Tagespolitik allgemein

Nochmal 30% der Stimmen gingen zu CHP und HDP, also auf laizistische und progressive Parteien. Deren Anhänger haben eher wenig übrig für Erdogan.

CHP und progressiv? Neben AKPlern vielleicht, weil sie auf westlich-aufklärerisch tut. Ansonsten ist diese Partei mit ihrem Blut-,Boden- und Vaterlandgedöns eher wesensverwandt mit NS denn Sozialdemokratie. Ich würde gerne lachen, wenn der kemalistische Götzenkult (das ausgerechnet ich religiöses Vokabular verwende) bzw. die jungtürk. Denkschule, der sie entstammt, nicht unzählige Menschenleben gekostet hätte. Nehmen sich nichts mit AKPlern, also kann man sie ruhigen Gewissens unter den Dachbegriff "rückständig" einordnen.

83 Millionen Menschen in Deutschland.
Davon ca. 3 Millionen türkeistämmig.
Davon ca. 1.5 Millionen türkische Statsbürger.
Davon ca. 1.44 Millionen wahlberechtigte türkische Staatsbürger.
Davon ca. 700.000 die auch gewählt haben.
Davon bekam Erdogan 64,8% (--> also 453.600 Wähler.)

Für Erdogan haben sich also aktiv ausgesprochen:

64,8% der wahlberechtigten Türken, die zur Wahl gegangen sind.
Also 32.4% der wahlberechtigten Türken.
Also 30.2% der türkischen Staatsbürger.
Also 15.12% der türkeistämmigen.
Also 0.54% der Menschen in Deutschland.

Es haben also weder die Mehrheit der wahlberechtigten Türken, der Türken noch der "Türken" Erdogan gewählt.

Abgesehen davon, dass ich nie von "Mehrheit" oder "den Türken" gesprochen habe (wenngleich ich innerhalb der türk. Community von einer völkisch und/oder islamistischen Mehrheitsfähigkeit ausgehe, denn das sind AKP, CHP und MHP nun einmal): vll sollte man jene mit dt./österr. Pässen, welche in der Türkei zwar nicht wahlberechtigt sind, aber hier leben, alle Annehmlichkeiten des "Ungläubigen" genießen, während sie Andersdenkenden mit online-/RL-Gesinnungsterror, Gewalt(androhungen) und systemat. Denunziation das Leben schwer machen und das vorherrschende, repressive Regime mitstützen, auch erwähnen. Wegen Perspektive und so.
 
CHP und progressiv?

"CHP und HDP, also auf laizistische und progressive Parteien" --> die Grammatik ist relativ geradeheraus. :rolleyes:

Du redetest von "zahlenmäßig reichlich vorhandenen Anhängern eines gewissen orientalischen Despoten.", das sind die Wähler der anderen Parteien per definitionem eben nicht. Da ist es eigentlich auch sehr nebensächlich, was du von ihnen hältst.

Wegen Perspektive und so.

Wenn du Zahlen dazu hast gerne. Aber auch das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit "zahlenmäßig reichlich vorhandenen Anhängern eines gewissen orientalischen Despoten." über die wir reden.
 
Du redetest von "zahlenmäßig reichlich vorhandenen Anhängern eines gewissen orientalischen Despoten.", das sind die Wähler der anderen Parteien per definitionem eben nicht.

Stimmt, als Kemalist ist man Anhänger eines 1938 verstorbenen, säkularen Diktators, während man gleichzeitig über (neo-)osmanische Despoten spottet. Und mit Sicherheit besteht ein großer Unterschied darin, was den Umgang mit Andersdenkenden angeht.

Wenn du Zahlen dazu hast gerne. Aber auch das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit "zahlenmäßig reichlich vorhandenen Anhängern eines gewissen orientalischen Despoten." über die wir reden.

Ich bin Österreicher, daher die Quelle:

https://www.google.com/amp/s/www.wi...rreich-waehlen-zu-70-Prozent-Erdogan.amp.html

Nicht unbedingt aussagekräftig, stimmt. Der Kern meiner Aussage bleibt unverändert: wenn AKP, CHP, MHP und IYI zusammen die Mehrheit innerhalb des türk. Wählerspektrums bilden (und das tun sie nun einmal), dann kann man einfach nicht von einer mehrheitlich progressiven Community reden. Da reicht ein Blick in die "Werte"kataloge und Geschichte der genannten Parteien. Ja, da ist es nebensächlich, was ich von ihnen halte.

