Ich bin der Überzeugung, das sei dazu angemerkt, dass kein demokratisch denkender Mensch so tickt, derartige Klientel und ihre Haltungen sind in den extremistischen Bereichen des politischen Spektrums und dort zu verortenden (Teil-)Gruppierungen zu finden.
Das ist zu einfach gedacht. Jemand der das Vertrauen in die Polizei verliert, weil er schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat, wird die Polizei nicht rufen. Ich kann nur erneut auf das Beispiel Nordirland verweisen, wo die Voreingenommenheit der Royal Ulster Constabulary letztlich erheblich zum Ausbruch der bürgerkriegsähnlichen Troubles beigetragen hat und die Bevölkerung anfangs die Ankunft der britischen Streitkräfte als (vermeintlich, wie sich später herausstellen sollte) neutralen Akteur begrüßt hat. Waren also alle Katholiken in Nordirland antidemokratische Klientel, mit extremistischen Ansichten? Eher nicht.
Und ja, auch in den USA wird der Hass auf "the" police und "the" cops immer größer, so jedenfalls mein Eindruck.
Was jetzt gerade passiert, ist, dass sich die Wut entlädt. Man darf nicht vergessen, dass das Ganze auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie geschieht, die die USA schwerer als die meisten anderen Länder der Welt trifft und die schwarze Bevölkerung der USA besonders schwer. Es gibt keine anständige Gesundheitsversorgung, es gibt keine anständigen Jobs und es ist unendlich teuer, in den USA eine vernünftige Hochschulausbildung zu absolvieren.
Der strukturelle Rassismus innerhalb der US-Polizeien ist ja kein neues Phänomen. 1992 wurden ebenfalls die US-Streitkräfte in Los Angeles eingesetzt, nachdem es zu Ausschreitungen kam, als die vier Polizisten freigesprochen wurden, die Rodney King zu Brei geprügelt haben. 1999 hat das NYPD 41 Mal (!) auf Amadou Diallo geschossen, ihn 19 Mal getroffen, getötet und als Bruce Springsteen ein Lied über den Mord geschrieben und im Madison Square Garden aufgeführt hat, hat der Leiter einer New Yorker Polizeigewerkschaft den Krieg gegen Bruce Springsteen erklärt.
Verschärfend wirkt übrigens auch, welche beruflichen Hintergründe die meisten US-Polizisten haben: Bleiben wir mal beim NYPD. Dort ist eine der Einstellungsvoraussetzungen entweder eine Mindestsumme absolvierter College Credits (keineswegs ein Abschluss) oder eine zweijährige Dienstzeit in den US-Streitkräften. Auf den Straßen von New York City ist also eine ganz erhebliche Zahl von Ex-Soldaten unterwegs, die auch nicht selten Erfahrungen im Irak oder Afghanistan gesammelt hat. Militärischer Drill ist nicht so leicht wieder aus Leuten herauszubekommen, dass ist auch der Grund, warum die Polizeiausbilder in Deutschland eher keine ehemaligen Zeitsoldaten in ihren Ausbildungsjahrgängen haben möchten.
Aber: Die US-Polizeigeschichte ist eigentlich schon immer auch eine Geschichte des Rassismuses gewesen. Als im 19.Jahrhundert die ersten Departments an der Ostküste gegründet wurden, war der Polizeiberuf eine Tätigkeit die geächtet war. Die niemand machen wollte. Also, haben das die Iren übernommen, die zu dieser Zeit eine Bevölkerungsgruppe waren, die im öffentlichen Ansehen nur knapp über den Afroamerikanern stand.
Wenn mir Bekannte erzählen dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe regelmäßig von der Polizei kontrolliert werden, oftmals sogar immer von den gleichen Polizisten, zum Teil mitten in der Öffentlichkeit (Bahnhof, MC Donalds...), damit es auch jeder mitkriegt, fragt man sich schon wie das bei uns sein kann.
