Bogo Rai

Toji

versehrter Kommandant der "Abyss"
Bogo Rai
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[ Infos zum Planeten: Bogo Rai (engl.) | Bogo Rai (dt.) ]

[ Zugehörigkeit: neutral ]

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Namhafte Lokalitäten

Pohskapforian – Der Planet selbst mag eigentlich unwirtlich, fast schon lebensfeindlich sein. Doch die relative Nähe zum originären Chiss-Territorium und die Tatsache, dass das System auf der einigermaßen stabilen Cressus-Route liegt, hat dazu geführt, dass an diesem Ort der wohl größte Schwarzmarkt der gesamten Region floriert. In einem Höhlensystem, das knapp unter der öden Planetenkruste liegt, haben sich Bewohner der Unbekannten Regionen - unter anderem auch in Ungnade gefallene Chiss - ein Leben im Zwielicht aufgebaut. Multifunktionale Module sichern das Leben und ermöglichen es dem Ort so, dass hier unter anderem exotische (und zum Teil illegale) Waren gehandelt sowie Schiffe modifiziert und repariert werden.

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Besonderheiten

Sowohl bei den Vorgeschobenen Verteidigungsflotte der Chiss als auch bei dessen Geheimdienst kursiert das Gerücht, dass die Chiss-Seperatisten - genannt das Chiss-Imperium rund um Chiss'Aria'Prime und deren Nachbarsysteme - unter anderem in diesem System einen Lauschposten betrieben hätten. Beweise für diese Anschuldigungen konnten von Csilla bislang zwar noch nicht vorgelegt werden, aber insbesondere in jenen Tagen, als der Chiss-Bruderkrieg noch mit Waffengewalt ausgetragen wurde, hatten bewaffnete Truppen Bogo-Rai immer wieder heimgesucht.

Stand: Beitrag # 11, 14.02.2018
Aiden Thiuro
 
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[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]

Bloß Lichtminuten vom Bogo Rai-System lag der graue Imperial-Sternzerstörer „Abyss“ mit seinen kleineren Begleitschiffen auf der Lauer. Ihre Ruhe mutete wie die von jagenden Raubtieren an – nur handelte es sich hierbei um stählerne Exemplare. Reger Funkverkehr herrschte zwischen den sieben Mitgliedern der imperialen Kampfgruppe. Sternjäger waren noch keine ausgeschleust, aber das war höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Denn die Kriegsschiffe hatten ihre Hangartore schon längst geöffnet und vereinzelt konnte man jene Lichter aufblitzen sehen, die bei den Sternjägern für „Einsatzbereitschaft“ standen. Doch noch trieben die Imperialen bloß durch den leeren Raum. Noch schien „ihre“ Zeit zum Handeln nicht gekommen zu sein. Und so verstrichen die nächsten Minuten ebenso ereignislos wie die vorherigen.

Derweil im vorderen Bereich der Brücke das übliche Gemurmel zu hören war, brummte im hinteren Teil leise der Projektor im Holotisch. Obgleich ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend gärte, stand Toji direkt neben dem laufenden Gerät, hatte eine dampfende Tasse Yarbatee in der Hand und musterte die statische Darstellung des vor ihnen liegenden Sternensystems. Sah man einmal von der heiklen Konfrontation mit der Einheit der Chiss-Verteidigungsstreitkräfte im Sposia-System ab, war dies tatsächlich der erste richtige Einsatz des Sternzerstörers unter seinem Befehl. Zwar handelte es sich bloß um eine Übung, um für eine Revolte auf Chiss'Al'Vanna zu üben, aber da der Commodore das Kampfgeschehen oft genug am eigenen Leib erlebt hatte, fühlte er sich dieser Aufgabe – im Gegensatz zur Politik – gewachsen.

Sich räuspernd trat Lieutenant Commander Calway an ihn heran, bevor er seinem Vorgesetzten mit gedämpfter Stimme meldete:
„Die Kampfgruppe ist bereit, Sir. Pohar von der 'Spectre' hat uns eine Reihe Daten übermittelt, die gerade von Sensorik und Navigation gemeinsam ausgewertet werden.“

„Worum könnte es sich dabei handeln, Commander?“, fragte der Commenorer krächzend nach und nippte anschließend kurz an dem heißen Getränk in seiner Hand.

Der dunkelhäutige Hüne rieb sich kurz das stoppelige Kinn, sah dann flüchtig in Richtung Sensorik und antwortete im Anschluss:
Grumby vermutet eine mögliche Aufklärungsroute; Foster hingegen Punkte zum Aussetzen von Spionagedrohnen. Meine Wenigkeit steht irgendwo zwischen den beiden Meinungen, Sir.“ Noch einmal ein Blick in Richtung Front. Pohar ist kein Anfänger. Er kennt sein Schiff – und dessen Grenzen – außergewöhnlich gut. Bestimmt hat er die letzten Stunden allein mit Tüfteln verbracht.“

Toji nickte. Mit dem Kennenlernen der ihm unterstellten Schiffskommandanten hatte er bislang nur wenig, sehr wenig Zeit verbracht. Die Sabosen-Familie sowie der Bau des Außenpostens hatten ihn einfach viel zu sehr in Beschlag genommen. So musste er sich nun – ob er wollte oder nicht – damit begnügen, dass er der Einschätzung seiner Untergebenen Glauben schenken musste. Per Knopdruck ließ der versehrte Imperiale die holografische Darstellung wechseln. Statt der statischen Karte vom Bogo Rai-System konnte er nun die momentane Formation seiner Kampfgruppe betrachten. Sowohl die beiden Korvetten der Vigil-Klasse („Spectre“ und „Animus“) als auch der Verteter der Bayonet-Klasse („Cellarius“) bildeten zusammen die Spitze der militärischen Standardaufstellung und schon in wenigen Minuten würde für sie die Übung beginnen. Erneut nippte Toji am Tee.

„Schenken wir Pohar ein wenig Vertrauen“, entschied Toji nach längerem Überlegen. „Mister Calway, geben Sie an die Korvetten den Befehl 'Aufklärung – Marsch!' aus und sobald Grumby und Foster die Daten dechiffriert haben, möchte ich ein Einpflegen in das taktische Hologramm. Wünschen Sie außerdem den Kommandantten Pohar, Sa-Vin und Nywthon in meinem Namen 'Gute Jagd'.“

Zackig salutierte der Lieutenant Commander, bevor er sich zurück zum vorderen Brückenteil begab, um persönlich die Befehle an die Kommunikationsstation zu übermitteln. Für einen kurzen Moment schloss der Commodore die Augen, ließ seinen Körper noch mehr zur Ruhe kommen und dachte zur gleichen Zeit über den „Schlachtplan“ nach. Dieses Mal mochten bloß harmlose Wracks ihre Feinde sein, aber nahm man die Übung nicht ernst, konnten Fehler in späteren Einsätzen mit tatsächlichem Beschuss tödlich enden. Somit musste Toji nicht nur selbst voller Ernst vorgehen, sondern dies auch all seinen Untergebenen – vom erfahrenen Schiffskommandanten bis zum jungen Matrosen – Stück für Stück einflößen. Keine leichte Aufgabe. Denn im Gegensatz zu ihm, der zuletzt bei Corellia und Shinbone gegen die Neue Republik gekämpft hatte, kannte die Mehrheit seiner Kampfgruppe bloß Gefechte mit Piraten oder primitiven Aufständischen.

Piepsend machte sich auf einmal das taktische Hologramm bemerkbar. Die „Spectre“, die „Animus“ und die „Cellarius“ hatten sich erst aus der größeren Formation gelöst, hatten sich dann schnell neu gruppiert und waren anschließend durch einen Mikrosprung aus dem Sichtfeld verschwunden. Vier, fünf Sekunden – länger würden sie dieses Mal nicht im Hyperraum bleiben, bevor sie nahe dem gewaltigen Asteroidengürtel, der gewissermaßen der das Bogo Rai-System umspannende Zaun war, herauskamen. Dort würde das Schiff der bulligen Bayonet-Klasse im Fliegen einen Militärsatelitten auswerfen, welcher als Übertragungsgerät an die restliche Einheit dienen sollte, bevor man sich auf den Weg ins Innere machte. Um vom hypotetischen Gegner nicht allzu schnell entdeckt zu werden, operierten die Korvetten allein. Jeder Kommandant hatte eine individuelle Route gewählt – wobei Pohar aber allem Anschein nach der ehrgeizigsten von ihnen war. Denn mit seinem Schiff wollte er nämlich eine einzelne Spionagedrohne in einem höheren Orbit des zentralen Sterns aussetzen, um kontinuierlich Daten aus dem gesamten System zu sammeln.

Schlürfenden Schrittes gesellte sich der ihm zugewiesene Militärprotokolldroide zu dem entstellten Commodore. Sowohl die steife Körperhaltung als auch der bizarre Kopf ließen das leblose Ding ein bisschen seltsam wirken. Doch auf ihn verzichten konnte Toji nicht. Immerhin war dieser Droide im Moment die einzige Möglichkeit, um mit den Völkern der Unbekannten Regionen, die zumeist kein Basic konnten, zu kommunizieren. Einen kurzen Blick warf er dem metallischen Ding zu. Dann ließ er seine Aufmerksamkeit zu dem Chrono an seinem Handgelenk springen. Wie viel Zeit würden die drei Afuklärer brauchen? Während die verbliebene Kampfgruppe momentan zum tatenlosen Warten verdammt war, verging auf dem Chrono unaufhaltsam eine Sekunde nach der anderen – dargestellt durch blutrote Letter. Toji unterdrückte einen Seufzer, starrte weiter auf das flimmernde Hologramm und ging im Kopf plausible Möglichkeiten durch wie man eventuell mehr Spannung in die Übung bringen konnte. Nach alter Soldatentugend hielt ein Schlachtplan schließlich immer nur so lang bis man auf den Feind traf. Wieso sollten rebellierende Chiss also nicht irgendetwas in der Hinterhand haben?

Calway trat wieder an ihn heran.
Yavok fragt nach, ob man den hyperraumfähigen Maschien nicht schon mal die Starterlaubnis erteilen sollte. So könnten zu einem späteren Zeitpunkt die normalen TIE schneller in den Einsatz geschickt werden.“

„Welche hyperraumfähigen Sternjäger hat unsere Kampfgruppe?“, erkundigte sich Toji mit ernster, nachdenklicher Stimme und sah dabei den Lieutenant Commander an.

Sogleich schaltete sich der Protokolldroide ein. Fern jeglicher Menschlichkeit klang dessen Stimme als er sagte:
[Falls ich die Frage beantworten darf, Lieutenant Commander Calway. Eine Staffel Xg-Eins ist auf der 'Corbis' stationiert. Mehr hyperraumfähige Sternjäger sind seit Niauran nicht mehr zur Kampfgruppe hinzugefügt worden.]

Manche imperiale Militärs mochten die cygnischen Modelle zwar immer wieder lobend erwähnen, meist hatten sie sich aber im Vorfeld von Lobbyisten reich beschenken lassen. Demzufolge war der Xg-Eins nur bedingt eine Bereicherung für seine Einheit. Dennoch mochten sie im Ernstfall ebenso ihren Beitrag leisten können. Man musste sie bloß mit Bedacht einsetzen. Genau aus diesem Grund ließ sich der Commodore nach kurzem Zögern die technischen Daten und das übliche Einsatzprofil anzeigen. Mehr aus reiner Gewohnheit heraus fasst er sich beim Nachdenken ans Kinn, schrak aber auf der Stelle zurück als seine Finger das kalte Metall seiner provisorischen Maske berührten. Noch immer hatte er sich nicht an seine Entstellungen gewöhnen können. Stattdessen verschränkte er die Arme lieber hinter seinem Rücken.

„Mister Calway, erteilen Sie Captain Yavok freie Hand“, befahl er letztendlich und ernete dafür von seinem Zweiten erneut ein Nicken.

Plötzlich meldete die Sensorik lautstark im vorderen Brückenteil:
„Eingehende Daten von den Aufklärern!“

[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]
 
[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]

Je tiefer die drei imperialen Aufklärer in das Bogo Rai-System eindrangen – und dabei ganz gezielt Spionagesonden absetzten –, desto detailierter wurde mit der Zeit das taktische Hologramm an Bord der „Abyss“. Obwohl man bei diesem Prozess eigentlich annehmen musste, dass ein gewalter, kaum zu übersehener Datenstrom durch die Leere geschickt werden müsste, war die Militärtechnik in der Regel jedich ausgeklügelt genug, um diesen ungewöhnlich starken Nachrichtenverkehr geschick zu verschleiern. So griff das Galaktische Imperium beispielsweise bei Sternensystem, die ausreichend stark bewohnt waren, gern als Trittbrettfahrer auf deren zivilen Kommunikationsbojen zurück. Bloß eine handvoll gegnerischer Geheimdienstler oder Technikexperten, die – aus welchen Gründen auch immer – auf solche Anwendungen geeicht waren, konnten dann bei einem nur leichten Anstieg des Datenstroms erkennen, dass sich gerade irgendwo in dem betroffenen System eine imperiale Späher aufhielten. Glücklicherweise schätzte der Militärgeheimdienst das einstige Chiss-Imperium so ein, dass diese nicht über solche Spezialisten verfügten.

Toji, der ganz aufmerksam die Entwicklung von einem statischen zu einer dynamischen Darstellung verfolgte, strahlte in diesem Augenblick die natürliche Ruhe eines kampferprobten Kommandanten aus. Die Zweite Schlacht von Bastion, die Sechste Schlacht um Corellia, die Befreiung von Byss – schon allein das Wissen, dass der Commenroer an diesen drei großen, namhaften Ereignissen aktiv teilgenommen hatte, reichte der Besatzung des Imperial-Sternzerstörer anscheinend aus, um ihn in diesem günstigen Licht zu sehen. Ja, in diesem Moment reichte es ihm offenbar zum Vorteil, dass er durch seine bisherigen Verpflichtungen kaum in richtigen Kontakt mit der Mannschaft gekommen war. Denn tief in seinem Inneren schreckte ihn das monotone Brummen des Holo-Projektors beinah zu Tode. Noch immer hatte er den schrecklichen Unfall auf der „Pandora“ nicht überwunden. Noch immer hatte er mit Erinnerungen an Shinbone getränkte Albträume. Um die lästigen Gedanken trotz allem abzuschütteln, nippte der Invalide an seinem Tee und konzentrierte sich einzig und allein auf die anstehenden Geschehnisse.


„Der Mond, der um Bogo Rai kreist, könnte im Hinblick auf Chiss'Al'Vanna mit einer Sensorstation oder gar einer Raumjägerbasis – ähnlich 'Last Defense' im Orbit von Bastion – bestückt sein, Mister Calway, sprach der Commodore nach einigem Überlegen auf einmal zum wachhabenden Offizier. „Lassen Sie der 'Spectre' ein Signal zum Simulieren genau dieser Situation zukommen. Ich möchte sehen wie Commander Pohar darauf reagiert.“

Schweigend nickte der Hühne, gab den Befehl an die Kommunikationsstation weiter und wechselte anschließend spontan das Thema. „Sollten wir die Linie an Xg-Eins ein paar Klicks vorschieben? Möglicherweise sparen wir so bei einem Mikrosprung noch ein paar Hundertstel.“

Einen Moment lang dachte der Kampfgruppenkommandeur über den ihm unterbreiteten Vorschlag nach. Obwohl man ihn sofort auf einer Lancer-Fregatte stationiert, nachdem er sein Offizierspatent erhalten hatte, war der strategische Umgang mit Sternjägern – ganz im Gegensatz zu Sensorik und Navigation – stets seine Schwachstelle gewesen. Im Raumkampf konnte er nach all den Jahren auf dem Abfangkreuzer „Musashi“ zwar abschätzen wie ein Bomberangriff womöglich erfolgen dürfte, aber dies bescheinigte ihm noch lange nicht, dass er das „Kunststück“ deshalb mit jeglichen Typen machen könnte. Wollte er also ein guter Befehlshaber sein und Missionen ordentlich zum Abschluss bringen, musste er in diese neue Rolle zwangsläufig hineinwachsen. Während die Mehrzahl seiner Gedanken um die gestellte Problematik kreisten, fiel seine Aufmerksamkeit auf einmal zufällig auf die diensthabende Flugleitoffizierin, Lieutenant Nesota Yash, und den Kommandeur der Sternjäger dieser Kampfgruppe, Commodore Lazaar Falstom. Ohne dem Lieutenant Commander eine Antwort zu geben, löste sich Toji vom brummenden Projektor und humpelte auf die beiden Angehörigen des Imperialen Sternjägerkorps zu.

