Fresia (Fre'ji-System)

[ Fresia – Coromon Islands – Hill City – Hafen – Docks | mit Giselle ]

Wann hatte er eigentlich zum letzten Mal das Meer gesehen?
Als Kind war er häufiger am Meer gewesen und am Strand. Das Lieblingsreiseziel seines Vaters war stets Alderaan gewesen – eine Welt mit Bergen und Wiesen, Meer und Strand, viel Kultur zum Lernen und Gegenden zum Entspannen. Alad Wingston war ein Liebhaber der alderaanischen Kultur und wann immer er sich von seinem Schreibtisch loseisen konnte, war er mit seinem Sohn dort hingeflogen. Exodus‘ Blick verlor sich in der Weite des blauen Ozeans. Jetzt war er also wieder einmal am Meer und bisher hatte er es noch kaum richtig wahrgenommen. Die Aussicht auf Fingers Mark schien für Giselle ausreichend gewesen zu sein um ihm zu folgen – wenn auch nicht auf privater, sondern auf geschäftlicher Basis. Aber vielleicht würde ihn der vermeintliche Zauber dieser Inseln ja auch noch für sich einnehmen. Oder der Zauber seiner Begleiterin.
Exodus sah zu Giselle hinüber und nickte.


„Ja, Zeit zum Aufbruch.“

Um seine Worte zu unterstreichen, drückte er sich mit den Armen von der Mauer hoch, stand auf und sprang galant auf die großen Steinplatten der Docks zurück.

„Ich bin auch schon gespannt.“

sagte er noch der Vollständigkeit halber und auch wenn es nach einer Phrase klang, meinte er die Worte doch ernst. Sein musternder Seitenblick traf Giselle, die jetzt ebenfalls von der Mauer aufstand. In ihrer Personalakte hatte eine Sache gestanden, die ihn sehr verwundert hatte. Sie war verheiratet. Giselle Givenchy war in festen Händen. Zumindest theoretisch, denn sie war allein hier auf Fresia – offenbar gestrandet, denn ansonsten würde eine ehemalige Commander der republikanischen Flotte sicher nicht als Tänzerin in einer Bar arbeiten. Oder doch? War sie nur ihrem Herzenswunsch gefolgt? Nur wenn sie das getan hatte, wo war dann ihr Mann?
Wie waren überhaupt die Regeln in einem solchen Fall? Durfte er eine verheiratete Frau angraben? Er war schließlich auch verheiratet und wenn sie sich offen für derlei Dinge zeigte – wo war dann das Problem? Oder fühlte sie sich deshalb so verboten an - weil er tief in seinem Inneren wusst,e das es falsch war? Er war kein Mann, dem man ob seines Lebenslaufes besonders viel Ehre zuschreiben würde, auch wenn er sich selbst gerne so sah. Traf ihn da wirklich sein Ehrgefühl?
Nein, jeder war für sich selbst verantwortlich. Yuna hatte sich auch entschieden, ohne ihn zu fragen. Unwillkürlich sah er weg, blickte nach vorne zu dem Schiff und setzte sich zielstrebig in Bewegung. Giselle sollte seine grimmig zusammengezogenen Augenbrauen nicht sofort sehen. Es war ein schöner Tag, auf ihn wartete eine gute Zeit und an seiner Seite war jetzt eine neue Frau, wenn auch vorerst nur beruflich. Kein Grund Trübsal zu blasen. Exodus zwang sich zu einem Lächeln und winkte den Männern zu, die eben den Wassergleiter fertig beladen hatten. Er begrüßte sie schließlich knapp, schüttelte einmal alle Hände und betrat dann, mit Giselle in seinem Rücken, das Schiff. Der Captain folgte ihnen als letzter und startete kurz darauf den Motor, während sich Exodus sofort zur Spitze des Gleiters bewegte. Es gab ein kleines Deck, auf dem man stehen und sitzen konnte und er hatte beschlossen, die Überfahrt hier oben zu verbringen. Hoffentlich hatte Giselle keine gegenteiligen Pläne. Wobei – worüber machte er sich eigentlich Sorgen? Er war jetzt ihr Chef und wenn er Instruktionen für sie hatte, dann würde sie zuhören müssen.


„Giselle?“

sagte er sofort in unbestimmte Richtung in seinem Geschäftston, um sie zu sich zu rufen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das Geländer des Decks und blickte zu der jungen Tänzerin, die jetzt seine persönliche Assistentin war. Wie leicht die Dinge manchmal gingen.

„Ein paar Dinge gibt es noch zu besprechen, bevor wir auf Fingers Mark eintreffen.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und dachte kurz nach. Was musste sie alles wissen, was gab es sofort zu tun?

