäume vor sich gerichtet und Exodus ging hinter ihr, während sie einem winzigen Bachlauf folgten. Es war Verschwendung, dachte sie, dass sie die Herrlichkeit dieses Ortes nicht gemeinsam genossen, denn obwohl sie zusammen hier waren, hing jeder seinen eigenen Gedanken nach und zwischen ihnen lag eine Entfernung, die auch nicht größer hätte sein können, wenn die ganze Galaxis zwischen ihnen gestanden hätte. Dann sprach Exodus. Er sagte nur vier Worte, doch seine Stimme schien über den Wald zu hallen wie ein Echo, das von den Wänden der Berge abprallte und wieder zurück geworfen wurde. Alles um sie herum schien verstummt zu sein, bis auf diese wenigen Worte. Er war ein Mörder. Giselle drehte sich zu ihm um und während ihre Lippen noch eine Frage formten, sprach er bereits weiter. Er sprach über sein Schwert, das Lichtschwert, mit dem er unzählige Leben beendet hatte. Er hatte dem Imperium gedient, als ein Lord der... Sith. Und obwohl er diese wenigen Dinge nicht deutlicher hätte sagen können, verstand Giselle nichts von alledem. Wieder standen sie sich gegenüber, wie schon zuvor, doch es schienen viel eher mehrere Meilen zwischen ihnen zu liegen als lediglich zwei Meter. Ratlos suchte Giselle Exodus' Blick. Was sollte das heißen, er war ein Mörder? Für einen kurzen Moment, als nur diese eine Zeile gesprochen gewesen war, hatte sie geglaubt, er erlaube sich einen Scherz. Es war ein seltsamer Scherz, doch anders hatte sie es sich nicht erklären können. Erst als sie sein Gesicht gesehen hatte, hatte sie erkannt, dass es ihm ernst war und dann hatte er auch schon weiter gesprochen.

„Ich bin ein Mörder. Mit meinem Schwert habe ich unzählige Leben eigenhändig beendet. Ich kann nicht einmal mehr sagen, wieviele es tatsächlich waren. Ich habe dem Imperium gedient – als einer der Lords der Sith.“

Sith. Was war das? Giselle Givenchy hatte das dumpfe Gefühl, diesen Begriff schon einmal gehört zu haben, doch wo? Wann? Es musste während ihrer Zeit bei der republikanischen Flotte gewesen sein. Sie hatte aufgehört, Exodus' Blick zu suchen. Stattdessen sah sie an ihm vorbei, während ihr Verstand arbeitete. Exodus war ein Mörder. Wann? Es war kaum möglich. Er leitete die Wingston Corporation, war der Vizepräsident dieser riesigen Firma. Davon hatte er erzählt, immer wieder. Die Arbeit war der Grund gewesen, warum er sich von seinen Kindern entfernt und seine Frau ihn verlassen hatte. Er hatte immer zu viel gearbeitet und Giselle hatte sich einen Geschäftsmann vorgestellt, der von morgens bis abends an Konferenztischen saß. Ein Geschäftsmann, der unterwegs war, neue Produkte entwickelte, wichtige Entscheidungen traf und Versicherungen abschloss. Jemand, der die Hände wichtiger Partner schüttelte, der Verträge unterzeichnete und über die Zukunft seiner Angestellten entschied. Dies war das Bild, das Giselle von Exodus Wingston hatte, ein Mann, der bis spät in die Nacht an seinem Schreibtisch saß. Doch wenn er dieser Mann nicht war, wer war er dann? Ein Mörder, so wie er sagte? Ein Lord der Sith?


“Du machst deine Schuhe nass.“

Ihre Worte klangen wie von weit her. Sie trugen einen seltsamen Klang in sich, so als säße sie in einer Höhle. Vielleicht aber klang dies auch nur in ihren eigenen Worten so. Giselles Augen waren auf den leise vor sich hin plätschernden Bach gerichtet. Exodus stand mitten im Wasser. Er würde das Material durchnässen, wenn er noch länger dort stand, und mit feuchten Schuhen und Strümpfen weiter laufen müssen. Sie selbst stand auf einer Anhäufung kleinerer Steine. Es lag noch ein weiter Weg vor ihnen und unter ihnen plätscherte das Wasser des Baches, das, so klar es auch war, nur einen verschwommenen Blick auf den Grund zuließ. Gleichzeitig schienen auch Giselles Gedanken zu verschwimmen, fast so als lägen sie dort zwischen den Steinen, im Bett des Bachlaufs. Sie wusste nur nicht, was sie dort taten. Langsam hob sie den Kopf.

“Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.“

Gestand sie leise. In ihren Augen lagen hunderte Fragen, aber auch Bedauern. Exodus hatte einen Grund gehabt, ihr nicht die Wahrheit zu sagen und es war ein guter Grund gewesen. Wenn sie auch noch nicht verstand, wer er einst gewesen war, so verstand sie jetzt zumindest, warum er ihr seine Vergangenheit verschwiegen hatte. Wie konnte man so etwas mit jemand anderem teilen? Und doch hatte er es getan. Er hatte diese Wahrheit mit ihr geteilt, eine Wahrheit die Giselle bedauerte, weil sie Exodus innerlich zu zerreißen schien. Sie konnte die Schuld auf seinem Gesicht förmlich fühlen. Unbewusst machte sie einen Schritt auf ihn zu.

“Exodus.“

Sie sprach seinen Namen, doch heraus kam nicht viel mehr als ein Flüstern. Giselle machte einen weiteren Schritt. Sie stand jetzt so, dass sie ihn berührn konnte, wenn sie es wollte.

“Ich weiß nicht, was das ist, ein Lord der Sith.“

Sagte sie. Sie streckte ihren Arm aus und nahm seine linke Hand.

“Aber du bist kein Mörder. Nicht mehr. Nicht in meinen Augen.“

Der Dschungel um sie herum schwieg. Einzig und allein das Wasser zu ihren Füßen sang seine niemals endende Melodie. Es war still, eine trügerische Idylle, die Exodus' Wingstons Vergangenheit überschattete wie der dunkle Umriss eines Unbekannten, der sich vor die Sonne schob.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel | mit Giselle ]

Seine Schuhe wurden nass. Die Schlammspritzer waren abgetragen, doch das Wasser plätscherte weiterhin ungehindert zwischen seinen Füßen hinduch und die Feuchtigkeit zog langsam in das Leder. Er spürte kaum, wie die Nässe an seine Haut drang, obwohl er den Blick zu Boden gerichtet hatte und ungläubig den Kopf schüttelte. Keine Abscheu, keinen Ekel, keine Angst hatte er in ihrem Blick finden können. Stattdessen Verständnis, obwohl sie nicht vollkommen verstand, was er ihr sagte und Nähe, obwohl sie sich einander schon fast entfremdet hatten. Er verdiente diese Reaktion von ihr nicht. Und trotzdem – vielleicht auch gerade deshalb – fühlte sie sich so unendlich gut an. Ein Teil von ihm hatte sie provozieren wollen, um die Wahrheit zu erfahren. Ein anderer Teil wollte nur endlich das belastende Geheimnis loswerden. Die Wärme, die sie ihm nun entgegen brachte und die Erleichterung daürber, die Worte gesagt zu haben, überwältigten ihn gleichermaßen. Seine Körperkontrolle war etwas, auf das er normalerweise stolz war. Jetzt versagte sie. Ein leichtes Zittern überkam ihn, obwohl ihm nicht kalt war, und ein Wassertropfen rann ihm die Wange hinab. Er wusste nicht, woher er kam und was das zu bedeuten hatte, doch er bemühte sich den salzigen Tropfen schnell mit dem Daumen seiner freien Hand fortzuwischen.

