Star Wars: Aftermath (Chuck Wendig)

Ich habe Life Debt inzwischen auch durch und würde mich in der Tendenz ungefähr @Finarfin anschließen wollen. Der Schreibstil Wendigs ist immer noch etwas gewöhnungsbedürftig, er sticht aber nicht mehr so stark heraus wie er es noch im ersten Buch tat. Ob das jetzt aber einfach nur ein gewisser Gewöhnungseffekt bei mir ist oder er tatsächlich etwas weniger auffällig geschrieben hat, kann ich schwer beurteilen. Jedenfalls habe ich aber keine eigentümlichen wiggly-jiggly-Aussetzer finden können. Ich würde daher den Stil diesmal sogar nichtmal als wirklich störend bezeichnen, abgesehen vielleicht davon, dass er wieder sehr sichtlich darum bemüht ist, hip und modern klingen zu wollen.

Was Life Debt auch besser als sein Vorgänger macht, ist, dass es eine relevantere Handlung erzählt und das Clownstreffen von Akiva jetzt eben Geschichte ist. Als Mittelteil fehlt Life Debt nun natürlich das große Ende, aber ich würde schon sagen, dass mit dem Fädenzieher Gallius Rax wenigstens ein interessanteres Konstrukt dahinter steckt als in der seltsamen Kaffeerunde des letzten Buchs. Überhaupt sorgt Gallius Rax für ein paar nette Momente im Buch und man ist durchaus interessiert, mehr über ihn zu erfahren. Das konnte ich von den anderen Bösewichtern des letzten Buchs nicht behaupten (außer eventuell eben Sloane, aber das lag ja nicht an Wendig). Sloane als politisch machtlose Puppenanführerin des Imperiums ist eine ganz nette Idee, auf der anderen Seite fragt sich der Leser dann doch allmählich, warum sie sich Gallius Rax eigentlich antut, da sie eigentlich ziemlich wenig von ihm hält. Aber ich denke, im Großen und Ganzen funktioniert das Gespann schon ordentlich und interessiert einen, weil diese Dualität etwas Dynamik ins Buch bringt und man über das Spurenlesen von Sloane als Leser auch selbst an die Hand genommen wird. Das ist schon ganz gut gelöst. Gut fand ich auch die Idee mit den Kashyyyk-Gefangenen und die letztliche Konsequenz daraus, die in der "Feier" dann schon atmosphärisch und durchaus spannend erzählt wurde. Vermutlich die beste Szene von Wendig bislang.