„Wenn wir ankommen, wird der bisherige Projektleiter noch dort sein. Sein Name ist Bas Goarland, er ist ein Mensch. Er arbeitet schon lange für unser Unternehmen und das Projekt hier auf Fresia sollte eigentlich eine nette Aufgabe für ihn werden. Wir hatten alle nicht damit gerechnet, dass ihm der Tagesrhythmus und die Kommunikationsschwierigkeiten im Camp so sehr zusetzen. Bas wird uns dort rumführen und uns einmal auf den aktuellen Stand der Dinge bringen. Ich denke das sollte für heute das wichtigste sein: Wir müssen uns einen Überblick verschaffen und uns allen dort vorstellen. Ich weiß nicht, inwiefern Bas das Team auf unsere Ankunft vorbereitet hat. Ich würde Sie bitten, mich bei diesen ersten Inspektions- und Vorstellungsrunden immer zu begleiten. Einerseits, damit jeder sofort weiß, dass Sie ab jetzt meine rechte Hand sind und zweitens, um bei eventuellen Verständigungsschwierigkeiten sofort eingreifen zu können. Kriegen Sie das hin?“

Sein fragender Blick ruhte einen Moment auf ihr, gefährlich kurz davor, sich in ihrem Antlitz zu verlieren. Eine geschäftliche Beziehung mit dieser Frau – das würde auf Dauer harte Arbeit werden. Sie war einfach so verdammt anziehend! Ihr Sommerkleid flatterte im Wind und zeichnete die Konturen ihres Körpers nach. Er zwang sich, ihr in die Augen zu blicken.

„Natürlich müssen wir noch unsere Quartiere beziehen, aber ich denke, das wird nicht allzu lange dauern. Da es bisher keine Assistenz der Projektleitung gab, müssen wir möglicherweise ein bisschen umdisponieren, damit Sie ein eigenes Zelt bekommen.“

dachte er laut.

„Danach können wir noch eine kleine Tour über die Insel starten. Ich bin gespannt, was uns dort erwartet. Und – achja! Ich hatte es zwar schon gesagt, aber Bas ist ziemlich überfordert mit der Situation. Lassen Sie ihn nicht wissen, dass ich Ihnen das anvertraut habe. Er sollte mit Respekt behandelt werden, das hat er sich verdient.“

Schließlich stahl sich doch noch ein verschmitztes Grinsen auf seine Züge und er zuckte glucksend mit den Schultern.

„Sie sehen schon: Ich werde meine Geheimnisse mit Ihnen teilen. Nutzen Sie dieses Wissen gut. Das ist jetzt Ihr Job.“

Die Motoren des Gleiters waren mittlerweile angesprungen und langsam setzte sich das Schiff in Bewegung. Raus aus Hill City, ab zu Fingers Mark.

[ Fresia – Coromon Islands – Hill City – Meer – im Wassergleiter | mit Giselle ]
 
- Fresia – Coromon Islands – Hill City – Meer - Wassergleiter– Mit Exodus –

Das Plätschern des Wassers, wenn die kleinen Wellen sich an der Außenhülle des Gleiters brachen, war Musik in Giselles Ohren. Von den vielen Männern, die geholfen hatten das Fahrzeug zu beladen, kamen nur wenige mit an Bord. Die meisten von ihnen waren Hafenarbeiter gewesen, so wie sie sich bereits gedacht hatte. Die Angestellten der Wingston Corporation hatte Exodus einzeln per Händedruck begrüßt, eine höfliche und respektvolle Geste, wie Giselle fand. Als Geschäftsführer konnte er sich sicherlich auch ein anderes Verhalten leisten. Dass er dies nicht tat, brachte ihm bei Giselle Sympathiepunkte ein. Ruhm und Erfolg waren nichts, wonach die Vahla strebte und nichts, wonach sie bei Anderen suchte. Wer sich beides zu Kopf stiegen ließ, verlor zu leicht den Blick für die Realität und die wirklich wichtigen, nämlich die einfachen Dinge im Leben. Sie standen auf dem geräumigen Deck, als der Gleiter startete und an Fahrt aufnahm, sich leichtfüßig über das Wasser schob und es nur scheinbar berührte, sich hob und senkte und für eine Weile glatt über die Wellen glitt, um dann wieder über ihnen hinweg zu schweben. Exodus hatte sich sofort zur Spitze des Gleiters bewegt und stand nun fast neben dem Piloten. Giselle hatte sich ein wenig zurück fallen lassen, war aber noch nah genug, um wieder zum ihm aufzuschließen, falls er gedachte ihr Gespräch von vorhin weiter zu führen. Zu viel waren sie nicht gekommen, als sie auf der Mauer an den Docks gesessen hatten. Mit diesem Gedanken bereits im Hinterkopf überraschte es sie nicht weiter, als er sie tatsächlich zu sich rief. Er klärte sie auf, über die wenigen Dinge, die er ihr bereits im Voraus über ihre neue Arbeit erzählen konnte. Seine erste Handlung, sobald sie auf Palm Island angekommen waren, würde wohl sein, den bisherigen Projektleiter abzulösen und zu entlassen. Ob er gleich mit dem Gleiter wieder zurück zum Festland fahren würde? Zu vermuten war es. Der Name des Mannes war Bas Goarland, er war ein Mensch und, wie Exodus Giselle zuvor schon anvertraut hatte, hatte er nicht die leichteste Zeit auf Palm Island gehabt. Nach dieser ersten Amtshandlung plante Exodus eine Besichtigung des Camps und der vorhandenen Einrichtungen, bei denen er Giselle bat ihn zu begleiten – eine vollkommene logische Konsequenz.

