Zuletzt gelesenes Buch

In letzter Zeit habe ich mir ein Mario Puzo-Doppelpack gegeben:

Zunächst einmal The Godfather, dessen Story altbekannt ist. Das Buch ist eine Kombination aus den ersten beiden Filmen (aus dem zweiten Teil nur Vitos Hintergrund), aber es gibt interessante Unterschiede.

-) Vito Andolini hat keinen älteren Bruder namens Paolo. Die Mafia von Corleone, ohne Erwähnung irgendwelcher Namen, ermordet seinen Vater. Der Mutter wird nichts getan. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er später zurückkehrte, um Rache zu üben.

-) Vitos Aufstieg im New York des frühen 20. Jahrhundets ist natürlich viel detaillierter ausgearbeitet (etwa der Krieg mit dem realen Salvatore Maranzano; man erfährt ebenso einiges über andere Figuren, wie Luca Brasi).

-) Johnny Fontane, Sänger auf Connies Hochzeit, hat einen eigenen Subplot, ebenso Lucy Mancini, Sonnys Geliebte. Sie heiratet einen Arzt in Vegas (wodurch die uneheliche Zeugung Vincents durch Sonny nicht möglich ist).

-) Es gibt keinen Verrat durch Fredo, der gesamte Kuba-Subplot existiert nur in den Filmen. Teil drei hat gar keine literarische Vorlage.

-) Fabrizio der Verräter wird gefunden und für den Mord an Apollonia exekutiert.

-) Das Buch endet mit Kay beim Gebet in der Kirche. Sie hat die wahre Natur Michaels gesehen und sich nach kurzem Zögern in die Rolle der zukünftigen Mafia-Matrone eingefügt.

Unterhaltende, flüssige Lektüre. 5/5 gestohlenen Teppichen

Das zweite war The Sicilian. Michael Corleone sitzt im sizilianischen Exil und soll auf seiner Rückreise den berühmten Banditen Salvatore Guiliano in die USA mitbringen. Dessen Aufstieg und Fall wird von Puzo spannend inszeniert, die Geschichte steht für sich selbst und bietet viele tolle Figuren.

4/5 Luparas
 
Schwarze Nebel

Das war dann wohl mein letztes Buch für das Jahr 2017 und immerhin mein erster Michael Chrichton. Wie schon bei Starship Troopers war die amerikanische Filmadaption "Der 13. Krieger" aus dem Jahre 1999 (das Buch erschien erstmals 1976) mit Antonio Banders in der Hauptrolle des Ahmed ibn Fadlan der Anlass, sich der literarischen Vorlage zu widmen. Eine weitere Parallele zu Starship Troopers ist, dass der Film für mich persönlich als "guilty pleasure" gilt, da er bei Kritikern wie Zuschauern damals durchfiel und für Walt Disney Studios ein finanzielles Fiasko sondergleichen darstellte. Ich dagegen schaue ihn mir gerne alle 1 - 2 Jahre wieder an und auch wenn er nicht jedermanns Sache sein mag, mindestens den Soundtrack von Jerry Goldsmith kann ich jedem Liebhaber von Abenteuerfilmen wärmstens empfehlen.

Das Buch? Ach ja! In "Schwarze Nebel" geht es um den arabischen Gesandten ibn Fadlan, der aufgrund eines kurzen Techtelmechtels mit der falschen Dame auf die Reise geschickt wird, um mit einem slawischen Herrscher diplomatische Beziehungen zu pflegen. Auf dem langen und nicht ungefährlichen Weg dorthin begegnet er einigen Wikingern/Nordmännern, die in eigener Mission aufbrechen und gemäß dem "Engel des Todes", einer wichtigen kulturellen Instanz in Form einer alten Dame, einen Begleiter benötigen, der kein Nordmann sein darf. Eher unfreiwillig begleitet ibn Fadlan die rohen, kriegerischen und seiner Ansicht nach in vielen Aspekten primitiven in das Reich König Rothgars, einem lokalen skandinavischen Herrschers, welches von einem großen Unheil heimgesucht wird und einer Heldentat bedarf.

Michael Crichton bediente sich für seinen Roman der historischen Figur des Ahmad ibn Fadlān, der lt. überlieferter Quellen im Jahre 922 für den Kalifen von Bagdad mit einer Gesandtschaft bei den Wolgabulgaren vorstand. Seine Reiseaktivitäten sind das Fundament für eine sonst fiktive Abenteuergeschichte, in die Chrichton eine eigene Interpretation der Beowulf-Saga einwebt. Um den Anschein von Authentizität zu wahren, schrieb der Autor den Roman in Tagebuchform und fügte Fußnoten sowie Zwischenbemerkungen ein, die interessantes, recherchiertes Wissen um Hintergründe wie bspw. kuluturelle Gepflogenheiten beinhalten.

Wie schon bei Starship Troopers fällt es mir schwer, den Film bei der Analyse und Bewertung komplett auszublenden, und auch hier möchte ich nicht vollständig darauf verzichten, da eben dieser Vergleich die ausschlaggebende Intention war, als ich das Buch zur Hand nahm. Wäre die Beziehung zum Film nicht gewesen, hätte ich der Vorlage wahrscheinlich deutlich weniger abgewinnen können. Es mag an der deutschen Übersetzung liegen (die aus dem Jahre 1994 erschien), aber der sehr altbackene Schreibstil trägt nicht gerade zum Lesefluss bei und Chrichton schafft es auch nicht, einem die Figuren wirklich näher zu bringen. Keineswegs fallen sämtliche Charaktereigenschaften unter den Tisch, insbesondere der Protagonist macht eine ähnliche Entwicklung durch wie auch seine filmische Verkörperung durch Banderas. Ebenso haben wir bspw. Herger, der als einziger des Lateinischen mächtig ist und somit für ibn Fadlan wichtiger Übersetzer und Bezugsperson unter den Nordmänner ist. Er wird im Roman als immer gut gelaunt und heiter bezeichnet, was sich im Film durch die sympathische Darstellung von Dennis Storhoi noch deutlich übertroffen wird. Ich vermute, dass ich ohne die Gesichter und das Spiel der Schauspieler, die mir ständig präsent waren, überhaupt keinen Draht zu irgendeiner Figur hätte finden können. Auf der anderen Seite war es genau dieser Schreibstil, der mich an der ein oder anderen Stelle schmunzeln ließ, wenn Themen wie bspw. Sexualität oder Körperausscheidungen in dieser herrlich verklemmten Weise beschrieben wurden. Eine kleine Stilblüte:

Angelegentlich ihres Hingebens (Geschlechtsverkehr) sind diese Frauen (Nordfrauen) lärmend und ungebärdig und von solch einem Gestank, daß ich genötigt ward, während des Verweilens [...] meinen Atem anzuhalten; überdies neigen sie zum Bocken und Winden und Kratzen und Beißen, so daß ein Manne durchaus in vollem Ritte abgeworfen werden kann [...]. So erachtete ich die Betätigung eher als Pein, denn als Vergnügen.