Die Diaspora-Gemeinschaften sind dbzgl. lediglich Abziehbilder der Heimat.
 
Das ist nun einmal eine Beobachtung, die ich mache, wenn ich mir die letzten Jahrzehnte so ansehe, welche vielleicht zwar ohne den offenbar als anstößig empfundenen Begriff 'Stimmvieh' auskommt, aber im Wesentlichen auf dasselbe hinausläuft.

Worauf stützen sich deine Beobachtungen? Ich bin tatsächlich interessiert, denn ich kann das als Einwanderer bzw. Einwandererkind (ich bin erst seit meinem achten Lebensjahr dt. Staatsbürger) nämlich keineswegs bestätigen. Weder wurden meinen Eltern noch meinem Bruder und mir Möglichkeiten vorenthalten oder gar Eigenverantwortung abgesprochen und meine Eltern wurden auch bestimmt nicht als "Stimmvieh" nach Deutschland geholt/gelassen.

Und auch wenn es dir egal ist, ob du dich hier einer ähnlichen Sprache bedienst wie die AfD, so ist es eben nicht egal, dass du das tust. Egal, wie deine Beweggründe aussehen. Die zunehmende Verrohung aller gesellschaftlicher Diskurse ist einer der größten Schäden, den die AfD und ihre populistischen Pendants im Ausland angerichtet haben.

Es sollte im Sinne aller Demokraten sein, sich davon zu distanzieren.

Ein Staat, der es über Jahrzehnte verabsäumt hat, radikaler Einflussnahme auf bestimmte Gemeinschaften entgegenzusteuern [...]

Aber das ist keine Integrationspolitik. Der Einflussnahme radikaler Gruppierungen entgegenzuwirken, ist ein klassisches Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr und damit eher der Sicherheitspolitik. Zumal in Deutschland nicht bloß radikale resp. extremistische Gruppierungen aus religiösen Strömungen auf Menschenfang gehen, sondern genauso aus dem rechts- wie linksradikalen Spektrum. Und es sitzen ja sogar zwei Parteien im Bundestag, die zumindest in Teilen offen Kontakt zu solchen Gruppierungen halten oder sich nicht ausreichend und überzeugend genug von diesen distanzieren können oder wollen.

Ich denke, was du als Integrationspolitik verstehst, ist viel eher eine Mischung von Aspekten aus anderen politischen Feldern. Eine räumliche Konzentration von Einwanderern ("Ghettoisierung") bzw. deren Verhinderung ist eine Aufgabe die klassischerweise in die Hände von Stadtentwicklern gehört. Durchmischung von Quartieren, das ist etwas, was kommunal gelöst werden muss. Undemokratischen Traditionen und Gesellschaftsbildern unter Einwanderern bzw. ihren Kindern kann am besten durch Bildungspolitik beigekommen werden, aber leider spielen geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer selbst in den weiterführenden Schulen nur eine ganz geringe Rolle.

Auch diese Argumentation halte ich für inkorrekt, da man (wie die SPD zu diesem Zeitpunkt argumentierte) antidemokratischen Tendenzen eines Teils der Zielgruppe nicht mit weniger Demokratie entgegen treten sollte.

Die Argumentation der SPD mag idealistisch sein, aber ich halte die Bedenken der CDU und FDP hier für sehr gerechtfertigt. Es ist ja nicht so, dass nur vermutet wird, dass aus Moskau ganz gezielt Einfluss auf Wahlen in westlichen Demokratien genommen wird, dass ist bekannt und bewiesen. Teilweise stehen ja auch in Deutschland Haftbefehle gegen russische Geheimdienstler aus.

Solange kein wirksamer Weg gefunden wird, Wahlmanipulation aus dem Ausland gezielt und wirksam zu bekämpfen, besonders in puncto Sozialer Medien, mag die Vorenthaltung des Wahlrechtes für Ausländer ein extremer Weg sein. Aber es ist dennoch ein Weg den ich aus sicherheitspolitischer Sicht für richtig und geboten halte.