„Natürlich.“

Erwiderte Giselle, als er sie fragte, ob das für sie in Ordnung gehe und sie es hin bekäme, bei eventuellen Verständigungsschwierigkeiten schlichtend einzugreifen – auch wenn sie an diesem Punkt bezweifelte, dass er mit seinen eigenen Arbeitern Probleme haben würde.

„Je früher wir uns mit den direkten Gegebenheiten vor Ort vertraut machen, umso besser.“

Es würde später Nachmittag bis früher Abend sein, bis sie tatsächlich dazu kommen würden, einen Rundgang zu machen und so seltsam Fresias Tagesrhythmus sonst auch erschien, diesmal war es ein Vorteil, dass es die ganze Nacht über hell bleiben würde. Somit würden sie wenigstens nicht vor dem Problem stehen, dass ihnen das Tageslicht ausging.

„Und keine Sorge, Ihre Geheimnisse sind natürlich sicher bei mir.“

Giselle lächelte. War das möglicherweise ein Flirtversuch von ihm gewesen, oder hatte sie in die Art, wie er sie angesehen hatte, mehr hinein interpretiert als tatsächlich gewesen war? Seine Bemerkung hatte durchaus vollkommen professionell gemeint sein können und trotzdem stand außer Frage, dass Exodus Wingston ein Mann war, der sich seiner Wirkung auf Frauen vollkommen bewusst war und diese genoss. Giselle wandte den Blick auf’s Meer. Er würde sich entscheiden müssten, welche Art Vorgesetzter er sein wollte.

„Über die Quartiere machen Sie sich keine Gedanken. Es wird sich schon ein Platz für mich finden und ich bestehe auch nicht auf ein eigenes Zelt.“

Stellte sie klar, zum einen um ihm zu zeigen, dass sie sich durchaus mit den Gegebenheiten vor Ort arrangieren konnte und zum anderen, um ihm eines der Probleme zu nehmen, über die er möglicherweise nachdachte. In seiner Position hatte er vermutlich eine lange Liste an Dingen, um die er sich zu kümmern hatte und die ständig wuchs und wuchs. Wie viel Zeit blieb da für die Dinge, die er gerne tat, fernab der Firma? Giselle lehnte an der Reling. Unter ihr tanzten die Wellen und wenn sie geduldig genug war, konnte sie dann und wann ein paar Fische sehen, die den Wassergleiter in rasendem Tempo ein Stück weit auf seiner Fahrt begleiteten. Der Wind wehte kühl, hier draußen auf dem Meer, doch die Vahla genoss die frische Brise und das Kitzeln ihrer Haare, die ihr der Wind in die Augen wehte und ihr Gesicht verdecken ließ. Sie war nicht enttäuscht, als der Pilot eine Frage an Exodus richtete, ihn für eine Weile in ein Gespräch verwickelte und sie Gelegenheit hatte die Aussicht ungestört zu genießen. Gedankenverloren schlenderte sie zur Rückseite des Gleiters, ließ sich dort auf einer der aalglatten Oberflächen nieder, die Frauen anderes Kalibers vermutlich benutzten um sich zu sonnen, und setzte sich im Schneidersitz hin, den Rücken gegen die Reling. Die warme Sonne auf ihrem Gesicht, die kühlen Gischt des Meere im Nacken, genoss sie das Gefühl, über dem Meer zu schweben und in ein neues Leben zu segeln, dessen Wunder und Herausforderungen sie erst noch würde erkunden müssen. Den Moment genießend zog sie eine Zigarette aus ihrer Tasche. Der Wind machte es ihrem Anzünder schwer, auch nur die kleinste Flamme zu erzeugen, doch nach ein paar Versuchen hatte sie es geschafft. Genüsslich nahm Giselle einen Zug, schloss die Augen und lauschte auf die Geräusche um sie herum. Vor ihrem inneren Auge konnte sie bereits Fingers Mark sehen. Nicht mehr lange…