„Du hast nicht gelogen.“

bemerkte er leise, unfähig, den Unglauben aus seiner Stimme zu verbannen. Ein mattes Lächeln erschien auf seinen Lippen und er drückte sachte ihre Hand. Die Berührung wirkte wie eine beruhigende Medizin auf ihn. Sie war so sanft und doch trieb sie unnachgiebig einen tiefen Riss in den Panzer, hinter dem er so lange seine Vergangenheit vor ihr versteckt gehalten hatte.
Es war eine Ironie, die er kaum fassen konnte und die ihn beinahe laut auflachen ließ: Schon bei ihrer ersten Begegnung hätte er ihr sagen können, dass er ein Sith-Lord gewesen war – und sie hätte nicht vor ihm zurückgeschreckt. Sie wusste schlicht nichts mit dem Begriff anzufangen und erinnerte Exodus damit sträflich daran, dass nicht jeder in der Galaxis in einer Umgebung und Gesellschaft aufgewachsen war wie er. Auf Coruscant hatten sie den Jedi-Tempel stets im Blick gehabt und die Sith tauchten in den dunklen Märchen auf, die Eltern ihren Kindern erzählten. Das war nicht überall so. Giselle war als Vahla in einem Nomaden-Clan groß geworden. Sie hatten ihre eigenen Geschichten, ihre eigenen Helden und Schreckgespenster. Sith und Jedi spielten für sie keine Rolle. Ob daher ihre verständnisvolle Reaktion kam? Weil sie schlicht nicht wusste, womit sie es zu tun hatte? Vielleicht auch, weil sie nicht von Kindesalter an zu hören bekommen hatte, Sith seien die schrecklicksten Wesen der Galaxis. Der aufkeimende Zweifel versuchte sich in seinem Kopf festzusetzen und tiefe Wurzeln zu schlagen. Doch ihre schmale Hand in seiner half ihm, den Gedanken zu verbannen. Er schuldete ihr eine Erklärung. Kein Zweifel durfte ihn jetzt noch zurückhalten. Dafür gab sie ihm keinen Grund.


„Ein Sith ist das Negativbild eines Jedi.“

begann er zögerlich, unsicher, wie genau er den Blick auf die beiden Orden und ihre Mitglieder beschreiben sollte. Er wollte ihr nicht das Bild vermitteln, das man den Kindern beibrachte und das viele Erwachsene immer noch teilten. Doch er wollte auch nichts beschönigen. Mittlerweile konnte er die Dinge mit einigem Abstand betrachten, obgleich die Vergangenheit, seine Erfahrungen bei den Jedi und bei den Sith, sich auch nicht vollkommen ausblenden ließen.

„Beide sind Nutzer der Macht. Doch die Jedi sind sehr vorsichtig, was diesen Einsatz angeht. Sie nutzen die helle Seite der Macht, so nennen sie es zumindest, während die Sith sich ihrer Auffassung nach der dunklen Seite verschrieben haben. Die Ansicht der Jedi ist nicht ganz falsch. Sith nutzen die Macht zu ihrem Vorteil und ohne Rücksicht. Sie sind gefürchtet, ob ihrer Fähigkeiten und ihrer Skrupellosigkeit. Während die Jedi als Ritter des Lichts angesehen werden, die Frieden bringen, gelten Sith als das genaue Gegenteil. Sie morden, wenn sie es für richtig halten. Sie lassen sich von Wut und Zorn treiben und ziehen daraus ihre Kraft.“

Plötzlich wurde Exodus die feuchte Kälte an seinen Zehenspitzen unangenehm bewusst. Er würde es ertragen, bis er geendet hatte. So lange es ging, wollte er Giselles Hand halten und sich von ihrer Wärme stärken lassen. Vielleicht würde es eine seiner letzten Erinnerungen an sie sein.

„Du hast gefragt, ob ich ein Jedi bin. Das bin ich nicht. Früher einmal gehörte ich dem Orden an. Dann habe ich die Seiten gewechselt, bin zu einem der engsten Vertrauten des Imperators geworden. Doch ich bin auch kein Sith mehr.“

Er hielt ihren Blick, auch wenn es leichter gewesen wäre, wieder zu Boden zu sehen.

„Ein Mörder hingegen bin ich und werde es immer bleiben.“

Langsam lockerte er seinen Griff um ihre Hand. Nicht, weil er sie loslassen wollte, sondern um ihr die Chance zu geben, sich ihm zu entziehen.

„Du kannst immer noch gehen, wenn du willst. Ich könnte das verstehen, viele Leute reagieren so. Jetzt wo du die Wahrheit weißt, werde ich dich nicht noch einmal suchen oder versuchen aufzuhalten. Ich verspreche es.“

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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel – Mit Exodus –

Exodus
konnte die Überraschung in seiner Stimme nicht verbergen und Giselle spürte einen Anflug von Verletztheit in sich aufsteigen. Er hatte wirklich geglaubt, sie würde ihn verachten. Er hatte erwartet, sie würde vor ihm zurück weichen, ihn vielleicht anschreien oder davon laufen, aber sie hatte nichts davon getan. Natürlich nicht, dachte sie für sich. Sie hatte ihm gesagt, sie würde ihn nicht enttäuschen. Ein Bild flammte in ihrer Erinnerung auf, als säße sie vor einem Feuer und beschwöre die Vergangenheit hervor. In ihrem Kopf sah sie Exodus und sich selbst auf Rings Island. Sie standen nahe beinander, hatten gerade die Felsen von Alquola besucht und Giselle hörte sich selbst sagen: „Ich kann dir verzeihen. Ich könnte dir noch viel mehr verzeihen.“, und Exodus gemurmelte Antwort: „Vielleicht musst du das auch irgendwann.“ War dies der Moment, fragte sie sich, auf den er damals angespielt hatte? Noch bis vor wenigen Minuten war er entschlossen gewesen, nicht mit ihr darüber zu sprechen. Was nur, fragte sich Giselle, hatte ihn dazu bewogen, ihr doch zu vertrauen?

“Jedi und Sith, ich weiß nichts darüber.“

Sprach Giselle und hörte Exodus zu, wie er mehr erzählte. Sie wusste nicht, ob er sich wohl mit seinem Entschluss fühlte, sie doch einzuweihen. Ihre Hand ließ er jedenfalls nicht los, erst nach einiger Zeit lockerte er seinen Griff und sie begegnete fragend seinem Blick, als er ihr klar machte, dass er verstehen könne, sollte sie den Wunsch haben zu gehen. Giselle aber schüttelte den Kopf.

“Warum sollte ich gehen wollen?“

Formulierte sie die Frage in ihrem Kopf laut, damit er sie hören konnte.

“Ich habe keine Angst vor dir, wenn es das ist, was du meinst. Du bist noch immer der Selbe.“

Es waren viele Informationen, mit denen er sie überhäuft hatte und auch nach seinen Erklärungen hatte sie nicht das Gefühl, alles klar zu sehen. Jedi und Sith waren Nutzer der Macht. Ja, von der Macht hatte sie gehört. Aber was genau war das und wie funktionierte es? War es eine Macht, die von Göttern geschenkt war? Giselle kannte nicht viele Götter, doch es mussten Gütige unter ihnen sein, die solche Gaben an die Sterblichen verteilten. Nur aus welchem Grund? Die Göttin Vahl, der Giselle diente, war selten gütig. Es lag nicht in ihrer Natur. Exodus hatte eine helle und eine dunkle Seite der Macht erwähnt. War es die Art des Geschenks, das bestimmte, welchem der beiden Orden man an gehörte? Nein, das war nicht möglich. So wie Exodus gesagt hatte, war er einst ein Jedi gewesen, bis er die Seiten gewechselt hatte und zu den Sith, zum Imperium gegangen war. Giselle schwirrte der Kopf.

