Neulich in der Metzgerei

Lord Kyp Durron

Botschafter
Neulich in der Metzgerei...

Irgendwie macht es Spass, Menschen in normalen Alltagssituationen völlig
aus dem Konzept zu bringen.
Wie wieder mal neulich in meiner Lieblingsmetzgerei. Hinter mir eine
Schlange, vor mir eine dieser netten Fleischereifachverkäuferinnen
"Einmal von dem Schwarzwälder Schinken"
"100 Gramm?"
"Ja"
"Darf's etwas mehr sein?"
"Ja klar" (Typisch, SO kann man auch Kohle machen)
"Darf's sonst noch was sein?
Ich finde die klassische Bestellerei öde. Also denke ich mal flexibel: "Ja,
bitte noch 113 Gramm Aufschnitt"
Totenstille in der Metzgerei.
Was ist das denn fur eine Bestellung? 113 Gramm?
Sie versucht es mit dem "ich habe mich
verhört"-Trick: "100 Gramm Aufschnitt, jawoll".
Aber nicht mit mir! "Nein, 113 Gramm"bitte
"113 Gramm?"
"So ist es".
100 Gramm kann sie schätzen, hat sie ja den ganzen Tag. Aber 113 Gramm, das
ist eine Herausforderung - zumal, wenn der Laden voll wie ein Kölner im
Karneval ist. Sie packt den Aufschnitt, legt ihn auf ein Stück Papier und
auf die Waage. Die Digitalanzeige blättert sich auf 118 Gramm. Sie ist
schlau. "Darf's ein bisschen mehr sein?"
Ich lächle, um sie in Sicherheit zu wiegen, dann sage ich: "Nein, genau 113
Gramm, bitte"
Sie atmet schwer.
Hinter mir immer noch Totenstille. Ein Huster. Die ganze Metzgerei
beobachtet wie erstarrt den Showdown zwischen Fleischereifachverkäuferwoman
und Superasshole.
In Zeitlupe schneidet sie ein Wurststückchen ab und legt den Aufschnitt auf
die Waage.
114 Gramm. Sie will die Wurst gerade einpacken.
"Nein" sage ich "Ich möchte bitte genau 113 Gramm."
Ich drehe mich zu den Wartenden um. "Aerztliche Empfehlung" lächle ich. Es
nützt nichts. Einer ballt die Fauste. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Meine bislang freundliche Bedienung knirscht mit den Zähnen, schneidet noch
ein Stückchen von EINEM Wurstscheibchen ab, lasst erneut die Waage
entscheiden.
Wie in Zeitlupe erscheinen die Zahlen und bleiben bei genau 113 Gramm
stehen. Hinter mir atmen die Menschen und auch meine
Fleischereifachverkäuferin auf.
Geschafft. Das A****loch ist befriedigt.
"JETZT dürfen Sie einpacken" erkläre ich generös, im Bewusstsein, sie
besiegt zu haben. Die empört murmelnden Stimmen "Vollidiot" "Kniebohrer"
und "Knalldepp" hinter mir ignoriere ich. Ich bekomme mein Fleisch nicht
direkt ins Gesicht geschmissen, zahle an der Kasse und frage die Besiegte
freundlich: "Was machen Sie eigentlich mit den abgeschnittenen Halb- und
Viertel-Scheiben?"
"Die werfe ich weg, wieso?"
"Och", sage ich verbindlich, "bevor Sie die wegschmeissen, können Sie sie
ja auch mir geben..."
Im Krankenhaus hat man mir später erzählt, sie hätten drei Stunden
gebraucht, um mir die Kalbshaxe aus den Rippen zu operieren...
 
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