Die von Giselle geschätzte Zeit bezüglich ihrer Fahrtdauer hatte in einem guten Bereich gelegen. Nach etwa 1 ½ Standardstunden war zum ersten Mal ein schmaler Landstrich in Sicht. Der Gleiter näherte sich der nördlichen Spitze von Signs Island, die sie in östlicher Richtung passierten, um zwischen Signs- und Rings Island direkten Kurs auf die große Hauptinsel zu nehmen, sodass sie schon bald auf beiden Seiten, wenn auch weit voneinander entfernt, die sattgrünen Farben dichter Baumkronen erkennen konnten. Exodus hatte den Großteil der Fahrt damit verbracht, sein Datapad zu studieren, sich Notizen gemacht oder Nachrichten geschrieben. Dann und wann hatte Giselle zu ihm herüber geschaut, um zu sehen, ob er sich überhaupt einmal von der Arbeit ablenken ließ um die Fahrt zu genießen. Jetzt stand sie auf, griff ihre Tasche und spazierte zu ihm hinüber.


„Haben Sie ihn gesehen?“

Fragte sie, blieb vor ihm stehen und deutete mit einem Nicken in Richtung der links von ihnen gelegenen Inseln – Rings Island.

„Der große Felsen von Alquola. Die Mon Calamari nennen ihn so. Ich glaube, er soll eine heilende Wirkung besitzen.“

Erzählte sie, sich an das erinnernd, was sie selbst gelernt hatte, als sie zum ersten Mal hier gewesen war. In ihren Füßen kribbelte es. Als Vahla kannte sie keine Heimat, doch dieser Ort hier versprach so viel, dass sie es nicht abwarten konnte, zu ihm zurück zu kehren… jetzt und immer wieder und wieder und wieder.

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[ Fresia – Coromon Islands – Hill City – Meer – Wassergleiter | mit Giselle ]

Während der restlichen Überfahrt hatte sich Exodus noch einmal mit den wichtigen Daten der Operation hier auf Fresia vertraut gemacht, Bas Goarland eine Nachricht geschickt und ihre Ankunft erneut angekündigt, sowie seinem Vater eine Nachricht mit ähnlichem Inhalt geschrieben. Gar keine Frage: Das waren sinnvollen Tätigkeiten, gerade für einen Projektleiter. Trotzdem hatte er sich nicht verkneifen können immer wieder von seinem Datapad hoch zu Giselle zu schielen. Seine neue Assistentin hatte sich zurückgezogen, nachdem ihr Gespräch von dem Captain des Gleiters unterbrochen worden war. Er hätte die Fahrt lieber mit einer längeren Unterhaltung verbracht und mehr über sie in Erfahrung gebracht. Gerade die Sache mit ihrem Ehemann – irgendwann würde er sie darauf ansprechen müssen. Vermutlich als beiläufige Bemerkung, so ein Thema eignete sich nicht gut für eine direkte und ernst gemeinte Frage. Zumindest nicht bei ihrem derzeitigen Beziehungsstand. Sie waren Vorgesetzter und Mitarbeiter – mehr nicht. Das hatte Giselle ihm schon in der Bar klar gemacht. Klar war aber auch, dass er sich so leicht nicht abspeisen lassen würde.

Giselle hatte sich die Zeit, soweit er gesehen hatte, mit nichts weiter vertrieben, als sich die Landschaft anzusehen und gelegentlich genüsslich an einer Zigarette zu ziehen. Erst mit der Ankunft der ersten Inseln Fingers Marks hatte er das Datapad gänzlich bei Seite gelegt und sich ebenfalls umgesehen. Signs und Rings Island. Das waren die Namen dieser beiden kleinen Flecken Erde. Sie waren, das musste er eingestehen, eine Augenweide, ein fantastische Mischung aus Grün, Gelb und Blau. Die Flora war von einem saftigen grün, der Strand leuchtete gelb in der Sonne und das alles wurde eingerahmt vom Blau des Himmels und des Meeres. Und schließlich kam auch Giselle wieder zu ihm hinüber und sprach ihn an. Bei ihren Worten reckte Exodus seinen Hals noch einmal in Richtung der Insel zu ihrer Linken, während der Wind ihm die kurzen Haare zerzauste.


„Oh ja. Der große Fels da also?“

Das klang wie eine dämliche Touristen-Frage, aber was machte das schon? Er hatte Giselle eingestellt, weil sie sich hier auskannte, also war klar, dass er das nicht tat – und dann war er auch nicht viel mehr als ein Tourist.

