Tenet (von Christopher Nolan)

So, habe den Film gesehen. Mir hat er sehr gut gefallen, in erster Linie in handwerklicher Sicht handelt es sich um einen grandiosen Film. So viele tolle, hochwertige Bilder, tolle Kulissen und spektakuläre Actionsequenzen. Auch die Darsteller fand ich klasse, John David Washington war mir, anders als sein Vater, kein Begriff, aber ich finde, dass er die Rolle toll dargestellt hat. Seine Figur ist jetzt nicht unbedingt die tiefsinnigste, das stimmt, aber schon sympathisch und jemand, mit dem man mitfiebert. Robert Pattinson hat mich auch sehr überzeugt, was die Vorfreude auf den kommenden Batman-Film nochmal steigert. Interessant ist auch, dass gleich drei Darsteller aus den Harry Potter-Filmen mitwirken ^^

Was mir zu Beginn und generell in der ersten Hälfte jedoch etwas gefehlt hat, war die angepriesene und für Nolan-Filme typische Komplexität. Im Grunde ist die Handlung typisch für einen Agenten-Thriller, in dem die Welt vor der Vernichtung gerettet werden muss - bloß, dass sich Gegenstände und Menschen halt auch rückwärts durch die Zeit bewegen können. Das ist schon eine originelle Idee, sorgt auch für cool inszenierte Momente, ist aber jetzt nicht unbedingt komplex. Zum Ende hin wird es dann aber doch verschachtelter und vielschichtiger. Aber auch damit regt der Film mich jetzt nicht in dem Ausmaß zum Grübeln, Interpretieren und Diskutieren an, wie es beispielsweise "Inception" oder "Memento" taten - noch nicht, jedenfalls. Ich bin sicher, dass ich den Film nochmal sehen werde, zum einen ist er einfach sehr unterhaltsam und toll gemacht, zum anderen bin ich auch sicher, dass mir das eine oder andere Detail entgangen ist.
 
Erster Kino-Besuch seit Corona. Und direkt mit einem großen Fragezeichen aus dem Kino gekommen. Zweifelsfrei ist der neue Nolan ein handwerklich gut gemachter Streifen, auch wenn ich den Schnitt an manchen Stellen echt gewöhnungsbedürftig fand. Gleichzeitig ist "Tenet" aber auch in seiner Komplexität der bisher eigensinnigste Film in Nolans Karriere. Ein Film, der sich auch beim aufmerksamen Hinsehen nicht auf Anhieb erschließt. Die Wertung fällt mir daher nach der Erstsichtung echt schwer.
Für die gelungene Unterhaltung und Thematik gebe ich erstmal 8 / 10, aber vermute, dass man ihn sich noch ein oder zweimal anschauen muss, um eine vernünftige Bewertung abgeben zu können.
 
Ich habe "Tenet" nun auch gesehen. Vorweg sollte ich vielleicht sagen, dass Agenten-Action-Filme nicht so mein Genre sind. Warum hab ich mir den Film trotzdem angesehen? Zum einen, weil er und sein Regisseur in aller Munde sind, mein kleines Kino ihn im Programm hat und der Film mir Gelegenheit bot, John David Washington mal wieder zu sehen, den ich in "BlacKkKlansman" leider nicht so überzeugend fand, wie ich's mir gewünscht hätte. Richtig neugierig gemacht hat mich dann die Sache mit Zeit. Also gestern spontan ab ins Kino!

Die ersten wohl 1 1/2 - 2 Stunden des Films bestanden nur aus einschläfernden Andeutungen und Herumschicken des Protagonisten von A nach B. Das ist vielleicht das eigentliche Manko des Films. Denn als die Protagonisten endlich ihrerseits das Spiel mit der Zeit aufnahmen und ich wieder wach wurde, ging dem Film die Zeit aus (muhaha). Ich fand die Vorstellung des Invertierens, des sich rückwärts in der Zeit Bewegens sehr faszinierend. Ich mag es, wenn Filme ein und dieselbe Szene öfter aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen, was hier ja durch die verrückte Rückwärtsbewegung durch die Zeit noch mal interessanter wurde. Ich fand es mega schade, dass dann alles halsüberkopf passierte. Es gab ein ultraschnelles Briefing, was der Protagonist zu beachten habe, wenn er nun invertiert und ab ging's in die Action. Gerade diese Erklärungen waren doch das Herzstück des Films, da wollte ich mehr Zeit zum Verdauen und Prozessieren haben, um die nächsten Szenen dann voll auskosten zu können. "Don't try to understand it, feel it" reicht doch bei einem Film mit solch einem Kernkonzept nicht. Außerdem war bei der emotionalen Leere der Story auch nicht wirklich viel zum Fühlen da (dazu unten mehr). Aber immerhin kamen zum Höhepunkt des Films dann sehr toll umgesetzte Szenen aus unterschiedlichen Zeitperspektiven: die Verfolgungsjagd, das Handgemenge im Freeport auf dem Flughafen und natürlich der abschließende Einsatz, um den Algorithmus zu bergen. Alles Szenen, die mich begeisterten, die ich aber gerne mal mit etwas Zeitlupe o.ä. länger ausgekostet und genossen hätte. Vor allem der Kampf Mann gegen Mann war toll durchchoreographiert, den hätte ich mir bedeutend länger gewünscht. Alleine, um diese Szenen noch mal in aller Deutlichkeit zu erfassen, werd ich mir den Film sicher noch mal ansehen, wenn er auf Disc rauskommt. An Bildgewalt machte der Film allerdings auch nicht sooo viel her. Das rückwärts einstürzende Gebäude war schon schick anzusehen, aber ansonsten... hm.