Du hast hier die These vertreten, dass es gut war, Hussein aus der Welt zu fegen.

Das war es grundsätzlich auch. Der gesamte Hussein-Clan war eine Plage für den Irak; allein was ein Udai Hussein angerichtet hat, kann sich durchaus neben den Gräueltaten von SS-Männern "sehen lassen". Und es ist ja keineswegs so, dass die US-Amerikaner und Briten nicht zuerst als Befreier gesehen wurden. Nach dem Sturz Husseins gab es ein Zeitfenster, indem man die gesamte Lage hätte meistern können. Aber das tatsächliche Problem hat @Darth_Jango ja durchaus benannt: Die Koalition hatte keinen Plan wie es nach dem Sieg gegen Saddam weitergehen sollte und viele der Entscheidungen, die die CPA on the fly getroffen hat, haben sich dann bald als Fehler erwiesen. So hätte man niemals die irakischen Streitkräfte als solche auflösen dürfen. Nicht nur, weil damit ein zwar vorbelastetes aber dennoch effektives Instrument zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verloren ging, sondern vor allem, weil damit, auf einen Schlag, einer großen Menge militärisch ausgebildeter und teils kampferprobter Männer jegliche Lebensgrundlage entzogen wurde. Einmal darfst du raten, wofür die ihre Fähigkeiten in den darauf folgenden Monaten und Jahren genutzt haben.
 
Der gesamte Hussein-Clan war eine Plage für den Irak; allein was ein Udai Hussein angerichtet hat, kann sich durchaus neben den Gräueltaten von SS-Männern "sehen lassen". Und es ist ja keineswegs so, dass die US-Amerikaner und Briten nicht zuerst als Befreier gesehen wurden. Nach dem Sturz Husseins gab es ein Zeitfenster, indem man die gesamte Lage hätte meistern können

Der größte Fehler war m.E.n., und da stehe ich nicht alleine da, daß man die Baath-Partei komplett aufgelöst hat und selbst die unterrsten Funktionäre rigoros aus ihren Ämtern entfern hatte.
Die Partei und ein Teil der Funktionäre hätten stabilisierend wirken können.
 
Der größte Fehler war m.E.n., und da stehe ich nicht alleine da, daß man die Baath-Partei komplett aufgelöst hat und selbst die unterrsten Funktionäre rigoros aus ihren Ämtern entfern hatte.
Die Partei und ein Teil der Funktionäre hätten stabilisierend wirken können.

Das hätte man auch als Argument für die nsdap nehmen können.
Nein der Fehler lag nicht daran das man diese Partei dort hin gejagt hat wo sie hingehört. Der Fehler lag daran das man nicht bereit war den irak solange zu besetzen bis er stabilisiert war. Die ami wollten schneller wieder raus als sie rein sind. Sie hatten einen Plan für den Krieg, aber keinen wie es nach dem Sieg weiter geht.
Sie hätten sich die Geschichte anschauen und so verfahren sollen wie 1945 mit uns.
 
Das hätte man auch als Argument für die nsdap nehmen können.

Hat man ja getan.

. Sie hatten einen Plan für den Krieg, aber keinen wie es nach dem Sieg weiter geht.

Richtig.

.
Sie hätten sich die Geschichte anschauen und so verfahren sollen wie 1945 mit uns.

Nun,Du weißt ja selber das man die Partei zwar verboten hatte, aber viele Funktionäre verlieben in wichtigen Stellungen. Und nicht nur erst in der BRD. Sogar die Siegermächte setzten so manchen Funktionär in wichtigen Ämtern ein.
Wie anderst hätte man die öffendliche Verwaltung und die Justiz oder die Polizei den aufrecht erhalten wollen.
 
Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Man könnte jetzt nämlich unken, dass Hinrichtungsvideos im Internet nach Husseins Exekution richtig cool getrended haben.