„Alquola.“

wiederholte Exodus den Namen des angeblich heilenden Felsens. Es war durchaus wichtig, sich solche Dinge zu merken, wenn sie mit den Mon Calamari in Verbindung traten.

„Wie kann man dessen heilende Wirkung wohl empfangen?“

fragte Exodus seine Assistentin, in dem Wunsch den kurzen Smalltalk weiter fortzuführen. Doch abermals machte ihm der Captain einen Strich durch die Rechnung. Er streckte seinen Kopf aus seiner kleinen Steuerkabine und rief zu ihnen hinüber.

„Sir! Wir sind gleich da. Halten Sie sich bereit.“

Der Geschäftsmann verdrehte die Augen. Auf die Idee war er auch schon selbst gekommen. Aber es half nichts. Er schenkte Giselle ein kurzes Lächeln und bewegte sich zum anderen Ende des Decks, um sich sein Gepäck zu schnappen. Sie würden noch Zeit zum reden haben, früher oder später. Er musste nichts überstürzen, auch wenn das leise Flüstern in seinem Kopf ihn ständig dazu anfeuerte. Wieder glitt sein Blick zu ihr hinüber. Die Natur schien sie jedes Mal komplett in ihren Bann zu ziehen, auch jetzt konnte er die Faszination in ihren Augen erkennen. Kein Wunder, das Giselle seinem Angebot schließlich doch nachgegeben hatte.
Der Captain steuerte eine kleine Bucht an, von der Exodus in seinem Dossier gelesen hatte, das Bas Goarland sie als kleinen Hafen auserkoren hatte. Die Bucht war, ob ihrer natürlichen Gegebenheiten, ideal geeignet, da die Felsen einen natürlichen Anlegesteg für die Gleiter bildeten. Goarland hatte darauf verzichtet, direkt beim Camp eine künstliche Anlegemöglichkeit zu erbauen, um den Auflagen der Regierung gerecht zu werden, möglichst wenig an der Natur zu verändern. So hatten Goarland und seine ersten Mitarbeiter noch durch das niedrige Wasser zum Strand waten müssen. Das blieb Exodus und Giselle nun erspart, wobei er vermutete, das Giselle wenig daran auszusetzen gehabt hätte. Er selbst hätte auch Gefallen daran gefunden, sich die Hosenbeine hochzukrempeln und ins Meer hinunter zu springen. Aber das konnte er sich bei seinem ersten Auftritt als Projektleiter nicht erlauben. Heute musste er noch seriös über den Steg an Land gehen.

Der Gleiter drosselte langsam sein Tempo und der Captain steuerte gemächlich den künstlichen Steg an. Exodus schirmte die Augen mit der Hand vor der blendenden Sonne ab und probierte die wartenden Personen zu identifizieren. Am Ende des Stegs stand Bas Goarland, der weißhaarige, dickliche Projektleiter, dessen Job er heute übernehmen würde. Hinter ihm stand ein All-Terrain-Gefährt, vor dem wiederum zwei Menschen und drei Nautolaner warteten. Sie waren wohl mit dabei, um die Kisten mit Proviant und Ausrüstung zu tragen. Exodus hob grüßend die Hand, obwohl er sich nicht sicher war, ob die wartenden Männer es überhaupt wahrnahmen.


„Also dann.“

sagte er mehr zu sich selbst, als zu Giselle, auch wenn die Vahla nun wartend neben ihm stand. Der Captain hatte den Gleiter zum Stillstand gebracht und kam nun wieder auf das Duo zu. Die beiden Männer klärten noch einmal die weiteren Bedingungen – der Captain würde auf Bas Goarland warten und ihn wieder mit zum Festland nehmen – und verabschiedeten sich schließlich mit einem Händedruck. Exodus ließ Giselle den Vortritt beim Verlassen des Gleiters und folgte ihr nach, mit einem kleinen Satz, hinüber auf den massiven Felsen. Gemeinsam liefen sie den Steg entlang, der wartenden Gruppe entgegen. Erneut hob Exodus grüßend einen Arm, der mit mehrfachem Nicken bei Goarland und den Männern bestätigt wurde. Dann schlossen sie zu dem Trupp auf, Exodus reichte zuerst Bas Goarland die Hand. Er lächelte den älteren Mann an.

„Hallo Mister Goarland. Freut mich Sie wieder zu sehen.“

Mister Goarland. Es war eine alte Angewohnheit von Exodus den Mann zu siezen. Früher als er noch jünger gewesen war, hatte Goarland schon eine leitende Position in der Firma eingenommen. Der ältere lächelte ihm auch zu. Es war eine merkwürdige Mischung aus Skepsis und Erleichterung.