Ich möchte die Erfahrungen deiner Bekannten nicht bezweifeln und auch nicht weg erklären, aber solche Situationen sollten eher nicht nur anhand des subjektiven Empfindens des Betroffenen bewertet werden. Gleich vorweg: Bin ich überzeugt davon, dass es auch in Deutschland Polizisten gibt, die Vorurteile hegen oder Rassisten sind? Ja, bin ich. Und genau deshalb muss es auch zwingend eine von der Polizei unabhängige staatliche Stelle geben, die Vorwürfe gegen Polizisten klärt. Aber: Nicht jede Maßnahme gegen People of Color ist rassistisch motiviert. Auch nicht, wenn sie denselben Menschen mehrmals hintereinander oder in der Öffentlichkeit trifft. Wie's
@Aurelian ziemlich treffend formuliert hat: Je nach Einsatzort, gibt es nun mal ethnisch relativ klare Grenzen innerhalb derer bestimmte Delikte deutlich häufiger auftreten. Wenn die Berliner Polizei im Görlitzer Park vor allem Schwarze kontrolliert, dann liegt das eben nicht daran, dass die Berliner Polizei rassistisch ist und denkt, nur Schwarze würden Betäubungsmitteldelikte begehen. Nein, es liegt daran, dass es eine ziemlich klar definierte Gruppe von Männern gibt, die dort tickt und die vor allem aus Menschen schwarzer Hautfarbe besteht. Wenn die Polizei in Hessen Shishabars hochnimmt, liegt das nicht daran, dass die hessische Landespolizei ein Problem mit diesem Aspekt arabischer Kultur hat, sondern daran, dass Shishabars von arabischen Großfamilien genutzt werden, um illegale Gewinne zu waschen.
Anlasslose Personenkontrollen durch die Polizei sind in Deutschland eigentlich nicht erlaubt. Es gibt Ausnahmen, wie bspw. die Schleierfahndung im Grenzbereich oder innerhalb von klar abgegrenzten lokalen Bereichen, die nach dem jeweiligen Landesrecht zu kriminalitätsbelasteten Schwerpunkten erklärt wurden. Aber prinzipiell muss ein Polizist in Deutschland auch einen Grund haben, um eine Personenkontrolle durchzuführen. Und nach diesem Grund kann man als Betroffener auch fragen.
Wenn Polizisten bei einem friedlichen Protest koordiniert anfangen Demonstranten niederzuknüppeln, wüsste ich nicht wie die Anwesenheit von mehr Polizei (durch einen Notruf) helfen sollte, bzw gehört werden könnte.
Wenn ich Videos vom Vorgehen der US-Polizei bei Protesten bzw. den aktuellen Protesten sehe, ist mein erster Gedanke: Diese Polizisten wissen gar nicht, wie sie Situationen gewaltlos oder wenigstens gewaltarm auflösen. Verhältnismäßigkeit der Mittel wird deutschen Polizisten immer und immer wieder eingebläut. Aber man sieht es auch an der Ausstattung der Polizisten. Tränengas, Gummigeschosse. Sowas wird in Deutschland gar nicht von den Bereitschaftspolizeien eingesetzt oder vorgehalten.
Das... ist ein heftiger Hammerschlag. Da muss es wirklich grundlegende strukturelle Mängel der übelsten Sorte geben, wenn man sich zu so einem Schritt genötigt sieht.
Manchmal geht's eben nicht anders. Ich will ein weiteres Mal das Beispiel Nordirland anführen: Teil des Karfreitagsabkommens ist, dass die RUC aufgelöst und von einer neuen Polizeibehörde ersetzt wird, die in gleichem Maße aus katholischen und protestantischen Polizisten bestehen muss. Wenn ich mich nicht völlig falsch erinnere, sind die Vorbehalte gegen die Polizei unter Katholiken aber immer noch so groß, dass der PSNI seit seiner Gründung erhebliche Probleme damit hat, die Quoten auch zu erfüllen.
Grundsätzlich ist es auch immer begrüßenswert, wenn regelmäßig überprüft wird, ob eine Polizei nicht nur personell und finanziell für ihre Aufgaben ausgestattet ist, sondern auch strukturell. Gerade in Deutschland würde es sich vielerorts anbieten, wenn die Polizei wieder deutlich lokaler aufgestellt würde. Vor allem das Konzept Kontaktbereichsbeamter sollte deutlich ausgeweitet werden.