Ich habe ganz vergessen, dass der Irak unter Saddam Hussein ein sehr lebenswertes Land war, in dem keine Geheim- und Foltergefängnisse unterhalten wurden. In dem einer seiner missratenen Söhne nicht jede Frau, die ihm gefallen hat, entführen ließ, um sie dann zu vergewaltigen, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, irakische Olympioniken zu foltern, deren Leistungen ihm nicht genügten. Wo nicht 5000 Kurden in Halabdscha vergast wurden. Das keinen Krieg gegen den Iran begonnen hat, der fast eine Millionen Menschen ihr Leben gekostet hat und das Ansar al-Islam bzw. al-Qaida keinen Unterschlupf an der Grenze zum Iran geboten hat, wo diese nicht nur mit Biowaffen experimentiert haben, sondern wo auch ein gewisser Abu Mussab al-Zarqawi einmal sein Lager aufgeschlagen hat.Der Vater des von dir so vielfach bemühten Islamischen Staates, der Hinrichtungsvideos überhaupft erst hat trenden lassen und dessen Auslegung des salafistischen Rechtskonstruktes Takfir irgendwann sogar Ayman al-Zawahiri zu extrem war.
 
Ich habe ganz vergessen, dass der Irak unter Saddam Hussein ein sehr lebenswertes Land war, in dem keine Geheim- und Foltergefängnisse unterhalten wurden. In dem einer seiner missratenen Söhne nicht jede Frau, die ihm gefallen hat, entführen ließ, um sie dann zu vergewaltigen, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, irakische Olympioniken zu foltern, deren Leistungen im nicht genügten. Wo nicht 5000 Kurden in Halabdscha vergast wurden. Das keinen Krieg gegen den Iran begonnen hat, der fast eine Millionen Menschen ihr Leben gekostet hat und das Ansar al-Islam bzw. al-Qaida keinen Unterschlupf an der Grenze zum Iran geboten hat, wo diese nicht nur mit Biowaffen experimentiert haben, sondern wo auch ein gewisser Abu Mussab al-Zarqawi einmal sein Lager aufgeschlagen hat - der Vater des von dir so vielfach bemühten Islamischen Staates, der Hinrichtungsvideos überhaupft erst hat trenden lassen und dessen Auslegung des salafistischen Rechtskonstruktes Takfir irgendwann sogar Ayman al-Zawahiri zu extrem war.

Danke. Das war es, was ich wissen wollte, nämlich nachvollziehbare und evidenzbasierte Begründungen.

Dummerweise hat absolut. rein. gar. nichts. davon. den Weg in die letztendliche Kriegsbegründung gefunden. Stattdessen ging es um Massenvernichtungswaffen. Die waren "da", wenn man sie brauchte und dann ganz plötzlich wieder "weg", wenn es eh schon längst völlig egal war. Dieser ganze Kriegseinsatz basierte auf einem der größten und dreistesten Lügengespinnste der letzten hundert Jahre. Und 43 Länder haben dabei einfach so mitgemacht.

Hier geht es längst nur noch darum, dass man Recht und Wahrheit beliebig beugen kann, um diejenigen dranzukriegen, die sowieso sowas von scheißeschuldig sind, dass eh alles andere egal ist. Wenn man sie denn erwischen kann, ohne selbst dabei eine viel größere Abreibung zu kassieren, als man vertragen kann.

Das ist kein nachhaltiges Fundament, welches mittel- oder langfristig zu global wirksamen Lösungsstrategien führt. Das ist auch kein Verhalten, das Rechtsstaaten oder demokratische Systeme aus sich selbst heraus hergeben. Das ist einfach nur übles Alphamännchengetue und solches Gehabe hat stets Konsequenzen.
 
Das ist kein nachhaltiges Fundament, die mittel- oder langfristig zu global wirksamen Lösungsstrategien führt.

Völlig richtig. Mir geht's ja auch nicht darum, Iraqi Freedom zu verteidigen. Da wurde vorher gelogen und betrogen und hinterher fast jede wegweisende Entscheidung in den Sand gesetzt. Es ändert aber auch nichts daran, dass man das Kind durchaus hätte retten können, als es schon in den Brunnen gefallen ist. (Edit: Und auch nicht daran, dass es grundsätzlich keine falsche Entscheidung war, die Husseins zu entmachen.) Die Implosion des Iraks hätte verhindert werden können.
 