„Hallo, Sir. Ich habe ein paar Männer für den Transport mitgebracht.“

„Sehr gut.“

quittierte Exodus kurz und schüttelte den erwähnten Männern die Hände. Dann war es an der Zeit Giselle vorzustellen. Er wandte sich wieder an Goarland, sprach aber zu der gesamten Mannschaft.

„Die junge Frau an meiner Seite ist Giselle Givenchy, die die Stelle der Assistenz der Projektleitung ausfüllen wird. Sie ist die perfekte Besetzung für diesen Posten und ich bin froh, sie gefunden zu haben.“

Nach der gegenseitigen Begrüßung der Männer an Giselle – einem der beiden Menschen konnte man überdeutlich ansehen, dass er die attraktive Vahla am liebsten mit den Augen ausgezogen hätte – erhob Bas Goarland wieder die Stimme.

„Also Männer – ab zum Gleiter, die Kisten müssen alle hier rüber.“

Die drei Nautolaner und zwei Menschen setzten sich in Bewegung, vor allem die Nautonaler waren richtige Muskelpakete, wie Exodus anerkennend bemerkte. Während sie an ihm vorbei gingen, richtete Goarland noch einmal das Wort an sie und klang dabei zufrieden, aber auch erschöpft.

„Und das ist mein letztes Kommando auf dieser Insel.“

Damit war es besiegelt. Goarland gab seinen Posten offiziell ab, Exodus übernahm das Zepter.

„Ich werde noch mit Ihnen zum Camp fahren und Ihnen einiges zeigen.“

„In Ordnung.“

bestätigte Exodus und ergänzte:

„Ich habe dem Captain gesagt, er soll so lange auf Sie warten. Dann können Sie zurück zum Festland fahren.“

Goarland nickte und wies Exodus und Giselle mit einer Geste in Richtung All-Terrain-Gefährt. Exodus wiederum lies Giselle den Vortritt beim Einstieg, während Goarland ihn sachte am Stoff seines Hemdes festhielt. Der Geschäftsführer blickte überrascht zu dem älteren Mann herum, dessen Mund sich zu einem Strich verengt hatte. Goarland senkte die Stimme.

„Sind sie wirklich sicher, dass sie die Richtige für den Job ist? Sie wirkt etwas … unprofessionell.“

Exodus hob erstaunt die Augenbrauen und blickte zu Giselle hinüber, die in der Fahrerkabine des Gefährts Platz auf einer längeren Bank Platz genommen hatte. Sie trug ein Sommerkleid, ja, aber ansonsten wusste er nicht, woran Goarland diese Befürchtung festmachte. Er schüttelte den Kopf und sagte mit klarer Stimme.

„Ja. Ich bin mir sicher.“

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Da waren sie also: Palm Island. Der Moment, in dem Giselle den ersten Fuß auf die Insel gestellt hatte, hatte sich angefühlt wie ein Schritt in ein neues Leben. Was veränderte sich hier? Was würde sie verändern? Wäre sie nicht an eine Verpflichtung gebunden gewesen, sie hätte vermutlich ihre Schuhe ausgezogen und wäre über den Strand gerannt, den heißen Sand unter ihren Fußsohlen brennend, das Rauschen des Meeres in ihren Ohren, das sie lachend willkommen hieß. All dies tat Giselle nicht. Sie kletterte als erste in das All-Terrain-Gefährt, das sie zum Camp bringen würde, gefolgt von Exodus Wingston, der mit dem bisherigen Projektleiter einige kurze Worte ausgetauscht hatte, die Giselle akustisch nicht verstanden hatte. Ihr Blick wanderte hinauf zu den Baumwipfeln, die das Ende des schmalen Strandes markierten und flüsternd ihre grünen Kronen zusammen steckten, als tuschelten sie über Giselles Ankunft. Einem Impuls folgend deutete Giselle das Anheben ihrer Hand an und winkte ihnen verstohlen zu. Ein nicht verschwinden wollendes Lächeln hatte sich in ihr Gesicht eingebrannt.

Bas Goarland war ein älterer Mann, der das Leben kulinarisch auszukosten schien und dessen weißes Haupt im Gegensatz stand zu Exouds' dunklen Haaren. Es brauchte keine Unterhaltung mit ihm, um zu wissen, dass er nicht hierher gehörte. Die Insel war nichts für ihn. Er verstand ihre Schönheit nicht. Seine Schritte im unter ihm nachgebenden Sand wirkten schwerfällig und die Hitze brachte ihn zum Schwitzen. Schwache, aber deutlich vorhandene nasse Flecken zeichneten sich unter seinen Achseln auf seinem Hemd ab. Dieser Mann hatte auf Fingers Mark keinen Platz und es war gut, dass Exodus heute gekommen war um ihn abzulösen. Die drei Nautolaner und auch die beiden Menschen, die sie empfangen hatten und nun damit beschäftigt waren den Gleiter zu entladen, hatten Giselle freundlich begrüßt. Sie hatte jedem von ihnen die Hand geschüttelt und sich bei der Vorstellung darauf konzentriert, sich ihre Namen gleich beim ersten Mal zu merken, auch wenn es nicht ganz einfach war, die Nautolaner auseinander zu halten.


