Sols Tagebuch

Dr. Sol

Sith Lord aus Leidenschaft
Teammitglied
ich habe zur Bewältigung meiner Depression begonnen, Gedanken in Form von Geschichten niederzuschreiben. Hier mal eine. Je nachdem wie es mir geht werden weitere dazu kommen.
 
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Blumen

Als Kind habe ich mir nichts aus Blumen gemacht. Sie waren einfach da. Geschenke zum Muttertag oder zum Geburtstag, na klar. Aber ich ließ die Floristin einfach machen.

Valentinstage waren für mich der Horror. Blumen werden verteilt und ein kleiner, dicker Junge mit Brille geht stehts leer aus. Haben die Lehrer eigentlich nie verstanden, dass dieser Tag einer öffentlichen Vorführung, Demütigung gleicht?

Sie mag Blumen. Aber sie versteckt sich hinter unsichtbaren Mauern. Ein Kristallpalast mit hohen Türmen und Zinnen. Manchmal kommt sie aus ihren Palast, und wir wandern gemeinsam in ihrem Schlossgarten. Wir reden, lachen und schweigen zusammen und es fühlt sich an wie Freundschaft. "Welche Blumen magst du?", frage ich sie eines Tages und sie antwortet schüchtern: "Tulpen. Am liebsten blaue." Sie lacht kindlich. Sie ist noch sehr jung. "Aber ich weiß natürlich, dass es so etwas nicht gibt."

In mir keimt ein kühner Plan. Ein bisschen googeln, und schon kann man den Alchemisten spielen. Weiße Tulpen kaufen und in blaue Tinte stellen. Schon ist er fertig, der blaue Blumenstrauß.
Ich will den Plan umsetzen, wenn ich sie das nächste Mal besuche. Doch dann die Enttäuschung. Tulpen gibt es nicht im Spätsommer. Ich hätte wohl besser in Biologie aufpassen sollen. Ich bin verzweifelt, weil ich nicht weiß was ich ihr sonst mitbringen soll.

Am Ende komme ich mit leeren Händen zu ihr. Doch es ist egal. Sie hat sich längst wieder in ihren Kristallpalast zurückgezogen, hinter Mauern aus Eis, und hat den Schlüssel weggeworfen.

Ich suche einen Weg zurück zu ihr, zurück in den Schlossgarten. Doch ich finde ihn nicht. Sie sieht und hört mich nicht mehr. Am Ende bleibe ich allein zurück, mit einer Schiffsladung überquellender Liebe, mit der ich nichts anzufangen weiß.
 
Asche

An manchen Tagen wünsche ich mir, die Menschheit würde aufhören, zu existieren. Ein Atomkrieg, der alles Menschliche auf der Erde auslöscht. Eintausend dutzend Millionen Grad heißer Feuerbälle, die alles verzehren. Und danach - Stille.

Nur noch der Bach, der leise, aber jetzt scheinbar atemberaubend laut vor sich hinplätschert. Die Wipfel neuer Bäume, die der Asche der alten Welt entwachsen und leise im Wind vor sich hin- und herwiegen. Die Stimmen zahlloser Tiere, die die alten Territorien zurückerobern.

In einer Waldlichtung sehe ich einen Hirsch, der mich mit großen, schwarzen Augen ansieht. Ich erwidere den Blick und denke mir: Dieses Tier klagt mich nicht an. Es fällt kein Urteil über mich. Es enttäuscht mich nicht, und ich kann es auch nicht enttäuschen. Es sagt nicht "du nervst", weder laut noch hinter vorgehaltener Hand. Es ekelt sich auch nicht vor mir. Es liebt mich auch nicht, aber das ist schon ok. Es toleriert mich einfach so, wie ich bin.

Ich verharre noch kurz in diesem Traumbild und werde sehr traurig. Was ist bloß aus mir geworden, dass diese Vision mein Zufluchtsort werden konnte?
 
Herbst

Der Herbst beginnt jetzt.
Ein Raunen geht durch die Wälder. Die Baumwipfel färben sich langsam in kupfer- und goldfarben. Es scheint ruhig, doch bei genauerem Hinsehen sieht man wuselnde Eichhörnchen und andere Tiere, die sich auf den langen Winter vorbereiten.

Herbst, das bedeutet Abschied nehmen vom wärmenden Sonnenlicht. Herbst, das sind lange Spaziergänge im tiefen Wald über knirschendem Laub. Herbst, das bedeutet Stille, Einkehr, mit einer warmen Tasse Kaffee auf dem weichen Schemel während draußen der Wind die Blätter durcheinander wirbelt.

Im Herbst fühle ich mich geborgen, und doch verspüre ich in mir eine Unruhe. Ist auch der Herbst des Lebens für mich angebrochen? Werde ich je der Einsamkeit entkommen, die mich wie ein Spreisel im Finger noch mehr quält?
 