„Commodore, Ihre Fachmeinung ist gefragt...“, eröffnete Toji das Gespräch mit dem ranggleichen Offizier. „Commander Calway schlug vor, die Xg-Eins um ein paar Klicks nach vorn zu versetzen, um beim anstehenden Mikrosprung eventuell einige Hundertstel zu sparen.“

Falstom, eine hagere Gestalt mit eingefallenen Wangen und dunklen Augenringen, rieb sich grübelnd das rasierte Kinn. Ein aufmerksames Augenpaar musterte den Kriegsinvaliden. „Bei einem Mikrosprung können Hundertstel entscheiden sein. Schon so mancher ungeübte Pilot verkalkulierte sich … und sprang letztendlich in den Feind. Insbesondere unsere Piloten, die in der Mehrheit keine Hyperraumtechnik in ihren Maschinen haben, haben oftmals Probleme damit.“ Sein Blick wanderte zu Yashs flimmernden Bildschirm. „Momentan haben unsere Xg-Eins – nach kurzer Absprache mit Captain Yavok von der 'Corbis' – zwei Klicks vor der 'Abyss' Stellung bezogen...“

Mit dem knochigen Zeigefinger seiner rechten Hand deutete der ranghohe Sternjägeroffizier, der in diesem Kampfverband immerhin für sämtliche Staffeln verantwortlich war, auf einen klitzekleinen, einsamen Punkt auf dem schwaren Bildschirm. Zwei, drei Zentimeter – höchstens – trennten diesen Punkt von den restlichen grafischen Elementen, die folglich die Kampfgruppe darstellten. Man hatte die cygnischen Sternflügler also schon eine ziemlich vorgelagerte Position innerhalb der Formation einnehmen lassen. Toji nickte verstehend. Zumindest der Kommandant des Eskortträgers sowie der Sternjägerkommandeur hatten unter sich schon entschieden wie das Potenzial dieser Maschinen zu nutzen sei. Fraglich war nun bloß: Sollte der Commenorer sein Veto einlegen, um seine Stellung als Befehlshaber zu unterstreichen? Oder sollte er die beiden „Experten“ gewähren lassen? Welche Art, den kleinen Kampfverband zu führen, war ihm lieber? Eine schwere Entscheidung. Hier rächte sich, dass er zuvor nur wenig Tuchfühlung mit der Mannschaft genommen hatte.

Bevor der Commodore jedoch eine Entscheidung Für oder Gegen das getroffene Vorgehen äußern konnte, platzte plötzlich Rune Monchar, diensthabender Kommunikationsoffizier, dazwischen.
„Sir, 'Cellarius' und 'Animus' melden unbekannte Signaturen.“

„Bestätige, Commodore“
, warf sogleich Bariss Foster, diensthabender Sensorikoffizier, ein.

Sofort mutmaßte Calway. Jedoch schien er in diesem Moment eher zu sich selbst zu sprechen als einen bewussten Redebeitrag beisteuern zu wollen.
„Ich hab' schon gehört, dass nahe dem Reich der Chiss vereinzelt 'Schwarzhäfen' versteckt sein sollen. Haben Pohar, Sa-Vin und Nywthon mit ihrer unerwarteten Anwesenheit vielleicht ein paar nervöse Schmuggler aufgescheucht?“ Augenblicklich schritt der breitschultrige Hüne, der von Aphran IV stammte, zum Holo-Projektor und ließ sich die neusten Daten überspielen. „Es könnte sich aber auch um einen Piratenangriff handeln...“

In solchen Momenten machte es sich bezahlt, dass der Großteil der Männer und Frauen, die zur Zeit ihren Dienst auf dem grauen Imperial-Sternzerstörer taten, zuvor schon einmal mehrere Jahre in den Unbekannten Regionen verbracht hatten. Denn hier, fern jeglicher Zivilsation, war die Barbarei fast schon allgegenwärtig. Piraterie, Söldnerbanden, Krieg – Leid, Elend und Tod überzogen wieder und wieder diese abgelegenen Welten. Selbst an Bord eines solch schlagkräftigen Kriegsschiffes musste man zwangsläufig lernen wie man die Zeichen zu deuten hatte. Brachte man gerade bloß eine Schar harmloser Schmuggler auf oder rannte man blindlinks in einen Hinterhalt? Die „Abyss“ war mit der Zeit in solchen Dingen erfahren geworden. Ihre Feuertaufe hatte sie längst hinter sich – genauso wie die meisten Schiffe der unter Toji Muratas Kommando stehenden Kampfgruppe. Ja, mit einem Mal gewann die gesamte Szenarie an Brisanz dazu.

Nach dieser überraschenden Meldung bereitete sich der ganze Kampfverband – mehr oder weniger instinktiv – auf einen geänderten Einsatz vor. Denn obwohl der stahlgraue Metallkoloss noch immer träge durch die schwarze Leere trieb, formierten sich plötzlich die restlichen Kriegsschiffe zu einer neuen Ordnung. So schoben sich die „Chaser“, eine Lancer-Fregatte, und die „Hunter“, ein leichter Kreuzer der Carrack-Klasse, aus ihrer bislang flankierenden Position ein wenig nach vorn, um nach einem Mikrosprung den Sternzerstörer besser abschirmen zu können. Des Weiteren gewährte man den schon ausgesetzten Sternflüglern noch etwas mehr Freiraum. Schließlich konnten diese solgeich Jagd auf potenzielle Feinde machen – und so die drei entsandten Korvetten in deren Tun auf Anhieb unterstützen. Nur der Eskortträger „Corbis“ hielt sich weiterhin hinter dem vor Feuerkraft strotzenden Giganten auf. Letztendlich fehlte in diesem Moment bloß eine Sache: Der Befehlshaber musste der Kampfgruppe die entsprechenden Befehle erteilen. Und so schien die Uhr mit einem Mal langsam, ganz langsam zu ticken.


[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]
 
[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]

Die aufputschende Erwartung eines baldigen Scharmützel belebte zwar die einzelnen Mannschaften der imperialen Kampfgruppe, führte jedoch längst nicht zu irgendwelchen Nachlässigkeiten, die gar ein Laie äußerlich anhand der Schiffsführung erkennen könnte. Nein, weiterhin stoisch trieben die vier wartenden Kriegsschiffe der Imperialen Flotte durch das pechschwarze Nichts, derweil tief im Inneren Offiziere und Unteroffiziere pflichtbewusst ihre jeweiligen Untergebenen mit den neusten Instruktionen versorgten. Es handelte sich schließlich nicht mehr um eine harmlose Übung, sondern um ein echtes Gefecht, das bevorstand! Im Angesicht des Kampfes erklang vereinzelt in den langen Korridoren dreckiges Gelächter, während an anderer Stelle das Getrampel schwerer Stiefel zu hören war. In diesen wenigen Minuten vor den Kampf schien der Organismus, den eine Schiffsbesatzung mit ihren unterschiedlichen Bereichen bildete, immer mehr in Schwung zu kommen. Und nachdem die jeweiligen Sektionsführer voller Eifer ihre Bereitschaft an die Brücke gemeldet hatten, wartete jedes einzelne Mitglied gespannt auf den erlösenden Ruck des Mikrosprungs.

Schweigend – höchstens quittiert mit einem sehr knappen Nicken – nahm der Kommandant die ihm mitgeteilten Bereitschaftsmeldungen zur Kenntnis. Obwohl er in seinem bisherigen Leben schon so manche Schlacht erlebt und und dem Tod dabei mehrmals ins Antlitz geblickt hatte, gehörte er nicht zu jenen Offizieren, die stets kämpferisch die Konfrontation suchten und im Imperium allgemein als „Hardliner“ bekannt waren. Nein, grundsätzlich war für ihn das Gefecht allein die Ultima Ratio – so wie der Befehl „Base Delta Zero“ der letzte, ultimative Schritt war. Doch weil man mit Kriminellen nicht den Dialog sucht, sondern sie – wenn möglich – sogleich zur Rechenschaft zieht, blieb ihm in diesem Fall keine andere Wahl. Er musste die Schiffe, die ihm unterstanden, in den Kampf führen, um ein paar Händler, so jedenfalls die „offizielle Version“ an Bord der „Abyss“, zu schützen. Aller Wahrscheinlichkeit handelte es sich jedoch nicht um Händler, sondern bloß um Schmuggler – also ebenso Kriminelle; nur eine Nuance harmloser für das imperiale Rechtssystem.

Sein nachdenklicher Blick ruhte auf der dynamischen Projektion. In Gedanken spielte er hier und da schon die nächsten Möglichkeiten durch. Wie sollte er die Piraten am besten packen? Die Situation, die sich ihm gerade bot, war die folgende: Ein voll beladener GR-Fünfundsiebzig Frachter, jeweils von zwei Frachtern der weitaus kleineren Crinya-Klasse pro Seite flankiert, versuchte im Eiltempo einen passenden Sprungpunkt zu finden, während Piraten – unter anderem mit Kanonenbooten der betagten Sarisa-Klasse bestückt – sie beharkten. Zusammengewürfelte Maschinen, im Pilotenjargon als „Uglies“ bekannt, kamen dabei anscheinend nicht zum Einsatz. Offenbar setzten diese Schurken bei ihren Überfällen allein auf zwei Dinge: Die Feuerkraft ihrer Schiffe zum Demoralisieren sowie auf die anschließende Stärke ihrer Entertruppen zum Erbeuten der geladenen Fracht. Toji, der schon kurz nach seinem ersten Dienstantritt an Bord der „Cruor“ in Kontakt mit Piraten gekommen war, stellte das hier zu sehende Verhalten seinen erlebten Erfahrungen gegenüber. Da seine Feuertaufe in solchen Dingen längst hinter ihm lag, stützte ihn in diesem Moment die Selbstsicherheit. Selbst der namhaften Black Sun hatte er schon erfolgreich die Stirn geboten – zuletzt im Shinbone-System.

Der Zweite Offizier der „Abyss“, Lieutenant Commander Calway, trat ein weiteres Mal an die Seite des Commodore. Eine zuversichtliche Ruhe sah man dem dunkelhäutigen Hünen an als er meldete:
„Die Kampfgruppe ist bereit zum sofortigen Zugriff, Sir. 'Animus', 'Cellarius' und 'Spectre' sind im System soweit in Stellung gegangen und beobachten die Situation bis zu Ihrem Signal, 'Chaser' und 'Hunter' haben gemeinsam mit den Sternflüglern eine vorgezogene Position eingenommen und hier an Bord sowie auf der 'Corbis' wartet man auf weitere Befehle.“

„Konnten die imperiumsfremden Funkfrequenzen schon decodiert werden?“, fragte Toji ohne sich hetzen zu lassen. Noch immer hatte seine Stimme etwas raues, rasselndes.

Kurz blickte der angesprochene Offizier zum vorderen Teil der Brücke. Dann antwortete er:
„Mister Monchar arbeitet inzwischen schon am Übersetzen und Filtern der einzelnen Meldungen, nachdem unsere Vigil-Klassen deren Code geknackt haben. Captain Helkosh ist der Meinung, dass es sich bei den Piraten um Ebruchi handeln könnte. Die 'Händler' sprechen wohl Minnisiat oder Sy Bisti.“

Dass die Frachter zur Kommunikation untereinander eine Handelssprache nutzten, deutete auf eine bunt gemischte Besatzung hin. Höchstwahrscheinlich hatten die Kapitäne hier in den Unbekannten Regionen mehrere Häfen, die sie von Zeit zu Zeit zum Auffrischen der Mannschaft ansteuerten, und Basic, das zwar in weiten Teilen der Galaxie gesprochen wurde, zählte hier draußen vielleicht nicht besonders viel. Einen Moment lang beobachtete Toji die Gegenwehr der „Händler“. Träge, überaus träge schienen sie auf die Salven der Piraten zu reagieren. So drehten die Crinya-Frachter meist nur eine andere Seite dem feindlichen Beschuss zu anstatt das Feuer zu erwidern. Demzufolge handelte es sich wohl nicht um besonders große Fische. Warum sollte sich das Galaktische Imperium also in diesen Vorfall einmischen? Hielt sich der Commodore möglicherweise aus dem Grund zurück, dass er auf diese Frage noch keine passende Antwort gefunden hatte? Die angespannte Stille, die auf der Brücke des Imperial-Sternzerstörers herrschte, wurde mit der Zeit zunehmend unerträglich. Denn je Sektion behielt mittlerweile schon mindestens ein Mitglied den Kommandanten im Auge, um dann – sollte endlich der erlösende Befehl kommen – sofort reagieren zu können.

„Mister Calway, geben Sie unseren Korvetten grünes Licht zum Eingreifen“, befahl der durch einen Unfall entstellte Commenorer, nachdem der erste Frachter schwer beschädigt aus der Formation fiel und die Piraten ihren Druck erhöhten. „Durchzuführendes Manöver: 'Bolitho-Zange'. T-minus Zwei Minuten für 'Chaser' und 'Hunter'.“ Sein Blick schnellte zum Chrono. „Und geben Sie mir eine feste Funkverbindung zur 'Corbis'. Captain Yavok soll die Sternjäger im Gefecht koordinieren.“

Mit der lauernden Ruhe, die fast schon einem Rudel Raubtiere gleichkam, war es spätestens in dem Moment vorbei als die Lancer-Fregatte und der Carrack-Kreuzer plötzlich – beinah auf der Stelle – einen gewaltigen Satz ins Bogo Rai-System machten. Denn damit war der Startschuss gefallen. Nur noch ein paar Minuten trennten die wartenden Geschützmannschaften der kolossalen „Abyss“ von ihrem richtigen Einsatz. Vor ihrem geistigen Auge konnten sie schon all die giftgrünen Blitze sehen, welche die vielen Turbolaser des Sternzerstörers im Gefecht salvenweise verschossen. Insbesondere im Kampf gegen Piraten oder kleinere Tof-Einheiten hatten sie sich schon beweisen können – und nun sollten wohl Ebruchi zu dieser Auflistung hinzukommen. Erwartungsvoll schob sich der Koloss aus grauem, gehärtetem Durastahl durch das luftleere Vakuum in Richtung Bogo Rai. Dort, wo sich schon die anderen Schiffe der Kampfgruppe mit dem Feind balgten, würden sie gleich sein. Es war bloß noch eine Frage von Minuten! Und dann kam der Moment: Mit einem Mal sprang die „Abyss“ endlich ebenfalls für einen flüchtigen Augenblick in den Hyperraum.

[: Leerer Raum | nahe dem Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]
 
[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]

Letzten Endes mochte jedes plötzlich auftauchende Kriegsschiff, das über ein größeres Potenzial an zerstörerischer Feuerkraft verfügte, demoralisierend auf eine Bande Gesetzloser wirken. Immerhin musste sich in solchen Fällen meistens ein bunt zusammengewürfelter Haufen mit einer ordentlich gedrillten Besatzung messen, die – im Gegensatz zu Piraten oder Schmugglern – oftmals in weiten Teilen echte Kampferfahrung besaß. Sobald diese Kriminellen aber einem echten Sternzerstörer des Galaktischen Imperiums gegenüber zu stehen hatten, war das Szenario auf einen Schlag noch einen Tick niederschmetternder. Doch dieses Mal, im unscheinbaren Bogo Rai-System nahe dem Chiss-Territorium, vernichtete die „Abyss“ allein die Kampfmoral ihrer Gegner schneller, noch sehr viel schneller. Denn selbst in den Unbekannten Regionen, wo das Verwunderliche meist die Normalität darstellte, hatte man solch ein Manöver noch nicht gesehen.

Bei den angreifenden Piraten mochten die drei Korvetten der Imperialen, die am Anfang noch ganz allein – und zudem aus weiter Ferne – in das Geschehen eingriffen, nur kurzzeitig für ein bisschen Unbehagen sorgen. Höchstwahrscheinlich hielt man die drei kleinen, wendigen Kriegsschiffe bloß für eine Patrouille der Chiss, weshalb man die flinken Angriffe auf die flüchtenden Frachter unbeirrt fortführte. Hartnäckig rieben sie sich an den vermeintlichen Händlern; konnten sogar ein Schiff der Crinya-Klasse fluguntauglich schießen. Etwas mulmiger musste es den Kriminellen erst werden als im zweiten Schritt urplötzlich eine Lancer-Fregatte und ein leichter Kreuzer der Carrack-Klasse aus dem Hyperraum gesprungen kamen. Weil diese beiden Schiffe sie aber ebenfalls eher aus der Ferne ins Visier nahmen, ließ man von der Beute noch immer nicht ab. Inzwischen war der längliche GR-Fünfundsiebzig-Frachter schon sichtlichen von Kampfspuren gezeichnet. Die Beute war für sie zum Greifen nah!

Doch dann passierte es! Erst zuckte ein gleißendes Licht durch die luftleere Finsternis. Dann – bloß Nano- oder gar Atosekunden später – schwebte auf einmal ein hellgrauer, keilförmiger Koloss, von Funken und Stahlsplittern gänzlich umgeben, auf exakt dem Vektor, wo zuvor noch zwei Schiffe der Piraten noch siegessicher die verbliebenen Frachter beharkt hatten. In einem relativ schwachen Blau flimmerte, nur wenige Meter vor dem speerartigen Bug, ein militärischer Deflektorschild auf. Allem Anschein nach gezielt war die „Abyss“, die einen Wimpernschlag zuvor noch tausende interstellare Klicks vom Systemrand entfernt war, mitten ins Getümmel gesprungen und hatte zwei gegnerische Ziele allein mit ihrer physischen Präsenz ausgeschaltet. Während sich alle Anwesenden erst einmal sammeln mussten, richtete sich das imperiale Kriegsschiff – gewohnt träge – aus, um noch mehr in das Scharmützel einzugreifen. Es war nur eine Frage der Zeit bis die Schiffsartillerie ihr Schweigen brach.