Die Stärken des Romans liegen m.E. in der Beschreibung und Erklärung der Kultur der Nordmänner, die im Gegensatz zum Film hier wesentlich mehr Raum bekommt und vor allem weit weniger romantisiert ist. Um dafür mal ein Beispiel zu nennen:

In einer Szene zu Beginn des Filmes wird die Bestattung eines Königs der Nordmänner gezeigt. Dieser wird auf einem Schiff aufgebahrt und zusammen mit einer jungen, hübschen Frau verbrannt, die ihrem Herrn in das nächste Leben folgen soll. Das ist an sich aus heutiger Sicht schon kritikabel, im Vergleich zum Roman aber sogar noch verharmlost. Hier muss die Frau, welche sich zugegeben freiwillig meldet, mit den Kriegern des Königs schlafen und wird von diesen anschließend mit einem Strick erdrosselt (nebst Dolchstoß zwischen die Rippen). Zudem werden mehrere Tiere wie z.B. Pferde und Rinder getötet, zerstückelt und in das Boot geworfen, Beigaben für den Übergang in das Jenseits.

Das ist ein sehr plakatives Beispiel von mehreren, an denen deutlich wird, dass man sich in Hollywood trotz vieler Parallelen zur Vorlage am Ende doch dazu genötigt sah, den Nordmännern (und auch dem Protagonisten) moderne Wert- und Moralvorstellungen überzustülpen. Gerade das macht "Schwarze Nebel" interessant, da Figurentiefe und Action sehr überschaubar sind, Kampfszenen bspw. werden sämtlich innerhalb weniger Seiten komplett abgehandelt, um sich lieber wieder der Kultur und dem Sozialverhalten der Nordmänner aus den Augen ibn Faldans zu widmen.

Fazit: Als kleiner sozialwissenschaftlicher Ausflug in die Welt der Wikinger sicher interessant, als Abenteuerroman und für Leser, welche den Film nicht kennen, womöglich etwas zu langweilig.
 
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Feuerkind - Stephen King

Andy und Vicky wollen einfach nur 200$ verdienen, als sie sich für ein Experiment (Lot Sechs) am Harrison State College melden. Zwei klamme Studenten, die sich wie viele andere irgendeinen angeblich unbedenklichen Stoff injizieren lassen und dafür ein paar finanzielle Sorgen weniger haben.

Viele Jahre später ist Andy McGee mit ihrer gemeinsamen Tochter, Charlene (kurz Charlie), auf der Flucht vor jenen Leute der s.g. "Firma", die für die damaligen Tests verantwortlich und mit den beiden noch lange nicht fertig ist.

"Feuerkind" erzählt die Geschichte der McGees, vorrangig die von Andy und seiner Tochter Charlie, die in ihrem Katz-und-Maus-Spiel mit der Firma irgendwie versuchen, zu entkommen und sich dem Greifarm der Regierung endgültig zu entziehen. King liefert, wie ich es mittlerweile gewohnt bin, ein gutes Spannungsniveau über 540 Seiten, bei dem die Vater-Tochter-Beziehung ein zentrales Element ist. Andy ist mit der Situation im Grunde überfordert, seiner Tochter zuliebe kann und will er nicht aufgeben, muss aber gleichzeitig ihre (zerstörerischen) Kräfte im Zaun halten, während seine eigenen Fähigkeiten zu limitiert sind, um sie langfristig zu schützen. Die Kleine widerrum befindet sich in einem heftigen inneren Widerstreit, ist so auf der einen Seite von ihren Eltern und aufgrund ihrer Erfahrungen darauf getrimmt, ihre Fähigkeiten nicht einzusetzen, sind diese auf der anderen immer wieder notwendig, um der Firma einen Schritt voraus zu sein. Was ist die richtige Entscheidung und was hat diese für Folgen für andere Menschen? Rückblickend zieht sich das wie ein Leitmotiv durch den Roman, bis auf die letzten Seiten. Vor dem Hintergrund der enormen Möglichkeiten und des Zerstörungspotentials der paranormalen Kräfte ein sogar realistischer Ansatz.

Die Antagonisten, subsummiert unter der "Firma", sind leider ziemlich klischeehafte skrupellose Regierungsbeamte. An der Spitze steht John Rainbird als esoterischer Genius des Bösen, für meinen Geschmack etwas zu überzeichnet und ein paar Schritte über der Linie, bis zu der ich gerne mal ein Auge zudrücke. In der zweiten Hälfte gab es obendrein leider ein paar gefühlte Längen und die Nummer mit dem Supercomputer ist wohl so eine klassischer 80er-Nummer.

Am Ende spannende Unterhaltung: 3,5 Sterne
 
"Um Mitternacht die Freiheit" von Larry Collins und Dominique Lapierre. Dieses Buch handelt vom Prozess, wie Indien in die Unabhängikeit von Grossbritannien gelangte. Die Autoren richteten dabei das Hauptaugenmerk auf Lord Louis Mountbatten, dem letzten Vizekönig von Indien und auf Mohandas Gandhi, welcher mit seinem zivilen Ungehorsam und seinen Hungerstreiks viel dazu beigetragen hat.

