Wenn man sich darüber informieren möchte, von welchen Gruppierungen derzeit die größte Gefahr ausgeht, hilft ein Blick in den Bericht des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2017 (PDF):
https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2017.pdf
Da werden die drei Hauptbedrohungen ganz klar benannt: Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus. Wie hier im Thread schon erwähnt sind das nicht die einzigen Gefahren. Es gibt beispielsweise radikale Umwelt- und Tierschützer, die zu Gewalt gegen Personen und Sachen und Einschüchterung aufrufen, religiöser Extremismus in Form von Sekten wie Scientology, die eine Umformung der Gesellschaft entlang der Teilung in Gläubige und Nichtgläubige anstreben, politisch motivierte Gewalt, die nicht klar einem bestimmten Spektrum zuzuordnen ist, und die Spionagetätigkeit und Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch andere Staaten.
@icebär weist mit Recht daraufhin, dass fast jede politische oder gesellschaftliche Strömung das Potential besitzt, die Demokratie auszuhebeln - sogar die Demokratie selbst kann pervertiert werden, wenn sie auf die bloße "Diktatur der Mehrheit" hinausläuft. Da muss man auf jeden Fall ein Auge drauf haben. Ich habe hier im Thread mehrfach für die (soziale) Marktwirtschaft argumentiert, d. h. für mich beispielsweise, dass der Staat Regeln und Gesetze bestimmen muss, damit Unternehmen ihren Aktivitäten nachgehen können, ohne dass dies zu Monopolen oder dem Verlust der sozialen Grundsicherung führt. Ich will also nicht in einem Staat leben, in dem "die Konzerne" regieren, ich will aber auch nicht in einem Staat leben, in dem "die Reichen" zum Abschuss freigegeben werden. Rechtsstaat, Demokratie und soziale Marktwirtschaft müssen immer Hand in Hand gehen und jeden Extremismus entschieden bekämpfen und eben auch durch Teilhabe und Sicherheit unattraktiv machen.
@Ian Dice Ein guter Artikel, der auf einen ganz wichtigen Punkt hinweist: Wenn jemand gegen Faschismus ist (oder was er dafür hält - in der Weimarer Republik war die SPD für die Kommunisten bereits "sozialfaschistisch"), steht er deshalb noch lange nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die DDR war nach eigenem Bekunden "antifaschistisch", war sie deshalb ein Rechtsstaat und eine Demokratie? Die Leute, die sich einen sozialistische Diktatur in Deutschland oder einen islamistischen Gottesstaat wünschen, sind wohl auch antifaschistisch, aber nicht, weil sie Demokratie und Freiheit verteidigen wollen, sondern weil der Faschismus ein totalitäres "Konkurrenzprodukt" zu ihren eigenen totalitären Vorstellungen betrachten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es sollte tatsächlich für jeden, der auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, selbstverständlich sein, gegen Faschismus, Nationalsozialismus und Rassismus einzutreten. Dabei kann man aber nicht ultimativ erwarten oder fordern, dass man sich für die Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit Leuten zusammentun
muss, die diese in Teilen oder als Ganzes ablehnen. In "Anne Will" fiel kürzlich ein guter Satz zu Chemnitz, da hieß es, wenn auf einer Demo NS-Parolen und -grüße gezeigt werden, wenn verfassungsfeindliche Symbole zu sehen sind, wenn zu Hass und Gewalt aufgerufen wird, dann muss man diese Demo verlassen oder sich den berechtigten Vorwurf gefallen lasen, dass man sich nicht von Extremisten abgrenzen will. Das gilt meines Erachtens auch dann, wenn auf der Gegendemo Hammer und Sichel zum Vorschein kommen, der schwarze Block aufmarschiert und Steine, Flaschen und Molotowcocktails Richtung Polizei fliegen. Wer den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will, landet trotzdem in der Hölle. Ich finde da ist in der Vergangenheit auch vieles falsch gelaufen, indem man den Rechtsstaat seiner Mittel beraubt hat. Man beklagt sich (mit einer gewissen Berechtigung) über Extremisten im Staatsdienst. Wer hat den Radikalenerlass gekippt? Wer die Paragrafen für Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen entschärft? Wer Kritik geübt, als für Vereinigungen, die Fördermittel erhalten, der Nachweis der Verfassungstreue eingeführt wurde? Das waren leider eben oft Personen und Parteien aus dem linken politischen Spektrum, die dabei übersahen (oder übersehen wollten), dass diese Maßnahmen eben
auch Rechtsextreme getroffen haben bzw. hätten.
Aber, und auch das muss gesagt werden: Man sollte sich nicht an dem Reizwort "Antifa" aufhängen. Wie
@Ben und
@Crimson angemerkt haben, ist das ein sehr weit gefasster Begriff und solange sich jemand, auch wenn er zum äußersten linken Rand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört, zu dieser Grundordnung bekennt, sollte man über Parteigrenzen hinweg in der Lage sein, gemeinsam gegen Rechtsextremismus einzustehen.
Kurze Anmerkung zu Begriffen: Ausdrücke wie "roter Faschismus" und "rote SA" sind in meinen Augen historisch nicht korrekt und irreführend. Der real existierende Sozialismus hatte seinen eigenen totalitären Charakter, der ihn vom Faschismus beispielsweise in Italien unterschied, und wenn man auf linksextreme, gewaltbereite Gruppierungen anspielen will, dann kann man ruhig vom "Rotfrontkämpferbund" sprechen.