Lautstark brummend, dabei eine dröhnende Warnsirene übertönend, verlangte Commander Calway eine Erklärung als er rief:
„Steuermann! Was sollte das?“

Toji, der sich noch kurz vor dem Sprung humpelnd zum Panoramafenster der Brücke begeben hatte, achtete nicht darauf wie sich nun hinter ihm der junge, diensthabende Navigationsoffizier, Sub Lieutenant Nial Grumby, vor dem deutlich größeren und zudem extrem verärgerten Wachoffizier zu erklären versuchte. Selbst die zum Teil noch Funken sprühenden Wrackteile, die am aufflackernden Deflektorschild entlang schlitterten, interessierten den invaliden Commenroer nicht. Seine Aufmerksamkeit galt einzig und allein dem tatsächlichen Geschehen. Mit großem Interesse verfolgte er wie die schwerfälligen Ionenkanonen plötzlich zum Leben erwachten und blaue Lichtblitze auf die weitaus kleineren Ziele spuckten. Etwa zur gleichen Zeit schwärmten außerdem zahlreiche TIE-Abfangjäger aus dem großzügigen Haupthangar, sammelten sich rasch im schwarzen Nichts und stürzten sich dann auf die restlichen Piratenschiffe, die nach einem flüchtigen Zögern von Angriff zu Flucht übergegangen waren.

'Ein gezielter Schlag...', resümierte der Commodore in Gedanken zufrieden. Mittlerweile beteiligten sich auch die anderen Mitglieder seiner Einheit aktiver am Geschehen. Vor allem die drei Korvetten und der Carrack-Kreuzer konnten in diesem Moment – neben den ausgeschleußten Abfangjägern – am Besten Jagd auf die Kriminellen machen. Während Station für Station pflichtbewusst Meldung machte und so ein grobes Bild der Lage skizziert wurde, drehte er sich in der Zwischenzeit auf dem Schuhabsatz um. Nachdem er seinen Blick noch einmal schweifend, aber trotz allem gründlich über den voll besetzten Brückengraben hatte wandern lassen, humpelte er anschließend langsam wieder zurück zum hinteren Teil der Sternzerstörerbrücke. Denn nach diesem finalen Schlag hatte man nur die Hoheit über den Raumkampf gewonnen. Das Entern der Piratenschiffe – sowie das Kontaktieren der Frachter – stand noch aus. Toji straffte seine Körperhaltung. Jetzt war die Zeit gekommen neue Befehle zu erteilen.


„Mister Calway, geben Sie an Colonel Drake das Signal 'Bereitmachen zum Entern' aus“, befahl der uniformierte Kriegsinvalide krächzend. Dem Untergebenen hatte er dabei nur seine „gesunde“ Seite zugewandt. „Unterstützung können sich unsere Flottensoldaten mit Sicherheit bei den Sturmtruppen holen. … Des Weiteren wünsche ich, dass die Kommunikation die 'Händler' ruft. Hier verlässt kein Schiff das System, wenn es nicht meine ausdrückliche Erlaubnis dafür hat.“ Kurz hielt er inne, ließ sich noch einmal ein paar Gedanken durch den Kopf gehen, bevor er dann seinen bisherigen Anweisungen hinzufügte: „Diese Weisung kann ruhig an die gesamte Kampfgruppe ergehen.“

Der breitschultrige Hüne nickte knapp. Über seine Lippen kam nur: „Aye, Sir.“

Spätestens ab dem Zeitpunkt, als die „Abyss“ sich eingemischt hatte, hatten die Imperialen mit den Piraten kurzen Prozess gemacht. Eine Mischung aus technischer Überlegenheit, solider Ausbildung und täglichem Drill hatte den Ausschlag für dieses Ergebnis gegeben. Ebenso spielte aber natürlich auch der eiskalt ausgenutzte Überraschungsmoment in diesem Fall eine wichtige Rolle. Indem man den zerstörerischen Stahlkoloss erst just in dem Augenblick in Stellung gebracht hatte als der Feind sich schon siegesgewiss glaubte, war kein Fehler gewesen. Und nun sandte der graue Sternzerstörer einen Schwarm Enterfähren aus. Begleitet – und beschützt – von kreischenden TIE-Rotten sollten sich kampferprobte Trupps Zugang zu den gegnerischen Schiffen verschaffen, Gefangene nehmen und Logbuch sowie weitere verwertbare Daten sichern. Hier draußen in den Unbekannten Regionen war das Galaktische Imperium immerhin noch der Neuling unter den (barbarischen) Sternnationen.

Binett, der Steward des Kampfgruppenkommandanten, servierte unaufgefordert eine Tasse frischen Tee. Nickend bedankte sich der Umsorgte als er schweigend das Heißgetränk entgegen nahm. Trotz der kaum spürbaren Luftbewegungen, die nur von der stets monoton brummenden Belüftungsanlage herrühten, stieg ihm das Aroma sogleich in die Nase. Irgendwie erinnerte es ihn an die Wahlheimat seiner Familie: Onderon. Obwohl die Situation – ungeachtet der imperialen Dominanz – noch nicht ganz entschärft war, verselbständigten sich seine Gedanken für einen Moment. Bloß flüchtig dachte er an glücklichere Zeiten. Doch bevor ihm ein Seufzer entglitt, nippte er lieber an dem Tee und ging anschließend zum leeren Kommandantensessel. Leise knirschte und quietschte das Kunstleder unter seinem Gewicht als er sich setzte. Beiläufig sah er auf das Chrono an seinem Handgelenk. Nur zehn Minuten waren seit seinem letzten Befehl vergangen. In Gedanken überschlug er kurz wie lang die einzelnen Schritte bei einer herkömmlichen Enterung dauern mochten.

Jedoch nicht nur der Commodore stellte sich diese Frage. Obgleich die „Abyssler“ außerordentlich diszipliniert waren, war es in diesem Augenblick besonders still. Keiner – so schien es – wollte die nächste Meldung verpassen. Überaus gespannt blickten Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und sogar Offiziere – mal offen, mal heimlich – zu Torne Calway. Ja, in diesem Moment unterhielt man sich höchstens flüsternd. Leise brummten die Konsolen und erst nach einer Weile entschieden sich die ranghöchsten Personen der einzelnen Brückensektionen wenigstens ein bisschen Auf und Ab zu gehen, um die sich anstauende Spannung irgendwie zu lösen. Es half nur nichts. Das Herumtigern schien nur für noch mehr Nervosität unter den Anwesenden zu sorgen – und verursachte außerdem, dass der Eindruck zäh fließender Zeit entstand. Eine Minute verging langsamer als die andere. Man war das Entern in solch einer ruhigen Situation offensichtlich nicht gewohnt.

Zum Glück ließ die Erlösung aber nicht ewig auf sich warten. Knapp eine halbe Standardstunde war seit dem Ausschleußen der Enterfähren vergangen als Rune Monchar meldete:
„Sir, uns erreichen die Stati der einzelnen Trupps.“

„Sammeln Sie die Daten und geben Sie sie mir danach in einem Dossier auf den persönlichen Schirm, Lieutenant“, wies Toji auf der Stelle mit inzwischen gewohnt heiser Stimme den Neimoidianer an, der schon seit seinem Kommando auf der „Pandaora“ unter ihm diente. Danach stellte er die leere Teetasse zur Seite und griff stattdessen nach seinem Datapad. „Und rufen Sie den Frachter 'Yük' an. Deren Kommandant soll binnen einer Standardstunde bei mir vorstellig werden.“

[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Erste Wache :]
 
[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Quartier des Kommandanten | Salon :||: Commodore Toji Murata, Lieutenant Commander Calway, Field Commander Renning, Lieutenant Colonel Drake, Sub Lieutenant Grumby und der Skipper der „Yük“; im Hintergrund: Leading Crewman Binett, eine Ordonanz und der Militärprotokolldroide :]

Obwohl sie beide den größten Teils ihres Lebens im luftleeren, eisigen Vakuum verbrachten, lebten Kriegsschiff- und Frachterkapitäne nicht nur in unterschiedlichen Welten, sondern sprachen darüber hinaus auch noch ganz unterschiedlichen Sprachen. Denn während die eine Seite hauptsächlich von penibler Ordnung und strenger Disziplin geformt worden war, was sich unter anderem in dem recht starken Hang zu Rängen und Hierarchien ausdrückte, hatte sich die andere Seite mit einem überaus zwanglosen Pragmatismus anfreunden müssen, der sie aller Wahrscheinlichkeit nach oft genug aus gefährlichen Situationen gerettet hatte. Trotz dieser grundverschiedenen Lebens- und Arbeitsweisen saßen beide Welten nun, da die Imperialen die Piraten im Bogo Rai-System ausgeschaltet hatten, an einem Tisch im geräumigen Salon des Kommandanten der „Abyss“ und ließen sich eine köstliche Mahlzeit schmecken. Um nicht allein Speisen zu müssen, hatte der Gastgeber noch seinen Zweiten Offizier, den Chef seiner Schiffssicherheit, den Regimentsführer der auf seinem Schiff stationierten Sturmtruppen und seinen Steuermann mit an die lange Tafel geholt.

Schmatzend genehmigte sich der Skipper der „Yük“, ein grobschlächtiges, dreiarmiges Lebewesen, einen großzügigen Nachschlag vom herrlich duftenden Hauptgang. Das Gericht, das Tojis privater Koch in der Kürze der Zeit hingezaubert hatte, schien ihm offenkundig sehr zu schmecken, machte ihn aber gleichzeitig nur noch wortkarger. Seit er an Bord des imperialen Sternzerstörers gekommen war, hatte er kaum ein Wort mit seinen imperialen Rettern gewechselt – ausgenommen der üblichen Höflichkeitsfloskeln zur Begrüßung. Höchstens ein Brummen oder – gerade jetzt beim Essen – ein Rülsper waren ihm über seine fleischigen Lippen gekommen. Dementsprechend frustriert waren die Imperialen bislang von dem Treffen. Derweil der Steward des Kommandanten sowie die allein für diesen eher mageren Anlass abgestellte Ordonanz Portwein nachschenkten, suchten die anwesenden Offiziere immer wieder den (heimlichen) Blickkontakt zum Gastgeber. Selbst in diesem Augenblick schienen sie einfach zu sehr im traditionellen Prozedere gefangen zu sein, wonach einzig und allein der Herr des Schiffes – also Commodore Toji Murata – ein Gespräch beginnen durfte, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen.

Glücklicherweise nahm ihnen ihr schweigsamer Gast ein paar Happen später diese Bürde ab, indem er von sich aus das Gespräch suchte. In einem Kauderwelsch, das aus fünf oder sechs Sprachen mit Sy Bisti als Stamm bestand, plauderte er im tiefen Bass auf einmal los … und es lag letztendlich an Tojis Militärprotokolldroiden als Übersetzer zu fungieren.
[Sir, Mister Borr'an Yük bedankt sich bei Ihnen für die köstliche Mahlzeit. Soweit ich ihn richtig verstanden habe, hat er wohl schon seit ein paar Jahren nicht mehr so gut gegessen.]

„Der Dank gebührt wohl meinem Koch, Skipper“, krächzte der invalide Commodore freundlich als Erwiderung. Er sprach absichtlich langsam, um das Übersetzen zu erleichtern. „Das Rezept kommt zwar von meiner Heimatwelt Commenor, aber so gut wie er es zubereitet, habe ich es bislang bloß selten essen dürfen … Höchstens gegenüber meiner Mutter muss er sich in diesem Fall wohl oder übel geschlagen geben.“ Ein Lächeln zeichnete sich auf seiner unversehrten Gesichtshälfte ab. Die drängenden Blicke seiner Untergebenen bemerkte er zwar, aber davon ließ er sich trotz allem nicht hetzen. In einem ruhigen, fast schwatzenden Tonfall fuhr er fort: „In der Küche ist sie schon immer einfach unschlagbar. … Doch nun, da unsere Mägen gut gefüllt sind und der Portwein nach jedem weiteren Schluck noch einen Tick besser zu schmecken scheint, sollten wir die Zeit vielleicht lieber nutzen, um über wichtigere Dingen zu sprechen, Mister Yük.“ Nicht nur Torne Calway, der Zweite Offizier, nickte zufrieden. „Ich weiß, Ihr Schiff hat uns vorhin alle möglichen Antworten zukommen lassen, aber ich möchte es trotzdem noch einmal aus ihrem Mund hören... Was ist Ihr Zielhafen?“

Höchstwahrscheinlich lag es sowohl an der überlegenen Feuerkraft der imperialen Kriegsschiffe als auch an Sub Lieutenant Grumbys unkonventionellen Sprung, dass diese vermeintlichen Händler so aussagefreudig waren. Förmlich einkesselt von den Mitgliedern der fremden Kampfgruppe, wussten sie, dass eine Flucht beinah unmöglich war. Und nun war ihr Anführer, der Skipper der „Yük“, auch noch auf deren Schlachtschiff – fast schon wie eine Art Geisel. Was, außer Kooperation, blieb ihnen also übrig? Natürlich hatten auf der anderen Seite Toji, die sechs ihm unterstellten Kommandanten und Lieutenant Commander Calway, momentan sein Stellvertreter an Bord der „Abyss“, auf dieses erzwungene „Entgegenkommen“ spekuliert, um aber trotz allem sicher zu gehen, hatte man Captain Helkosh das Beaufsichtigen der Frachter befohlen. Seine „Hunter“ würde in Windeseile jedes Schiff stellen, das auf einmal ungefragt die ihm zugewiesene Ruheposition verließ, und es dann – soweit man den kampfeslustigen Tof in imperialer Dienstuniform kannte – ohne Erbarmen flugunfähig zu schießen. Ja, der Kreuzer der leichten Carrack-Klasse war sozusagen ihr jagdfreudiger Bluthund.

Borr'an Yük griff nach dem frisch aufgefüllten Glas Portwein, bevor er plappernd eine Antwort gab.
[Seine Frachtergruppe soll erlesene Gewürze und seltene Erden von einem kleinen Handelsposten in der Nähe von Mobus ins Rakatan Archipelago bringen. Bogo Rai hatte man dabei angesteuert, um diverse Vorräte noch einmal aufzufrischen. Durch die unmittelbare Nähe zu den Chiss haben sie sich – obzwar verschiedener Gerüchte zur Lage – sicher geglaubt...]

„Kaum betätigt sich Bastion in Csillas Revier, schwankt deren Nimbus als Sicherheitsgarant in der Region“, spottete der Lieutenant Commander mit schiefen Grinsen auf den Lippen. „Mich würde ja brennend interessieren, ob sich diese kriminelle Brut womöglich deshalb traut hier zu jagen oder ob sie nicht schon immer hier ihr Unwesen treiben – geduldet von diesen eiskalten Blauhäutern.“

Der Chef der Schiffssicherheit, Lieutenant Colonel Hal Drake, warf frotzelnd ein: „Seit gut einer halben Standardstunde habe ich da unten nun drei äußerst geräumige Arrestzellen voller nichtmenschlichen Abschaum. Genehmigen Sie sich ruhig noch einmal einen kräftigen Schluck Wein und schauen Sie dann unten vorbei.“ Hämisch prostete ihm der fast genauso muskulöse und zudem haarlose Offizier des Flottenregiments zu. „Eines kann ich Ihnen aber schon jetzt versichern: Irgendwelche Twi'lek-Schönheiten werden Sie da leider trotz vorhandener Tentakel nicht finden. Bisher habe ich wirklich nur äußerst selten so etwas hässliches wie diese Piraten gesehen...“

„Meine Herren, wir verlieren das Ziel dieser Unterhaltung aus den Augen“, mahnte Toji die beiden imperialen Militärs. Dann wandte er sich wieder seinem Gast zu. „Skipper, Ihre Ladung ist für uns von keinerlei Interesse – weder die offiziellen Kisten, noch die inoffiziellen. Uns gegenüber können Sie also ruhig offen reden.“ Sowohl mit seinem gesunden als auch mit dem angeschlagenen Auge, das sich – ebenso wie der Rest seiner verzerrten, rechten Gesichtshälfte – hinter einer steifen Maske befand, musterte er den dreiarmigen Schmuggler. „Unsere Interesse gilt allein der Sicherheit dieser Region. Weshalb treiben sich also Ihrer Meinung nach so nah am Chiss-Territorium herum. Müsste die Angst, Einheiten deren Verteidigungsflotte in die Arme zu laufen, nicht größer sein?“

Kurz grübelte der Frachterkapitän. Neben einem Field Commander der Sturmtruppen zu sitzen und sich dazu noch dem Kommandanten jener Truppen gegenüber zu wissen, die gut eineinhalb Stunden zuvor die Piratenschiffe ohne große Verluste genommen hatten, schien nicht besonders förderlich zu sein. Möglicherweise griff das rosahäutige Lebewesen, das normalerweise sicherlich nur sehr selten in Kontakt mit irgendwelchen Uniformträgern kam, zum Glas. In Rekordzeit hatte es den Portwein hintergeschluckt und forderte brummend den Steward zum schnellen Nachschenken auf. Binett kam dem Wunsch mit leichtem Missfallen im Gesicht nach. Die aufmerksamen Blicke, die ihm die fünf Imperialen zuwarfen, schien er sichtlich zu spüren. Vor allem Toji fragte sich in diesem Augenblick, weshalb der nichtmenschliche Skipper nicht sofort mit einer Antwort herausrückte. Jedoch ging es in dieser Beziehung nicht nur ihm so. Denn Calway ergriff als nächster das Wort.