Die beiden Autoren haben mit vielen Zeitzeugen geredet und auch die verschiedenen Archive durchpflügt. Herausgekommen ist, dass der ganze Unabhängigkeitsprozess nicht so friedlich abgelaufen ist, wie man das allgemein manchmal meint. Mountbatten und Gandhi waren beide nicht auf Gewalt aus im Gegenteil, leider haben aber nicht alle von den hundert Millionen Indern diesen pazifistischen Gedanken geteilt. Interessant war auch der Augenmerk auf die entstehung Pakistans, welches von Jinnah, dem Moslemführer der Inder gefordert wurde und von vielen Indern, insbesondere Gandhi abgelehnt wurde. Mountbatten, Jawaharlal Nehru und Vallabhbhai Patel, die Indischen Führer der Kongresspartei bissen aber in den sauren Apfel, zumal sich Mountbatten eine ziemlich kurze Frist von wenigen Wochen gesetzt hat um Indien in die Unabhängigkeit zu führen. Als dann Indien unabhängig und in Indien und West- und Ost-Pakistan (jetzt Bangladesh) geteilt wurde, gab es einen der grössten Exodusse die es je in der Menschheit gab. Hindus, welche in Pakistan lebten mussten nach Indien und Moslem die in Indien lebten nach Pakistan. Als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, fielen die beiden Religionsgruppen wie wahnsinnige übereinander her. Nachbarn und Freunde wurden über Nacht zu erbittereten Feinden. Dieser Konflikt schwelt in Indien noch immer. Auch das Attentat auf Gandhi, welcher die Hindus und Moslems wieder zusammenführen wollte, durch Mitglieder der hinduistischen Extremistengruppe R.S.S. (Rashtriya Swayamsevak Sangh = Nationale Freiwilligenorganisation) wird beleuchtet.

Dieses Buch gibt einen guten Einblick in die ganze Geschichte und man versteht dadurch auch besser, wieso Indien so ist, wie es ist.

Das Buch ist schon ein wenig älter (1976) aber immer noch lesenswert.
 
Nachdem ich letztens die Netflix-Serie "Altered Carbon" gesehen hatte, habe ich mir nun kurz darauf die Romanvorlage von Richard Morgan per Kindle zur Brust genommen. Und darum geht's im Buch:

Welche Bedeutung hat der Tod in einer Welt der Unsterblichen?
Im fünfundzwanzigsten Jahrhundert ist die Wirklichkeit längst digital, und der menschliche Geist kann wie ein Programm in einen neuen Körper heruntergeladen werden. Als der ehemalige Elitesoldat Takeshi Kovacs nach fünfhundert Jahren wieder aufwacht, ist sein schlimmster Albtraum wahr geworden. Und jetzt muss er in einer Welt, in der Sterben eigentlich unmöglich ist, einen Mord aufklären…
Quelle

Der Roman, der in der Ich-Form aus Sicht von Takeshi Kovacs geschrieben ist, liest sich meiner Meinung nach ziemlich flüssig. Hier und da greift der Autor sogar bewusst auf bekannte Firmen (u.a. Lockhead und Heckler & Koch) zurück, um die Weiterentwicklung unserer jetztigen Welt anzudeuten. Mich hat das immer wieder schön mitgenommen.

Die Netflix-Serie folgt den Grundzügen nach der Romanvorlage. Größere Abweichungen sind:

  • Takeshis Vergangenheit ist anders. Er kam nicht sofort zu den Envoys, sondern nach einer kriminellen Kindheit/ Jugend (Mitgliedschaft in Banden), schloss er sich erst den Marines des Protektorats an und wurde dann für die Envoys rekrutiert.
  • Im Roman heißt das Hotel "Hendrix" und nicht "Raven". Die meiste Zeit zeigt sich das Hotel auch nicht in der Form von Jimi / Edgar Allan Poe, sondern benutzt eine angepasste Version. (Bei Takeshi war es, glaube ich, eine asiatische Frau)
  • Mr. Leung, der Killer, ist im Roman die ambivalente Söldnerin Trepp. Beide Charakterisierungen unterscheiden sich stark voneinander.
  • Reileen Kawahara ist nicht Takeshis Schwester. Beide sind nicht einmal auf der selben Welt geboren.
  • Einen Widerstand, wie in der Serie gezeigt, gibt es nicht.
  • Elizabeth Elliot spielt keine Rolle. Ihr Vater genausowenig. Die Mutter Iren wird nicht in einem Männerkörper resleevt.
Insgesamt kann ich das Buch empfehlen. Morgan bezeichnet sein Genre zudem als Future Noir. :)

Grüße,
Aiden
 
Der Spielzeugsammler

James Gunn ist dem ein oder anderen vielleicht ein Begriff, wahrscheinlich aber nicht als Autor klassischer Romane, sondern als sehr erfolgreicher Regisseur und Produzent, der sich vor allem mit dem Marvel-Film „Guardians of the Galaxy“ und der Fortsetzung eine ziemliche Reputation aufgebaut hat. Vor seinem großen Durchbruch im Filmgeschäft gab er im Jahre 2000 mit „Der Spielzeugsammler“ (The Toy Collector) sein Debüt als Romanautor, dem bis heute literarisch allerdings nichts nachgefolgt ist und somit den einzigen, einsamen Eintrag seiner Bibliografie darstellt (Mitwirkungen außen vor).

In „Der Spielzeugsammler“ folgt der Leser dem Protagonisten James „Jamie“ Gunn in personaler Erzählform über zwei abwechselnd fortlaufende Handlungsstränge: Einmal dem Gunn in den 20ern und einmal seinem Ich in Kindheit und Jugend.

Der „ältere“ Gunn arbeitet als Helfer in einem Krankenhaus, ist chronisch pleite und bedingt durch seine geringe Entlohnung an einen niedrigen Lebensstandard gewöhnt, den er sich zusammen mit seinem Kumpel Bill in einer WG teilt. Sie beide entwickeln eine Sammelobsession für Spielzeugfiguren, die sie sich mit ihrem regulären Einkommen aber nicht leisten können. Aus diesem Grund fangen sie an, bei ihrem Arbeitgeber Medikamente zu stehlen und diese zu verkaufen. Kurz darauf lernt er die junge, hübsche Evelyn kennen, verliebt sich und findet sich in der Situation wieder, dass sein bisheriges Hamsterrad von Leben überhaupt nicht für eine solche Beziehung geeignet ist.