“Hast du diese Entscheidung damals bewusst getroffen, die Seiten zu wechseln?“

Wollte sie wissen.

“Ich nehme an, heute gehörst du keinem der beiden Orden mehr an. Könntest du zurück gehen, wenn du wolltest?“

Sie sah ihn. So nah wie sie ihm war, konnte sie seinen Duft einatmen. Er roch nach Wald und Erde, denn auch er war schon mindestens zwei Tagen im Dschungel unterwegs – sie waren noch weit vom Camp entfernt und würden definitiv noch ein Nachtlager aufschlagen müssen - aber auch nach ihm selbst. Er roch nach Exodus. Sie mochte seinen Geruch. Nachdenklich senkte Giselle den Blick und ließ seine Hand los, doch anstat sich abzuwenden, trat sie noch einen Schritt näher an ihn heran, legte ihm beide Hände auf die Brust und ihren Kopf auf seine Schulter, wo sie für einen langen Augenblick verharrte, um ihn zu fühlen, ihm nahe zu sein und ihm die Bestätigung zu geben, die er vielleicht so dringend brauchte: dass sie sich nicht vor ihm fürchtete und ihn nicht verachtete. Was auch immer er getan hatte lag in der Vergangenheit, in einem Leben, das er geführt hatte bevor er Giselle kennen gelernt hatte. Für diese Dinge würde sie ihn nicht verurteilen, so wie er sie nicht verurteilte, für die Fehler die sie einst begangen hatte.

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Als sie ihn mit dem Lichtschwert in der Hand in der Lichtung erblickt und danach den Rancor vertrieben hatte, war Giselles Frage an ihn gewesen, ob er ein Jedi sei. Ihre Vermutung hatte Exodus glauben lassen, sie wüsste zumindest über die republikanische Seite der beiden alten Orden gut Bescheid. Während ihrer Zeit bei der Flotte, so sein Gedankengang, musste sie einiges davon aufgeschnappt haben. Tatsächlich gestand sie ihm jetzt, nichts über Jedi und Sith zu wissen. Er nickte verständnisvoll. Das machte die Sache nicht einfacher. Gleichzeitig führte es zu ihrem erstaunlich klaren und pragamtischen Blick auf die Dinge. Ihr Worte ließen ihn lächeln, weil es bei ihr wie die größte Selbstverständlichkeit der Galaxis klang: Er war noch immer derselbe. Deshalb hatte sie keine Angst. Deshalb würde sie nicht auf der Stelle kehrt machen und vor ihm weglaufen.

„Ich bin noch immer derselbe.“

bekräftigte er und sein Lächeln wurde eine Spur breiter. Die Reaktion der Leute, die um seine Taten, um seinen Ruf und seinen Werdegang wussten, ließ ihn manchmal selbst an dieser simplen Wahrheit zweifeln. Es war ein Kampf, nicht jeden Tag, doch immer wieder, wenn er sich zu tief in diese Gedanken fallen ließ: Machte ihn seine Vergangenheit auch heute zu einem Monster? Giselle beantwortete die Frage mit einem klaren nein und in diesem Moment glaubte er ihr.

„Entschuldige … was Jedi und Sith angeht.“

griff er wieder das vorherige Thema auf und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Es war erstaunlich, wie gelöst er sich plötzlich fühlte. Wie die Anspannung langsam von ihm abfiel und sich die Stimmung zwischen ihm und Giselle wieder zu lockern schien. Fast wie auf ihrem Felsen.

„Ich stecke einfach sehr tief in der Sache drin und … vergesse dabei manchmal die Außenperspektive. Also … wo soll ich anfangen zu erklären? Was möchtest du wissen?“

Als seine Cousine Valara ihn damals – in einem völlig anderen Leben, in einer völlig anderen Zeit – auf Bastion besucht und die Macht hatte kennenlernen wollen, hatte er ihr diese unbekannte Kraft mit kleinen Tricks und Spielereien begreifbar gemacht. Giselle gegenüber wollte er jedoch lieber nicht zu diesen Mitteln greifen. Sie würde dies nicht beeindruckend finden, glaubte er und für den Moment wollte er sie auch gar nicht weiter beeindrucken. Es tat gut, einfach mal nur zu … reden.

„Ich habe die Entscheidung die Jedi zu verlassen damals bewusst getroffen, ja. Die Entscheidung, den Sith und dem Imperium den Rücke zu kehren, allerdings ebenfalls. Ich wollte einfach nur meine Ruhe. Diese ewigen Kämpfe haben mich und alles was mir lieb war, kaputt gemacht.“

Plötzlich ließ Giselle seine Hand los, zögerte kurz und legte schließlich beide Hände auf seine Brust. Ein leichter Schauer überkam ihn, während er mit großen Augen dabei zusah, wie sie sich langsam an ihn schmiegte. Ihren Kopf legte sie auf seine Schulter. Sie spendete ihm Wärme und Trost. Er war nur allzu bereit, das alles anzunehmen. Nur … was sollte das? Im Camp hatte sie ihn noch abgewiesen, mehrmals sogar. Jede Berührung war zu einem Vergehen geworden und Exodus hatte sich lernfähig gezeigt. Seit er sie in der Lichtung des Rancors entdeckt hatte, war er zurückhaltend geblieben. Nicht einmal eine flüchtige Berührung hatte er sich erlaubt. Nun war sie es, die seine Hand ergriff und hielt. Die sich an ihn lehnte und ihn zu einer Umarmung zu ermutigen schien. Nur – durfte er das? Sollte er das tun? Unsicher hob er die Arme, während ihre Berührung ihm weitere wohlige Schauer den Nacken hinab jagte. Würde er damit erneut alles zerstören? Die Vetrautheit und Nähe? Die Hoffnung …?
Langsam legten sich seine Handflächen auf ihren Rücken. Sie wollte diese Nähe. Er wollte sie. Was gab es da noch groß zu überlegen? Giselle war ihm so nah, dass es ihm nahezu unmöglich war, sich ernsthaft zu wehren. Und es war nur eine Umarmung. Eine kleine freundschaftliche Umarmung …


„Ich weiß nicht, ob ich wieder zurück könnte.“

murmelte er nachdenklich. Ihr Duft war betörend, doch – zu seiner eigenen Überraschung – war ihm nicht danach, ihr sofort das Oberteil abzustreifen und sie auf den weichen Dschungelboden zu betten, so wie sonst. Seine Umarmung blieb zaghaft. Hier standen zwei Freunde unter dem dichten Blätterdach des Waldes und teilten ihre Geschichten. Es waren keine Liebhaber. Nicht jetzt. Nicht in diesem Moment. Bloß zwei Freunde.

„Vielleicht würden die Sith mich wieder aufnehmen, vielleicht auch die Jedi. Aber im Endeffekt ist es irrelevant.“

Über diese Möglichkeit hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Es war einfach nicht in Frage gekommen, denn sein oberstes Ziel war stets gewesen, seine Familie in Ordnung zu bringen. Damit war er gescheitert und zwar auf ganzer Linie. Langsam schüttelte Exodus den Kopf und streifte dabei unabsichtlich mit seiner Wange über Giselles weiche Haare.