Für die Situation ungewohnt harsch klang seine Stimme als er sagte:
„Sie müssen sich nicht zieren, Yük. Sowohl dem Imperium als auch dem Chiss-Reich ist schon länger bekannt, dass sich irgendwo hier im System ein schwarzer Hafen findet. Dementsprechend können wir uns gut vorstellen, dass hier kriminelle Aktivitäten stattfinden. Jedoch wissen wir aus Erfahrung ebenfalls ganz gut, dass die meisten Schmugglerzufluchten vor Piratenangriffen gut geschützt sind – entweder indem man auf regelmäßige Patrouillen der lokalen Sternennation zählt … oder gar eigene Kräfte in der Hinterhand hat.“ Er fixierte den Gast mit einem strengen Blick. Seine Augen wurden dabei urplötzlich schmal, sehr schmal. „Obwohl ich unsere Aufklärer ohne zu Zögern als Profis bezeichnen würde, kann ich natürlich nicht ausschließen, dass Ihre Freunde und Sie mit einem Eingreifen unsererseits gerechnet haben. Warum haben Sie also keine Hilfe erhalten? Kann Bogo Rai nicht damit dienen … oder liegt es viel mehr an der Hilfsbereitschaft imperialer Kriegsschiffe?“

Die Müdigkeit sowie schlechte Erfahrungen, die man mit Händlern in den Unbekannten Regionen gemacht hatte, schienen den dünkelhäutigen Menschen von Aphran IV langsam, aber sicher äußerst kratzbürstig und rau werden zu lassen. Gezwungenermaßen war als Zweiter Offizier in die überaus verantwortungsvolle Position des stellvertretenden Schiffskommandanten gerückt, nachdem zuerst Ryscand schwer erkrankt war und man dann kurz darauf dessen Nachfolger, Commander Drakkar, urplötzlich wieder zurück nach Bastion befohlen hatte. Toji war sich nach den letzten Wochen, die sie nun schon gemeinsam an Bord der „Abyss“ lebten und arbeiten, zwar sicher, dass Calway nicht nur einen soliden Ersten, sondern genauso auch einen guten Kommandanten abgab, aber gerade in solchen Situationen schien sich zu zeigen welche heiklen Defizite die Mannschaften mit der Zeit entwickelten, die monate- oder gar jahrelang fern der ziviliserten Heimat operierten. Nach und nach schien das Barbarische, das Wilde auf sie abzufärben. Zum Glück schien der Frachterkapitän diesen harschen Tonfall gewohnt zu sein – oder der unerwartete Gefühlsausbruch des Imperialen hatte ihn bloß ausreichend Selbstsicherheit geschenkt.

Ruhig, nicht mehr ganz so plaudernd sprach Borr'an Yük nun zu ihnen. Der Militärprotokolldroide schien einen Moment zu brauchen, bevor er die passende Übersetzung formuliert hatte.
[Bevor sich die Chiss von Csilla wieder mit ihren sich entfremdeten Brüdern und Schwestern von Chiss'Aria'Prime wieder verstanden, galt Bogo Rai offenbar als Dreh- und Angelpunkt vieler 'Händler', Sir. Es gab viele Credits zu verdienen – vor allem im Hinblick auf das Schmuggeln von Luxusgütern, die es nicht in der Galaxie gibt. Doch seit dem Friedensschluss zwischen beiden Parteien ist dieser Markt fast gänzlich zusammengebrochen...] Der Droide hielt kurz inne. Seine Photorezeptoren flackerten für wenige Hundertstel auffallend auf. [Commodore Murata, ich glaube, der Skipper möchte uns damit sagen, dass Bogo Rai inzwischen ein toter Hafen ist. Vermutlich hat die 'Yük' hier blot Halt gemacht, um noch irgendwelche Gerätschaften in die Finger zu bekommen, die man womöglich an anderer Stelle wieder verkaufen kann. Mein Wahrscheinlichkeitsrechner gibt für dieses Szenario ein Ergebnis von dreiundachtzig Prozent aus, Sir.]

„Kluges Kerlchen, ganz kluges Kerlchen...“, brummte Hal Drake relativ unbeeindruckt in Richtung der künstlichen Intelligenz. „Und jetzt kümmere dich lieber wieder um das Übersetzen. Denn unser Freund hier...“ Er deutete mit der Gabel samt aufgespiesten Fleischhappen auf den Gast. „... hat uns noch nicht verraten, weshalb sich die Piraten nun hier herumgetrieben haben. Haben Sie etwa nichts vom toten Schmugglerhafen gewusst?“

Der Skipper grunzte belustigt. Dann schien er zu antworten. [Mister Yük fragt, ob das Imperium – so wie dessen Chiss-Verbündete – in den letzten Monaten geschlafen habe. Habe man sich denn gar nicht über den schwindenden Händlerstrom entlang des Vagaari Corridors gewundert?]

Mit einem Mal blickten die imperialen Offiziere ziemlich planlos drein. Ihre Nachrichtendienste – weder der militärische, noch der zivile – hatte in den Unbekannten Regionen bislang so richtig Fuß fassen können, weshalb man zur Zeit von der Zuarbeit seitens der Chiss noch immer in erheblichen Maße abhängig war. Sowohl Vice Admiral Joyriak als auch Botschafterin Bascout hatte diese Lage natürlich nicht geschmeckt, aber was hätten beide denn unternehmen sollen? So hatte man sich am Ende also widerwillig den Gegebenheiten gefügt. Und bekam dafür etwa nun die Quittung? Denn irgendwelche entsprechenden Meldungen zu der Hyperraumroute hatten die imperialen Vertreter – und deren Handlanger wie Toji – nicht bekommen. Möglicherweise ganz beschwipst vom kräftigen Portwein oder trunken vor Selbstbewusstsein zeigte der Skipper ein noch breiteres Grinsen. Für eine Person, die nicht eine interstellare Großmacht vertrat, musste solch ein einmaliger Augenblick wohl ein kleiner Festakt sein. Wann hatte man schon mal Oberwasser?

Lange ließ er seinen Gastgeber und dessen uniformierte Kameraden aber nicht schmoren. Nachdem er sich selbstgefällig zurückgelehnt und Steward sowie die Ordonanz mit dem Abräumen begonnen hatten, fuhr er – unterstützt von dem Militärprotokolldroiden – fort.
[Der Vagaari Corridor ist zwar nicht seine Route, Sir, aber im Klasse Ephemora-System habe er einige Bekannte von Yashuvhu und Celwis getroffen … und so wie ich das sehe, scheint die Hyperraumroute wohl immer mehr in die Hände einer starken Partei zu geraten.]

„Handelt es sich bei der beschriebenen Partei etwa um die Tof?“, hakte der Commodore nach.

Yük schüttelte den Kopf.
[Nein. Die Tof – seiner Meinung nach nicht sehr viel mehr als eine besser organisierte Söldnerbande voller rüpeliger Riesen – operieren kaum in diesen Breiten. Er hingegen spreche von einer richtigen Nation mit eigenen Kriegsschiffen. Man höre hier und da zwar nur eine Reihe abenteuerlicher Gerüchte, aber in einer Sache seien sich alle Raumfahrer einig: Diese Partei habe die Kraft die Chiss in die Knie zu zwingen...] Kurz hielt der Skipper inne. [… Zu klären sei in diesem Fall nur noch, ob auch andere am Ende von diesem Machtkampf profitieren würden oder ob man nicht vielleicht besser schon jetzt in neue Gefilde aufbrechen sollten.]

Schlussendlich mochte der Frachterkapitän mit dieser Aussage noch immer ziemlich vage geblieben sein – und seinem Gebärden nach zu urteilen konnte man auch seine Zweifel haben –, aber trotzdem fühlte sich Toji mit einem Mal unwohl. Bastion hatte sich der Chiss unter anderem aus dem Grund angenommen, weil sie als stabile Nation in dieser barbarischen Gegend galten. In der Galaxie hatte bis jetzt noch niemand von irgendwelchen ähnlich großen (oder gar stärkeren) Parteien da draußen gehört. Doch sollte nun tatsächlich eine andere Macht auf einmal den Chiss ihre Führerrolle streitig machen, könnte das zu unangenehmen Folgen für das Imperium führen. Schließlich hatte sich das Regime dazu bereit erklärt im Bündnisfall an der Seite ihres Protektorats zu kämpfen. Imperiale wie Joyriak oder Bascout hatten bei solchen Sachen aber bestimmt eher das Bekämpfen innerer Feinde im Sinn gehabt. Denn auf diese Weise konnten die imperialen Nachrichtendienste – vom Imperialen Geheimdienst über den Militärnachrichtendienst bis hin zum Imperialen Sicherheitsbüro – weitaus leichter eigene Spione auf den verschiedenen Welten installieren.

Natürlich führte die vage Aussage automatisch zu weiteren Fragen. Bis auf Grumby, der der ganzen Sache überaus schweigsam beiwohnte, probierte sich jeder der am Tisch sitzenden Imperialen daran noch ein paar Informationen von dem Nichtmenschen abzupressen. Aber Borr'an Yük wurde kaum konkreter beim Antwortgeben – und bevor er noch allmählich richtigen Spaß am Spielen mit seinen Gastgebern fand, beendete der Commodore die gemeinsame Mahlzeit lieber. Während der Steward und die Ordonanz im Hintergrund mit dem endgültigen Abräumen der Tafel begannen, tauschten er und der zwielichtige Skipper abschließende Höflichkeiten aus und Lieutenant Colonel Drake wurde kurz darauf noch angewiesen den Gast zum Hangar zu geleiten. Des Weiteren konnte man noch als kleine Errungenschaft verbuchen, dass Toji dem Frachterkapitän das Versprechen abringen konnte, dessen Logbuch und Frachtliste übermittelt zu bekommen. Ein paar Minuten nachdem sich der Gast endgültig verabschiedet hatte, blieb er allein mit seinem Stellvertreter in dem Salon zurück. Beide gingen schweigend zu den Fenstern und blickten dann auf den nahen GR-Fünfundsiebzig Frachter.

Es war Calway, der letztendlich das Schweigen brach. Abscheu lag in der Stimme als er sagte.
„Ich traue diesem Kerl keinen interstellaren Klick über den Weg, Sir. Höchstwahrscheinlich hat er sich seine 'Freiheit' allein mit Lügen erkauft … und während wir noch immer über den Wahrheitsgehalt seiner Finte grübeln, zieht er lachend von dannen.“ Der Hüne grunzte. „Möglicherweise hätten wir ihm lieber in einen Raum mit Trooper Ette, unserem Box-Champion, stecken sollen. Da hätte er uns schon gesagt, was Sache ist...“

„Noch haben wir die Piraten, Mister Calway, entgegnete der Kriegsversehrte. Tief in ihm breitete sich zwar langsam die Art von Zweifel aus, die einen Kommandanten schlaflose Nächte bescheren konnte, aber äußerlich wahrte er die gefasste Professionalität. „Im Gegensatz zu diesem Schmuggler kann diese Bande nicht auf Anhieb damit rechnen, dass wir glimpflich mit ihnen umspringen.“ Dem Anschein entsprechend, hellseherische Kräfte zu besitzen, schnitt er seinem Stellvertreter mit einer einzigen, knappen Handbewegung ab, bevor dieser überhaupt zu einem verbalen Protest ansetzen könnte. „Die Wache hat vorhin gewechselt; gönnen Sie sich also Ihre wohlverdiente Mütze Schlaf. Mit Jervada und Foster an meiner Seite werden wir dieses Pack schon knacken. Und dann wird sich zeigen, ob und inwieweit Yük gelogen hat. Sie können wegtreten.“

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Beinah lautlos rauschte die Turboliftkabine – Ebene für Ebene – nach unten. Stumm zeigten hellrote Zahlen im Sekundentakt jede einzelne Veränderung der Position an, aber der Passagier, Commodore Toji Murata, achtete nicht darauf. Seine fast komplette Aufmerksamkeit galt im Moment viel mehr dem gedanklichen Durchdringen der gegenwärtigen Situation. Denn die lange Unterredung mit dem führenden Frachterkapitän hatte ihm nämlich keinerlei Antworten geliefert, sondern am Ende hatten sich ihm bloß weitere Fragen aufgedrängt. Was ging hier draußen – am Rande zum Territorium der Chiss – nur vor sich? Mit welchen Parteien musste man hier etwa rechnen? Bis auf einige sehr vage Andeutungen, die Borr'an Yük im Gespräch hatte fallen lassen, hatten sie nichts, rein gar nichts. Sie tappten regelrecht ahnungslos in Dunkeln … und selbst das vor Stunden befohlene Decodieren der erbeuteten Logbücher schien in diesem Fall leider nicht der erhoffte Silberstreif am fernen Horizont zu sein. Nein, die Sache war knifflig, äußerst knifflig – und das wurmte den Imperialen.

Mit einem sanften Ruck stoppte die Kabine plötzlich. Kurz darauf öffnete sich die Tür begleitet von einem leisen Zischen und der Invalide humpelte langsam auf den scheinbar endlosen Korridor. Weil man die „Sicherheitsstufe“ wieder herabgesetzt und die Matrosen von ihren Posten abgezogen hatte, herrschte auf den Gängen des Sternzerstörers das übliche Gedränge. 'Hinzu kommt wohl außerdem noch die Neugier', dachte sich Toji beim Gedanken an die Lebewesen, die seine Entertrupps auf den Piratenschiffen – ohne größere Gegenwehr – gefangengenommen hatten. Respektvoll salutierten die einfachen Spacer und Unteroffiziere als sie der Gegenwart ihres Kommandanten bewusst wurden – oder in letzter Sekunde per Stoß in die Rippen einen Hinweis von ihren Kameraden erhielten. Toji, der weiterhin in Richtung „Schiffssicherheit“ unterwegs war, nickte ihnen zu. Obwohl er nun schon das dritte Kommando inne hatte, hatte er sich noch immer nur bedingt an die Isolation gewöhnt, die für einen Offizier in seiner Position auf einem Kriegsschiff gebräuchlich war. „Der Kommandant ist an Bord 'Gott' höchstpersönlich; nicht dein Freund!“ – Diese Maxime galt zweifelsohne auch für die Besatzung der „Abyss“.

Zwei Flottensoldaten, in einem schweren Harnisch steckend und mit einem E-Elf-Blastergewehr in der Hand, hatten vor dem Hauptzugang ihre Posten bezogen. Obwohl diese Aufgabe wohl für jeden Soldaten die pure Langeweile sein musste, blickten die beiden Herren trotzdem überaus ernst drein – und hielten auf diese Weise mit Sicherheit so manchen Schaulustigen fern. Doch während andere in diesem Augenblick keinen Fuß in diesen hochsensiblen Bereich des Schiffes setzen durften, ließ man den humpelnden Commodore ohne Probleme hinein. Sogar ein knappes Nicken erhielt er von beiden Wachposten als Begrüßung, da das Flottenregiment, das allein der Flotte unterstand, ebenso dem Kommandant den ihm gebührenden Respekt zu zollen hatte. Selbstverständlich erwiderte Toji diesen Gruß, bevor er den internen Sicherheitsbereich durch die für ihn geöffnete Tür betrat. Kaum hatte er aber den Hauptzugang hinter sich gelassen und war den besetzten Arrestzellen nur ein paar Schritte näher gekommen, da stieg ihm auf einmal ein beißender Geruch in die Nase. Unwillkürlich verzog er das zum Teil entstellte Gesicht.

Obwohl er den Arrestbereich der „Abyss“ noch nicht einsehen konnte, konnte Toji hören wie einer der Anwesenden misslaunig sagte:
„Bei diesem Gestank müsste man diese Barbaren eigentlich erst einmal ausgiebig mit einem Kärcher abspritzen, bevor man sie verhört. Thrass, ist Sauberkeit diesen Biestern tatsächlich nicht bekannt?“ Aggressives Zischen war zu vernehmen. „Bei diesen Gestalten bin ich wirklich froh, dass unser Imperator lieber den Schulterschluss zu den Chiss gesucht hat. … Ernsthaft!“

Die blauhäutigen Fastmenschen, die vor Myriaden Jahren nahe der bewohnten Galaxie ihr eigenes, kleines Reich errichtet hatten und mittlerweile (unfreiwillig) zum imperialen Protektorat geworden waren, mochten bekannt dafür sein, in der Öffentlichkeit keine oder nur sehr wenige Emotionen zu zeigen, aber in diesem Augenblick konnte man für den Bruchteil einer Sekunde auf Thrass' Gesicht ein ziemlich schiefes Grinsen sehen. Mit verschränkten Armen vor der Brust stand der uniformierte Chiss neben seinem Kameraden und betrachtete – genau wie dieser – die Gefangenen. Es handelte sich bei den Piraten um schlaksige, cremeweiße Gestalten mit großen, schwarzen Augen und vielen kleinen Tentakeln vor dem Mund. Ihre offenbar natürliche Körperhaltung wirkte leicht gebückt, da deren Schultern ein bisschen vorgeschoben waren, während der Rücken eine deutliche Krümmung aufwies. Einen Betrachter, der mit den Spezies der Unbekannten Regionen nicht firm war, mochten sie in ihrer Haltung an einen gebrochenen Menschen erinnern. So langsam bekam Toji eine Ahnung davon, was sein Sicherheitschef, Lieutenant Colonel Drake, beim Essen eigentlich gemeint hatte.