Den „jungen“ Gunn verfolgt der Leser in mal mehr, mal weniger großen Zeitsprüngen durch seine Kindheit und Jugend. Diese prägende Zeit und all die Erfahrungen und „Abenteuer“ erlebt er mit seinem Bruder Torf und seinen Freunden Nancy und Gary.

Meine Meinung:

Ich habe mir vorab keine Kritiken durchgelesen, höchstens ein paar überflogen, und hatte dementsprechend die sehr trügerische Erwartung, dass es sich um eher lockeren Stoff handeln würde, wie man es nach seinen Regiearbeiten im Marvel Cinematic Universe vielleicht erwarten würde. Das ist weit gefehlt, denn Gunn schafft mit dem gleichnamigen Protagonisten einen sehr bitteren Charakterentwurf, der etwas ganz anderes ist als ein humoristisch angehauchter Modelltyp des klassischen Nerds, der einfach nicht aus sich herauskommt. Es ist eine krasse Mischform aus Eskapismus, Soziopathie, Trauma und einer großen Portion Arschloch, von der ich nur hoffen kann, dass die autobiografischen Anteile möglichst gering sind. Aus dieser Perspektive, als Charakterstudie, ist das Buch sogar sehr gelungen, wenn es auch einiges abverlangt, einer solchen Figur über 300 Seiten folgen zu müssen. Der Autor beschreibt sehr detailliert und auch nachvollziehbar, wie sich seine Hauptfigur ihr Leben ruiniert und in was für selbstzerstörerischen Denkmustern er gefangen ist, die immer dann greifen, wenn man schon dachte, es richte sich alles wieder ein.

Die Spielzeuge sind dabei selbstverständlich nur Symbole. Symbole einer verlorenen oder zumindest vergangenen Kindheit und der Sehnsucht nach Unschuld in einer Zeit, als alles noch „gut“ war. Dahingehend gibt es zwar viele namentliche Nennungen und Referenzen, wer aber ein Feuerwerk a la Ready Player One erwartet, wird enttäuscht werden. Sofern man kein Kenner von Actionfiguren ist, geht man leer aus. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit widmet der Autor dem Konsum von Drogen, Alkohol und einem anderen Symptom von Jamies Problemen, und zwar seinem unverbindlichen Sexualleben. Gerade Letzteres findet sehr viel Erwähnung und wird auch oft sehr detailliert beschrieben, generell sind sexuelle Elemente nahezu omnipräsent, und ab einem recht frühen Zeitpunkt sogar in dem Handlungsstrang um den jungen Jamie ausgiebig angelegt. Das passt grundsätzlich zum Charakterentwurf, auch in der Art und Weise, der Umfang ist aber zeitweise ermüdend und wäre in meinen auch in geringerem Maße absolut ausreichend gewesen. Die Beschreibungen sind dabei gerne recht bizarr, passend zum Protagonisten. Eine Kostprobe (kein Spoiler-Alarm, aber pro forma):

"Dabei stellte ich mir Folgendes vor: Mein Sperma schoss durch Evelyns Körper, kam ihr aus dem Mund, umrundete die ganze Erde und landete schließlich dort, wo es hergekommen war."

Direkt nach der Lektüre hatte ich sehr gemischte Gefühle, wie das Buch zu werten ist. Die Tatsache, dass der Protagonist für mich ein großer Unsympath ist, hat es schwer gemacht, hier trotz des guten Schreibstils und der sorgfältigen Ausarbeitung mit einem positiven Fazit zu schließen. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass „Der Spielzeugsammler“ bei weitem nicht für jeden etwas ist, aber als Charakterstudie gestehe ich Gunn zu, dass er hier durchaus abgeliefert hat.
 
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Frank Schätzing - Die Tyrannei des Schmetterlings

Inhaltsangabe von amazon.de:

»Die Tyrannei des Schmetterlings« - Frank Schätzings atemberaubender neuer Thriller über eines der brisantesten Themen unserer Zeit: künstliche Intelligenz. Kalifornien, Sierra Nevada. Luther Opoku, Sheriff der verschlafenen Goldgräberregion Sierra in Kaliforniens Bergwelt, hat mit Kleindelikten, illegalem Drogenanbau und steter Personalknappheit zu kämpfen. Doch der Einsatz an diesem Morgen ändert alles. Eine Frau ist unter rätselhaften Umständen in eine Schlucht gestürzt. Unfall? Mord? Die Ermittlungen führen Luther zu einer Forschungsanlage, einsam gelegen im Hochgebirge und betrieben von der mächtigen Nordvisk Inc., einem Hightech-Konzern des zweihundert Meilen entfernten Silicon Valley. Zusammen mit Deputy Sheriff Ruth Underwood gerät Luther bei den Ermittlungen in den Sog aberwitziger Ereignisse und beginnt schon bald an seinem Verstand zu zweifeln. Die Zeit selbst gerät aus den Fugen. Das Geheimnis im Berg führt ihn an die Grenzen des Vorstellbaren – und darüber hinaus.


Mein erster Schätzing, vor zwei Wochen im Urlaub am Strand ausgelesen und ich bin jetzt noch baff.
Ohne zu spoilern geht es hauptsächlich um Künstliche Intelligenz, aber auch um einen kalifornischen Provinz-Cop der versucht, einen Mord aufzuklären, während im Südsudan Militärs eines Warlords durch eine kranke Superwaffe massakriert werden. Wie das alles zusammenhängt sollte besser in einen Spoiler gepackt werden:

Schätzing schreibt über den Versuch, eine KI herzustellen, darüber wie sie sich entwickelt, davor steht eine Suprintelligenz zu werden und darüber, wie ein Cop, der beim Versuch einen Mord aufzuklären durch Parallelwelten reist auf denen die KI bereits so weit fortgeschritten ist dass sie Space-Tore errichtet hat und auf einer Insel begann, Killer-Libellen zu züchten. Naja, und um das Ende der Welt/Menschheit. Wieso auch nicht?