„Ich will es nicht mehr.“

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Als sich Exodus’ um Giselles Rücken legten, stellte Giselle sich vor, die Umstände zwischen ihnen wären anders. Sie schloss die Augen und konnte fast fühlen, wie sie ihre Zukunft mit diesem Mann verbrachte. Es war nicht unbedingt ein anderes Leben, das sie führen würden, aber es war ein gemeinsames. Sie waren die, die sie waren mit ihren Fehlern und Tugenden, doch sie warfen einander nichts vor, erwarteten nichts, das der andere nicht zu geben bereit war. Sie waren Exodus und Giselle und es war eine gute Zukunft, doch leider musste auch diese Vorstellung irgendwann wieder Raum machen für den Augenblick, in dem sie sich wirklich befanden. Giselle löste sich widerwillig, geistig wie körperlich, und es kostete sie einige Anstrengung, zu akzeptieren, dass das Bild in ihrem Kopf lediglich ein Werk ihrer eigenen Wünsche war. Schließlich löste sie sich von Exodus und trat einen Schritt zurück. Sie hätte ewig so mit ihm stehen können, doch was brachte es ihr, abgesehen von Sehnsüchten, die er nicht erfüllen würde?

“Ich glaube, du hast eine gute Entscheidung getroffen, das alles hinter dir zu lassen, zumindest, so lange es dir besser damit geht.“

Sagte Giselle, als sie wieder vor ihm stand, ohne ihn zu berühren. Sie machte einen großen Schritt, um aus dem Wasser heraus zu treten. Auch ihre Füße waren jetzt nass. Sie hatte keine Ahnung, warum Exodus noch immer dort stand, mitten in dem Bach. Vielleicht registrierte er es nicht einmal, obwohl sie ihn bereits darauf hingewiesen hatte. Immerhin war die Dunkelphase vorüber. Er konnte seine Schuhe und Strümpfe in der Sonne trocknen, sobald sie ein Nachtlager aufschlagen würde.

“Es geht dir doch besser, oder?“

Fragend sah sie ihn an. Die Schlussfolgerung machte Sinn, doch sie wollte sich trotzdem vergewissern, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Exodus hatte gesagt, er sei ein Mörder, habe viele Leben ausgelöscht. Er war so etwas wie ein Soldat gewesen, ein Krieger. Viele Krieger hatten ihr Leben lang Albträume. Wer wollte so etwas nicht gerne hinter sich lassen? Giselle kannte die Geschichten. Sie hatte mit vielen der Marines auf ihrem Schiff gesprochen, während ihrer Zeit bei der Flotte. Es waren die Männer gewesen, mit denen sie den Großteil ihrer Freizeit verbracht hatte, abgesehen von Liam. Sie dachte über die Fragen nach, die in ihr keimten. Exodus hatte sie gefragt, was sie über die Jedi oder die Sith wissen wollte. Es war ein Angebot gewesen, ihr mehr zu erklären, ihr zu helfen zu verstehen. Doch wollte Giselle überhaupt mehr wissen? Sie hatte bisher gut ohne diese Dinge gelebt. Langsam schüttelte sie den Kopf.

“Ich kann verstehen, warum du mir nicht davon erzählen wolltest.“

Sagte sie schließlich.

“Du hast für die Republik gekämpft und später das Imperium unterstützt. Warst du wirklich einer der engsten Vertrauten des Imperators? Welcher ist es gewesen? Ich habe gehört, sie halten nie lang, auf diesem Posten...“

Möglicherweise, dachte Giselle, sollte sie die Dinge anders sehen. Ein Außenstehender würde ihr sagen, ihre Loyalität müsse bei der Republik liegen. Doch war dem wirklich so? Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie einer der beiden größten Fraktionen dieser Galaxis verpflichtet war. Zwar hatte sie für die Republik gearbeitet, doch sie hatte ihren Dienst ordnungsgemäß quittiert. Diese Zeit lag hinter ihr. Es war ein Kapitel in ihrem Leben gewesen, eine Station auf ihrer Reise und die Vahla, von Natur aus Nomadin, war weiter gezogen.

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Wie lange stand er schon in diesem Fluss? Es musste eine Ewigkeit sein. Die Sohlen seiner Schuhe wurden ihrem Namen kaum noch gerecht. Es war nur noch ein durchweichtes Polster, das von oben und unten von Wasser eingeschlossen war. Exodus machte einen großen Schritt und gelangte endlich an das trockene Ufer des kleinen Bachs. Die Feuchtigkeit entlud sich in einer großen Lache auf dem Boden. Bis seine Füße aber wirklich trocken würden, musste noch einige Zeit vergehen.

„Es war Darth Arthious.“

sagte Exodus schließlich bedächtig und dachte dabei: Der gute Imperator. Dem neuen Wesen an der Spitze des Imperiums hatte er nie viel abgewinnen können. Zwischenzeitlich hatte sich sein alter Weggefährte Phollow auf den Thron gesetzt, doch lange war er nicht geblieben. Giselle stand direkt neben ihm, doch es war ihm unangenehm, ihr in die Augen zu blicken. Für diese Reisen in die Vergangenheit musste er immer ein Stück weit bei sich selbst sein. Langsam beugte er sich hinunter und löste die Schnüre seiner durchweichten Schuhe.

„Ich war einer seiner zwei höchsten Sith-Lords. Phollow, der spätere Imperator, und ich – wir waren seine beiden Hände, seine Vertrauten, diejenigen, die dafür verantwortlich waren, dass seine Pläne in die Tat umgesetzt wurden.“

Arthious war es gewesen, der ihn von Erebious befreit hatte. Ohne den alten Imperator hätte Exodus sich vielleicht nie aus den Fesseln des Sith Geists befreien und ein normales Leben beginnen können. Manchmal fragte er sich, was aus dem Mann, der ein ganzes Reich geführt hatte, geworden war. Irgendwann war er einfach von der Bildfläche verschwunden. Möglich, dass es Phollow gewesen war, der ihn getötet hatte, doch war Exodus das Band der Loyalität zwischen den beiden außergewöhnlich stark erschienen. Er glaubte nicht, dass Phollow ihn hingestreckt hatte. Ihm gefiel der Gedanke, dass der alte Imperator denselben Weg gewählt haben könnte wie Exodus selbst, sein Bruder oder auch Tear. Die dunkle Seite war kein Gefährte für ein ganzes Leben. Sie war bloß eine Affäre, die zu schnellem Glück verhalf.

„Es geht mir jetzt besser, ja.“

Mit einem Ruck zog er sich den linken Schuh vom Fuß und schüttete das restliche Wasser über dem Gras aus. Auf einem Bein stehend sah er sie endlich wieder an und lächelte zaghaft.

„Es ist nett von dir, dass du Verständnis dafür hast. Dass ich nicht darüber sprechen wollte, meine ich.“

Unwillkürlich führte er den Schuh wieder zu seinem Fuß, hielt dann jedoch inne und beschloss, dass es unklug wäre, sich dieses nasse Ding wieder anzuziehen. Stattdessen beugte er sich erneut herunter und öffnete den zweiten Schuh.

„Aber du hast auch über deine Geschichte gesprochen. Ich war es dir also gewissermaßen schuldig. Nicht unbedingt, auch alles erzählen zu müssen. Aber das Vertrauen.“

Der rechte Schuh löste sich mit einem weiteren Ruck und zog gleichzeitig den nassen lappen, der einmal sein Socken gewesen war, hinter sich her. Das heraustropfende Wasser füllte die eben entstandende Pfütze im Gras weiter und Exodus musste aufpassen, nicht erneut ins Nasse zu treten. So stand er hier nun, vor der Frau, deren Anziehungskraft er verfallen war und die er um alles in der Welt verführen wollte – ohne Schuhe, nur mit einem Socken am Fuß und mit einer Wahrheit, die jede andere Frau abschreckte.