Da das Buch Life Debt heißt, sollte ich wohl auch ein wenig über den Kashyyyk-Plot schreiben. So viel gibt es darüber aber an sich nicht zu erzählen - im Grunde passiert weitgehend genau das, was man so erwarten würde. Die Frage war vermutlich eh nur, wie das Ganze über die Bühne geht und darum habe ich dazu insgesamt gar nicht viel zu sagen. Ich hätte normalerweise gemeint, dass der Plot solide ist, aber es gab einen Punkt, der mich in dem Buch gegen Ende des Plots dann wieder gestört, ja beim Lesen sogar wirklich direkt extrem genervt hat.
Kurz zur Situation: Kashyyyk wird von drei Sternenzerstörern aus dem Orbit beschossen und Han entschließt sich, in den Orbit zu fliegen und einen der Zerstörer zu kapern. Das hat mich schon mal sehr skeptisch gemacht, insbesondere nachdem sinngemäß so etwa kam wie "Ich mach sowas nicht zum ersten Mal". Mh, wirklich? Wenn ich mich recht entsinne, meinte Thane in Lost Stars noch vor Jakku, dass es der Republik bislang nicht gelungen ist, einen Sternenzerstörer zu kapern. Zumindest meine ich, dass da so ein Satz drin stand. Das ist aber nicht wirklich mein Problem mit der Szene. Nach einem kleinen (durchschaubaren) Trick gelingt es Hans Team also, den Hangar von Imperialen zu säubern. So weit, so gut. Und jetzt? Was ist der clevere Plan, um ein solches riesiges Schiff im Handstreich einzunehmen? Mit ein paar Leuten? Ganz einfach: Man stürmt halt einfach die Brücke damit. Ja, dieses Buch geht allen Ernstes so vor, dass es einen kurzen Showdown im Hangar des Schiffs gibt und nur wenige Sätze (!) später steht Han ohne irgendwelche Probleme auf der Brücke des Sternenzerstörers. Was soll das? Was denkt sich ein Autor bei so etwas? Ja, die Sternenzerstörer waren laut Wendig nicht voll bemannt - und trotzdem werden da mehrere Hundert, im Zweifel mehrere Tausend Soldaten an Bord sein. Und nur weil es jetzt Han Solo ist, kann der im Prinzip ohne irgendwelche Probleme bis zur Brücke kommen? Nein, sowas lass ich einfach nicht durchgehen. Mich nervt so ein schlechtes Storytelling und das ist leider ein Deus ex Machina, den Wendig da in schlechtester Form rausholt, weil ihm offensichtlich einfach gar nichts mehr einfiel, wie er diese Situation noch beseitigen soll. Insbesondere nervt es mich, dass die Eroberung eines Sternenzerstörers in Lost Stars als wirkliche Mammutaufgabe und schwerster Kampf dargestellt wird. Korridor um Korridor, den man sich gegen erbitterten Widerstand des Gegners vorkämpft. Ja, genau so stelle ich mir das auch vor. Und nicht einen kleinen Trick im Hangar und dann steht man plötzlich ungestört auf der Brücke. Damit demontiert Wendig nicht nur sein Buch und seine Gegenspieler, sondern leider eben auch Lost Stars, weil man sich naturgemäß fragt, warum denen das so schwer fällt.
Allein dieser Punkt zieht das Buch für mich herunter, weil mich das beim Lesen wirklich gestört hatte (Stichwort suspension of disbelief). Und das ist für mich keine Nörgelei an einem unbedeutenden Plotpunkt - sondern es ist im Ergebnis dann ja auch der entscheidende Punkt in der Schlacht um Kashyyyk. Wenn ein Buch an diesem fundamentalen Punkt so versagt, dann kann ich es einfach nicht wirklich positiv bewerten.

Gleichzeitig muss ich sagen, dass ich abseits hiervon und einer weiteren Darstellung das Buch aber in Gänze nicht als komplett misslungen bezeichnen würde. Der zweite Punkt, der mir missfallen hat, wurde im Thema auch schon angedeutet:
Wenn ich Wendigs Leia mit der von Claudia Gray vergleiche, so ist erstere kaum mehr als eine blasse Karikatur
Das halte ich sogar noch für untertrieben. Sicherlich hat Life Debt bei mir das Problem, dass ich es auch recht kurz nach einem hervorragenden Leia-Roman lesen musste und der Vergleich daher nicht ganz fair ist. Aber wenn Wendig Leia teilweise Kapitel schenkt, dann muss er sich eben einen gewissen Vergleich auch gefallen lassen. Und hier muss ich einfach sagen, dass ich Leia im Vergleich zu Bloodlines für eine absolute Katastrophe halte.
An Gray mochte ich, dass sie Leia und Casterfo in einen Konflikt miteinander bringt, sie sich aber Mühe gibt, dass man beide Reaktionen persönlich sehr gut nachvollziehen kann. Wendigs Leia dagegen verhält sich eigentlich das ganze Buch über überhaupt nicht nachvollziehbar, sondern stänkert eigentlich nur die ganze Zeit vergleichsweise grundlos herum. Die Art und Weise, wie sie mit Mon Mothma und der Republik als Ganzes umgeht, ist bodenlos. Dass sie auch unmittelbar nach Gründung (!) der Republik auch schon völlig enttäuscht davon ist, ist einerseits nicht nachvollziehbar, andererseits stellt es auch die naheliegende Frage, warum sie dann in Bloodlines zur Republik doch wieder etwas anders steht. In Bloodlines hadert sie ja primär mit den politischen Verhältnissen in der Republik und der Aufspaltung in die zwei Lager. In Life Debt stellt sie dagegen im Prinzip schon die Republik in ihren ideellen Grundgedanken komplett in Frage. Das passt für mich gerade noch überhaupt nicht zusammen. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass Leia schon in Life Debt so weit gewesen sein müsste, den Widerstand gründen zu müssen - stattdessen bleibt sie zwanzig Jahre lang völlig frustriert aktiv in der Republik und gründet ihn erst, nachdem man sie selbst desavouiert hat? Das gefällt mir nun nicht gerade. Ich hatte in Bloodlines eigentlich gar nicht den Eindruck, dass Leia bisher ein prinzipielles Problem mit der Republik gehabt hatte. In Life Debt ist sie dagegen von vorneherein völlig frustriert von ihr. Wie passt das? Meiner Meinung nach ist Wendig da viel zu weit übers Ziel hinausgeschossen und bringt den Charakter Leia aktuell in massive Erklärungsnöte. Ich würd daher die Frage von @jujukane , wie Leia das ausgehalten hat, viel weniger aus Interesse als vielmehr als Frage an Wendig formulieren: Was hat er sich dabei gedacht, Leia in die Situation zu bringen, das so lange aushalten zu müssen? So wie sich Leia in Life Debt liest, hat sie eigentlich gar kein wirkliches Interesse daran, wie die Republik handelt und somit an der Republik selbst - in Bloodlines ist das völlig anders, da will sie sich ja gerade für die Republik einsetzen. Wieso sollte sie das machen, wenn sie die schon direkt seit ihrer Gründung für eine schlechte Idee hält? Nee, sorry. Das hat Wendig einfach nicht gut gemacht. Darüber hinaus kann ich diesen fragwürdigen Trope, dass eine Demokratie immer total ineffektiv und nutzlos handelt, allmählich auch echt nicht mehr sehen (dessen sich Bloodlines übrigens so gerade nicht bedient hat!).

