Literatur

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Harriett Beecher-Stowe - Onkel Toms Hütte​

Inhalt: USA in den 1840ern. Der Gutsherr Mr. Shelby ist finanziell gezwungen, Sklaven zu verkaufen, darunter auch seinen "Besten", den alten Tom. So beginnt dessen unglaubliche Odyssee; um den Inhalt gerecht zu werden: Toms Passion! Parallel dazu wird auch noch das Schicksal anderer Sklaven erzählt.

Kritik: Auch wenn man die manchmal eindimensionale und klischeehafte Charakterzeichnung mit dem Argument, das es ein Jugendbuch sei, nur versuchen kann zu entkräften, bekommt man mit diesem Werk einen exzellenten Einblick in die Geschichte Amerikas. Die Autorin zeigt damals alltägliche Schicksale von Afroamerikanern in mannigfaltigster Weise und schreit geradezu an die Empathie des Lesers.
Holzschnitt-artig gesprochen: Dieses Land befindet sich seit der Ankunft der Mayflower permanent im Kampf zwischen dem persönlichen Streben nach (finanzieller) Glückseligkeit und dem christlichen Glauben/Fundamentalismus. Später wurde dieses Oppositionspaar mit der Kategorie der Vernunft im Zuge der Aufklärung bereichert. Diese Parteien werden allesamt in diesem Werk deutlich.
Ein Werk mit solch einer Sprengkraft kann ich mir leider nur schwer vorstellen. Dieses Buch sorgte für eine Zäsur, nur zehn Jahre vor dem Sezessionskrieg kam es raus. Von Abe Lincoln ist angeblich dieser Satz zur Autorin überliefert:
So this is the little lady who started this big war.

Schade, dass ich dieses Buch nicht früher gelesen habe. Erbaulich für den Charakter eines jungen Menschen ist es allemal.

9 von 10 Baumwollplantagen
 
Hey,
Ich wollt mal fragen, ob mir jemand ein gutes Buch über den 11. September und/oder den Irakkrieg empfehlen kann?
Eine kritische Sicht ist erwünscht, es sollte sich mit dem Verschwörungstheorien aber dennoch noch im Ramen halten :D
 
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Thomas Harris - Das Schweigen der Lämmer

Inhalt: Dürfte jedem bekannt sein. Wenn dies nicht der Fall ist und sich diese Person dafür interessiert: fragen kostet nix.

Kritik: Jeder von uns ist durch die Verfilmung wahrhaftig verwöhnt worden. Ob das Buch ebenso wie die Adaption für sich genommen als Meilenstein gelten kann, kann ich nicht beurteilen, dafür habe ich zu wenig Thriller gelesen. Lesenswert ist das Werk egal welch Vorwissen man mitbringt dennoch. Wenn Harris durch eine sehr persönliche personale Situation die Charaktere zeichnet, bewegt er sich stets nahe der Eisberge namens Klischees, aber dennoch manövriert er stilsicher ohne unterzugehen. Das ist reinstes Kopfkino; und ich spreche nicht von Bildern die dem Film entsprechen. Gerade im Vergleich zu Stephen King gewinnt man bei den manchmal plötzlich eintretenden Wechseln in die Ich-Erzählsituation nie den Eindruck eines too much. Die Story ist spannend, aber die großen, die wahren Highlights sind die Dialoge. Dabei stechen erwartungsgemäß die zwischen Clarice und Hannibal the Cannibal Lecter hervor. Solch geschliffene Zeilen liest man selten. Ist eine Konversation in einem Film rasch vorüber, so kann man sich als Leser bestimmte Situationen wieder und wieder durchlesen (was für den Genuss strengstens zu empfehlen ist). Das spannende läuft, wie alles in dem Buch, im Kopf ab.

Zum Schluss ein Beispiel:

Man erfährt Seiten vorher indirekt, dass Lecter einem seiner Opfer, ein Flötist mit Namen Raspail, dessen Thymus und Bauchspeicheldrüse entfernt hat, um das menschliche Äquivalent zum Kalbsbries zuzubereiten. Starling ist in der Bittstellerposition. Sie muss das Spiel des Gefängnisinsassen Lecters mitspielen, um wertvolle Informationen herauszubekommen.

-"Oh ja, im Laufe der Therapie gelangte er zu der Überzeugung, mir alles erzählen zu können. Er saß ziemlich oft mit Klaus zusammen und zeigte ihm die Glückwunschkarten."
-"Und dann... starb auch Raspail selbst. Warum?"
-"Ehrlich gestanden, hatte ich einfach die Nase voll von seinem Gejammere. Für ihn war es wirklich das beste. Die Therapie zeigte keinerlei Erfolg. Ich schätze, die meisten Therapeuten haben einen oder zwei Patienten, die sie gern an mich überweisen würden. Ich habe boch nie darüber gesprochen, und jetzt beginnt es mich zu langweilen."
-"Und Ihr Essen für die Orchesterchefs?"
-"Ist Ihnen noch nie passiert, daß Sie Gäste erwarteten und keine Zeit mehr zum Einkaufen hatten? In so einem Fall muß man sich mit dem behelfen, was im Kühlschrank ist, Clarice. Darf ich Sie Clarice nennen?"
-"Ja. Ich glaube ich nenne Sie einfach..."
-"Dr. Lecter - in Anbetracht Ihres Alters und Ihrer Stellung ist das wohl am ehesten angebracht."
-"Ja."