Die Resolution des US-Kongresses vom Oktober 2002 nennt als Begründung für den Krieg gegen den Irak unter anderem: Die Nichteinhaltung der Bedingungen des Waffenstillstandsabkommens von 1991 durch den Irak, einschließlich der Einmischung in die Waffeninspektionen der Vereinten Nationen (zutreffend), die "brutale Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung" (zutreffend), die "Fähigkeit und Bereitschaft des Irak, Massenvernichtungswaffen gegen andere Nationen und seine eigene Bevölkerung einzusetzen" (zutreffend) und die durch die irakische Regierung geduldete und geförderte Anwesenheit von Terroristen, die gegenüber den USA feindliche Absichten verfolgen, auf irakischem Gebiet (zutreffend). Die von @Ben genannten Argumente fanden also durchaus explizit Eingang in die Begründung für den Krieg.

Ja, das Ausmaß des irakischen Programms zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen wurde im Vorfeld der Invasion übertrieben dargestellt (es gibt da die Aussage eines ehemaligen CIA-Analysten, dass die politische Führung die schlimmsten Befürchtungen für bare Münze nahm und da einen regelrechten Tunnelblick hatte), wie auch die Verbindungen zu Terroristen. Aber die Tatsache, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besaß, eingesetzt hatte und weiter an ihnen arbeitete, bestand ebenso wie die Förderung terroristischer Aktivität gegen die USA und ihre Verbündeten - nur eben nicht in dem Maß, wie es kolportiert wurde. Gerade vor dem Hintergrund von 9/11 herrschte eine Stimmung vor, vom schlimmsten auszugehen und eine scheinbar günstige Gelegenheit zu nutzen. Der Sturz von Saddam Hussein war seit 1991 ein angestrebtes Ziel der US-Regierung, nach 9/11 gab es eine große internationale Solidarität und in den USA war die Regierung Bush geneigt, das zu glauben, was sie glauben wollte. Aber ein kühl kalkulierendes, geplantes Vorgehen war das ebenso wenig wie "Blut für Öl" (besagtes Öl hat bis jetzt so ziemlich jeder Despot auf der Welt gerne an die "Ungläubigen" und "Imperialisten" verkauft, dafür muss man keinen Krieg führen, und die neue irakische Regierung hat den USA weder Vorzugspreise noch sonstige Erleichterungen verschafft).
 
(Edit: Und auch nicht daran, dass es grundsätzlich keine falsche Entscheidung war, die Husseins zu entmachen.)

Wie gesagt, an finsteren Gestalten wie z.B. Kim, Duterte, Khameini, Maduro und Bolsonaro und div. afrikanischen Warlords herrscht wahrlich kein Mangel. Wo soll man anfangen?

Die Resolution des US-Kongresses vom Oktober 2002 nennt als Begründung für den Krieg gegen den Irak unter anderem: Die Nichteinhaltung der Bedingungen des Waffenstillstandsabkommens von 1991 durch den Irak, einschließlich der Einmischung in die Waffeninspektionen der Vereinten Nationen (zutreffend), die "brutale Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung" (zutreffend), die "Fähigkeit und Bereitschaft des Irak, Massenvernichtungswaffen gegen andere Nationen und seine eigene Bevölkerung einzusetzen" (zutreffend) und die durch die irakische Regierung geduldete und geförderte Anwesenheit von Terroristen, die gegenüber den USA feindliche Absichten verfolgen, auf irakischem Gebiet (zutreffend). Die von @Ben genannten Argumente fanden also durchaus explizit Eingang in die Begründung für den Krieg.

Eine US-Resolution ist nationales Recht. Gleichwertig dazu ist zum Beispiel die Ablehnung der BRD zur Teilhabe zu werten, weil dies der Verfassung widerspricht. NATO- und UN-Statuten haben diesen Einsatz nach wie vor niemals sanktioniert. Deswegen steht auch immer noch der Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit im Raum.
 