Insgesamt ließ der Film mich also leider ziemlich kalt. Auf dem Spiel stand das Überleben der gesamten Menschheit, was mich keine Sekunde lang interessierte. Der Film zeigte ja auch nichts, was in irgendeiner Form schützenswert gewesen wäre. Wir bewegten uns in häßlich zugebauten Städten, auf Windkraftanlagen und auf der Yacht eines superreichen Oligarchen inkl. unnötig coolem Segeltörn. Wenigstens ein schönes menschengeschaffenes Bauwerk hätte man zeigen können (die Osloer Oper, auf deren Dach ein Gespräch stattfindet), ließ die Gelegenheit aber ungenutzt und machte auch keinen Kameraflug über den wunderschönen Oslofjord. Die Mutter-Kind-Beziehung, die wohl ein Fingerzeig auf die nächste Generation und ein emotionaler Dreh- und Angelpunkt sein sollte, blieb komplett gesichtslos. Bis auf die Abschiedsszene zwischen dem Protagonisten und Neil, blieben für mich auch die Beziehungen zwischen den Charakteren steril. Der ahnungslose Rest der Menschheit bekam keinen Auftritt. Und so bin ich nun als Zuschauer in der Rolle des Ottonormalverbrauchers im Film: "No one cares about the bomb that didn't go off." Es wäre mir wohl auch egal gewesen, wenn sie explodiert wäre. Ich bin also nie so wirklich in den Film reingekommen, es gab für mich keinen emotionalen Ankerpunkt, der mich hätte mitfiebern lassen.

Was ist jetzt eigentlich die Moral von der Geschicht'? Bei mir ein Schulterzucken. Für mich bietet der Film also ein sehr ansprechendes Kernkonzept, mit einer leider recht platten Rahmenstory und wenig ansprechender Kulisse, und dem Versuch, noch einen moralischen Zeigefinger zu heben. Insgesamt muss ich aber sagen, da hat "Arrival" mit dem abstrakten Zeitkonzept philosophischer gespielt und "Looper" bei all der Action und dem cleverem Gepose die emotionale Schiene besser getroffen.

Schauspielerisch konnte ich hier nur Robert Pattinson ein bisschen was abgewinnen, den ich erstmalig spielen sah. Lag vielleicht auch daran, dass er die interessanteste Figur spielte. Und wieder ging es also John David Washington wie in "BlacKkKlanman" - er hat die eigentliche Hauptrolle, aber die Nebenrolle ist einfach als Charakter interessanter und hat auch für den Schauspieler mehr zu bieten.

Ich gebe eine mittelprächtige Bewertung von 5/10 gefangenen Pistolenkugeln. Ist einfach nicht mein Genre.
 
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Mir hat der Film auch gut gefallen.
Nolan Filme im Kino machen einfach Spaß, allein der echt spektakulären praktischen Effekte wegen. Es gab bei den Action Szenen viele Dinge, die man so vermutlich noch nie gesehen hat. Auch den Soundtrack fand ich sehr gelungen.

Über die Story muss ich mir noch Gedanken machen. Die Rahmenhandlung erscheint ja relativ simpel, aber es gab bei der ersten Sichtung einige Szenen bei denen ich vorübergehend das Gefühl hatte, dem Geschehen nicht mehr folgen zu können. Ich bin daher schon auf meine Zweit-und Drittsichtung auf Blu Ray gespannt.
 
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Ich glaube, dass niemand den Film beim ersten Mal komplett erfasst, weil entscheidende Details in ihrer Tragweite beim ersten Sehen nicht erkannt werden. Beim ersten Sehen hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht, den Film zu stoppen und noch einmal zurückzuspulen oder ihn einfach anzuhalten, um über das Gesehene nachzudenken. So manches ist mir erst beim zweiten Sehen aufgefallen, in Kenntnis der Gesamtzusammenhänge. Und erst beim dritten Sehen hatte ich das Gefühl, den Film im Wesentlichen zu kennen.