„Da wir diese Kriminellen wohl oder übel noch eine ganze Weile an Bord behalten werden, werden Sie sich wohl vorerst daran gewöhnen müssen, Major“, schaltete sich Toji im trockenen Tonfall ein, nachdem er endlich die Arrestzellen erreicht hatte. Zackig salutierten beide Offiziere. „Obwohl mir Colonel Drake noch nichts in der Richtung berichtet hat, stelle ich nun trotzdem die offensichtliche Frage: Konnten Sie schon etwas in Erfahrung bringen?“

Es lag vermutlich daran, dass der ranghöhere Offizier bei diesem speziellen Thema einfach seinem blauhäutigen Kollegen mehr Kompetenzen zusprach, denn Thrass antwortete dem Kommandanten: Ebruchi sind ein ziemlich verschwiegener Haufen, Sir. Bislang habe ich es noch nicht erlebt, dass einer dieser dreckigen Halunken jemals freiwillig irgendein Sterbenswort gesagt hätte – jedenfalls zu einem Vertreter einer staatlichen Autorität.“ Mit seinen rubinroten Augen, die zur Zeit nicht viel mehr als sehr schmale Schlitze waren, musterte er diese hageren Gestalten. „Bevor er sich mit Ihnen getroffen hat, habe ich gegenüber Colonel Drake schon gemutmaßt, dass hier unsere gewöhnlichen Verhörmethoden demzufolge wahrscheinlich keinen Erfolg erzielen werden. Meiner Meinung nach wird man in diesem Fall gezwungenermaßen auf unorthodoxe Mittel zurückgreifen müssen.“

Bei dieser Einschätzung verzog der kriegsversehrte Commenorer unwillkürlich das Gesicht zu einer säuerlichen Miene. Entgegen der imperialen Ideologie, die jegliche Gewalt gegen Nichtmenschen in der Regel guthieß, hatte selbst bei all den Kämpfen gegen die Neue Republik stets das Maß gewahrt und war nicht unnötig grausam gewesen. Doch nun beschied ihm der Captain des Flottenregiments, dass er die gewohnten Pfade besser verlassen sollte, um einen Erfolg zu erzielen. Überaus langsam ließ der Kommandant der „Abyss“ seinen Blick von dem Chiss zu diesen Ebruchi wandern. Deren befremdliches Äußeres, das Toji abstoßend fand, mochte ihm die anstehende Entscheidung natürlich leichter fallen lassen, aber konnte er es sich tatsächlich so leicht machen? Obwohl er es womöglich nicht bewusst wahrnahm, drängte sich ihm sein persönlicher Ehrenkodex auf und nahm zunehmend mehr Raum in seinem grübelnden Bewusstsein ein. Weiterhin in gebückter Körperhaltung beäugten ihn die gefangenen Subjekte, zischten leise und warteten wohl auf dessen Urteil. Ihren Blicken hielt er – trotz aufkommenden Ekels – eisern stand.

„Aus Ihren Worten, Captain Thass, darf man wohl schließen, dass diese Kriminellen, seitdem sie in Gewahrsam genommen worden sind, keinerlei Kooperation mehr gezeigt haben, richtig?“, hakte er tonlos nach, während er unter den cremeweißen Gestalten den Anführer auszumachen versuchte.

Pflichtbewusst antwortete der Chiss.
„Nein, Sir. Ich nehme zwar an, dass sie Basic verstehen, aber selbst in der Beziehung haben sie sich allein auf das Nutzen ihrer Muttersprache beschränkt. … Sie zeigen somit das bekannte, trotzige Verhalten. Ich verweise demnach noch einmal auf meine schon geäußerte Einschätzung. Nachsicht legen diese Kreaturen als Schwäche aus...“

Thrass, der sich bei Serenetys Befreiung auf Delastine als sehr loyaler Untergebener bewiesen und so letztendlich die Achtung des menschlichen Commenorer gewonnen hatte, schien in dieser Sache hartnäckig zu bleiben. Jedoch hatte er – als Befehlshaber der Kampfgruppe – dieses Mal nicht nur die eigene Person oder das ihm unterstellte Kriegsschiff zu repräsentieren, sondern war gleichzeitig auch ranghöchster Repräsentant des Galaktischen Imperiums. Und in dieser Rolle durfte er seiner Meinung nach nicht die Barbarei an den Tag legen, die in dieser Gegend Gang und Gebe war. Nein, er verkörperte in dieser Rolle sozusagen das imperiale Recht! Zum wiederholten Male ließ er seinen Blick zwischen den Offizieren des Flottenregiments und den Gefangenen hin und her pendeln. Eine Entscheidung hatte er zu treffen, keine Frage, aber wie sollte sie bloß ausfallen? Nachdem er einige flüchtige Herzschläge mit gründlichem Nachdenken verbracht hatte, siegte letztendlich sein eigenes Ehrgefühl. Automatisch straffte sich seine Körperhaltung noch einen Tick mehr als er sich erneut an die beiden anderen Imperialen wandte.

„Bereiten Sie die Verhörzimmer Eins bis Drei vor, Captain“, befahl Toji entgegen der Äußerungen seines hochgeschätzten Vertrauten. „Colonel Drake, Sie und ich werden die Verhöre führen. Suchen Sie deshalb die Kapitäne der Piraten heraus. Des Weiteren möchte ich zeitgleich eine medizinische Untersuchung durchführen lassen. Vielleicht können Doktor Tau und deren Personal uns hilfreiche Hinweise liefern.“

[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Heck | Deck Sechs | Bereich der Schiffssicherheit :||: Commodore Toji Murata, Captain Thrass und ein Major des Flottenregiments; hinter einer Schutzwand zahlreiche Piraten :]
 
[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Heck | Deck Sechs | Bereich der Schiffssicherheit :||: Commodore Toji Murata, Lieutenant Colonel Drake, Captain Thrass und ein Major des Flottenregiments; hinter einer Schutzwand zahlreiche Piraten :]

Die betagten InterCom-Lautsprecher verzerrten Miles Ty Jervadas Stimme ein wenig als dieser über pflichtbewusst beim Schiffskommandanten der „Abyss“ Bericht erstattete: [Brücke an Commodore Murata. Kommunikation meldet den Erhalt der angeforderten Logbücher sowie Frachtpapiere. Auf den ersten Blick scheint keine Entschlüsselung von unsererseits aus notwendig. Die ersten Versuche deuten wohl darauf hin, dass ein freier Zugriff auf die Dateien besteht. Gemäß unseren Sensordaten befinden sich die Frachter außerdem inzwischen auf einem Außenkurs mit passenden Sprungvektor für eine Reise ins 'Rakatan Archipelago'. Sowohl unsere Navigationsstation als auch die von der 'Hunter' kommen in diesem Fall bei separaten Berechnungen auf das selbe Ergebnis, Sir.] Für einen kurzen Moment hielt der Lieutenant inne. [Des Weiteren habe ich den Steuermann angewiesen uns in einen hohen Orbit zu bringen, um dort eine vorläufige 'Parkposition' einzunehmen. 'Corbis' und 'Chaser' folgten mittlerweile unserem Beispiel, während Captain Helkoshs Kommando und die drei Korvetten unaufgefordert systeminterne Patrouillenfahrten aufgenommen haben...]

Anstatt nach dieser kurzen Meldung eine verbale Unterredung mit dem wachhabenden Offizier über das interne Kommunikationssystem zu beginnen, entschied sich Toji, der derzeit noch andere Dinge zu erledigen hatte, dafür, per Knopfdruck den Bericht zu bestätigen. Da er noch nicht sehr lang das Kommando über seine Kampfgruppe hatte, erstaunte ihn die Geschwindigkeit, die seine Einheit an den Tag legte, ein kleines Bisschen. Immerhin kehrte man nach diesem überraschenden Auftakt des Manövers ausgesprochen zugig zum gewohnten Alltag zurück. Darüber hinaus schien jeder einzelne Kommandant – trotz der zuvor erlebten Aufregung – genau zu wissen welche Rolle sein Schiff nun zu erfüllen habe, weshalb die federführende „Abyss“ offensichtlich nicht genötigt war irgendwelche Befehle an die Mitglieder ihres kleinen Verbandes ausgeben zu müssen. Ein wenig verwundert über so viel Selbständigkeit innerhalb militärischer Kreise wandte sich der Commodore langsam von der klitzekleinen Konsole ab, die in die Wand aus purem Durastahl eingelassen war, und widmete seine gesamte Aufmerksamkeit stattdessen wieder dem Treiben im Arrestblock zu.

Lärm war aus einer der größeren Zellen zu hören. Unter aggressiv zischendem Protest wehrte sich anscheinend gerade eine der festgenommenen Gestalten von zwei kräftigen Flottensoldaten – gegen dessen Willen – auf die Krankenstation gebracht zu werden. Denn obwohl die Ebruchi für imperiale Stützpunkte am Rande der bewohnten Galaxie schon seit Langem keine Unbekannten waren, besaß die schiffsinterne Datenbank nur erstaunlich wenige Informationen – hauptsächlich phänotypischer Natur – über diese Spezies. Ihre raue, verschlossene Art war bekannt. Zudem wusste man, dass sie hin und wieder andere Völker in ihren Reihen duldeten. Doch damit ließ sich kein wirklicher Druck auf irgendwelche Gefangenen ausüben. Toji Murata glaubte zwar nicht daran, dass das Personal der Krankenstation über ausreichend xenobiologisches Wissen verfügte, um im Ernstfall alle möglichen Register zu ziehen, aber jedes neue Detail, das sie in Erfahrung brachten, war seiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung. Während zwei weitere Flottensoldaten schnell ihren Kameraden zu Hilfe kamen, humpelte der Commodore zu seinem Chef der Schiffssicherheit. Bei dem bulligen Menschen, der Derra IV seine Heimat nannte, schrie förmlich jede Faser nach Entschlossenheit.


„Mister Drake, sind Captain Thrass und Sie bereit für die Vernehmungen?“, fragte der Commenorer mit krächzender Stimme nach. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit hatte er – bei der allgegenwärtig trockenen Recyclingluft – nichts mehr getrunken. Seine Kehle war vollkommen ausgetrocknet. „Ich möchte noch einmal kurz daran erinnern, dass folgende Informationen am wichtigsten für uns sind, bevor wir weitere Schritte unternehmen können. Erstens: Wir benötigen die Zugangsdaten zu den jeweiligen Schiffsunterlagen – insbesondere die Logbücher und Mannschaftsrollen. Zweitens: Uns fehlen Informationen zu deren gewöhnlichen 'Jagdrevier'. Denn sollten diese Piraten normalerweise tatsächlich in anderen Systemen marodieren, haben wir schon einmal Anhaltspunkte für den dritten Punkt, den wir in Erfahrung bringen wollen: Gibt es da draußen wirklich die von Yük angedeutete größere Bedrohung?“

Der Lieutenant Colonel, der – laut böser Zungen - einem wandelnden Schrank glich, kratzte sich für einen kurzen Moment grübelnd am breiten Kinn. „Ich hoffe, diese schlaksigen Barbaren wissen Ihre Gutmütigkeit zu schätzen, Sir. Denn ein anderer Kommandeur hätte in solch einer heiklen Situation imperiales Recht wohl imperiales Recht sein lassen … und stattdessen gleich mit harten Bandagen gefragt.“

Nicht zum ersten Mal deutete Hal Drake in seiner Gegenwart vage an, dass man im Hinblick auf die Ebruchi lieber gleich zur Folter greifen sollte. Schockiert war der Kriegsversehrte zwar nicht, dafür hatte der Galaktische Bürgerkrieg sie alle mit der Zeit schlicht und ergreifend zu kaltherzig werden lassen, aber dass man überhaupt nicht gewillt war, den überaus hehren Anspruch der interstellaren Zivilisation in diesen barbarischen Breiten zu verteidigen, störte ihn trotzdem ein wenig. Hatte man sie nicht unter anderem aus diesem Grund hierher, in die Unbekannten Regionen, geschickt? Sollten sie nicht die Kunde von der Neuen Ordnung verbreiten? Begab man sich jetzt auf das Niveau dieser Piraten, war man in letzter Konsequenz doch nicht wirklich besser als dieses kriminelle Abschaum – Diese Sichtweise vertrat jedenfalls Toji nach längerem Überlegen. Während er einen Moment lang schwieg, musterte er den Chef seiner Schiffssicherheit noch einmal von oben bis unten. Eine andere Wahl, als in dieser Situation seinen ranghöchsten Untergebenen blind zu vertrauen, hatte er freilich nicht. Trotzdem wären ihm andere Vorzeichen lieber gewesen.

„Lassen Sie uns lieber nicht noch mehr Zeit vergeuden, Colonel“, entschied er letztendlich und ließ sich somit – entgegen seinem ersten Gefühl – nicht auf eine Diskussion ein. „Für Borr'an Yük hoffe ich, dass er uns nicht frech ins Gesicht gelogen hat.“

Zackig salutierte der Offizier des Flottenregiment, gab dann seinem Untergebenen, Captain Thrass, kurz ein abgesprochenes Handzeichen und verschwand anschließend im Verhörraum Zwei, wo man schon vor Minuten einen der Piratenkapitäne hingebracht hatte. Obgleich im benachbarten Zimmer ein weiterer Ebruchi auf den invaliden Kampfgruppenkommandanten wartete, trat er erst einmal an die einseitig verspiegelte Beobachterscheibe, um sich ein Bild davon zu machen wie Hal Drake die ganze Sache anging. Der Lieutenant Colonel hatte in der Vergangenheit schon öfters Vernehmungen an beschuldigten Besatzungsmitgliedern durchführen müssen, weshalb ihm das Gespräch mit dem nichtmenschlichen Kriminellen – trotz möglicher Abscheu – nicht schwer fallen dürfte. Zu Anfangs trat der muskulöse Chef der Schiffssicherheit auch dementsprechend selbstbewusst auf. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen eröffnete er das Verhör. Bevor sich Toji aber in das Zimmer begab, das man für ihn vorgesehen hatte, wandte er sich ein letztes Mal an den anwesenden Stellvertreter der Schiffssicherheit, Major Slyte. Dieser, seinem Vorgesetzten nicht unähnlich, hatte unwillkürlich Haltung angenommen. Es war keine Spur von der Lockerheit mehr vorhanden, die wenige Minuten zuvor in seiner Körpersprache noch allgegenwärtig schien.

„Mister Slyte, ich verlasse mich auch auf Ihre Wachsamkeit“, mahnte er den Major. „Sobald sich in einem der beiden anderen Zimmer irgendwelche Probleme abzeichnen, informieren Sie mich – auf dezentem Wege – unverzüglich. Ich glaube zwar nicht, dass man das Chiss-Territorium schon in den nächsten Stunden überrennen wird, aber Zeit, Major... Zeit ist immer ein wichtiger Faktor. Merken Sie sich das!“

Bevor er den Verhörraum tatsächlich betrat und sich dem Gefangenen – von Angesicht zu Angesicht – stellte, holte er noch einmal tief Luft. Obwohl ihn der Militärnachrichtendienst nach der Schlacht um Byss angesprochen hatte, um im Shinbone-System die „Subjugator“ zu suchen, hatte er nie eine Art Ausbildung in diese Richtung erhalten. Sein ganzes Wissen stammte demnach hauptsächlich nur aus seinem Studium an der Militärakademie zu Prefsbelt IV, seinen Erfahrungen als wachhabender Deckoffizier (einschließlich seiner Dienstzeit als Erster Offizier an Bord der „Musashi“) sowie dem Erinnern an diverse Szenen in entsprechenden Holo-Dramen. Bis zu diesem Moment hatte er nicht einmal einer richtigen Verhandlung vor einem ordentlichen Militärgericht beigewohnt. Demzufolge konnte man seinen „Erfahrungsschatz“ nur bedingt als solide bezeichnen, um hier über alle Maßen zu glänzen. Jedoch hatte der Commenorer keine andere Wahl. Denn zur Zeit war er der ranghöchste imperiale Offizier weit und breit. Vice Admiral Joyriak war zu weit weg … und die Chiss zählten in dieser Frage einfach nicht. Der Commodore war somit auf sich allein gestellt.

Mit einem rasselnden Zischen begrüßte ihn der an den Tisch gefesselte Ebruchi-Pirat. Ja, in diesem Fall musste man tatsächlich keine Bindung zur Macht haben, um auf Anhieb zu erkennen, dass eine giftige Feindseligkeit von dem Gefangenen ausging. Überaus unruhig bewegten sich die unzähligen kleinen Tentakeln vor dessen Mund, während die schwarzen Augen scheinbar ein bisschen schmaler wurden. Flüche – jedenfalls dem Tonfall nach – sprudelten aus dem Kriminellen heraus. Aber davon ließ sich Toji nicht einschüchtern als er auf der anderen Seite des Tisches Platz nahm. Er stand nicht zum ersten Mal einem Nichtmenschen gegenüber. Denn obgleich die Menschen in den Reihen des imperialen Offizierskorps überproportional oft vertreten waren, waren insbesondere die einfachen Mannschaftsdienstgrade voller Repräsentanten nichtmenschlicher Völker. Des Weiteren hatte er seit seinem Kommando auf der „Pandora“ einen Neimoidianer als Kommunikationsoffizier. Was sollte er also vor solch einer Gestalt zurückschrecken? Derweil der Ebruchi weiter fluchend zischte, ließ der Commodore seinen Blick auf ihm ruhen. In Gedanken suchte er nach dem besten Einstieg in die Vernehmung. Wie schnell sollte er zum Kern der Sache kommen?