Hauptsächlich schätze ich das Buch weil es die richtigen Fragen stellt: Einerseits möchte man ja das Handeln einer KI kontrolliert wissen; aber wie genau wäre es einzuschränken, wenn man sich doch von ihr Lösungen erhofft, die jenseits der eigenen, der menschlichen Vorstellungskraft liegen sollen?
Schätzing verweist oft auf das Büroklammer-Dilemma: Danach wäre es durchaus möglich, eine Superintelligenz zu schaffen, deren einziges Ziel es ist, die perfekte Büroklammer herzustellen. Sie würde sich auftragsgetreu jedem Versuch widersetzen, diese Aufgabe zu ändern oder sich abschalten zu lassen. Im Ergebnis würde diese KI die gesamte Erde inklusive seiner Bewohner in Büroklammer-Fabriken verwandeln und später sogar Teile des Weltalls, weil sie kein Kriterium für "perfekt" kennt und insofern immer weiterarbeitet. Das ergibt sich logisch aus ihrer Zielvorgabe, die sie nicht hinterfragt, sondern bestmöglich erfüllt. Eben dies tut der Supercomputer in Schätzings Roman auch, der hier A.R.E.S. genannt wird, gefüttert nur mit den nobelsten Absichten, das Leben der Menschen zu verbessern.
Wie das ausgeht lest ihr am besten selbst ;)
 
Eine Studie in Scharlachrot von Arthur Conan Doyle

So, es ist passiert, ich habe mich in die literarische Welt des Sherlock Holmes vorgewagt und den ersten Roman gelesen. Dieser ist nicht besonders lang, dafür recht kurzweilig, unterhaltsam und bisweilen auch spannend. Doyle nahm sich in seinem ersten Buch insbesondere viel Zeit, die beiden Protagonisten seiner Reihe, Sherlock Holmes und Dr. John Watson, zusammenzuführen und dem Leser erst einmal vorzustellen. So dauert es eine Weile, bis es mit dem eigentlichen Kriminalfall, einem rätselhaften Mord, und den entsprechenden Ermittlungen wirklich beginnt. Das nimmt dem Lesevergnügen aber nichts, denn das Kennenlernen zwischen Holmes und Watson und auch letztlich das Kennenlernen der beiden Figuren durch den Leser macht viel Spaß. In beiden Fällen handelt es sich um äußerst interessante Charaktere, Sherlock Holmes ein blitzgescheiter Ermittler, der einem Menschen, nachdem er ihn ein paar Augenblicke lang betrachtet hat, dessen ganze Lebensgeschichte richtig wiedergeben kann und aus Gegebenheiten Zusammenhänge erschließen kann, die jedem anderen wohl auf ewig verborgen bleiben würden. Auf der anderen Seite ist er aber auch gewissermaßen weltfremd, ihm fehlt eine Menge an Allgemeinwissen, weil er sich laut eigener Aussage nur die Dinge merkt und die Fähigkeiten aneignet, die für ihn und seine Tätigkeit als Detektiv relevant sein könnten. Watson wiederum ist mehr in der ihn tatsächlich umgebenden Welt in ihren Details verankert, hat als Kriegsveteran schlimme Dinge erlebt und verfügt über eine umfassende Allgemeinbildung, allerdings fehlen ihm die analytischen Kenntnisse und die Fähigkeit, unscheinbar wirkende Zusammenhänge zu erkennen, die eben Holmes ausmacht. So entsteht ein interessantes Duo und im Laufe der Erzählung auch eine spürbar tiefe Freundschaft zwischen den Hauptfiguren, die sich zu jeder Zeit authentisch und nachvollziehbar anfühlt.

Sehr interessant ist auch die Erzählweise des Buches - nicht nur, dass die Geschehnisse stets aus Dr. Watsons Perspektive geschildert werden, was allen Holmes-Erzählungen gemein ist, sondern speziell dieses Erstlingswerk ist interessant strukturiert. Es besteht aus zwölf Kapiteln, wovon die ersten sieben eben das Kennenlernen zwischen Holmes und Watson beinhalten sowie die Ermittlungen im Mordfall und die schlussendliche, plötzliche und überraschende Verhaftung des Täters durch Holmes. Es folgt dann bis einschließlich Kapitel 12 eine ausführliche Schilderung der Vorgeschichte zum Mordfall, in der zentrale Figuren, in erster Linie Opfer und Täter, vorgestellt werden und der Leser erfährt, welche Ereignisse zum Mord geführt haben - eine Geschichte in der Geschichte, die in der Tat größer und auch dramatischer ist, als man zunächst annehmen würde. Am Ende, im eigentlich letzten Kapitel, springt das Buch dann wieder zu Holmes und Watson und die Erzählung findet ihren runden Abschluss - es wird beschrieben, wie es mit dem gestellten Täter weitergeht und Holmes erläutert in aller Ausführlichkeit das, was sich der Leser wohl seit der Verhaftung gefragt hat: Wie kam er hinter dessen Identität? Die Schilderung, welche Schlussfolgerungen er woraus zog und zu welchen neuen Schlussfolgerungen diese dann führten, ist schlichtweg genial und weist nicht nur Sherlock Holmes als faszinierende literarische Figur, sondern letztlich außerhalb der vierten Wand auch Arthur Conan Doyle als genialen und einfallsreichen Schriftsteller aus.

Mein Interesse an der Sherlock Holmes - Literatur besteht eigentlich schon länger, da ich kürzlich aber angefangen habe, mir die hervorragende BBC - Serie "Sherlock" mit Benedict Cumberbatch als Holmes und Martin Freeman als Watson anzusehen, wirkte dies wohl als Katalysator, um auch die Vorlage kennenzulernen. Und gemessen an dem, was ich von der Serie bisher gesehen habe (nur die erste Staffel), ist es erstaunlich, wie eng sich diese, obgleich in der heutigen Zeit spielend, in Details wie Dialogen etc. doch an die literarische Vorlage hält. Beides meiner Ansicht nach sehr zu empfehlen.
 