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Es war spät, als sie sich endlich niederließen um ihr Nachtlager zu errichten. Den ersten Ort, an dem sie sich für die Nacht einrichten wollten, hatten sie wieder verlassen, nachdem Giselle Schlangenkot im Gras gefunden hatte. Jetzt, wo die Nachtphase vorüber war, wirkte der Dschungel im Tageslicht einladend und freundlich, doch man durfte sich auch nicht zu sehr täuschen lassen. Auch wenn man sie meist nicht sah, lebten doch viele Tiere zwischen den Bäumen, denen man im Schlaf nicht begegnen wollte. Auf jedem anderen Planeten wäre die Sonne bereits unter gegangen und der Himmel hätte sich in einem warmen bronzenen Farbton präsentiert, doch nicht so auf Fresia. Die Sonne stand noch immer hoch, unbeeindruckt von der späten Tageszeit. Am Anfang war es ungewohnt gewissen, sich auf diesen speziellen Zyklus einzustellen, doch inzwischen glaubte Giselle, dass sie auch diese Eigenheit vermissen würde, sollte sie den Planeten eines Tages verlassen. Bisher hatte sie nichts in der Richtung geplant. Wie auch? Sie hatte bei weitem nicht genug Geld, um einen Weltraumflug finanzieren zu können. Zwar würde sie schon morgen Fingers Mark verlassen, doch die ewige Sonne würde noch eine ganze Weile weiter für sie scheinen. Während sie mit Exodus durch den Dschungel gegangen war, hatte sie darüber nachgedacht, wohin sie gehen sollte, wenn sie morgen das Camp verließ und sich von Jost Fleetfire zurück nach Hill City bringen lassen würde. Sie konnte zu Jem gehen und für eine Weile bei ihm wohnen. Das würde den Menschen sicher freuen. Andererseits brauchte Giselle einen Job und Jem hatte ihr bereits einmal geholfen und war dann von ihr enttäuscht worden, da sie nach wenigen Tagen schon wieder gekündigt hatte und mit Exodus Wingston nach Palm Island gereist war. Aber lange hatte auch dieses Arbeitsverhältnis nicht gehalten. Während Giselle ihre dünne Decke auf dem Boden ausbreitete, sah sie zu dem Mann hinüber, der bis vor kurzem noch ihr Chef gewesen war. Sie hatte gekündigt und obwohl sie ihn vermissen würde, bereute sie diesen Schritt nicht. Nachdem er sie fast schon bedrängt hatte, war es das einzig Richtige gewesen.

“Bist du hungrig? Ich habe noch etwas Proviant von den Mon Calamari.“

Ihre Stimme durchbrach die Stille, die sich innerhalb der letzten Stunden immer wieder zwischen ihnen aufgebaut hatte. Nachdem Exodus‘ ihr von sich erzählt hatte, hatten sie irgendwann ihren Weg fortgesetzt, und obwohl sie immer wieder mal kurz miteinander gesprochen hatten, hatten sie doch die meiste Zeit über geschwiegen. Giselle hatte viel nachgedacht und sie ging davon aus, dass es Exodus ähnlich ergangen war. Er hatte ihr viel von sich erzählt, das er lange versucht hatte geheim zu halten. Ob er es bereute? Es war keine einfache Wahrheit für ihn, keine einfache Vergangenheit die er mit sich herum trug. Giselle wusste, was das für ein Gefühl war. Sie kannte die Reue über frühere Fehler und das erdrückende Wissen, jemanden enttäuscht zu haben. Es war nichts, womit man einfach fertig wurde. Exodus Wingston war ein Sith gewesen, ein Krieger des Imperiums. Er hatte sicher viele Dinge getan, die ihn nachts in Albträumen plagten.

“Hier, nimm das.“

Die Vahla hatte ihren Rucksack geöffnet und ein trockendes, körniges Gebäck heraus geholt. Es war knusprig und schmeckte würzig. Sie hatte keine Ahnung, was genau es war oder wie es hieß, doch es schmeckte ganz gut und die Mon Calamari hatten es ihr als Wegzehrung mit gegeben.

“Ich schätze, wir haben noch etwa vier Stunden Fußweg vor uns.“

Sagte sie. Sie hatte sich auf ihre Decke gesetzt, mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt und die Füße weit von sich gestreckt. Ihre Fußballen schmerzten von der Anstrengung und sie war froh über die Pause und etwas Ruhe, wollte sich aber auch nicht zu viel Zeit der Erholung gönnen.

“Wenn wir nur ein paar Stunden schlafen und danach zügig weiter gehen, könnten wir morgen in der Frühe im Camp ankommen.“

Überlegte sie laut. Bevor sie Exodus im Wald getroffen hatte, hatte sie vor gehabt, ihre letzte Wanderung durch den Dschungel von Palm Island zu genießen. Sie hatte sich auf die letzten Stunden allein in der Natur gefreut und sogar geplant, noch einmal von den Klippen hinunter ins Meer zu springen, doch jetzt, da Exodus sie begleitete, hatten sich die Dinge geändert. Je schneller sie zurück im Camp waren, desto besser. Einerseits wünschte sie zwar, noch einmal zu dem lockeren, freundschaftlichen Verhältnis zurück kehren zu können, das sie vor der Nacht des Feuers gehabt hatten, andererseits aber wusste sie, dass das nicht so einfach sein würde. Exodus' Verhalten, kurz bevor sie zu den Mon Calamari gegangen war, hatte sie enttäuscht und es war schwierig, das, was zwischen ihnen vorgefallen war, einfach so zu vergessen. Giselle hatte bereits darauf geachtet, ihre Decke etwas weiter von ihm entfernt auszubreiten, als sie es normalerweise getan hätte. Sie wollte nicht, dass er sich dazu verleiten ließ, es noch einmal bei ihr zu versuchen, denn auch wenn sie die Nacht hier zusammen unter freiem Himmel verbringen würden, Giselle wollte nicht noch einmal mit ihm schlafen. Nicht auf diese Art.

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„Danke.“

Exodus griff nach dem trockenen Gebäck, das Giselle ihm gereicht hatte. Für einen winzigen Moment streifte ihr Daumen seinen Zeigefinger und hinterließ das altbekannte Prickeln. Vier Stunden Fußweg blieben noch und eine kurze Nacht auf dem mal weichen, mal harten Dschungelboden. Jede Berührung konnte jetzt die letzte sein. Exodus spähte zum Himmel, während er ein Stück des Gebäcks abbiss und nachdenklich zerkaute. Die Tagesphase begann und in einigen, die großen Blätter der Bäume herabperlenden, Tautropfen brach sich das neu erwachte Sonnenlicht. Es wirkte seltsam deplaziert, überhaupt nicht passend zu der Geschichte, die sich hier abspielte. Es war zu schön.

„Hm.“

machte Exodus und sah zu ihren Decken am Boden. Einen Moment lang kaute er noch auf dem würzigen Gebäck herum, ehe er den Biss herunterschluckte und in Giselles Richtung schaute.

„Vielleicht wird es auch meine letzte Nacht hier.“

Mit bedächtigen Schritten umkreiste er seine Decke und ließ sich dann auf dem Stoff nieder, der ihm minimalen Schutz vor allen Überraschungen bot, die der Dschungelboden für sie während des Schlafs bereithalten mochte. Langsam zog er die Knie an und stützte sich mit den Ellbogen locker auf.

