Die deutsche Rechtschreibung hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt, nicht regellos, aber auch nicht einem systematischen Konzept folgend. Einheitlichkeit in der Schreibung gibt es im deutschen Sprachraum erst seit der Rechtschreibkonferenz von 1901 bzw. seit der an sie anschließenden amtlichen Regelung der Schreibung durch die Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz im Jahre 1902. Diese Einheitlichkeit, die heute weitgehend durch den Duden (Band 1: Rechtschreibung der deutschen Sprache), in Österreich auch durch das Österreichische Wörterbuch gesichert wird, ist 1901 über Kompromisse unter konkurrierenden Regelungen und Schreibvarianten zustande gekommen – oft auf Kosten von Systematik und Einfachheit. Und manches, was an Entscheidungen in der Zeit danach (vor allem durch Einzelfallregelungen) hinzugekommen ist, hat die Erlernbarkeit der Rechtschreibung eher erschwert als erleichtert. Man schrieb zum Beispiel als Ganzes gesehen, aber im ganzen gesehen, oder beim Bisherigen bleiben, aber beim alten bleiben. Wir trennten zum Beispiel Metall-urg, aber Dra-ma-turg. In dem Satz Ich versuchte(,) das Gerät zu reparieren konnte ein Komma gesetzt werden, in dem Satz Ich habe versucht, das Gerät zu reparieren war das Komma obli-gatorisch, in dem Satz Ich habe das Gerät zu reparieren versucht durfte dagegen kein Komma stehen. Selbst geübte Schreiber waren unter diesen Bedingungen nicht immer in der Lage, allen Feinheiten der deutschen Rechtschreibregelung gerecht zu werden. Es war darum nötig geworden, Systematisierungen vorzunehmen und das Regelwerk überschaubarer und leichter handhabbar zu machen.