Ich lese grad Dantons Tod von Büchner. Hat wirklich einige Parallelen zur heuten Tagespolitik. Sprachlich sehr gewaltig aber auch teilweise kompliziert. Viele Reden die mitreißen auch schon beim Lesen. Ist schon ein etwas anderes Erlebnis als ein Epos/Roman. Und ich finde der Stil von Büchner war für seine Zeit schon sehr modern. Schade das er so früh gestorben ist.
 
Deine Rezension macht mir gerade Lust, heute Nachmittag in die Bibliothek einzufallen und die Romane wieder durchzulesen.

Hoffentlich sind die nicht auch schon ausgemustert.

Viel Spaß! Wenn du sie in der Bibliothek nicht findest, bei Amazon gibt es eine deutschsprachige Kindle-Edition für knapp einen Euro, wo alle Werke drin sind, also alle Romane und alle Sammelbände mit den Kurzgeschichten. Diese Edition verwende ich auch, ist zwar eigentlich nicht mein Stil, mir sind "echte" Bücher lieber, aber bei dem Preis-Leistungsverhältnis kann man sich echt nicht beklagen. Kann man sich dann auch auf den PC etc. herunterladen. Hab selbst auch keinen Kindle, ich missbrauche mein Handy als solchen :D
 
@Admiral X Das ist klasse, da werd ich den Kindle gleich mal abstauben! Danke für den Tipp!! Dann kann ich in den bevorstehenden Herbsturlaub viel Lektüre mit wenig Gewicht mitnehmen.

@josie Dantons Tod war das einzige in der gelben Reclam Reihe, das ich verschlungen habe. Toller Stoff. Auch hier: Die Revolution frisst ihre Kinder.
 
@Admiral X Das ist klasse, da werd ich den Kindle gleich mal abstauben! Danke für den Tipp!! Dann kann ich in den bevorstehenden Herbsturlaub viel Lektüre mit wenig Gewicht mitnehmen.

Aber Vorsicht, es gibt da wohl mehrere Versionen, von denen anscheinend nicht alle ganz vollständig sind. Ich empfehle die hier: https://www.amazon.de/gp/product/B0111RGE46/?tag=psw-21

Das ist die, die ich mir gekauft habe und die ist auch vollständig. Die Übersetzung ist teilweise ein wenig gewöhnungsbedürftig (ich denke auch schon etwas älter) und auch mit ein paar Rechtschreibfehlern, aber insgesamt gut zu lesen, wie ich finde. Also mich stören die Mängel jedenfalls nicht.
 
Mein letztes Buch war Lovecraft Country von Matt Ruff

Atticus Turners Gefühle für seinen Vater waren schon immer zwiespältig. Doch als der verschwindet, macht Atticus sich wohl oder übel auf die Suche. Auch wenn die Spur nach "Lovecraft Country" in Neuengland führt, Mitte der 50er Jahre ein Ort der schärfsten Rassengesetze in den USA. Mit Hilfe seines Onkels George, Herausgeber des "Safe Negro Travel Guide", und seiner Jugendfreundin Letitia gelangt Atticus bis zum Anwesen der Braithwhites. Hier tagt eine rassistische Geheimloge, mit deren Hilfe Braithwhite junior nichts weniger als die höchste Macht anstrebt. Matt Ruff erzählt die wahnwitzigen Abenteuer einer schwarzen Familie.

Das Buch fand ich recht gut. Es hat viele Anspielungen auf H. P. Lovecraft und ist deswegen eine schöne Hommage an sein Werk. Auch die Rassengestze der 50er Jahre werden sehr gut beleuchtet und mir wurde wieder mal vor Augen geführt, dass die USA in Sachen Rassentrennung und Diskriminierung nur minimal dem dritten Reich hintanstanden, nur wurden die Schwarzen nicht in KZ's und VL's interniert. Das Buch hat ein zwei Längen aber bei über 400 Seiten kann das gerne passieren.

Jedem Fan von Lovecraft empfehle ich dieses Buch mal in Augenschein zu nehmen.
 
Ich habe es schon ewig im Regal stehen und jetzt habe ich es mir vorgenommen: "Die Blechtrommel" von Günter Grass.

Die meisten könnten die Verfilmung von Volker Schlöndorf kennen. Das Buch geht aber deutlich darüber hinaus. So hat es eine Rahmenhandlung, in der Oskar Matzerat seine Geschichte aus einer Pflegeanstalt heraus erzählt. Außerdem wurde nur ca. 2/3 der Roman-Handlung im Film berücksichtigt. Beim Hauptdarsteller David Bennent hatte ich im Film immer das Gefühl, dass ein Kind die Hauptfigur ist. Den kleingebliebenen Erwachsenen habe ich ihm nie abgekauft. Im Roman ist das deutlich anders. Durch die sehr exaltierte Sprache und ein sehr detailliertes Beschreiben kommt die Schelmen-Figur des Oskar Matzerat deutlicher rüber.

Ob ich es empfehlen kann, weiß ich nicht wirklich. Zum einen ist es eines der wichtigsten Werke der deutschen Nachkriegsliteratur, zum anderen ist es mit 800 Seiten voller verschachtelter, komplexer Sätze sehr herausfordernd.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich habe mir gerade den posthum veröffentlichten Roman "Dragon Teeth" von Michael Crichton angetan, der beim deutschen Verlag "unabsichtlich" als Prequel zu Jurassic Park angedeutet wird.

Im Roman geht es um die sog. Bone-Wars zwischen zwei Paläontologen im 19. Jahrhundert, die um die Wette im Wilden Westen nach Fossilien suchen. Das ganze vor dem Hintergrunde der Indianerkriege (Sitting Bull, General Custer), der Erschließung des Wilden Westens und alles aus der Perspektive eines Studenten der Ostküste, der Sohn reicher Eltern ist.

Ich empfand es als kurzweilig, denke dass die Beschreibung des "Wilden Westen" authentischer ist als so mancher Westernfilm den ich in meiner Kindheit gesehen habe.