„Auf Coruscant gibt es einen wichtigen Empfang, zu dem einige unserer besten Geschäftspartner kommen – und vor allem auch solche, die es noch werden könnten.“

Wenn er ging – würde er dann wiederkommen? Und wenn er nicht wiederkam – hatte er dann aufgegeben, verloren, versagt? Es fiel ihm schwer seine Gefühle richtig zu deuten und ihren Ursprung zu intepretieren. Doch sein Bauch sagte ihm, dass die Geschichte von Exodus Wingston und Fingers Mark sich ihrem Ende zuneigte. Vielleicht lag es an Giselles Kündigung, denn mit der Vahla ging ein wichtiger Teil dieser Episode seines Lebens – vielleicht aber auch nicht. Er vermochte es nicht zu sagen. Nur eines war klar: Diesen Empfang konnte er nicht verpassen. Nicht, nachdem sie hier auf Fingers Mark einige Credits im Meer versenkt hatten. Nachdem er sie versenkt hatte.

„Mein Vater hat mich darum gebeten dorthin zu kommen. Ich werde also gehen, nicht nur, damit unsere Geschäftspartner nicht zu verärgert sind, sondern auch um die Dinge selbst in die Hand nehmen zu können.“

Sinnierend ließ er seinen Blick über die Baumwipfel streifen, bewusst nicht zu Giselle sehend. Doch seine Machtsinne observierten jedes Gefühl der Vahla, umklammerten sie schon fast, als seine Lippen noch einige beiläufige Worte formten:

„Nur eine weibliche Begleitung fehlt mir noch. Das scheint irgendwie zu diesen Empfängen dazu zu gehören …“

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Seine Ankündigung, dass dies womöglich auch seine letzte Nacht auf Fingers Mark sein konnte, ließ Giselle überrascht aufsehen. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gedacht, dass sie die einzige von ihnen beiden sein würde, die die Insel verlassen würde, doch offenbar spielte Exodus' mit ähnlichen Gedanken. Aber warum? Ohne dass Giselle nachfragen musste, lieferte er die Erklärung von selbst und sprach von einem Empfang, einer Festlichkeit, auf Coruscant. Exodus Wingston war ein wichtiger Mann. Manchmal vergaß Giselle, dass er auch außerhalb des Camps, außerhalb dieses Projektes hier auf Fingers Mark, Verpflichtungen hatte, dabei waren diese vielleicht sogar noch viel größer und weitreichender. Es leicht, wenn man hier in der Idylle Fresias lebte, zu vergessen, dass dort draußen noch andere Welten existierten, auf denen das Leben weiter ging. Exodus' Entscheidung schien jedenfalls schon getroffen zu sein, von ihm selbst, aber vor allem wohl auf Bitten seines Vaters hin. Das einzige, das ihm noch fehlte, wie er sagte, war eine weibliche Begletiung. Giselle vermied es, ihn direkt anzusehen.

“Ich bin sicher, da wirst du schon jemanden finden.“

Erwiderte sie in neutralem Tonfall, aber mit einer gewissen Spannung in der Stimme. Wollte Exodus lediglich Konversation machen, oder aber wollte er auf etwas hinaus? Wenn ja, war nicht schwierig zu erraten, was dies war. Es schien ihr, als fände Exodus Wingston immer seinen Weg. Sie hatte ihre eigene Decke nicht ohne Hintergründe ein Stück weit von der seinen entfernt gelegt und sie war froh über den Abstand zwischen ihnen, doch dieser hinderte den charismatischen Mann vor ihr nicht daran, dennoch nach ihr zu greifen und sei es nur mit Worten. Interessant war die Frage, ob sie sich ihm würde entziehen können.

“Du hast gute Kontakte auf Coruscant.“

Nun sah Giselle ihn doch an.

“Die Frauen dort werden dir zu Füßen liegen.“

Und warum sollten sie nicht? Exodus war reich, gutaussehend und charmant. Er war es gewohnt, den Ton anzugeben und er wusste, wie er das bekam, was er wollte. Er war hartnäckig. Er war ein Jedi gewesen, ein Krieger des Imperiums, ein Geschäftsmann. Giselle wandte den Blick von ihm ab. Obwohl sie noch nie dort gewesen war, konnte sie sich vorstellen, wie sein Leben auf Coruscant aussah. Jak hatte ihr einen Einblick gegeben.

“Aber du könntest wieder kommen.“

Sagte sie. Es hieß, Exodus' umgäbe sich gerne mit hübschen Frauen. Wie viele von ihnen mochten auf ihn warten, in der großen Stadt im Zentrum der Galaxis?

“Du könntest nach Coruscant fliegen, diesen Empfang besuchen und dann dein Projekt hier weiter führen, auf Fresia.“

Ihr Vorschlag klang wie selbstverständlich. Es gab keinen Grund für Exodus, das Projekt aus der Hand zu geben und alles, was er bisher hier getan hatte, hinter sich zu lassen. Er musste nicht permanent nach Coruscant zurück kehren, dorthin wo die schönen Frauen auf ihn warteten.

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Natürlich entging der Vahla Exodus‘ betont beiläufiger Kommentar nicht. Tatsächlich kommentierte sie die Frage nach seiner weiblichen Begleitung viel stärker als die – an und für sich viel wichtigere – Bemerkung, dass auch er auch Fingers Mark bald verlassen würde. Sie hatte angebissen – jetzt muss er nur noch sehen, was er daraus machen konnte.

„Ach, ich weiß nicht.“

Aus seiner nach vorne gebeugten Sitzposition lehnte er sich nach hinten und stützte sich mit den Handballen auf seiner Decke ab. Den Kopf legte er nachdenklich in den Nacken.

„Ich habe überhaupt kein Interesse daran, irgendwelche Frauen auf Coruscant kennen zu lernen.“

Abschätzig schob er seine Unterlippe nach vorne. Es stimmte sogar – er hatte kein Interesse an den Frauen Coruscants. Sie würden warten, sie würden immer da sein. Aber Giselle nicht. Giselle würde nicht warten. Sie wäre irgendwann nicht. Und nicht nur irgendwann – in wenigen Stunden.
Ihre Anregung, nach dem Empfang auf Coruscant nach Fresia zurückzukehren, überging er. Ob er wiederkommen wollte, wusste er einerseits selbst noch nicht und andererseits hatte er keine Ahnung, welche Antwort in diesem Fall Giselle gegenüber die bessere wäre. Wenn er nicht wiederkäme – änderte sich ihre ablehnende Haltung ihm gegenüber möglicherweise doch noch einmal, weil ihn zu begleiten die letzte Chance für gemeinsam verbrachte Zeit war. Vielleicht würde sie das Kapitel Exodus Wingston aber auch als endgültig beendet ansehen, wenn er sich die Option erneut nach Fingers Mark zu kommen, nicht offen hielt. Schwierig. Wieder einmal schien die Flucht nach vorne die beste Wahl.


„Ich würde lieber mit einer Frau hingehen, die nicht nur hübsch ist, sondern die ich auch kenne und mag.“

Unschlüssig hob er die Schultern, um sich dann noch weiter auf seiner Decke niederzulassen und sich nur noch auf den Ellbogen abzustützen. Seinen Blick richtete er hoch zu den Baumkronen, doch ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

„Vielleicht frage ich meine Halb-Schwester Miku.“

Die Sonne schimmerte vielversprechend zwischen dem dichten Blätterwerk hindurch. Hier draußen gab es nicht einmal die Möglichkeit die Fensterläden zu schließen, wie in seiner kleinen Hütte im Camp. Es wäre ein Wunder, wenn er überhaupt ein Auge zu bekäme. Verdammt, jetzt vermisste er sogar schon diese blöde Hütte. Mit einer leichten Drehung wandte er sich doch wieder Giselle zu und sah sie mit zweifelndem Gesichtsausdruck an.