8 von 10 Totenkopfschwärmern
 
Ich bin gerade bei den Buddenbrooks und muss sagen, dass der Stil von Thomas Mann einfach fesselnd und wunderbar ist. Welche anderen Werke könnt ihr empfehlen. Kann man sich auch an den "Zauberberg" herranwagen? Die Inhaltsangabe macht nämlich nicht gerade den Eindruck eines 1000-Seitenbuches.;)
 
Julio Cortázar - Der Verfolger​

Inhalt: Der Musikjournalist Bruno erlebt den Niedergang seines Freundes und begnadeten Jazzmusikers Johnny Carter, über den er auch eine Biographie schreibt. Carter wird musikalisch immer besser, genialer; dies geht allerdings mit einer selbstzerstörerischen psychologischen Labilität einher, die wiederum seine Marihuanaabhängigkeit, seine Schizophrenie und schließlich seinen Tod bedingen werden.

Kritik: Dies ist eine kurze Geschichte (nur 95 Seiten), zu der ich immer wieder gern zurückkehre. Der argentinische Autor verarbeitet in dieser surrealen Erzählung das Leben der Jazzlegende Charlie Parker. Ich lese die Story mittlerweile zum fünften Mal, und es ist stets ein anderes Erlebnis. Die Geschichte lässt mich bei dem einen mal lesen mehr, das andere mal weniger verstehen. Bei Johnny Carter bzw. Charlie Parker liegen/lagen Genie und Wahnsinn verdammt nah beieinander. Wenn Anwesende seiner Musik lauschten und es für revolutionär hielten, hatte Carter den Schneid zu behaupten, die Aufnahme wäre Mist, die vernichtet werden müsste (deshalb auch der Titel: Carter verfolgt den absoluten Moment).
Die prägnante Sprache Cortázars ist meisterhaft. Es wird wild zwischen den Tempora hin und her gesprungen. Er schildert nicht nur das fortlaufende Abdriften der Persönlichkeit Carters, sondern verleiht dem Erzähler Bruno ein facettenreiches Eigenleben. Denn einen Musterfreund stellt dieser letztendlich für Carter auch nicht dar. Denn sein Verständnis für seinen Borderline-Freund ist nur begrenzt, und bei freundschaftlichen Zuneigung spielt eine gehörige Portion Egoismus ebenso ihre Rolle. Schließlich beschenkt Carter seine Umwelt mit genialer Musik, die dessen Schaffen auch gut für eigene Zwecke umsetzen kann (bei einem Musikjournalisten naheliegend).

Auch wenn ich nicht mal ein Jazz-Novize bin und Surrealismus stets zu Reibung führt, eine für mich mitreißende Erzählung. Mal sehen wann ich sie das nächste Mal genießen werde. Selbst wenn man beim Lesen inne hält und über den Inhalt reflektiert ist man in zwei Stunden mit dem Buch durch. Die Zeit ist gut investiert.

Das Buch entzieht sich allerdings einer Punktewertung meinerseits. Deshalb: LESEN!
 
Umberto Eco - Der Name der Rose


Inhalt: Eine Benediktinerabtei anno 1327 im nördlichen Apennin. Der Franziskaner William von Baskerville erreicht sie zusammen mit seinem Novizen Adson von Melk (Benediktiner!), um dort eigentlich einem informellen Treffen zwischen einer päpstlichen Legation und führenden Franziskanern beizuwohnen. Brisanz erfährt das durch zweierlei: zum einen geht es um mehr als um einen erbaulichen theologischen Diskurs. Der deutsche Kaiser des Heiligen Römischen Reiches vertritt nämlich nicht uneigennützig die Position der Franziskaner und nimmt somit die Opposition im Kampf um die Macht auf dem Erdkreis gegenüber den Papst ein. Zum anderen gab es mysteriöse Mordfälle, die William auf Bitte des Abtes doch lösen soll...