Davor habe ich u.a. "Die Hungrigen und die Satten" von Timur Vemes gelesen, der das Thema "Flüchtlingskrise" mit etwas Humor aufnimmt, etwas Realitiy TV und IT-Girl hinzufügt und daraus... nun ja, es ist nicht direkt eine Dystopie. Der ganze Roman liest sich auch recht angenehm, "Das Heerlager der Heiligen" von Jean Raspail thematisiert ja ähnliches (wie eine große Gruppe Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa macht), letzteres ist aber ganz eindeutig Dystopie und bietet auch keine Erlösung.
 
Ich habe gerade "Magic Triumphs" gelesen, was das zehnte und letzte Buch der Kate Daniels-Reihe von Ilona Andrews ist. Auf Deutsch heißt die Reihe "Stadt der Finsternis" und offenbar ist ein Ablegerbuch als Teil der Reihe erschienen (dass sie ein Buch geteilt haben, kann ich mir nicht vorstellen, so lang sind sie nicht), der Band 10 der deutschen Reihe ist der Inhaltsangabe zufolge Band 9 im Original. ich habe aber die Bücher nie auf Deutsch in der Hand gehabt, kann daher nur die Originalversionen beurteilen.

Die Reihe fällt unter Urban Fantasy, denke ich. Sie spielt größtenteils in Atlanta in einer Welt, über die immer wieder magische Wellen rollen. Wenn die Magie stark ist, funktioniert keine Technologie und Hochhäuser stürzen ein. Wenn die Welle vorbei ist, funktioniert wiederum keine Magie (oder nur noch sehr beschränkt). Das Setting hat den positiven Nebeneffekt, dass die Autoren weniger ein Problem damit haben, dass Magie- (wie in SW Macht-)Nutzer einfach zu mächtig werden. Und man hat eine Fantasywelt mit Pferden, Schwerten, Zaubereren, Werwölfen, Vampiren und allem erdenklichen anderem gemischt mit einer normalen Welt, wie wir sie kennen. Allerdings sicher keine Welt, in der ich leben wollte.

Die Reihe folgt Kate Daniels (geschrieben in der ersten Person), die anfangs als Söldnerin arbeitet und eine Beziehung mit dem Chef des örtlichen Gestaltwandlerrudels beginnt. Die Gestaltwandler (Werwölfe, aber auch Werratten und alles mögliche andere) spielen in den ersten Büchern eine Hauptrolle, später verschiebt sich der Fokus mehr auf Kates Hintergrundgeschichte. Die in Band 10 dann auch aufgelöst wird, ein wenig knapp, aber die Reihe kommt zu einem in meinen Augen durchaus gutem Abschluss. Es gibt schon und wird wohl in Zukunft auch noch Ablegerbücher geben, aber die Geschichte von Kate und ihrem Hauptkonflikt, wenn ich das mal spoilerfrei so nennen darf, wird aufgelöst. Was ich ja bei einer Reihe immer wichtig finde.

Die Bücher sind trotz des eher dystopischen Settings und viel Gewalt trotzdem sehr lustig geschrieben. Irgendwie ein Widerspruch natürlich, aber die Balance bleibt meiner Meinung nach noch ausreichend gewahrt. Man kann sicher darüber streiten, ob sie gewaltverherrlichend sind, auch für die Protagonisten gehört töten zum täglichen Geschäft. Für mich persönlich passt es, aber pazifistisch sind die Bücher sicher nicht. Dafür sehr liberal und divers.

Aufgrund der Gewalt, aber auch einigen expliziten Sexszenen nicht jugendfrei. Auf die Sexszenen könnte ich verzichten, aber gut, ich bin alt genug, um auch die zu lesen ;-). Ist aber nicht der Hauptfokus.

Nachdem die Reihe nun abgeschlossen ist, plane ich, nochmal alle Bücher von Anfang an zu lesen, mal schauen, wie sie dann wirken. Es gibt natürlich immer Dinge, die ich weniger gelungen finde, aber insgesamt ist das eine meiner absoluten Lieblingsbuchreihen. Kann ich nur empfehlen, wenn man diese Art Fantasy mag.
 
Ich dürfte heuer - auch und gerade wehrpflichtbedingt - einen neuen Leserekord aufgestellt haben. Daher teile ich in nächster Zeit ein paar Eindrücke. Den Anfang machen drei Werke von Historiker David McCullough:

'1776' beschreibt das erste Jahr des US-Unabhängigkeitskrieges, wobei der Fokus eher auf militärgeschichtlichen Aspekten liegt. Dieses Buch fand ich persönlich leider ziemlich trocken. 2/5 erbosten englischen Königen

'The Wright Brothers' folgt Wilbur und Orville W. auf ihrer Suche nach einem Fluggerät, der den jahrtausendealten Menschheitstraum der Lufteroberung erfüllen soll. Stellenweise zäh (da sehr detailliert), aber insgesamt solide. 3/5 Flugmaschinen

'John Adams' gilt neben 'Truman' als Krönung von McCulloughs Lebenswerk. Eine ungeheuer akribische Lebensaufzeichnung des Staatsmannes und Intellektuellen aus der Gründungszeit der USA, wobei sein reiches schriftliches Erbe ordentlich mithalf. Adams' Beitrag zur Staatswerdung, seine Freundschaft/Rivalität/Feindschaft zu anderen führenden Köpfen seiner Zeit werden ausführlich erörtert; sein eher unspektakuläres Privatleben ließ die Lektüre zuweilen ins Stocken geraten. 3/5 Unabhängigkeitserklärungen

'Memoirs of Montparnasse' von John Glassco bietet zuweilen witzige, manchmal sentimentale, dann wiederum nachdenkliche Momente, wenn der junge Kanadier aus gutem Haus beschließt, mit seinem besten Freund ins Paris der 20er-Jahre aufzubrechen. Affären, Begegnungen mit berühmten Zeitgenossen und exzessives Feiern wechseln einander ab, aber das Jahrzehnt geht seinem Ende entgegen, an der Börse in New York braut sich Unheil zusammen, und bald ist die Party vorbei. Die autobiographische Erzählung weiß trotz ein, zwei eher belanglosen Stellen einen ordentlichen Eindruck zu hinterlassen. 3/5 Nächten voll sorgenfreier Ausschweifungen