„Auch wenn das etwas komisch wäre.“

Eine Sekunde hielt er ihren Blick noch fest, dann rollte er sich auf den Rücken.

„Oder du kommst einfach mit.“

Seinen Worten folgte ein kehliges Lachen, dass ihm ermöglichen würde, den Satz auch als Scherz auszulegen. Dass es keiner war, würden sie beide wissen. Gerade deshalb wäre ihre Reaktion spannend zu beobachten. Seine Augen stirrten in den Himmel, doch seine Machtsinne waren wie so häufig auf die Vahla fokussiert. Exodus wollte Giselle – nicht nur hier, auf Fingers Mark, nicht nur auf Fresia, nein – überall.

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Exodus'
nur beiläufig ausgesprochener Gedanke, dass ihm noch eine Begleitung für den Empfang, zu dem er eingeladen war, fehlte, war bereits deutlich genug gewesen. Giselle hatte bereits gewusst, worauf er hinaus wollte und daher dezent versucht, abzulehnen, ohne die Situation wirklich beim Namen zu nennen, indem sie ihm vorschlug, eine seiner Bekanntschaften von Coruscant einzuladen. Sie hätte vorher wissen müssen, dass er darauf nicht eingehen würde. Exodus Wingston war hartnäckig und gewohnt, zu bekommen, was er wollte. Sie hörte sein Lachen, ohne sein Gesicht sehen zu können. Er hatte sich auf den Rücken gelegt, schaute hinauf zu den Bäumen oder hatte die Augen geschlossen. War das für ihn alles nur ein Spiel, oder meinte er es ernst? Wollte er sie wirklich dabei haben, um ihretwillen?

“Wie stellst du dir das vor? Wie soll das funktionieren?“

Fragte sie ihn. Giselle schüttelte den Kopf, Exodus' Vorschlag stumm vor sich selbst ablehnend. Wenn sie nur wüsste, worauf er hinaus wollte, würde dies vieles einfacher machen. Würde er wieder versuchen wollen, sie zu verführen oder ging es ihm diesmal wirklich nur darum, dass er sie mochte – als eine Freundin... oder sogar mehr? Der Gedanke, dass er vielleicht doch zu realisieren begann, dass er etwas für sie empfinden könnte, ließ Giselles Herz vor Freude hüpfen und sie die Möglichkeit in Betracht ziehen, seine Einladung anzunehmen. Vielleicht brauchte er nur Zeit, Zeit sich über alles klar zu werden. Sollte sie dafür nicht Verständnis haben und Geduld zeigen? Er hatte selbst gesagt, dass ihn die Frauen auf Coruscant nicht interessierten! Das konnte ein gutes Zeichen sein - konnte, musste aber nicht. Warum nur wusste sie bei ihm nie, woran sie war?

“Ich würde mir gerne deine Heimat von dir zeigen lassen.“

Sagte sie nachdenklich.

“Es wäre schön, mehr über dich zu erfahren... wo du her kommst, wie du aufgewachsen bist. Ich kann mir manche dieser Dinge aus deinen Erzählungen nicht so leicht vorstellen“

Coruscant als Planet reizte sie nicht. Die Städte mussten beeindruckend sein, doch es fehlte Giselle an Verständnis für das schnelle, moderne Leben in einer solchen High-Tech Stadt. Das war nichts für sie.

“Aber wäre es wirklich gut für uns? Macht es überhaupt Sinn?“

Die Frage war sowohl an sie selbst, als auch an Exodus gerichtet. Er musste wissen, was sie meinte.

“Unser Verhältnis ist schon jetzt nicht mehr das Beste.“

Bedauern lag in ihrer Stimme und Giselle starrte auf ihre Hände hinab, die schwach in ihrem Schoß lagen. Könnte sie die Zeit zurück drehen zu den Momenten, in denen es zwischen Exodus und ihr falsch gelaufen war, würde sie es tun. Sie würde ihr Zerwürfnis so gerne ungeschehen machen, doch die Wahrheit war, sie wusste nicht wie. Sie wusste nicht, was sie hätte anders machen können.

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„Ernsthaft?“

fragte er und zog überrascht die Augenbrauen hoch, um zu unterstreichen, dass er gerade nur einen Scherz gemacht und Giselle diejenige war, die den Vorschlag tatsächlich aufgebracht hatte. Langsam rollte er sich vom Rücken auf die Seite, um die Vahla wieder ansehen zu können. Sie stellte viele Fragen auf einmal – wie er sich das vorstelle, wie es funktionierten könne, ob es sinnvoll wäre, ob es gut für sie wäre. Er legte die Stirn in Falten und dachte nach. Sie war unsicher, das war nur allzu deutlich zu spüren. Doch etwas in ihr arbeitete. Etwas in ihr wollte all die Pläne, die sie bisher geschmiedet hatte, über den Haufen werfen. Genau wie er selbst ihre Pläne nur allzu gern begraben wollte.

„Also …“

Die Sonne brach plötzlich durch das Blätterdickicht zu Exodus hindurch und blendete ihn unangenehm. Seine Ungeduld und ein gereiztes Kopfschütteln unterdrückend, veränderte er leicht seine Position auf der Matte, sodass seine Augen wieder im Schatten lagen. Dann sah er wieder zu Giselle – mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen.

„Es würde mir tatsächlich gefallen, dir Coruscant zu zeigen. Meine Heimat, die Zentrale unseres Unternehmens – die Orte, an denen ich aufgewachsen bin.“

Das klang fast schon romantisch. Statt Yuna hätte er eine neue Frau an seiner Seite, eine, die ihn nicht sofort verlassen würde, weil sie ohne ihn selbst verlassen war – zumindest zwischen den hohen Wolkenkratzern aus Glas und Metall. Giselle war ein Kind der Naturo, dem kalten zugebauten Coruscant hingegen konnte sie nicht viel abgewinnen. Doch mit ihm würde sie gehen. Mit ihm schon. Das war ein Erfolg, definitiv. Sie hatte angebissen, völlig unverhofft und ganz plötzlich war er wieder kurz davor, einen Durchbruch zu erzielen. Sie noch länger an sich zu binden. Sie nicht aufgeben zu müssen.

„Wir hätten eine zweite Chance verdient, finde ich.“

Exodus‘ Stimme wurde leiser, sein Blick hielt ihren fest. Heute war etwas geschehen, das alles verändern konnte. Er hatte ihr seine Vergangenheit offenbart, hatte sich erklärt, hatte erwartet, dass sie sich von ihm abwenden und davon laufen würde. Sie hatte es nicht getan. Es gab einen Grund dafür. Und vielleicht war das seine Chance, vielleicht wäre ein gemeinsamer Ausflug nach Coruscant sogar die logische Konsequenz der heutigen Geschehnisse. Seine Augen funkelten.

„Jetzt wo du weißt, wer ich wirklich bin.“

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Eine zweite Chance. Giselle ließ diese Worte stumm in ihrem Kopf wider klingen. Es war Exodus gewesen, der sie ausgesprochen hatte, nicht sie, doch abgesehen davon, dass sie schön klangen, war Giselle nicht sicher, was er ihr damit sagen wollte. Wofür genau sollten sie eine zweite Chance erhalten, was steckte dahinter? War es eine zweite Chance für ihre Freundschaft, oder für das, was – vielleicht - noch daraus entstehen konnte? Es fühlte sich beruhigend an, daran zu glauben, dass dies nach allem noch möglich war, doch wie realistisch war es? Alles, was Exodus bisher gewollt hatte, war Spaß. Mehr hatte er Giselle nie versprochen und tat es auch jetzt nicht.