„Drei-PO, übersetzen Sie bitte für mich“, befahl Toji plötzlich nach ein paar Minuten des Musterns dem schweigenden Militärprotokolldroiden, der in einer Ecke auf seinen Einsatz wartete. Gewohnt knapp bestätigte das humanoide Blechding die erhaltene Anweisung, weshalb der Commodore die nächsten Worte direkt an den aufgebrachten Ebruchi richtete. „Ein Kampfverband Seiner Majestät, Imperator Allegious, hat Sie und Ihre Leute in Gewahrsam genommen, nachdem wir Sie bei einem versuchten Überfall auf unschuldige Händler erwischt haben...“ Kurz, dafür aber umso höhnischer lachte der nichtmenschliche Pirat auf. „Obwohl wir gemäß imperialen Recht Ihre Schiffe sowie die darauf konfiszierte Fracht beschlagnahmt haben, bin ich gewillt – bei Kooperation – ein gutes Wort für Sie bei der Überführung an Beamte des Chiss-Reiches einzulegen. … Reichen Sie mir die Hand und unsere Wege trennen sich als Ehrenmänner...“

Erneut lachte die hagere Gestalt. [Sir, meine Programmierung mag Ebruchese zu einem sehr großen Teil erkennen und übersetzen können, aber in diesem Fall stoße ich wohl an meine Grenzen. Denn bloß mit einer Bestimmtheit von dreiundneunzig Prozent kann ich Ihnen in diesem Fall sagen, dass man Ihnen wohl gerade eine Beleidigung entgegnet hat.] Kurz hielt der Droide in seinem scheinbar endlosen Redeschwall inne. Das unstete Flackern der Photorezeptoren deutete darauf hin, dass sich hinter dem Blechgehäuse etwas tat. [Ich habe noch einmal sicherheitshalber eine separate Probe der erhaltenen Äußerung durchführen lassen, komme aber leider zu keinem anderen Ergebnis. Soll ich Ihre Worte noch einmal wiederholen, Commodore?]

„Nein, Drei-PO“, entschied der Uniformierte und spürte schon jetzt wie er leicht unwirsch auf diese unnötige Provokation reagierte. Mehr zu sich selbst als zu dem Droiden sagte er deshalb schon kurz darauf: „Lassen wir uns davon nicht ins Boxhorn jagen. … Übersetzen Sie lieber folgendes: Noch haben Sie es in der Hand, Capt'n. Noch können Sie für sich und Ihre Männer einen guten Ausgang erreichen. Übergehen wir also diese 'Anlaufschwierigkeiten'...“

Doch egal wie viel Nachsicht der Imperiale in diesem Gespräch auch an den Tag legen mochte, sein Gegenüber schien dieses Verhalten bloß als Anlass zu nehmen, um in seinen gesamten Gebaren nur noch unflätiger zu werden. Thrass' Einschätzung, dass sich diese Kriminellen tatsächlich nicht um irgendwelche Autoritäten scherten, bewahrheitete sich mit jeder weiteren Minute. Sinnloser, immer sinnloser wurde die Vernehmung. Denn anstatt irgendeine Frage beantwortet zu bekommen – und dadurch einen Ansatz zu bekommen, um die rätselhafte Situation allmählich aufzulösen zu können –, lernte er höchstens bloß neue Schimpfworte. Folglich war momentan nur der eigenen Frust echter Nutznießer der ganzen Unterhaltung und Ideale, die zuvor noch als unzerstörbar galten, gerieten mit einem Mal mächtig ins Wanken. Für den Commenorer stand demzufolge insgeheim zur Debatte, ob er die Fahne der hehren Zivilisation in dieser barbarischen Gegend wirklich noch hochhalten konnte oder ob er sich – so wie alle anderen – den widrigen Umständen anzupassen hatte. Das Gefühl, das eigene Verrohen bewusst wahrzunehmen, bereitete ihm „Bauchschmerzen“.

Um erst einmal wieder etwas mehr Abstand zwischen sich und diesen Piraten zu bringen, erhob sich Toji von seinem Platz. Nach einem kurzen Blick auf das Chrono dachte er zu sich selbst: 'Fast eine ganze Standardstunde habe ich verschwendet. Hoffentlich lief es bei den beiden anderen Verhören ein wenig besser als hier.' Ohne auch noch ein einziges Wort an den Ebruchi zu verschwenden, ging er schweigend auf die Tür zu, klopfte kurz an und, nachdem man sie geöffnet hatte, verließ er den Raum. Zeit, um erst einmal tief Luft zu holen, die Gedanken zu sammeln und womöglich den Frust herunterzuschlucken, blieb ihn auf der anderen Seite der gepanzerten Tür jedoch nicht. Denn er war nicht der einzige, der offensichtlich die Vernehmung abgebrochen hatte. Thrass, dessen schwarze Dienstuniform grüne Schleimspuren aufwies, hatte sich ebenfalls frustriert zurückgezogen. Knapp nickte der blauhäutige Captain des Flottenregiments dem Commodore zu. Wortlos – allein durch Blickkontakt – einigten sich beide Offiziere darauf, sich in der Mitte zu treffen. Und so gingen jeder für sich zu der verspiegelten Scheibe.


„Ich nehme an, Sie waren in etwa genauso erfolgreich wie ich?“, fragte er bei dem Chiss nach, wobei seine Stimme ganz leicht anzeigte wie entkräftet und zudem entnervt er schon jetzt war.

Jedoch kam der Angesprochene nicht mehr dazu irgendeine Antwort zu geben. Denn genau in dem Moment, als Thrass von seinem „Erlebnis“ in Verhörraum Drei berichten wollte, ertönte auf einmal lautstarker, unheimlicher Krach aus dem Raum vor dem sie gerade standen. Vollkommen überrascht ließen beide Offiziere beinah synchron ihren Blick zu der einseitig verspiegelten Scheibe springen und konnten – sozusagen in letzter Sekunde – noch miterleben wie sich Lieutenant Colonel Drake den Ebruchi mit beherzten Faustschlägen vom Leib hielt. Offenbar hatte sich der Pirat während des Gesprächs unbemerkt befreien können. Begleitet von einem fauchenden Zischen hatte sich die dürre Gestalt dann auf den nichts ahnenden Menschen gestürzt, die scharfen Krallen vermessen in dessen Seite gerammt und versucht diesen so „unschädlich“ zu machen. Zum Glück reagierten sowohl der Captain als auch der Major überaus besonnen in diesem heiklen Augenblick. Während der eine auf der Stelle zwei bewaffnete Flottensoldaten in das Zimmer schickte, rief der andere via InterCom die Krankenstation an, um einen Sanitäter in den Arrestblock zu bestellen.

Toji biss vor lauter Wut die Zähne zusammen, während zwei Medi-Droiden den Lieutenant Colonel mühelos auf die schwebende Repulsortrage hievten. Hatte sein Großmut diese Tat provoziert? Hatte er sich etwa nur hinter irgendwelchen nichtssagenden Idealen verschanzt, um sich keiner wichtigen Entscheidung zu stellen? Derweil er in Drakes schmerzverzerrtes Gesicht blickte, zerfetzten ihn in Gedanken die eigenen Vorwürfe. Obwohl er als Kampfgruppenkommandant der Mannschaft längst nicht mehr so nah war wie in seinen Tagen als junger, unerfahrener Ensign, fühlte er sich trotz allem noch immer sehr verbunden mit der Besatzung seines jeweiligen Kommandos. Selbst jeder einzelne Verlust ging ihm noch immer sehr nahe, obgleich er aufgrund der Mannschaftsgröße manchmal gar kein Gesicht vor Augen hatte. Ranghohe Offiziere, die womöglich wenige Stunden zuvor mit einem noch an einem Tisch gesessen hatten, waren da gleich noch ein ganz anderes Kaliber. Sein Magen verkrampfte sich als sie den Chef der Schiffssicherheit abtransportierten. Selbstverständlich ließ er sich nach außen hin nichts anmerken. Er musste die Gepflogenheiten seiner Position wahren!

Nur zögerlich trat Major Slyte, der mit einem Mal das gesamte Gewicht seiner Stellvertreterposition zu spüren bekam, an den Commodore heran. Verglichen mit dem Commenorer konnte er seine Wut nicht so gut im Zaum halten. Gepresst klang demnach seine Stimme als er fragte:
„Sir, wie wollen wir nun vorgehen?“

„In einem Gespräch vor wenigen Stunden erwähnte Commander Calway einen gewissen Trooper Ette als hiesigen Boxcampion“, antwortete Toji überaus kühl. Sein Blick war inzwischen auf den am Boden liegenden Ebruchi gefallen. Da man ihn bloß betäubt hatte, gehörte das Blut, das am Boden zu sehen war, nicht zu ihm. „Mir ist vollkommen egal, ob irgendetwas von dieser Behauptung stimmt und wir somit womöglich illegale Wettkämpfe hier an Bord haben. Ich möchte diese Nuss geknackt wissen. Bitte lassen Sie deshalb Field Commander Renning mit seinen besten Männern in Sachen 'Nahkampf' hierher schicken. … Es wird Zeit für die harten Bandagen.“

[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Heck | Deck Sechs | Bereich der Schiffssicherheit :||: Commodore Toji Murata, Major Slyte und Captain Thrass; hinter einer Schutzwand zahlreiche Piraten :]
 
[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Heck | Deck Sechs | Bereich der Schiffssicherheit :||: Commodore Toji Murata, Field Commander Renning, Major Slyte und Captain Thrass; hinter einer Schutzwand zahlreiche Piraten :]

Über das Sturmtruppenkorps des Galaktischen Imperiums kursierten in der gesamten Galaxie – und möglicherweise sogar darüber hinaus – unzählige Geschichten. Selbstverständlich war ein Großteil davon unwahr und übertrieben, aber in Momenten, die spärlich, sehr spärlich waren, zeigte dessen Mitglieder mitunter unfreiwillig woher diese Überhöhungen höchstwahrscheinlich kamen. Im Bogo Rai-System – genauer an Bord der „Abyss“, wo man gerade im Begriff war die Oberhhäupter der in Gewahrsam genommenen Ebruchi-Piraten endlich zum Reden zu zwingen – deutete sich solch ein Augenblick an, der am Ende womöglich Ursprung zu einer weiteren Legende werden konnte. Denn in seiner gegenwärtigen Doppelfunktion als Kampfgruppenkommandant und ranghöchster Offizier vor Ort hatte Commodore Toji Murata nach einem schrecklichen Vorfall entschieden, dass er Field Commander Renning, den Regimentsführer der Sturmtruppen auf seinem Imperial-Sternzerstörer, um Unterstützung bat. Dessen komplett armierte Männer sollten den Widerstand dieser mundfaulen Kriminellen ohne Wimpernzucken oder moralische Bedenken brechen.

Und indem sie von Anfang an rabiate Gewalt anwendeten, schienen sie schon in kürzester Zeit erste Resultate zu erzielen. Dabei griffen die schneeweißen Truppler nicht nur auf blitzende Schockstäbe und harte Knüppel zurück, sondern im Einzelfall auch auf Faustschläge und Fußtritte. Vielleicht lag es bloß an der anonymisierenden Rüstung, die bei vielen vom Tiefenkern bis zum Äußeren Rand für einen spontanen eiskalten Schauder sorgte, dass Rennings Truppler in diesem Moment so gnadenlos und kaltherzig wirkten, aber ihre Wirkung auf diese Weise verfehlten sie nicht. Zu anfangs mochten ihnen die Ebruchi noch zischende Flüche an den Kopf werfen und gurgelnd lachen, aber spätestens nachdem deren erste Knochen gebrochen und zudem Blut, nichtmenschliches, purpurfarbenes Blut geflossen war, änderte sich allmählich deren Einstellung. Ja, nach zwei, drei Standardstunden voller Tortur hatten die Sturmtruppen ihre Gefangenen wirklich soweit, dass sie sich bei jedem einzelnen Schlag und Tritt schmerzerfüllt krümmten, flehend aufjaulten und versprachen zu kooperieren.

Im Gegensatz zu Major Slyte, der irgendwann grün angelaufen war und sich sogar kurz darauf über einer Toilette hatte übergeben müssen, war der Commodore – genauso wie der Field Commander – keine Sekunde lang von der einseitig verspiegelten Scheibe gewichen. Mit steinerner Miene hatte er das schreckliche Martyrium der Piratenkapitänte verfolgt. Obwohl er nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte, war sein Hautton über die gesamte Dauer der Folter trotzdem einige Nuancen blasser geworden. Ebenso hatte sich bei dem einen oder anderen Schmerzensschrei sein Herz unwillkürlich verkrampft. Doch er war standhaft geblieben; hatte sich nicht gerührt. So wie in der Schlacht, wenn die schützendenden Schilde niedrig waren und der feindliche Beschuss tiefe, häßliche Löcher in das eigene Kommando riss, hatte er dem Schrecken ins grausige Antlitz geblickt und – jegliche Zweifel herunterschluckend – an die Richtigkeit seiner Taktik festgehalten.

Renning, der die ganze Zeit schweigend neben ihm gestanden hatte, klopfte ihm auf die Schulter als seine Männer – nach getaner Arbeit – die Verhörräume verließen. Zufriedenheit war zweifelsohne in seiner Stimme zu hören als er sagte:
„Sir, diese Barbaren werden Ihnen künftig keinerlei Probleme mehr machen. Ich gehe sogar soweit, dass wir ihnen diese unschöne Gepflogenheit, anderen Leuten zur Begrüßung ins Gesicht zu spucken, abgewöhnt haben.“ Er musterte das lebende Häuflein Elend in Verhörraum Zwei. Ihn hatten die Truppler besonders hart ranggenommen – sozusagen als Strafe für den zuvor passierten Angriff auf Lieutenant Colonel Drake. „Nichts gegen Sie, Captain Thrass, aber würde ich die Chiss inzwischen nicht besser kennen, hätte ich mir nachher beim Ausliefern an die Chiss derenseits sogar ein paar freundliche Worte des Dankes an uns vorstellen können.“ Kurz zeigte der vernarbte, muskulöse Kriegsveteran ein schiefes, häßliches Grinsen. „Da aber Träumer in den Unbekannten Regionen verloren sind, würde ich mich natürlich niemals darauf einlassen.“

„Dann werde ich jetzt die Befragung wieder aufnehmen...“, entschied der Commenorer mit fester, krächzender Stimme ohne auf das arrogante Geschwätz des Regimentsführers einzugehen. „Halten Sie Ihre Männer vorsorglich bereit, Mister Renning.“ Blitzschnell löste sich sein strenger Blick von dem entstellten Nichtmenschen hinter der einseitig verspiegelten Scheibe und wanderte stattdessen zu dem anwesenden Chiss. „Mister Thrass, nehmen Sie sich einen Blaster. Sie begleiten mich in den Verhörraum.“

Kurz schien es so als würde der Field Commander zu einem knappen Protest ansetzen wollen. Aber quasi in letzter Sekunde – ein empörtes Luftschnappen war noch zu hören – entschied er sich dann augenscheinlich doch dagegen. Stattdessen gab er seinen Trupplern entsprechende Handzeichen und diese nahmen auf der Stelle Haltung an. Bevor Toji gemeinsam mit dem blauhäutigen Captain des Flottenregiments und seinem persönlichen Militärprotokolldroiden den Verhörraum betrat, nickte er grimmig dreinblickend den Soldaten, deren weiße Brustpanzer und Helme vereinzelt purpurfarbene Blutspritzer aufwiesen, zu. Zischend öffnete sich die Tür. Obwohl die Schläge und Tritte tatsächlich jeglichen Widerstand bei dem fremdartigen Piratenkapitän gebrochen hatten, war legten die beiden Imperialen trotzdem beim Betreten der Räumlichkeit eine gewisse Vorsicht an den Tag. Jedoch war der Ebruchi inzwischen kaum noch zu einer Regung fähig. Begleitet von einem rasselnden Röcheln mochte sich die gertenschlanke Gestalt noch aufrichten können, aber zu sehr viel mehr war sie dann doch nicht mehr in der Lage. Toji, der den beißenden Gestank ignorierte, welcher hier vorherrschte, ließ sich auf eden einzigen noch stehenden Stuhl nieder.

„Um nicht noch mehr meiner kostbaren Zeit zu verschwenden, stelle ich Sie Hier und Jetzt vor die Wahl: Noch mehr Schmerzen … oder Kooperation?“, fragte der Commodore und sein Tonfall ließ keine Zweifel zu. Moralische Bedenken, weiterhin jenseits der zivilisatorischen Grenze zu agieren, hatte er nicht mehr. „Ihre Entscheidung. Also treffen Sie eine Wahl.“

Der Kriminelle, der vor wenigen Stunden noch seine scharfen Krallen in Lieutenant Colonel Drakes Leib gerammt hatte, wischte sich etwas Blut aus den Mundtentakeln. Kraft schien die Gestalt nicht mehr zu haben als sie antwortete. Sofort übersetzte der Droide. [Commodore, das Subjekt wählt die Zusammenarbeit. Es ist bereit sämtliche Fragen zu beantworten, solange es nicht mehr der Folter ausgesetzt ist.] Erneut flackerten dessen Photorezeptoren. [Sir, ich muss Sie an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass nach imperialem Militärprotokoll 'Peth-Sieben-Zwo-Fünf' das Foltern Gefangener nur nach Absprache mit der vorgesetzten Ebene stattfinden darf … ausgenommen eine der in Absatz Zwo formulierten Ausnahmetatbestände greift. Selbstverständlich ist mir aufgrund der angewandten Progra...]