Für mich liegt letztlich der Reiz des Films in seiner Entschlüsselung. Darüber hinaus, wirkt der Film auf mich nicht nachhaltig. Das war z. B. bei "Matrix" oder "Und täglich grüßt das Murmeltier" anders.
 
Ich glaube, dass niemand den Film beim ersten Mal komplett erfasst, weil entscheidende Details in ihrer Tragweite beim ersten Sehen nicht erkannt werden. Beim ersten Sehen hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht, den Film zu stoppen und noch einmal zurückzuspulen oder ihn einfach anzuhalten, um über das Gesehene nachzudenken. So manches ist mir erst beim zweiten Sehen aufgefallen, in Kenntnis der Gesamtzusammenhänge. Und erst beim dritten Sehen hatte ich das Gefühl, den Film im Wesentlichen zu kennen. Für mich liegt letztlich der Reiz des Films in seiner Entschlüsselung. Darüber hinaus, wirkt der Film auf mich nicht nachhaltig.
Das seh ich auch so - das Kernkonzept macht schon Spaß und ist mal was anderes als ein einfaches Zeitreisen. Dafür lohnt sich ein mehrmaliges Ansehen allemal, auch wenn einen die Rahmenhandlung ansonsten nicht so wirklich gepackt hat. Beim einmaligen Sehen kann man den Film gar nicht voll erfassen, dafür werden die wirklich interessanten Szenen zu schnell durchgejagt und die Erklärungen zu schnell abgespult.
 
Mir hat der Film nach der ersten Sichtung sehr gut gefallen, wie ich es hier auch geschrieben habe. Ich ließ aber auch durchblicken, dass ich, wenn es um die Frage der Komplexität geht, ein wenig ernüchtert war.

Mit einigem Abstand zum Kinobesuch kann ich sagen, dass "Tenet" aus meiner Sicht ein Film ist, der enorm nachwirkt! Direkt nach der Sichtung hat er mich gar nicht mehr so beschäftigt, und ich muss sagen, dass ich das schade fand. Andere Nolan-Filme wie "Memento" oder "Inception" gingen mir direkt nach dem ersten Anschauen gar nicht mehr aus dem Kopf und haben mich dazu gebracht, lang über sie nachzudenken. Mir fehlte bei "Tenet" zunächst einfach so ein bisschen der "Mindfuck", wenn ich das so sagen darf, den ich mir davon erwartet hatte.

Dieser kam dann aber bereits am nächsten Tag, als mir der Film nochmal durch den Kopf ging. Dann wurde mir nämlich erst mal bewusst, wie viele Fragen für mich eigentlich noch offen sind und was ich alles eigentlich nicht so vollends verstanden habe. Und seit ich anfing, darüber nachzudenken, finde ich den Film retrospektiv nicht mehr "nur" sehr gut, sondern doch großartig.

Ich schreibe mal meine Erkenntnisse und offenen Fragen auf, die mir nach dieser gedanklichen Auseinandersetzung kamen, und packe es sicherheitshalber in einen Spoiler:

Für mich ist die Kernfrage des Films eigentlich die, ob sich Dinge, die bereits geschehen sind, verändern lassen, wenn man durch die Zeit reist. Diese Frage wird im Film als Teil der Handlung selbst aufgeworfen, diskutiert, aber, zumindest aus meiner Sicht, nicht wirklich beantwortet, sondern eher offen gelassen. Hier kann sich der Zuschauer im Grunde selbst ein Bild davon machen, und ich finde es sehr interessant, über diese Frage nachzudenken. Es gibt im Film aber einige Anhaltspunkte, die damit in Verbindung stehen, die mir wie gesagt erst im Nachhinein wirklich bewusst wurden und die aus meiner Sicht zeigen, dass "Tenet" komplexer ist als es zunächst den Anschein haben mag:

- Bei der Verfolgungsjagd auf der Autobahn in Estland sehen wir ja das invertierte Auto, welches sich rückwärts bewegt und dann einen Unfall erleidet. In dieser Sequenz reist der Protagonist noch normal durch die Zeit. Als er dann später selbst invertiert ist und wir diese Sequenz aus dieser Perspektive nochmal sehen, stellen wir fest, dass er es ist, der in diesem Auto sitzt - welches sich nun aus seiner und somit auch aus unserer Sicht vorwärts bewegt. Es kommt dann ebenfalls zu dem Unfall, den wir schon beim ersten Mal gesehen haben. Zu dieser Zeit war der Protagonist aber noch nicht invertiert. Das heißt also, dass dieses Ereignis (das Auto ist auf der Autobahn und überschlägt sich) schon zu sehen ist, bevor es überhaupt eintritt, weil der Protagonist ja erst nach dieser Verfolgungsjagd invertiert.