“Was hat das damit zu tun, wer du bist?“

Wollte sie wissen. Er hatte sich ihr jetzt wieder zugewandt und sie konnte sein Gesicht sehen, doch das machte es noch lange nicht einfacher, ihn zu lesen.

“Was zwischen uns passiert ist, hat nichts mit deiner Vergangenheit zu tun.“

Sie versuchte, ihn sich auf Coruscant vorzustellen, auf einem Bankett zwischen all seinen Geschäftspartnern und Freunden. Das war seine natürliche Umgebung, jene in der er aufgewachsen war. Es konnte helfen, ihn zu verstehen, wenn sie ihn dort erleben würde, doch die große Frage war, ob sie dies nach allem was geschehen war, wirklich noch immer wollte. Giselle wusste es selbst nicht. Einerseits wollte sie, dass sie diese zweite Chance bekamen, dass sie noch einmal neu starten konnten und Exodus doch noch sah, dass mehr zwischen ihnen sein konnte als nur Freundschaft oder bedeutungsloser Sex. Andererseits aber fürchtete Giselle, dass sie sich unnötig Hoffnungen machte, dass sie bloß ihrem eigenen unerfüllten Wunsch hinterher lief. Sie sah sich um. Das Kapitel Fingers Mark war für sie abgeschlossen. Es war eine schöne Zeit gewesen – alleine, mit den Mon Calamari und schließlich mit Exodus. Dass sie hier nicht bleiben würde, stand jedoch fest und was danach kam, war noch unklar. Eigentlich hatte sie nicht viele Möglichkeiten. Sie konnte nach Hill City oder in eine der anderen Städte auf Fresia zurück kehren und sich dort eine Anstellung suchen, doch sie würde noch lange sparen müssen, bis sie wieder genug Credits für einen Flug hatte und außer Fingers Mark, das für Giselle das Paradies war, und Exodus, gab es nichts, das sie auf diesem Planeten hielt. So schön Fresia auch war, Giselles innere Uhr verriet ihr, dass es Zeit zum Aufbruch war. Exodus‘ Angebot kam daher nicht ganz ungelegen. Sie konnte ihn nach Coruscant begleiten, noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen, ihn zu diesem Empfang begleiten, von dem er gesprochen hatte, und danach wieder ihren Weg gehen. Coruscant war groß und lebhaft. Unter Umständen würde es dort sogar einfacher sein, einen Job zu finden, als im konservativen Hill City. Und auch, wenn Giselle schon jetzt wusste, dass Coruscants Betonklötze und die alles überwuchernde Stadt nicht ihr Herz erwärmen würde, so war die zentrale Lage des Planeten ein großer Vorteil. Von Coruscant aus konnte sie praktisch überall hin, wenn sie genug vom Stadtleben hatte. Von dort aus standen ihr quasi alle Türen offen. Nur die Tür zu Exodus‘ Herz blieb geschlossen.

“Wir sollten versuchen, etwas Schlaf zu finden.“

Sagte sie.

“Vier bis fünf Stunden sollten reichen. Danach können wir den letzten Marsch zum Camp in Angriff nehmen.“

Sie zwang sich, ihn nicht anzusehen, während Verstand und Gefühle miteinander rangen, um die Oberhand zu gewinnen. Die realistische, unabhängige Giselle in ihr ahnte, dass sie sich selbst etwas vor machte, wenn sie glaubte, zwischen ihr und Exodus könnte sich noch etwas entwickeln. Er hatte vor ihr gestanden und ihr mehr oder weniger gesagt, dass er nur sein Vergnügen suchte. Wie deutlich sollte er noch werden? Und doch wollte Giselle mehr. Sie wollte mehr für ihn sein und genau deswegen durfte sie heute keine Entscheidung mehr treffen. Sie wollte ihm nicht absagen, aber auch nicht zusagen und es später bereuen. Genau genommen hatte er sie ja noch nicht einmal wirklich eingeladen. Was Giselle sich wünschte, war mehr für sie beide.

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Es war eine kurze Nacht. Kurz und laut und hell. Die Sonnenstrahlen hatten nicht nur Exodus wachgehalten, sondern auch – so schien es ihm zumindest – die ganze Tierwelt. Hatten diese Tiere einen Schichtplan entwickelt, wonach jede Art eine bestimmte Uhrzeit zum lärmen und plärren bekam? Es wurde nicht mehr still, nicht eine Sekunde, und Exodus fragte sich ernsthaft, ob die Tiere von Fresia es vielleicht tatsächlich schaffen konnten, die komplette Tagesphase über wach zu bleiben. Obwohl der Gedanke absurd war. Wie konnte ein Lebewesen über einen so langen Zeitraum keinen Schlaf benötigen?! Andererseits: Er hatte in der Nacht auch kaum geschlafen. Die meiste Zeit war er sich des Lärms, der Helligkeit und des unebenen Bodens unter ihm sehr bewusst gewesen, hatte nur dagelegen und die Augen geschlossen, in der Hoffnung, sein Körper würde diese Zeichen verstehen und ihm erlauben, einige Stunden zu regenerieren. Das Gespräch mit Giselle vom Vorabend hatte sein übrigens getan, um Exodus‘ Kopf beschäftigt zu halten. Sie hatten eine zweite Chance verdient, hatte er ihr gesagt. Jetzt, wo sie wusste, wer er wirklich war. Er hatte sein Geständnis abgelegt, hatte ihr seine Vergangenheit offengelegt, so surreal das alles für sie auch geklungen haben mochte. Doch sie hatte nur gefragt, was das damit zu tun hatte, wer er war. Was auf Fresia zwischen ihnen passiert war, sagte sie, hatte nichts mit seiner Vergangenheit zu tun. Doch das stimmte nicht. Alles, was er tat, fußte auf seiner Geschichte. Und bei ihr insbesondere.
Trotzdem – obwohl sie dieses Argument von ihm abgeschmettert hatte – schien sie durchaus bereit, ihm nach Coruscant zu folgen. Für eine Weile zumindest, solange wie er brauchte, um ihr den Planeten zu zeigen, seine Heimat. Wenn sie zu dem Geschäftsempfang begleitete – das wäre mehr als er vor einigen Stunden noch zu hoffen gewagt hatte. Aber sicher war es nicht. Die Entscheidung hing noch in der Schwebe und Exodus war unsicher, wie er das Thema ansprechen und inwieweit er Giselle dazu drängen sollte. Neben sich vernahm er eine Bewegung am Boden. Die Vahla hatte es tatsächlich geschafft zu schlafen und erwachte gerade.


„Giselle?“

seine Stimme war nur ein Flüstern, was angesichts des Lärms, den die Vögel veranstalteten, eigentlich unnötig war, doch es gab dem Augenblick einen Hauch von Intimität. Sein Blick suchte ihre Konturen, in der Macht streckte er sich nach ihrer Aura aus. Er würde niemals genug von diesem Gefühl bekommen. Nicht, nach ihrer gemeinsamen Nacht. Sie musste einfach mit nach Coruscant kommen.

„Bist du wach?“

Es war die typische Frage, die entweder gar nicht beantwortet oder bejaht wurde und insofern meistens irgendwie unnötig erschien. Doch er wollte sie auch nicht zu einem Aufbruch drängen, er wollte ihr kein Thema aufdrücken, wollte noch nicht an das Gespräch vom Vorabend anknüpfen. Im besten Fall – und darauf hoffte er – würde sie die Reise nach Coruscant von selbst ansprechen und er würde nicht den ersten Schritt machen müssen. Doch die Zeit lief ihm davon, sie spielte gegen ihn. Wieder einmal.

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