„Drei-PO, diese Diskussion führen wir jetzt nicht“, schnitt ihm Toji harsch das Wort ab. „Ich habe aus einer Notsituation heraus entschieden. Und so wird es am Ende auch im Logbuch stehen. Sofern noch Einwände bestehen, vermerken Sie es an entsprechender Stelle.“ Eine Bestätigung wartete der Commenorer nicht ab. Seine Aufmerksamkeit galt weiterhin dem Ebruchi. „Nach dem Entern Ihrer Schiffe haben wir verschlüsselte Daten – darunter Kartenmaterial und Logbücher – sichergestellen können. Geben Sie uns – sagen wir als Zeichen Ihres guten Willens – die Zugangsdaten.“

Statt dem sehr aufsässigen Zischen, das die Imperialen bei ihrem ersten Vernehmungsversuch noch als Antwort erhalten hatten, gab der malträtierte Piratenkapitän ihnen dieses Mal widerstandslos die richtigen Kombinationen. Zahl für Zahl und Buchstabe für Buchstabe nannte er, während er in das regungslose, eiserne Gesicht des kriegsversehrten Commodore blickte. Schweigend musterte dieser mit eisigen Blick die blutverschmierte Gestalt. Dann, nachdem er alles ihm bekannte genannt hatte, kehrte mit einem Mal schweigende Stille in den Raum ein. Unwillkürlich zuckte der Pirat als spüre er scheinbar schon jetzt die noch auf ihn zukommenden Schmerzen weiterer Folter. Jedoch kam es nicht soweit – jedenfalls für den Moment. Ein Klopfen signalisierte den Imperialen allem Anschein nach, dass die genannten Kombinationen stimmten. Kraftlos atmete der Ebruchi auf. Vielleicht, so keimte in ihm die Hoffnung auf, würde man ihn bei Kooperation sogar mit etwas Ryll – oder einem anderen, schmerzenlindernden Stoff – belohnen. Geduldig erwiderten die großen schwarzen Augen den Blick des entstellten Menschen, der die Fragen stellte.

„Ich gehe stark davon aus, dass Bogo Rai nicht zu eurem gewöhnlichen 'Revier' gehört“, sprach Toji nach der kleinen Pause einleitend weiter. „So nah an das Chiss-Territorium getraut sich kaum eine Piratenbande. Also?“

Der Commodore kannte sich mit der gewöhnlichen Gestik der Ebruchi selbstverständlich nicht aus, aber in diesem Moment glaubte er ein leichtes Zögern zu erkennen. Denn erst als ihn Thrass darauf hinwies, dass man nun ja Zugang zu deren Logbüchern habe, plauderte er wieder.
[Für gewöhnlich habe die Piratenbande kein festes Gebiet, behauptet das Subjekt. Nachdem man einige Jahre in der Nähe von Planeten Zakuul und Yoggoy marodiert hatte, habe man sich zuletzt zwar bis nach Revyia und Zeta Null-Neun getraut, aber Gerüchte über imperiale Patrouillen hätten sie letztendlich schnell wieder in Richtung 'Wilden Raum' getrieben.] Dunkel, ganz dunkel konnte sich Toji an den Namen „Revyia“ im Zusammenhang mit der Zerschlagung der „Forces of Hope“ erinnern. Damals hatte die Flottille, die das Oberkommando nach Belkadan geschickt hatte, nicht nur das Belkadan-System gründlich abgesucht, sondern nach dem Gefecht mit den restlichen Kräften dieser Rebellensplittergruppe auch die angrenzenden Gebiete sondiert. [Um einem größeren Streifzug der Tof zu umgehen, entschieden sich seine Kollegen und er einen Kurs nach Yashuvhu. Offenbar gilt das unbewohnte System für die Ebruchi als eine Art Treffpunkt mit ihresgleichen, Sir. … Doch anstatt dort Verbündete anzutreffen, lief man Aufklärern der Vagaari in die Arme und mit einem Mal hatte man entscheiden müssen, ob man deren Imperium dienen oder sterben wolle.]

Überrascht hob Toji eine Augenbraue. Bezüglich der Unbekannten Regionen war das Galaktische Imperium nicht mehr als ein blutiger, unbedeutender Anfänger. Denn selbst durch jene Chiss, die als Chiss-Imperium schon seit Jahren mit dem Regime verbündet waren, hatte man nur wenig über die in diesen Breiten existierenden Sektoren und Völker in Erfahrung bringen können. Nartürlich waren hier und da Begriffe wie Eickarie, Lakran, Nagai, Tarro und Tof in Gesprächen mit den blauhäutigen „Freunden“ und größeren Händlern gefallen, aber auf Bastion hatte man trotz allem nicht besonders viel damit anfangen können, weshalb man die „Wanderer“-Flottille für gut drei Jahren schon einmal hieraus entsendet hatte. Jedoch hatte die gesamte Mission unter keinem guten Stern gestanden. Erst hatten ihnen nämlich Kampfverbände der grünhäutigen Riesen ordentlich zugesetzt, indem sie eine Reihe Anlaufstationen und Handelspartner – abseits der Chiss – beinah komplett vernichtet hatten, dann waren auch verschiedene Kolonisierungsversuche fehlgeschlagen. Bloß mit Mühe und Not – sowie einer gehörigen Portion Zynismus – hatte man es letztendlich wieder bis ins Niauran-System geschafft. Und nun kündigte sich offensichtlich ein ähnlicher Verlauf an.

Allein die vage Aussicht, von den grausamen Folterknechten in schneeweißer Rüstung noch einmal gequält zu werden, schien bei dem gebrochenen Ebruchi auszureichen, damit dieser – gleich einem Wasserfall – von den Vagaari erzählte. Selbstverständlich war in solchen Momenten fraglich, ob das alles, was erzählt wurde, der Wahrheit entsprach, aber je länger Commodore und Captain zuhörten, desto mehr lief ihnen ein Schauder über den Rücken. Schließlich verfestigte sich mehr und mehr der Eindruck, dass sich hioer draußen ein schrecklicher Krieg anzudeuten schien – und weder die Chiss, noch das Imperium schienen eine Ahnung davon zu haben! Toji, der inzwischen Mühe hatte seinen steinernen Gesichtsausdruck aufrecht zu erhalten, unterdrückte ein Schlucken. Sie mussten handeln, zweifellos. Doch wie sollten sie es anstellen? Bislang hatte die Kommandantur deren berüchtigter Verteidigungsflotte nicht den Eindruck gemacht, groß mit dem Imperium kooperieren zu wollen. Es hatte eher den Anschein, man wünsche keinerlei Einmischungen seitens der Imperialen. Somit war der Kommandant der „Abyss“ nun im Besitz von politisch hochexplosiven Material.

Ungerührt der gerade geäußerten Behauptungen übersetzte der Militärprotokolldroide weiterhin mit monotoner Stimme.
[Tiefere Einblicke in deren Pläne habe man als Handlanger der Vagaari zwar zu keinem Zeitpunkt bekommen. Da man seine Bande aber erst nach Celwis, dann nach Mobus und schlussendlich nach Bogo Rai geschickt habe, glaubt das Subjekt, dass sich die Vagaari für ihren möglichen Angriff auf das originäre Chiss-Territorium an drei Stellen in Stellung bringen dürften.]

Fast wäre dem Commodore ein Seufzer über die Lippen gekommen. Schließlich bezeugte der Pirat hiermit, dass der Angriff auf die „Yük“ sowie deren Frachterkollegen nur reiner Zufall – nicht mehr als ein lohnenswerter Nebenerwerb – war. Möglicherweise hatten die Vagaari ihnen sogar erlaubt, zu marodieren, um im Zweifelsfall etwaige Aufmerksamkeiten von ihnen abzulenken. Schließlich galt in solchen Fällen: Je länger man unentdeckt im Hintergrund blieb, desto länger hatte man das berühmte Überraschungsmoment auf seiner Seite. Obwohl der Ebruchi mit seinem Geständnis noch nicht fertig zu sein schien, erob sich der Commodore schwerfällig. Er hatte genug gehört. Nun galt es zügig den nächsten Schritt, eine Unterredung mit seinen Kommandanten sowie den ranghöchsten Offizieren, einzuleiten. Derweil der cremefarbene Nichtmensch schlagartig von der verständlichen Preisgabe nützlicher Informationen zu heulendem, herzzereißendem Flehen wechselte, verließen die beiden Imperialen den Verhörraum. Nein, für ihn, der schon eine ganze Weile auf den Beinen war, mocht es eigentlich schon spät sein, aber kostbare Zeit durfte er im Hinblick auf die sehr bristanten Informationen, die sie erhalten hatten, nicht vergeuden.

„Major, lassen Sie die drei Subjekte zurück in die Arrestzellen bringen“, befahl Toji in Richtung des stellvertretenden Leiters der Schiffssicherheit. Keine Sekunde lang dachte er daran, dass man den Gefolterten vielleicht medizinische Versorgung hätte zubringen sollen. „Mister Renning, halten Sie sich für eine Besprechung in einer halben Standardstunde bereit.“ Danach humpelte er sogleich zur InterCom-Konsole und rief die Brücke an. „Mister Jevarda, lassen Sie sogleich Besprechungsraum Eins vorbereiten. Des Weiteren wünsche ich, dass die Kommunikationsstation das Signal 'Melden auf Flaggschiff' an meine Kampfgruppe ausgibt...“

[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Heck | Deck Sechs | Bereich der Schiffssicherheit :||: Commodore Toji Murata, Field Commander Renning, Major Slyte und Captain Thrass; hinter einer Schutzwand zahlreiche Piraten :]
 
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[: Unbekannte Regionen | Bogo Rai-System :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Konferenzraum Eins :||: Commodore Toji Murata, High Colonel Clamont, Field Commander Renning, Commodore Falstom, Lieuteannt Jervada, Major Slyte, alle Schiffskommandanten der Kampfgruppe und Captain Thrass :]

Der allseits bekannte Duft von frisch gebrühtem Caf stieg ihm allmählich in die Nase und obwohl er bislang noch keinen einzigen Schluck zu sich genommen hatte, regten sich trotzdem schon mal ein paar seiner übermüdeten, grauen Gehirnzellen – jedenfalls ein klein wenig. Während sich sein Blick langsam von der gut gefüllten Tasse löste, die ihm sein Steward nur Minuten zuvor wortlos serviert hatte, unterdrückte er ein Gähnen. Selbst in jenen Tagen, als ihn noch kein explodierender Projektor für den Rest seines Lebens völlig entstellt hatte, hatte ihn irgendwann nach mehreren anstrengenden Stunden voller Arbeit die Müdigkeit schrittweise übermannt. Demnach musste er sich also nicht für diese vollkommen natürliche Körperreaktion schämen. Zufrieden wirkte er trotzdem nicht. Denn er strahlte weder die Seelenruhe aus, die man an Bord des großen Sternzerstörers mittlerweile gewohnt war, noch zierte ein schmales Lächeln seine intakte Gesichtshälfte. Nein, die Gewissheit allein, dass bei knappen Zeitbudget noch allerhand Aufgaben unerledigt waren, reichte aus, um ihm eine leicht säuerliche Miene aufsetzen zu lassen.

Toji ließ den Blick über die anwesende Runde schweifen. Neben den Schiffskommandanten der ihm unterstellten Kampfgruppe hatte er zu diesem kleinen „Kriegsrat“ außerdem noch den ranghöchsten Armeeoffizier, High Colonel Ithan Clamont, den Regimentsführer der Sturmtruppen, Field Commander Arrik Renning, den Kommandeur der hiesigen Sternjäger-Brigade, Commodore Lazaar Falstom, den Dritten wachhabenden Offizier seines eigenen Kommandos, Lieutenant Miles Ty Jervada, und den stellvertretenden Chef der Schiffssicherheit an Bord der „Abyss“, Major Fenn Slyte, geladen. Zudem saß noch – auf seine Anordnung hin – sein Vertrauter, Captain Thrass, mit am Konferenztisch, um gewissermaßen als „Stimme der Chiss“ zu fungieren. Schließlich galten die blauhäutigen Fastmenschen als wandelndes Mysterium. Nur jemand, der entweder selbst dieser sehr eigenwilligen Spezies angehörte oder aber lang genug engen Kontakt zu ihnen pflegte, konnte ihre Denkweise oder gar bloß ihr Handeln wirklich verstehen. Und im Hinblick auf die Erfüllung dieser Voraussetzungen blieb letztendlich nur der Chiss, der seit Jahren im Flottenregiment des Imperiums diente, höchstpersönlich übrig.

Nywthon spielte grübelnd mit seinem buschigen Bart, während er sich zugleich mit seinem ganzen Körpergewicht zurückgelehnt hatte. Die Erfahrung eines Veterans sprach aus ihm als er sagte:
„Ich schätze, bei der momentanen Informationslage werden wir wohl beide Parteien informieren müssen. Joyriak wird sich – in Absprache mit Bastion – überlegen müssen, ob man den Fokus aufgrund der potenziellen Gefahr wieder nach Csilla verlegt … während Naporar höchstwahrscheinlich an einer Umstellung der Verteidigungsflotte zu arbeiten hat.“

„Voraussetzung ist natürlich, dass man auf Csilla diesen Kriminellen überhaupt Glauben schenkt“
, knurrte der riesenhafte Kommandant der „Hunter“, Captain Helkosh, daraufhin. „Es wäre nicht das erste Mal, dass die Chiss – in ihrer wohlbekannten Arroganz – von solchen Dingen gar nichts hören wollen. … Mit allem Respekt, Mister Thrass.“

Unwillkürlich blickte das Gros der Anwesenden erwartungsvoll zu dem Chiss. Doch dieser ließ sich nicht zu einer Entgegnung hinreißen. Stattdessen musterte er mit seinen rubinroten Augen bloß den grünhäutigen Riesen. Toji, der vor seiner ganz unerwarteten Zuteilung zur „Wanderer“-Flottille die ihm bekannte Galaxie nie verlassen hatte, baute auf das Wissen und die Erfahrungen dieser beiden Offiziere. Denn obwohl sie aufgrund ihrer Herkunft vollkommen unterschiedlich waren, waren sie beide hier draußen, in den Unbekannten Regionen, geboren und aufgewachsen. Verglichen mit ihm besaßen sie somit eine Vielzahl jener Vorteile, die ihm hin und wieder fehlten. Behutsam nippte der halbseitig entstellte Commenorer an seinem Caf. Heiß und bitter mochte das servierte Getränk zwar sein, aber es belebte trotzdem hervorragend seine müden Geister. Kurz räusperte er sich.

„So wie ich Joyriak und Bascout bisher erlebt habe, werden sie wegen dieser möglichen Bedrohung schon ausreichend stark auf die Chiss einreden“, warf der Commodore ein. „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass man bei all den angeblichen Expansionsplänen, die Bastion antreibt, wirklich eine solche Gefahr unangetastet lassen wird.“ Kurz pausierte er und sah dabei bewusst langsam in die Runde. „Da wir aber so oder so keinen Einfluss auf diesen abschließenden Schritt haben, sollten wir unser Augenmerk allein auf all jene Faktoren richten, die wir mit unserem Wirken beeinflussen können. Ich schlage somit vor, dass wir die noch ausstehenden Puzzlestücke zusammen tragen und danach über das weitere Vorgehen beratschlagen.“ Bei den anwesenden Offizieren regten sich keine Widerworte. „Mister Jervada, wie fortgeschritten ist man bei der Decodierung sowie Sichtung der erbeuteten Daten?“

Dass Beseitigen letzter weißer Flecken war ein überaus wichtiger Schritt. Denn je größer die Menge an vorhandenen, gesicherten Informationen im Vorfeld war, desto gezielter konnte man die weitere Planung vornehmen. Eine unausgegorene Vorbereitung, mochte sie im Kern eigentlich auch noch so zutreffend sein, führte im schlimmsten Fall bloß dazu, dass höhere Stellen letztendlich den Ernst der Lage verkannten und – sofern sie überhaupt handelten – falsche Maßnahmen anwiesen. Dies galt es zu verhindern. Während der angesprochene Wachoffizier kurz seine Unterlagen sortierte, nippte der Kampfgruppenkommandant noch einmal an seinem Caf. Langsam hatte er sich daran gewöhnt trotz seiner körperlichen Makel ohne Probleme kleinere Mengen an Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Im Gegensatz zu den ersten Tagen, die er nach dem Unfall bewusst erlebt hatte, ein wirklich gewaltiger Fortschritt. Immerhin konnte er sich nun auch in Gemeinschaft anderer Leute zeigen. Schweigend ruhte sein Blick auf dem menschlichen Lieutenant.

Obwohl sich der Dritte in diesem Moment höchstwahrscheinlich wünschte, Lieutenant Commander Calway säße an seiner statt hier, raffte sich Jervada nach einer minimalen Verzögerung doch auf, um einen allgemeinen Bericht abzugeben. Seine Stimme klang ganz angenehm als er sagte:
„Momentan ist unsere Kommunikationsstation je Wache bloß minimal besetzt, um stattdessen mehr Kapazitäten für ein rasches Entschlüsseln und Sichten der Daten zu haben. Ich weiß, dass Lieutenant Monchar eigentlich seine verdiente Freiwache hätte, Sir, aber bislang hat es in der Tat noch keiner geschafft diesen sturen Neimoidianer von seiner Konsole loseisen zu können. Wirklich!“ Begleitet von einem unsicheren Schmunzeln sah der hellblonde Lieutenant in die Runde, fuhr sich beim Ausbleiben des erhofften Lachens etwas nervös durch das mit der Zeit gewachsene Haar und konzentrierte sich im Anschluss daran wieder auf das Berichterstatten. „Laut der letzten Meldung von Deck Eins sieht es so aus, dass sowohl die Aufzeichnungen der Piraten als auch der 'Händler' nicht vollständig sind. Es ist zwar schon eine Rekonstruktion im Einsatz, aber der Erfolg scheint gering zu sein...“

Sa-vin und ich könnten Ihnen, Lieutenant, bestimmt ein paar Leute zur Verfügung stellen“, brachte sich plötzlich Commander Pohar ein. „Sowohl die 'Spectre' als auch die 'Animus' wurden von KDY schließlich als 'Aufklärer' konzipiert … und in diesem Sinne haben wir beide Besatzungen natürlich auch gedrillt.“ Er tauschte einen vielsagenden Blick mit seinem Kollegen aus. „Selbstverständlich möchte ich Ihrem Neimoidianer nicht die Expertise absprechen, Commodore, aber je mehr helfende Hände wir einsetzen, desto schneller erzielen wir brauchbare Resultate.“

Nachdenklich kratze sich Toji am Kinn. Der Einwand hatte zweifellos seine Berechtigung. Monchar mochte demnach zwar gerade alle Register ziehen, die ihm hier an Bord der „Abyss“ zur Verfügung standen, aber auch ein Imperial-Sternzerstörer mit einer Gesamtbesatzung von immerhin etwas über siebenunddreißigtausend Mitgliedern konnte letztendlich nur auf eine begrenzte Zahl an Ressourcen zurückgreifen. Früher oder später würden all jene Matrosen und Unteroffiziere, die eine Befähigung im Bereich „Kommunikation“ besaßen, ausgebrannt sein. Sollte der Commodore das vorgetragene Angebot somit annehmen? Während Pohar mit stoischer Ruhe in die Runde blickte, klebten Sa-vins Augen erwartungsvoll an dem Kampfgruppenkommandanten. Eigentlich, so dachte er nach, hatte er etwas andere Pläne mit den beiden Korvetten der Vigil-Klasse gehabt. Gemeinsam mit der „Hunter“ sollten sie nach Chiss'Aria'Prime fliegen, um mit dem dortigen Vice Admiral – sozusagen Vis-a-Vis – Kontakt aufzunehmen. So umging man jedenfalls ein potenzielles Abfangen durch irgendwelche Dritten. Des Weiteren galt bei vielen Dingen ja oftmals: Viele Köche verderben den Brei. Dennoch traf Toji nicht pauschal eine Entscheidung.