Die ersten zwei Texte habe ich anfang dieser Woche geschrieben, als es mir gerade mal wieder sehr schlecht ging. Text 3 war noch ein etwas nachdenkliches nacharbeiten. Gerade geht es mir wieder besser. Das niederschreiben und das Feedback im PSW haben mir dabei geholfen.
 
Mal was positives:

Warum fallen wir?

An Tagen wie heute stelle ich mir vor ich wäre Batman. Der dunkle Ritter der Nacht, Rächer der Unschuldigen und Schutzlosen, gedemütigt von seinem Erzfeind und hinabgeworfen in eine tiefe Grube, mit zerbrochenem Rückgrat.

Mein Rücken ist nicht zerbrochen, doch meine Seele fühlt sich so an. Ich fühle mich wie in einem Gefängnis, einem tiefen Loch. Ich blicke nach oben. Blass dringt von dort Tageslicht ein. Die Lichtstrahlen tragen kaum Wärme und kommen mir vor wie aus einer weit entfernten Galaxie, alt und möglicherweise längst erloschen.

Ich betrachte die Wände meines Verließes. Sie sind glatt und glitschig. Und doch, in die Wände eingelassen ist eine Leiter. Alt und morsch, voller gefährlicher Fallen, die man vorsichtig umgehen muss. Manche Stufen sehen aus wie Pergament, als ob sie bei der kleinsten Berührung unter meinen Händen zu Staub zerfallen würden. Weiter oben erkenne ich verworrene Irrwege, die einen Ausgang zum Licht versprechen, um dann doch im Nirgendwo zu enden, sodass man einige Stufen wieder zurück nach unten klettern muss.

Der modrige Geruch des Todes liegt in der Luft. An diesem Ort, diesem selbstgemachten Gefängnis für meine Seele, kann ich nicht bleiben. Ich beginne zu klettern. Erst eine Stufe, dann die nächste, dann die nächste. Holzmehl und Staub rieselt herab. Ich blicke nach unten und erblicke spitze, heimtückische Steine. Die Furcht, beim nächsten Sturz endgültig zerschmettert zu werden, übermannt mich. Ich möchte wieder zurückklettern.

"Eigentlich wollt ich ja...?" Wer kennt das nicht? Zu oft begleitete mich dieser Satz im Leben. Vor einigen Jahren entdeckte ich die Lust am bergwandern. Aus eigener Kraft einen Berg erklimmem, an einer Felswand hochklettern, unter freiem Himmel auf dem Gipfel zelten. Dies wurde mein Wunschtraum. Doch mein starkes Übergewicht verhinderte es. Ich beschloss mich zu ändern, aktiver zu werden. Ich war erfolgreich, die Pfunde purzelten. Erst 5 kg, dann 10 kg, irgendwann 25 kg. Am Ende hatte ich mein Wunschgewicht sogar unterschritten. Doch irgendwann über Nacht hatte ich das Ziel aus den Augen verloren. Der Traum, zu klettern, erfüllte sich nicht. Ich erfand immer neue Ausreden. "Alleine ist es doof. Es ist zu teuer. Ich bin k.o.", und so weiter. Letzendlich auch die Furcht, zu fallen? Am Ende blieb es ein Traum.

So erging es mir mit vielen Wünschen, und mit jedem nicht erfüllten Wunsch wurde die Leere noch erdrückender.

Mit diesen Enttäuschungen durch nicht erfüllte Träume muss Schluss sein. Ich darf verpassten Chance nicht länger hinterher trauern. Aus "eigentlich wollte ich ja..." muss "ich werde..." werden.

Ich werde wieder zeichnen und schreiben. Ich werde wieder aktiver und mich im Sportverein anmelden. Ich werde mich tätowieren lassen und Kontaktlinsen tragen. Ich werde meine Berührungsängste und mein überzogenes Schamgefühl abstreifen und tanzen lernen.

Ich schüttle zum letzten Mal meine Furcht ab und klettere weiter die Leiter hoch, dem Licht entgegen.

Warum fallen wir? Damit wir lernen, wieder aufzustehen.

Morgen erwartet mich die Kletterhalle.
 
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Seeschlange

Ich hatte einen Traum.
Vor meinem geistigen Auge sah ich eine riesige Seeschlange, grün und mit leuchtenden Augen. Sie war eingesperrt in ein viel zu kleines Becken. Attraktion für ein sensationsgeiles Publikum. Wahr gewordener Seemansgarn.

Ich war im Gehege zusammen mit der Schlange. Ich wusste nicht, warum. Am Rande des Beckens erkannte ich Steine, die aus dem Wasser ragten, nass und glitschig. Ich sprang von einen Stein zum anderen, immer weiter weg vom Beckenrand. Ich hatte keine Angst.