'The Fortunate Pilgrim' von Mario Puzo begleitet die alltäglichen Sorgen einer italienischen Einwandererfamilie im New York des frühen 20. Jahrhunderts. Nach dem verfrühten Tod ihres ersten, und der geistigen Umnachtung ihres zweiten Ehemanns muss Mutter Lucia Santa sehen, wie sie mit ihrer Kinderschar und den sich aus ihr entwickelnden Persönlichkeiten zurechtkommt. Flüssig zu lesen, interessante Materie, welcher man Puzos Ausschöpfen persönlicher Erinnerungen anmerkt. 4/5 starken Matriarchinnen

'Daredevil: The Man Without Fear' von Frank Miller und John Romita beleuchtet die Ursprünge des Teufels von Hell's Kitchen und seines Widersachers Wilson Fisk. Düster, brutal, hat mich stellenweise an 'Batman: Year One' erinnert. Starke Story. 4/5 Genickbrüchen

'For Whom The Bell Tolls' von Ernest Hemingway behandelt eine Episode aus dem Soanischen Bürgerkrieg, in dessen Verlauf eine kleine Gruppe republikanischer Partisanen aus den Bergen, zu denen der Amerikaner Robert Jordan stößt, eine strategisch wichtige Brücke sprengen muss. Zeitloses Epos von den Grausamkeiten, die Krieg mit sich bringt (Highlights für mich v.a. die Gedanken der Figur des El Sordo über Leben und Tod, nachdem sein Trupp von den Faschisten eingekesselt ist und er die Ausweglosigkeit der Lage erkennt; sowie die Schilderung der Eroberung eines Städtchens durch die Republikaner samt Tötungsorgien an Franco-Sympathisanten, ihren eigenen Nachbarn und Bekannten). Ganz, ganz große Klasse, sollte jeder zumindest ein Mal gelesen haben. 5/5 absinthgefüllter Feldflaschen
 
So, da ich gerade Muße verspüre, kann ich ebenso weitermachen.

'Aladdin's Lamp: How Greek Science Came to Europe Through the Islamic World' von John Freely befasst sich mit dem Wissenstransfer von Ost nach West während des sog. goldenen Zeitalters der islam. Welt im Mittelalter. Faszinierendes Thema, aber leider ist das Buch kaum mehr als eine fade Aufzählung einzelner Wissenschaftler...gut, Nicht-Naturwissenschaftler haben sicher auch einen kleinen Nachteil, da mitunter Verständnisprobleme bei der Materie. 2/5 Automaten

'Iron Curtain: The Crushing of Eastern Europe, 1944-56' von Anne Applebaum zeigt die stetige Infiltration und schließlich Beherrschung Ost(mittel)europas durch Satellitenparteien der Sowjetunion samt rigidem Methodenrepertoire. Applebaum widerspricht der u.a. im nachfolgend genannten Werk der Auffassung, die SU sei zunächst kooperativ gewesen, bis westliche Fehler ihr keine Alternative zu härterem Auftreten gelassen hätten. 3/5 Arbeitern, die ihr Produktionssoll um ein Mehrfaches erfüllt haben

'The Untold History of the United States' von Oliver Stone und Peter Kuznick nimmt dreckigere Seiten der US-Geschichte in Angriff. Begrüßenswert, allerdings merkt man, dass vieles im Buch so untold gar nicht ist; trotzdem gibt es interessante neue Sachen zu erfahren (Nixon, Obama-Administration). Viel gibt es über Persönlichkeiten einzelner Präsidenten zu lesen (zB Truman samt Kritik an seiner "hagiographisch" genannten Darstellung durch McCullough). 3/5 CIA-unterstützten Umstürzen

'Vienna' von Eva Menasse führt durch die Geschichte ihrer eigenen österreichisch-jüdischen Familie über Jahrzehnte im turbulenten 20. Jahrhundert: die (später lebensrettende) Ehe ihres Großvaters mit einer Nicht-Jüdin, Kindheit und Aufenthalt ihres Vaters in England (des Fußballers Hans Menasse), vom komischen Onkel und dergleichen mehr. Stilistisch klasse und gerade für Wiener wie mich sehr amüsant zu lesen. 4/5 Sachertorten

'20.000 Meilen unter den Meeren' von Jules Verne gilt völlig zu Recht als viel geliebter Klassiker der Weltliteratur, den ich bereits 2013 einmal gelesen habe, aber einem re-read unterzog, um zu sehen, ob er mir immer noch so gefällt. Der Meeresbiologe Prof. Aronnax, sein Begleiter Conseil und der kanadische Harpunier Ned Land werden zu unfreiwilligen Gästen des mysteriösen Kapitäns Nemo, der mit einem High-Tech-U-Boot durch die Weltmeere braust, wobei es zu Begegnungen mit feindseligen Eingeborenen der Südsee, einem Riesenkraken, der verlorenen Stadt Atlantis und vielem mehr kommt. Anstrengend werden lediglich die endlosen Aufzählungen der Fischarten, jedenfalls für Nicht-Ichthyologen. Ansonsten liebe ich das Buch immer noch, und der trotz aller Misanthropie gerechtigkeitsfanatische Nemo ist eine der coolsten fiktiven Figuren überhaupt. 4/5 am Meeresboden begrabenen Matrosen

'A Savage War Of Peace: Algeria 1954-62' von Alistair Horne ist eine Geschichte des wohl brutalsten französischen Kolonialkrieges, die sich in einem weiten Bogen von einer Vorgeschichte bis zur Terrorserie der OAS und dem Putschversuch gegen General de Gaulle zieht. Das Buch erschien erstmals in den 70ern, und im Vorfeld hat Horne Gespräche mit prominenten Beteiligten auf beiden Seiten geführt. 4/5 in Picknickkörben versteckten Bomben

'The Day Of The Jackal' von Frederick Forsyth ist die Mutter aller Thriller. Nach dem Algerienkrieg heuert die OAS einen englischen Profikiller mit dem Codenamen "Jackal" an, um Charles de Gaulle zu ermorden. Dieser beginnt seine Vorbereitungen, während Kommissar Claude Lebel ihn stoppen muss, obwohl er nur über rudimentärste Informationen verfügt. 4/5 Wangenküssen französischen Brauchs
 
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