„Mister Pohar, ich hatte mir eigentlich überlegt, ob die 'Animus' und die 'Spectre' nicht gemeinsam mit der 'Hunter' dem Admiral Bericht erstatten könnten“, entgegnete der Commodore zwar anfangs, schob dann aber nach: „Können Ihre Kommandos mit einer geringeren Besatzung im Hinblick auf die Kommunikationsstationen auskommen? Ich schätze, bei einer generellen Besatzungsstärke von achtzig Mann dürften drei, vier Mannschaftler als Unterstützung ausreichen. Unteroffiziere oder gar ein Offizier bräuchte es – so denke ich – nicht. Oder wie sehen Sie das, meine Herren?“

Beide Kommandanten gaben keine Widerworte, weshalb Jervada sagte: „In Ordnung. Dann schicke ich nachher jeweils eine Fähre zu beiden Korvetten, Sir.“

„Sehr gut, sehr gut“, murmelte Toji, notierte sich die Entscheidung schnell in seinem Datapad und richtete seine Aufmerksamkeit anschließend auf den Tof. „Mister Helkosh, schon auf Sposia haben Sie sich um die Kursplanung unserer Kurierboote gekümmert. Wie schnell kann Ihre Navigation die entsprechenden Berechnungen anstellen? Und wie lang dürfte es wohl dauern bis Sie das Gebiet der einstigen Separatisten erreichen?“

Für die Imperialen war Zeit ein ziemlich wichtiger Faktor. Denn letztendlich mochten vielleicht nur Minuten darüber entscheiden, ob alle Stellen rechtzeitig informiert waren oder ob die Vagaari ohne Mühe die äußersten Chiss-Planeten überrannten, bevor man auf Csilla und Bastion reagierte. Schon irgendwelche Hyperraumsprünge konnten somit ein echter „Zeitfresser“ sein. Denn verglichen mit dem Reisen innerhalb der zivilisierten Galaxie, wo fast schon jeder Kubikmillimeter kartografiert war, waren hier draußen in den Unbekannten Regionen nur wenige Routen tatsächlich bekannt. Das lag unter anderem an der spärlichen Besiedlung bewohnbarer Planeten sowie an dem zum Teil sehr geringen Technologiestandard. So manche Spezies hier draußen mochte noch nicht einmal über das Wissen verfügen, das einem das Reisen zu den Sternen überhaupt erst ermöglichte. Für Toji wirkte es sich in diesem Fall vorteilhaft aus, dass er in seiner Einheit tatsächlich ein paar echte Veteranen im Bezug auf die Breiten hatte. Deren Expertise konnte er sich nun nämlich zunutze machen.

Helkosh, der auf die menschlichen Imperialen stets ein klein wenig „barbarisch“ wirkte, lehnte sich vor.
„Sir, eine gesonderte Kursberechnung kann ich in knapp einer Stunde vorlegen. … Sollte mein Navigator vorher aber noch die 'Animus' und die 'Spectre' konsolidieren, könnten es vielleicht auch zwei Stunden bis zum Sprung werden.“ Er grunzte. Offenbar ging er im Kopf schnell ein paar Zahlen durch. „Meiner groben Berechnung zufolge dürften wir bis Chiss'Aria'Prime wohl gut einen Tag brauchen, wenn es zu keinen Zwischenfällen kommt! Rechnen Sie zur Sicherheit also lieber mit etwas mehr...“

„Das ist nicht gerade wenig Zeit...“
, gab der High Colonel plötzlich zu bedenken. Obwohl dessen Blick schläfrig wirkte, schien er hellwach zu sein. „Sie, Commodore, könnten so zwar ein bisschen Druck aus der Entschlüsselung der Bordcomputer nehmen, aber bis sich Joyriak in Bewegung gesetzt und Csilla erreicht hat, könnten sich am anderen Ende des Chiss-Territoriums die Schiffe beider Parteien schon längst beharken – und wir kämen somit zu spät. … Wäre es demnach nicht sinnvoller, wenn wir gleichzeitig die Botschafterin informieren würden?“ Fragend blickte Clamont in die Runde. „Ich könnte mir vorstellen, dass Sie in der Zwischenzeit auch schon mit Bastion Verbindung aufnehmen könnte.“

Und wieder ein berechtigter Einwand. Da die Informationen bislang nichts darüber aussagten, wann die Vagaari mit ihrer Invasion beginnen wollten, tappten die Imperialen diesbezüglich noch immer im Dunkeln. Des Weiteren konnte keiner in der Runde mit Gewissheit ausschließen, dass der ihnen unbekannte Feind nicht vielleicht doch die Verhaftung seiner Handlanger mitbekommen hat. Sollte außerhalb des Bogo Rai-Systems also tatsächlich gerade ein feindlicher Verband warten, könnte ein weiteres Entblößen der eigenen Kampfgruppe, indem man noch mehr Schiffe als Boten verwendete, bloß als „Einladung“ zum Angriff missverstanden werden. Daten, die man nicht mitgegeben hätte, könnten so im schlimmsten Fall verloren gehen. Folglich saß Toji nun gezwungenermaßen in einer richtigen Zwickmühle. Wie lang mochten denn „Abyss“, „Chaser“ und „Corbis“ wohl allein gegen mehrere Feinde bestehen? Sein Magen krampfte leicht bei dem Gedanken daran.

Bascout könnte man in der Tat auch schon vorab informieren...“, tastete sich der Commodore kurz darauf an eine vorsichtige Erwiderung heran. „Commander Nywthons 'Cellarius' wäre wohl bestens dafür geeignet. Jedoch stellt sich mir in diesem Fall die Frage, ob die Kampfgruppe dann nicht ein zu großes Risiko eingeht. Schließlich war uns der Eroberungswille der Vagaari bislang vollkommen unbekannt. Nachdem wir diese Piratenbande unschädlich haben und sie sich nicht mehr irgendwo melden können, könnte der Feind auch eine Einheit abstellen, um hier nach dem Rechten zu sehen. … Ich möchte zwar nicht behaupten, dass ein imperialer Sternzerstörer hier draußen nicht für die gewohnte Drohkulisse sorgt, aber eine geschwächte Kampfgruppe kann auf der anderen Seite auch sehr einladend wirken.“

Der „Kriegsrat“ war zwiegespalten. Während ein Teil der Anwesenden bei Tojis Worten schweigend nickte, schien der andere Teil – angeführt von Jervada – nicht einverstanden damit zu sein. Ja, hier machte ihm die weitverbreitete Tradition unter Flottenangehörigen, man solle stolz auf sein Schiff sein, ein Strich durch die Rechnung. Zwar würde der versehrte Commenorer in den nächsten Tagen nicht gleich einer Meuterei gegenüberstehen, aber eine Beleidigung dieser Form konnte ihm noch die nächsten Wochen und Monate nachgetragen werden. Und sollte man sich dann schon im Kampf gegen die drohenden Invasoren befinden, konnte das trotzdem noch recht erhebliche Auswirkungen auf die Moral an Bord haben. Sollte er also doch – zugunsten seiner „Abyss“ – den Vorschlag von High Colonel Clamont annehmen? Um einer eventuellen Schmach innerhalb der übergeordneten Einheit zu entgehen, schien sein Dritter Offizier inständig darauf zu hoffen. Obwohl ihm die Entscheidung also nicht schmeckte, ließ er sich darauf ein.

„Nun gut, gehen wir das 'Risiko' ein“, sagte er am Ende leicht widerwillig, vermied dabei aber einen zähneknirschenden Unterton. „Mister Nywthon, entsprechend dem Vorschlag des High Colonels werden Sie Ihr Schiff ebenfalls vorbereiten. Springen Sie auf direktem Wege nach Csilla und überbringen Sie Madame Bascout höchstpersönlich die Mitteilung, die ich an beide verfassen werde.“

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Es schien dem hellgrauen Imperial-Sternzerstörer „Abyss“ sichtlich schwer zu fallen seine orbitale Position zu verlassen, nachdem er fast zwei komplette Standardtage in einer stabilen Umlaufbahn – ohne Nutzung der riesigen Hecktriebwerkssektion – um Bogo Rai gekreist war. Obgleich das Heck in seiner Helligkeit in diesem Moment einem Pulsar glich, nahm der stählerne Koloss nur langsam, ganz langsam an Fahrt auf. Doch der Eindruck, dass man sich jeden einzelnen Kilometer, der einen von diesem verödeten Planeten trennte, hart erkämpfen musste, hielt nicht besonders lang an. Denn schon in jenem Augenblick, als sich die Lancer-Fregatte „Chaser“ und der Eskortträger „Corbis“ zu dem altgedienten Kriegsschiff der Imperialen Flotte gesellten, war er längst verschwunden und man pflügte so erhaben wie eh und je durch den luftleeren Raum.

Baniss Foster, der in diesen Stunden als Dritter Wachoffizier auf der Hauptbrücke seinen Dienst tat, trat pflichtgetreu an seinen anwesenden Kommandanten, Commodore Toji Murata, heran und teilte diesem ohne Umschweife mit:
„Das Ruder konstante Geschwindigkeit bei vierzig MGLT, Sir.“ Sein Blick sprang kurz zum Chrono. „Rendezvous mit der 'Tempest' demzufolge in einer halben Stunde.“

Der Commodore, der im Stuhl des Kommandanten saß, nickte als Antwort bloß. Knapp eine ganze Stunde, bevor der schwere Kreuzer der Vindicator-Klasse Funkkontakt zur „Abyss“ aufgenommen hatte, hatten die im Zuge der wenige Tage zuvor stattgefundenen Übung ausgesetzten Sensorsonden dessen Ankunft – sowie die seiner drei Begleitschiffe – bemerkt und dem Sternzerstörer kurzerhand via gebündelten Richtstrahl gemeldet. Dass Vice Admiral Joyriak tatsächlich die lange Reise nach Csilla in Angriff genommen hatte, war ab diesem Moment der Besatzung dementsprechend gewiss gewesen. Trotzdem hatte man es – gemäß dem gängigen Protokoll – den Ankömmlingen überlassen sich bei dem Sternzerstörer mit den passenden Identifizierungscodes zu melden. Erst nachdem man diese bestätigt hatte, hatten der Kampfgruppenkommandant und der ihm vorgesetzte Kommandeur der „Wanderer“-Flottille kurz über das weitere Vorgehen von Angesicht zu Angesicht ausgetauscht.

„Danke, Lieutenant“, entgegnete Toji gelassen und musterte dabei mit gewohnt gemessenem Blick seinen Untergebenen. Das Kratzen, das seit dem Unfall sozusagen zu seiner Stimme gehörte, war in diesem Moment kaum zu hören. „Lassen Sie kurz vor dem Rendezvous-Punkt an meine Schiffe das Signal 'Formieren zum geordneten Sprung' geben. Nachdem die Botschafterin die Chiss inzwischen bestimmt aufgescheucht hat, möchte ich bei denen einen ordentlichen Eindruck hinterlassen.“

Der Dritte gestattete sich ein schiefes Lächeln. „Kein Schimpf und Schande unserer geliebten Flotte. Verstanden, Sir!“

Zackig salutierte der athletisch wirkende Mensch von Boudolayz, drehte sich anschließend sogleich auf den Absätzen um und ging direkt zu den beiden voll besetzten Brückengräben zurück. Obgleich sich seine Gedanken in diesem Augenblick schon längst wieder mit der anberaumten Besprechung beschäftigten, sah er dem emsigen Dritten noch einen Moment lang nach. Erst als dieser zwischen den Stationen verschwunden war, wanderte sein Blick langsam weiter und verfing sich irgendwann in der Leere. Wie sollte er – abgesehen von den in seinen Arrestzellen sitzenden Ebruchi-Piraten – die Chiss von einer möglichen Invasion überzeugen? Hatten deren Kundschafter schon längst ohne Mitwissen des Galaktischen Imperiums einige Indizien gesammelt? Oder tappten die blauhäutigen Fastmenschen gänzlich in Unwissenheit? Da sich seine Kontakte bislang auf Thrass und das greise Oberhaupt der Sabosen-Familie beschränkten, konnte er die Zahl möglicher Reaktionen nur schwer, äußerst schwer einschätzen. Bei seinen Gedankenspielen stieß er dabei immer wieder auf eine recht zentrale Frage: 'Und was passiert mit mir, wenn man mir am Ende nicht glaubt?'

Bei konstanten vierzig MGLT glitt die alte „Abyss“ – begleitet von zwei kleineren Kriegsschiffen – durch das dunkle Vakuum. Ungehindert ließ man Kilometer für Kilometer hinter sich. Und derweil man sich dem von der Navigation angedachten Treffpunkt weiter näherte, behielt die Sensorik alle relevanten Vorgänge im System aufmerksam im Auge. An der bestehenden Formation, ein Imperial-Sternzerstörer wird von einer Fregatte der Lancer-Klasse und einem Eskortträger flankiert, änderte sich seit dem Lösen aus Bogo Rais Orbit eine ganze Weile nichts. Erst als das Rendezvous mit den anderen imperialen Schiffen kurz bevor stand, ließ sich das klobige Trägerschiff plötzlich Stück für Stück zurückfallen, während die Fregatte in einer eleganten Bewegung unter den hellgrauen Koloss sank. Zur gleichen Zeit setzten mit einem Mal die beiden agilen Vigil-Korvetten, die sich bis dahin im „Fahrwasser“ der „Tempest“ befunden hatten, dazu an, jeweils den freigewordenen Platz an der Seite des größeren Kriegsschiffs einzunehmen. Ebenso verhielt sich auch der mitgereiste Carrack-Kreuzer. Denn in dem einen Moment mochte er noch zwar über dem Vindicator-Keuezer schweben, aber bloß Minuten später fand man ihn vor der abgerundeten Spitze des Sternzerstörers wieder. So blieb dem schweren Kreuzer am Ende bloß noch übrig sich einige hundert Meter über der „Abyss“ in die Formation einzugliedern.

Toji, der in der Zwischenzeit den Stuhl des Kommandanten hinter sich gelassen hatte, verfolgte das Spektakel von seinem Stammplatz hinter dem Panoramafenster aus. In den letzten Monaten mochte seine Kampfgruppe zwar nicht besonders oft – und zudem auch nicht besonders lang – in Formation unterwegs gewesen sein, aber über das Umsetzen grundsätzlicher Abläufe konnte er sich als deren Befehlshaber nicht beschweren. Ein guter Eindruck, so seine Einschätzung, war ihm demgemäß bei Joyriak gewiss. 'Schon mal eine Sorge weniger, um die ich mich ansonsten wohl auch noch hätte kümmern müssen', dachte er sich in diesem Zusammenhang zufrieden, straffte fix mit der gesunden linken Hand seine Uniform und wandte sich anschließend mit ernster Miene der Brücke zu. Fleißig arbeiteten die sich unter ihm befindenden Besatzungsmitglieder an den brummenden Konsolen ihrer Stationen. In jenen Momenten, da nicht ein anderes Kriegsschiff nach ihrem Tod trachtete, liebte er dieses beständige Hintergrundgeräusch. Nach all den Jahren im Dienste der Imperialen Streitkräfte vermittelte es ihm kurioser Weise ein Gefühl von „Normalität“.


„Mister Foster, geben Sie das Signal 'Bereitmachen zum Sprung' aus“, befahl der Commodore mit fester Stimme als sich die Blicke der anwesenden Besatzungsmitglieder nach und nach ausnahmslos auf ihn gerichtet hatten. Der Sprungalarm schrillte wenige Minuten später laut durch das gesamte Schiff. „Steuermann, bereiten Sie den Sprung nach Csilla vor. … Sprung in Drei … Zwei … Eins … Jetzt!“

[: Hyperraum | nach Csilla :||: „Wanderer-Flottille“; Dritte Kampfgruppe | ISD „Abyss“ | Deck Drei | Brücke :||: Commodore Toji Murata und die Dritte Wache :]

[OP: Weiter im Csilla-Thread]
 
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