“Wie weit ist das Camp entfernt?“

Wandte sich Giselle fragend an den mit der Gegend bereits vertrauten Bas Goarland, der seinen fülligen Körper als letzter auf das All-Terrain-Gefährt, welches sich nun in Bewegung setzte, gehievt hatte. Es war inzwischen später Nachmittag und die Sonne verschwand gerade mal wieder hinter einer der strahlend weißen Wolken, nur um Sekunden später wieder erneut hervor zu blitzen. Giselle nahm einen tiefen Atemzug. Palm Island war erreicht und sie spürte eine unbändige Vorfreude, die Insel zu erkunden, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Bucht – All-Terrain-Gefährt | mit Giselle ]

Ruckelnd setzte sich das All-Terrain-Gefährt in Bewegung. Die Ketten des Fahrzeugs gruben sich in den Sand, bis sie festeren Boden erreicht hatten und über einen breiteren Trampelpfad – dessen Ursprung durchaus genau dieser Wagen gewesen sein konnte – das Camp ansteuerten. Ihr menschlicher Fahrer sagte nichts, so wie es angemessen war, wenn sich der Chef und der ehemalige Chef über die Arbeit unterhielten. Bas Goarland hatte sich neben Exodus und Giselle auf die Rückbank der Fahrerkabine gesetzt, sodass der Platz neben dem Fahrer leer blieb. Die restliche Crew saß, mitsamt der sicher befestigten Proviantkisten, im hinteren Teil des Gefährts, auf zwei längeren Bänken. Durch eine Glasscheibe konnte man von der Fahrerkabine zu ihnen nach hinten sehen. Vielleicht hatte Goarland den Respekt wahren wollen und sich deshalb nicht auf den Beifahrer-Sitz gesetzt, doch Exodus wünschte, er hätte es getan. So war es zu dritt etwas eng auf der mit Kunstleder überzogenen Bank. Goarlands nasse Arme drückten sich gegen ihn und er rutschte instinktiv näher zu Giselle. Das wiederum war nicht die schlechteste Alternative. Nur fiel es ihm so schwer, sich auf Goarland zu konzentrieren. Ihre Anziehungskraft war fast physisch spürbar. Ihr Duft stieg ihm in die Nase und vernebelte seine Sinne. Sie roch nach Natur, nach Freiheit und nach Leidenschaft. Exodus glaubte Jasmin und Mango zu erkennen, konnte sich aber auch vollkommen täuschen. Er war nicht besonders gut in sowas. Ob sie ein Parfüm aufgelegt hatte oder ob das ihr natürlicher Duft war? Er hätte ihr auch letzteres zu getraut.
Giselle war die erste, die wieder das Wort ergriff und nach der Dauer ihrer Fahrt fragte. Goarland antwortete nur knapp:


„10 Minuten etwa.“

Danach sprach er Giselle nicht mehr an, würdigte sie keines Blickes und konzentrierte sich auf Exodus. Goarland erzählte von den aktuellen Fortschritten, wie der Plan für die nächsten Tage aussah, wie das Leben im Camp funktionierte. Vieles davon hatte er Exodus schon vorab in einem kleinen Dossier geschickt, aber Goarland verspürte wohl den Drang sich zu unterhalten. Als er auf die Einteilung der Schichten zu sprechen kam, sagte Exodus, der sich bisher auf „Hmm“ und „Ja“ oder „Verstehe“ beschränkt hatte:

„Für die Einteilung der Schichtpläne wird Miss Givenchy zuständig sein. Sie hat diese Aufgabe auch schon bei ihrem Job als Commander auf der ‚Legend of the Republic‘ im Dienste der Neuen Republik wahrgenommen.“