Kritik: Ja, der Film ist gut. Ja, Sean Connery ist dort in einer seiner besten Rollen zu sehen. Aber dennoch, ich kenne wahrhaftig kein anderes Buch, das mehr Wert ist, gelesen zu werden, als irgendeine andere Vorlage filmischer Adaption.
Wir haben hiermit den postmodernen Roman schlechthin vor uns liegen. Was Eco hier en passant an zeitgenössischen geisteswissenschaftlichem Denken, Referenzen an andere Werke der Literatur und damaligen aktuellen Wissensstand einfließen lässt, ist mir sonst unbekannt. Erfreulich, und nicht das Tempo verlangsamend, ist es, wenn seitenlang ein Kirchentor beschrieben wird oder man an einem theologischen Disput beteiligt ist, wo noch so viel mehr zwischen den Zeilen passiert. Zwar wirkt der nicht zufällig an Sherlock Holmes angelehnte William (man bedenke den Beinamen!) auf den ersten Blick seltsam anachronistisch, doch bei näherer Betrachtung dieser Zeit scheinen er und seine Ansichten denkbar wenn auch ungemein progressiv. Herrlich wenn er deduktiv in seinem Kopf den Fall nachvollzieht und belehrend auf Adson wirkt. Überhaupt, ich denke, dass wahnsinnig viel von Professor Eco selbst in William steckt. Der Witz, der Detailreichtum, die fast allumfassende Darstellung des Makrokosmos Mittelalter im Mikrokosmos Abtei, all dies sind Zeichen der Intelligenz des Autors. Oh, was habe ich da geschrieben? Zeichen? Ja, da sind wir an einem besonderen Punkt. Die Lehre von Zeichen heißt Semiotik. Eco ist Semiotikprofessor. Und das merkt man. Eine Wonne muss es für ihn gewesen sein, die (Be-)Deutung von Zeichen in die Handlung mit einfließen zu lassen. Wie schadenfroh er uns den Titel "Der Name der Rose" hinterlassen hat. Wer behauptet, Eco eindeutig und vollständig interpretieren zu können, hat den Roman nicht im Ansatz verstanden. Eine letzte Anmerkung noch: So sehr ich mich auch vor Eco und seinem Genius verneigen muss, es gibt dennoch etwas beruhigendes für mich: Eco teilt eine Schwäche mit seinem Protagonisten William von Baskerville, nämlich die Eitelkeit. Der Eindruck lässt sich nicht verwehren, dass Eco gern sein Wissen und sympathisch abfälligen Humor zeigt. Wir lernen also, dass Eco auch nur ein Mensch ist.

10 von 10 Bibelversen
 
Bret Easton Ellis - American Psycho
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Inhalt: Die 80er. Patrick Bateman ist 26 Jahre alt, sieht toll aus, hat Geschmack, arbeitet als Vice President bei einer börsennotierten Firma; ist also der Yuppie schlechthin. Nach außen hin scheint alles perfekt in dem Leben dieses jungen Mannes zu sein, aber er verfällt zunehmend einen Blutrausch, den seine Umgebung nicht mitbekommt...

Kritik: Das Buch wollte ich aus zweierlei Gründen lesen: 1. schätze ich den Film sehr, und 2. gilt dieses Werk als Kultbuch für die Popliteratur.
Weiterempfehlen kann ich es jedoch nur eingeschränkt.
Was ist gut? Das Buch ist eine brutale Abrechnung mit dem Kapitalismus. Only the image, the surface counts. Pat Bateman ist in dieser Welt zu einem reinen Konsumenten reduziert, die sich zudem dadurch auszeichnet, das jeder mit seinem eigenen Konsum beschäftigt ist und deshalb zur Empathie und richtigen Anerkennung anderer Subjekte unfähig ist. Permanent verwechseln die Leute sich gegenseitig. Oder die ehrlichen Geständnisse Batemans werden beispielsweise nie ernstgenommen. Da zwischenmenschliche Beziehunen keine Rolle spielen, kanalisiert der Protagonist seinen Frust in Fitness, Sex, Konsum und unglaubliche Folter anderer. Dies äußerst sich in der Sprache des Autors. In der Ich-Perspektive verfasst, tauchen wir in Batemans Persönlichkeit ein. Kleider-Labels werden über 400 Seiten lang ebenso detailliert beschrieben, wie die äußerst drastischen und sadistischen Tötungen anderer. Das ist gewollt vom Autor.
Dabei sind wir allerdings bei den Schwächen des Romans. So sehr es zum Konzept gehört, so ermüdend ist es für mich, wenn ich zum 100. Mal Ralph Lauren, Valentino oder Oliver Peoples lese. Und ich unterstelle, dass dieses Buch nur deshalb Kult wurde, weil es das ekelerregend Mögliche neu definiert hat. Durch die Egoperspektive wird der Leser zum Komplizen (man vergleiche dazu bitte den österreichischen Film Funny Games) und man will weiterlesen, was jetzt als nächstes diabolisches kommt. Ich werde bewusst keine Szene beschreiben, es war ekelhaft. Zudem zündet der Humor nicht so häufig wie im Film, da man dort die Beobachter-Rolle hatte und Christian Bale die Persönlichkeit zwischen den Zeilen bravourös ausfüllt.

Auch wenn der Film nicht so drastisch mit unserer Gesellschaft umgeht wie das Buch, reicht, nein, ist der Film gar zu bevorzugen. Er trifft den satirischen Punkt vielleicht noch besser und das detailliert beschriebene Morden braucht man dann ohnehin nicht.

3 von 5 JB on the rocks
 
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