Worauf stützen sich deine Beobachtungen? Ich bin tatsächlich interessiert, denn ich kann das als Einwanderer bzw. Einwandererkind (ich bin erst seit meinem achten Lebensjahr dt. Staatsbürger) nämlich keineswegs bestätigen. Weder wurden meinen Eltern noch meinem Bruder und mir Möglichkeiten vorenthalten oder gar Eigenverantwortung abgesprochen und meine Eltern wurden auch bestimmt nicht als "Stimmvieh" nach Deutschland geholt/gelassen.

Ich bin Nachfahre sogenannter "Gastarbeiter" aus den 60ern. Diese standen als soziale Unterschichtler und "Ausländer" lange Zeit am Rande, wenn nicht gar außerhalb der Gesellschaft. In der schlecht bis gar nicht entnazifizierten österr. Gesellschaft hatte es keiner von denen leicht, als (Schwerst-)Arbeiter erst recht nicht (dazu muss man nicht einmal Werke wie 'Ganz unten' gelesen haben). Anfangs hielten bekanntlich beide Seiten das Ganze für ein temporäres Engagement; mit der Zeit begann man aber stärker, gezielt in den einzelnen Migrantencommunities auf Stimmen-bzw Imagefang zu gehen. Ein FJS hatte zB gute Verbindungen zu den Grauen Wölfen, einer terroristischen Vereinigung türk. Rechtsextremisten, die seit den 60ern tausende Menschen auf dem Gewissen haben.

Von einem "Wählerimport" und dergl. habe ich nie gesprochen. Ich schreibe, dass man auch nach steigendem Einbürgerungsanteil in den Gemeinschaften wenig mehr sah als (pot.) Stimmenlieferanten, deren Eingliederung in die Mehrheitsgesellschaft aufgrund der scheinbar vorübergehenden Natur der Arbeiteranwerbungen nicht erörtert worden war.

Klar, "vorenthalten" wurde per se nichts. Die Praxis zeugt - bis heute - von einem vorhandenen, institutionell verankerten Rassismus (Jobsuche, Wohnungen, "Alltags"rassismus etc). Das dürfte in D nicht viel anders sein als bei uns.

Und auch wenn es dir egal ist, ob du dich hier einer ähnlichen Sprache bedienst wie die AfD, so ist es eben nicht egal, dass du das tust. Egal, wie deine Beweggründe aussehen. Die zunehmende Verrohung aller gesellschaftlicher Diskurse ist einer der größten Schäden, den die AfD und ihre populistischen Pendants im Ausland angerichtet haben.

Es sollte im Sinne aller Demokraten sein, sich davon zu distanzieren.

Hast schon Recht. Mit mir gehen die Emotionen - v.a. Abscheu den Anhängern der AKP sowie dem verantwortungslosen Flüchtlingsdeal gegenüber - durch, was halt mit meinem Hintergrund zu tun hat. Ich drücke aus, wie ich empfinde.

Aber das ist keine Integrationspolitik. Der Einflussnahme radikaler Gruppierungen entgegenzuwirken, ist ein klassisches Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr und damit eher der Sicherheitspolitik.

Sicherheitspolitik hat doch nichts damit zu tun, Einwanderern progressive Werte und polit. Sensibilisierung zu vermitteln. Das wäre eher Bildungspolitik, was du ja weiter unten ansprichst.

Ich denke, was du als Integrationspolitik verstehst, ist viel eher eine Mischung von Aspekten aus anderen politischen Feldern.

Ja, bin der Meinung, dass da abteilungsübergreifend - im Hochschuljargon "interdisziplinär" gearbeitet sollte.

Undemokratischen Traditionen und Gesellschaftsbildern unter Einwanderern bzw. ihren Kindern kann am besten durch Bildungspolitik beigekommen werden, aber leider spielen geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer selbst in den weiterführenden Schulen nur eine ganz geringe Rolle.

Bildung bedeutet für mich neben dem Absolvieren einer entsprechenden Laufbahn v.a. den Prozess geistiger Entwicklung. Das Individuum allein entscheidet, ob es sich darauf einlässt, oder aber lediglich akkumuliertes Fachwissen in den Dienst einer Agenda zu stellen versucht, d.h. das Bemühen, Menschenverachtung durch den wissenschaftlichen Fleischwolf zu drehen und das Produkt als (nicht nur semantisch) konform zu verkaufen.