Leia und das Ende des Kashyyyk-Plots sind also meine Hauptprobleme, die ich mit Life Debt hatte. Wendigs neue Charaktere halte ich abseits von Gallius Rax immer noch nicht für massiv interessant - sie leiten einen halt etwas durch die Geschichte, aber neugierig machen eine Jas oder ein Sinjir dann irgendwie auch weiterhin nicht. Ich kann jedenfalls nicht sagen, dass mich interessieren würde, was im nächsten Buch mit ihnen passiert, dafür sind sie mir einfach nicht interessant genug geschrieben. Die einzige Person, die ich etwas interessanter finde, wäre vielleicht Norra Wexley, aber die hat das Problem, dass sie mit Temmin leider häufiger auch einen eher nervigen Charakter um sich hat. Was die offenen Fäden angeht, wird Jakku bereits angeteasert und es stellen sich für die Zukunft des Kanons auch einige Fragen.
Insbesondere ist hier ja der Punkt zu nennen, dass an Jakku irgendetwas sehr besonders sein muss. Palpatine hat diesen Planeten gegenüber Rax also ganz gezielt als relevanten Punkt auserkoren und den Planeten als entscheidend für das Schicksal der Galaxis bezeichnet. Mehr wissen wir jetzt natürlich noch nicht und wirklich spekulieren kann man mangels weiterer Informationen eigentlich auch noch nicht, aber was dahintersteckt wird sicherlich noch sehr, sehr relevant werden.

Fazit: Das Buch ist ohne Zweifel besser als der erste Teil. Trotzdem würde ich es allenfalls als durchschnittliches Buch bezeichnen, weil es es einfach nicht schafft, mich für die Protagonisten zu interessieren. Daran hat sich auch nach zwei Büchern nichts geändert und es fällt mir schwer vorzustellen, dass ihm das dann im dritten und letzten Buch noch gelingen wird. Norra Wexley, bei der sich Wendig schon im ersten Buch am ehesten versucht hatte, gewinnt durch Life Debt etwas, alles in allem ist mir das aber nach zwei Büchern an interessanten Charakteren zu wenig. Als eins der besten Bücher des Kanons würde ich es sicher nicht bezeichnen. Für mich tragen Rax und Sloane das Buch zu großen Teilen, aber im Vergleich zu Bloodlines finde ich beide Charaktere deutlich schwächer als das Gespann Leia - Ransolm oder Thane - Ciena. Im Normalfall würde ich daher wohl 3 von 5 Punkten geben - lesbar und okay, mit ein paar guten Ansätzen. Aber da mich das Buch an einer Stelle, wie erwähnt, sehr rausgezogen hat, und das in einem Universum, das von seinem Setting lebt, einfach überhaupt nicht passieren darf, kann ich nicht mehr als 2,5 von 5 imperialen Großadmiralen geben - kompletter Durchschnitt also. Und ja, das ist absolut eine Steigerung im Vergleich zu Teil 1! :D
 
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