-So ähnlich ist es bei Kat, der Frau des Antagonisten Sator. In der normal vorwärts laufenden Zeitlinie sah sie, wie eine Frau von Sators Yacht ins Wasser sprang. Als sie später invertiert, tötet sie Sator und springt ins Wasser, wir sehen dann wieder die normal laufende Version von ihr, die das sieht, sie sieht also sich selbst. Hier war der Sprung ins Wasser also auch schon zu sehen, bevor er sich ereignete, was ja erst später passierte, nämlich nachdem Kat invertierte.

-Ich finde, dass das schon ordentliche "Mindfucks" sind. Aber diese Überlegung setzt noch einen drauf: In der Flughafen-Szene gerät der Protagonist in einen Kampf mit einem uniformierten Gegner, der invertiert ist. Später, als der Protagonist invertiert ist und die Flughafen-Szene rückwärts herum durchlebt, erscheint dieser Gegner wieder und sie kämpfen wieder gegeneinander. Es stellt sich jetzt heraus, dass es sich dabei um den Protagonisten handelt, der invertiert ist. Bloß ist der Protagonist jetzt ja auch invertiert und auch nur in dieser Form in dieser Szene zu sehen, nicht aber sein normal laufendes Gegenstück, welches bei der ersten, chronologisch ablaufenden Flughafen-Szene gekämpft hat. Im Grunde existieren in dieser Szene also zwei Formen des invertierten Protagonisten, und diese beiden bekämpfen sich auch noch.

Wenn ich so darüber nachdenke, freue ich mich auch schon sehr auf eine weitere Sichtung und darauf, diesen Punkten vielleicht etwas auf den Grund gehen zu können.
 
Mir kam gerade der Gedanke, dass die Invertierten alle den Hitzetod sterben müssten.

Wir sehen ja in der Auto-Explosionszene, dass auch der Wärmestrom invertiert ist. Sprich, kalt fließt zu warm und nicht, wie die Thermodynamik vorschreibt, von warm zu kalt. Bewegt man sich nun mit einer Körpertemperatur von 37°C ungeschützt bei 20°C Umgebungstemperatur, kann der Körper keine Wärme abgeben, sondern die Umgebung gibt Wärme an den Körper ab. Sprich die Luft wird kälter und kälter, und der Körper sollte sich eigentlich erhitzen. Und da es keine Chance gibt, ein thermisches Gleichgewicht zu erreichen, sollte das ganze so weit gehen bis die Umgebung den absoluten Nullpunkt erreicht. :cautious:
Mit anderen Worten: Thermisch isolierte Anzüge wären wohl zwingend erforderlich gewesen. xD

Aber die interessantere Sache ist vielleicht, dass sich mit invertierten Gegenständen wohl ohne weiteres ein Perpetuum Mobile realisieren ließe. :D
 
Ich glaube, dass niemand den Film beim ersten Mal komplett erfasst, weil entscheidende Details in ihrer Tragweite beim ersten Sehen nicht erkannt werden.

Ach Quatsch, hab ihn gestern gesehen und das einzige, womit ich Probleme hatte, war das selten dämliche Gelaber, welches in der ersten haben Stunde als überaus prätentiöse Exposition herhalten musste. Es gilt die felsenfeste Regel, dass das, was passiert ist, nun mal passiert ist. Deswegen ist der ganze Weltuntergangsplot keine Sekunde lang mitreißend, weil man im Grunde die ganze Zeit weiß, dass das Armageddon nicht stattfinden kann, weil es eben nicht stattgefunden hat.

Mein Fazit: Es ist NICHT anspruchsvoll, wenn man in (sowohl buchstäblich als auch bildlich) Rätseln spricht, die man dann selber ne Stunde später mit dem Holzhammer aufdeckt. Das ist schlicht "business as usual". Der Film ist im Grunde nur ne aufgeblähte und spaßbefreite Version des Finales von "Doctor Strange", die sich selbst viel zu ernst nimmt, fürchterlich trocken daher kommt und sich selbst jede Innovation vorenthält. Hier ist wieder mal das selbe Problem, wie bei Inception zu verorten: Eine interessante Mechanik wird eingeführt und man bleibt meilenweit hinter den ganzen Möglichkeiten, die ein solches Setting böte, zurück. Langsam aber sicher wird Nolan für mich zum zweiten Michael Bay... :crazy
 
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