Und gegen religiösen Fanatismus ist kein rationales Kraut gewachsen.

So hätte man niemals die irakischen Streitkräfte als solche auflösen dürfen. Nicht nur, weil damit ein zwar vorbelastetes aber dennoch effektives Instrument zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verloren ging, sondern vor allem, weil damit, auf einen Schlag, einer großen Menge militärisch ausgebildeter und teils kampferprobter Männer jegliche Lebensgrundlage entzogen wurde. Einmal darfst du raten, wofür die ihre Fähigkeiten in den darauf folgenden Monaten und Jahren genutzt haben.

Verbot/Auflösung der verbrecherischen Baath-Ideologie bzw. Streitkräfte waren mMn richtig und konsequent; das, was sich (nicht nur) Historiker für D und Ö nach 1945 gewünscht hätten. Was versäumt wurde, war eine tiefgehende "Erziehung" des Volkes zur demokrat. Gesinnung und eine Art Marshallplan für das Land.

Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Den ganzen gestrigen Vormittag wolltest du von mir Rechtfertigungen für meine Positionen sehen. Jetzt bin ich mal am Drücker, dich zur Stellungnahme aufzufordern, mein Lieber: Wie sollte man denn deiner Meinung nach mit Verbrecherstaaten umgehen? Appeasement? Einfach wegschauen, ungeachtet der Totenanzahl? Lukrative Deals?


Danke. Das war es, was ich wissen wollte, nämlich nachvollziehbare und evidenzbasierte Begründungen.

Du hast vor dem Beitrag also nicht gewusst, was für ein Unrechtsstaat der Irak war? Zumal ich auf einige Dinge bereits angespielt hatte, was du aber konsequent ignoriert hast.
 
[...] deren Eingliederung in die Mehrheitsgesellschaft aufgrund der scheinbar vorübergehenden Natur der Arbeiteranwerbungen nicht erörtert worden war.

Stimmt. Zu glauben, dass Gastarbeiter wieder in ihre Heimat zurückkehren würden, sobald man sie nicht mehr braucht, war bestenfalls bloß naiv. Und natürlich wurden gerade deshalb auch schon im Voraus Fehler gemacht. Ich mag es aber nicht, dem Staat hier die Alleinschuld zuzuschieben. Entschuldige, wenn ich es so plump ausdrücke, aber: Niemand zwingt diese Communities unter sich zu bleiben. Und ja, ich weiß wovon ich hier rede. Integration kann nicht etwas sein, dass nur von oben verordnet und von Leuten geplant wird, die vielleicht überhaupt keine Ahnung haben, was sie dort planen.

Das dürfte in D nicht viel anders sein als bei uns.

Wenn ich für mich spreche, kann ich dir definitiv sagen, dass ich Rassismus erlebt habe, ja. Nicht nur beiläufigen Rassismus, sondern auch gewalttätigen. Aber, wenn ich für mich spreche, dann kann ich dir auch genauso definitiv sagen, dass es besser geworden ist. Klar, an manchen Stellen hat sich der Rassismus auch verändert und teilweise erkennen manche Leute nicht, dass das, was sie wohl als Lob oder Anerkennung gemeint haben, eigentlich rassistisch ist. Aber das sind nur meine Erfahrungen, ja. Ich tue mich schwer damit, vor allem institutionellen Rassismus zu erkennen, aber ich kann genauso wenig die Erfahrungen anderer Menschen in Abrede stellen.

Sicherheitspolitik hat doch nichts damit zu tun, Einwanderern progressive Werte und polit. Sensibilisierung zu vermitteln.

Nein, aber radikale Organisationen zu bekämpfen, die Communities beeinflussen oder Menschen radikalisieren, ist Sicherheitspolitik. Und bei aller Prävention bleibt das letztlich entscheidend. Ich kenne persönlich mehrere Leute, die sich in verschiedene Richtungen radikalisiert haben und das sind alles Leute, die mit mir das Abitur abgelegt haben. Die alle vier Stunden gesellschafts- und geisteswissenschaftlichen Unterricht pro Schulwoche hatten.