Plötzlich hob die Schlange ihren Kopf aus dem Wasser. Sie war wirklich riesig. Mindestens ein, vielleicht auch zwei Omnibusse. Sie starrte mich mit großen, roten Augen an. Ich erwiderte ihren Blick. Ich erkannte ein menschliches Wesen, den Wusch, austubrechen, zurück ins Meer, wo die Schlange herkam. Ich spürte einen Hass auf die Welt, einen Zorn, den den ich mir nicht erklären konnte.

Ich erschrak und erwachte aus meinem Traum, als ich erkannte, dass in Wirklichkeit ich diese Schlange war.
 
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Feuer

Feuer war das Gefühl, das mich lange prägte. Ein Gefühl der Furcht und der Wut, ein Hass auf die Welt. Das Gefühl, immer zu scheitern, egal wie sehr man sich anstrengte.
Das Feuer loderte, es kletterte die höchsten Bäume hinauf. Es verschlang alles. Ein Inferno.
Etwas bewegte sich. Es hatte Flügel? Ein Feuervogel? Nein, ein Drache!
Es erhob sich in die Lüfte. Die Aschewolken teilten sich, gaben den Blick frei auf eine strahlende Sonne. Neue Gefühle kamen auf, verdrängten alle Ängste und den Hass. Hoffnung, Mut, Zuversicht.
Der Drache bewegte lautlos seine Schwingen und flog auf kupferfarbene Berge zu, einer neuen Zukunft entgegen.
 
Warum fallen wir? - Teil 2

Der Weg sieht gut aus. Ich werfe einen Blick nach oben und sehe, dass ich mich immer mehr dem Licht nähere. Das dunkle, schwarze Loch, aus dem ich gekommen bin, schrumpft immer mehr zusammen und die Steine sind längst nicht mehr erkennbar. Weiter und weiter klettere ich die Stufen der Leiter empor und eine Woge der Euphorie macht sich breit. Ist das endlich der Weg in die Freiheit?
Plötzlich stutze ich. Die Stufen hören auf und nur noch die nackte, glatte Wand liegt über mir. Bis zur Sonne ist es noch ein weiter Weg. Enttäuschung macht sich breit. So weit oben und doch eine Sackgasse?

Eine Frau mit Kindern trat in mein Leben. Ich verbrachte Wochen lang fast ausschließlich Zeit mit ihr, lernte ihre Familie und Freunde kennen. Wir lachten und weinten gemeinsam. Wir unternahmen viele Dinge zusammen, tauschten Zärtlichkeiten aus, genossen die körperliche Nähe. Es fühlte sich sehr gut an. Endlich angekommen. Doch dann von ihr die Worte, die alles zunichte machen: "Ich liebe dich nicht".
Doch keine gemeinsame Zukunft. Eine weitere Sackgasse.

Resigniert trete ich den Rückzug nach unten an, zurück in das schwarze Loch. Irgendwo da unten muss die Abzweigung sein die ich verpasst habe, und die mich hoffentlich in das Licht führt.
 
Kopf und Herz

Wir stehen uns gegenüber, von Angesicht zu Angesicht. Nackt, schutzlos und ehrlich. Wir haben keine Geheimnisse.


Ich blicke in dein schönes Gesicht. Du lächelst, aber in deinen dunkelbraunen Augen erkenne ich eine tiefe Traurigkeit. In diesem bittersüßen Moment spüre ich eine Wärme in meinem Herzen. Du bist der erste Mensch der mich versteht, der mein Lächeln durchschaut, nicht wegsiehst. Du hast mir das Leben gezeigt und eine Familie.


Mein Herz möchte dich festhalten, dich vor allem Bösen beschützen, dir alle schönen Dinge dieser Welt zeigen.


Mein Verstand warnt: Lass sie gehen!


Mein Herz protestiert. Ich komme näher auf dich zu, schaue tief in deine schönen Augen. Unsere Lippen berühren sich fast. In meinem Herzen entsteht das Bild einer gemeinsamen Zukunft.


Mein Verstand brüllt mich an: “Lass sie endlich los!” Ich zucke zusammen, erwache plötzlich wie aus einem Fiebertraum.


Ich trete zurück, erkenne wie zerbrechlich und verletzlich du bist. Dein Herz verträgt keine neue Liebe mehr. Ich begreife. Manchmal muss man los lassen, um für jemanden da zu sein, auch wenn es weh tut.


Mein Herz resigniert, lässt dich endlich los. Aber nicht ganz. Meine Liebe zu dir hat Spuren hinterlassen. Du bist meine erste echte Liebe. Als Freund und Bruder möchte ich dir künftig zur Seite stehen, dich trösten, beschützen und dich auffangen wenn du am Abgrund stehst. Auf dass uns nichts auf dieser Welt mehr trennen kann.
 
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