Ja, bin der Meinung, dass da abteilungsübergreifend - im Hochschuljargon "interdisziplinär" gearbeitet sollte.

Ja, aber du nennst es Integrationspolitik. Im Endeffekt ist es aber Politik, die alle Menschen in Deutschland (oder Österreich) betrifft. Quartierdurchmischungen können ja schließlich nicht danach funktionieren, welche Staatsbürgerschaft man hat. Besseren und vor allem mehr Unterricht in Geistes- und Gesellschaftswissenschaften kann es ja nicht nur für Einwanderer geben.

Was versäumt wurde, war eine tiefgehende "Erziehung" des Volkes zur demokrat. Gesinnung und eine Art Marshallplan für das Land.

Ich habe irgendwie das Gefühl, du kennst dich in diesem Thema eigentlich ganz gut aus. Denkst du wirklich, eine tiefgehende Erziehung des irakischen Volkes zu einer demokratischen Gesinnung hätte funktioniert? Fast jeder Aspekt des täglichen Lebens entscheidet sich im Irak an den Bruchlinien der einzelnen Stämme und Familienclans. Wie sehr, hat man gesehen, als die Stämme sich 2007 ziemlich geschlossen gegen die Lage im Irak gestellt haben und Ruhe in das Land kam. Nationalstaaten, wie wir sie kennen und wie wir sie in Afghanistan oder in Somalia errichten wollen oder wollten, funktionieren im Nahen Osten, in Afrika oder am Hindukusch selten gut, wenn es nicht einen "starken Mann" gibt, der die Bevölkerungsgruppen mit Gewalt und Unterdrückung zusammenhält.

Die Auflösung der irakischen Streitkräfte und der Baath-Partei, wie sie letztlich stattgefunden haben, war moralisch sicherlich korrekt, aber nicht die richtige Lösung und man hat den Preis dafür gezahlt. Leider waren das vor allem viele irakische, amerikanische und britische Leben.
 
aber: Niemand zwingt diese Communities unter sich zu bleiben. Und ja, ich weiß wovon ich hier rede. Integration kann nicht etwas sein, dass nur von oben verordnet und von Leuten geplant wird, die vielleicht überhaupt keine Ahnung haben, was sie dort planen.

Ich will eure spannende Diskussion nicht stören, aber an dieser Stelle mal kurz einhaken. Grundsätzlich stimme ich dir an diesem Punkt voll zu. Allerdings gibt es gerade in Bezug auf die 60er-Jahre einiges zu berücksichtigen. Ich kenne mich nicht im Detail damit aus, habe aber mittlerweile gelernt, dass türkische Kinder teilweise in eine Schulklasse gepackt wurden, "damit sie unter sich bleiben können". Des Weiteren habe ich durch den Aufstieg des Vereins Türkgücü Münchens in die 3. Fussballliga festgestellt, dass Türken (oder allgemein Menschen ohne deutschen Pass) damals nicht für den regulären Spielbetrieb des DFB oder der Landesverbände registriert werden durften. Deshalb wurden eigene Vereine gegründet mit eigenen Wettbewerben. Da lässt sich vielleicht noch mehr finden.

Bei solch einer "Integrationspolitik" braucht man sich nicht wundern, wenn das manchmal nicht klappt. Integration muss von den Betroffenen gewollt werden, aber die Gesellschaft muss auch offen dafür sein.
 
In Beirut, Libanon hat sich eine massive Explosion ereignet. Aktuell geht man von 50 Toten und 2700 Verletzten aus, der Hafen soll größtenteils zerstört worden sein. Ursache sollen wohl vor Jahren konfiszierter Sprengstoff und/oder Feuerwerkskörper sein.

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-08/libanon-beirut-explosion-protest-stromausfaelle

Ein Video, dass das Ausmaß der Explosion zeigt:
Das war echt schon ziemlich krass. Das wird sogar bereits in der Liste der größten nichtnuklearen Explosionen aufgeführt.
Ob die Schätzung mit den 1,375 Kilotonnen TNT Sprengkraft hinhaut? Das ist ja wirklich fast schon ein eine kleine Atombombe.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_größten_künstlichen,_nichtnuklearen_Explosionen
 
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