Bas Goarland hob erstaunt die Augenbrauen und lehnte sich etwas weiter vor, um Giselle ansehen zu können. Den Namen des Schiffes hatte sich Exodus eingeprägt, als er ihre Personaldaten studiert hatte - wieder und wieder und wieder. Es war kein Problem, ihm von ihrer republikanischen Vergangenheit zu erzählen. Goarland hielt sich, soweit er wusste, aus diesen Dingen heraus. Er verfolgte die alte Tradition seines Vaters: Neutralität – nur dann konnte das Geschäft auf Dauer gut laufen. Mittlerweile hatte Exodus dieses Credo auch verinnerlicht. Goarland nickte immerhin anerkennend, auch wenn sein musternder Blick noch einmal zu ihrem Sommerkleid herunter wanderte.
In den darauffolgenden Minuten zeigte sich Goarland aber freundlicher zu Giselle und bot ihr beim Aussteigen, als sie das Camp erreicht hatten, sogar die schwitzige Hand an. Wenigstens das hatte funktioniert. Diese arrogante Art Giselle gegenüber hatte Exodus nicht gefallen. Der ältere Mann übernahm im Camp ein letztes Mal die Führung, zeigte Exodus zuerst die größere und komfortablere Hütte, die er bisher bewohnt hatte. In der Mitte des größeren Raumes standen schon Goarlands gepackte Koffer. Exodus hatte für das alles nur einen kurzen Blick übrig. Einige der Mitarbeiter hatten ihre Ankunft verfolgt und er wollte sich gleich an sie alle mit ein paar Worten richten. Das war für den Anfang wichtiger als die Qualität seiner Unterkunft.
Gemeinsam umkurvten sie einige der andere Zelte, bis sie in der Mitte des Camps bei einem größeren Platz angelangten. Die Zelte waren in einem U um diesen Platz aufgebaut worden, sodass sich die große Fläche zum Strand hin öffnete. Goarland hatte erzählt, dass sie hier häufig lange Bänke und Tische für die Crew zu einem gemeinsamen Essen aufbauten. Das förderte das Teamgefühl und gab die Möglichkeit verschiedene Probleme bei der Arbeit zu besprechen. Diese Tische und Bänke waren zurzeit akkurat an der Seite des sandigen Platzes aufgestapelt.
Exodus baute sich neben Goarland und Giselle in der Mitte des Platzes auf. Der alte Mann hob donnernd seine Stimme und rief bis zum Strand hinüber.


„Leute! Alle mal herhören!“

Es war ein rauer Ton, den er anschlug und Exodus sah, wie er funkelnd zum Strand hinübersah. Der Großteil der Nautolaner tollte mit Wasserbällen im Meer herum. Goarlands Stimme hatte ihre Aufmerksamkeit erweckt und langsam trotteten sie zu ihnen herüber. Ein paar andere der Humanoiden streckten ihre Köpfe aus den Zelten und fanden sich ebenfalls auf dem Platz ein. Es schien durchaus ein vertrautes Prozerede für die Mannschaft zu sein, das Goarland hier eine Ansprache an sie hielt. Nur würde es heute nicht Goarland sein, der das Wort an sie richtete. Exodus wartete noch eine Weile, bis alle in Hörreichweite waren. Dann erhob auch er seine Stimme.

„Ich begrüße Sie alle recht herzlich. Mein Name ist Exodus Wingston. Üblicherweise leite ich die Geschäfte der Wingston Corporation von Coruscant aus. Doch ab heute werde ich die Projektleitung hier auf Fresia übernehmen. Ich habe gehört, Sie haben hier schon gute Arbeit geleistet und ich freue mich, dass wir diese jetzt zusammen fortsetzen dürfen.“

Exodus machte eine Kunstpause und sah zu der Mannschaft. Die Nautolaner überwogen in ihrer Anzahl eindeutig. Nur hier und da konnte man ein menschliches Gesicht ausmachen. Dann blickte er zu Giselle und lächelte sie an.

„Ich werde mich in den nächsten Tagen noch genauer vertraut machen müssen, mit der Situation hier auf Fresia – auch wenn Bas Goarland mich schon hervorragend gebrieft hat. Wenn es irgendwo Probleme gibt – oder Fragen – dann können Sie sich auch an meine Assistentin Giselle Givenchy richten. Sie hat Fingers Mark schon einmal einen Besuch abgestattet und weiß deshalb besser über die Gegebenheiten hier Bescheid als ich.“

Und mit einem Grinsen fügte er hinzu:

„Aber ich werde mich bemühen.“

Bas Goarland stimmte einen höflichen Applaus an und die meisten Mitarbeiter schlossen sich ihm an. Damit war das also schon getan. Einige der Nautolaner verschwanden nach dieser kurzen Rede sofort wieder im Wasser und setzten ihr eben abgebrochenes Wasserball-Spiel fort. Ein paar andere blieben in ihrer Reichweite stehen und Exodus nutzte die Gelegenheit um das persönliche Gespräch zu suchen. So schüttelten Giselle und er viele Hände und bekamen von manchen Mitarbeitern auch sofort Probleme geschildert. Ein Nautolaner namens Jak wollte eine andere Schicht zugeteilt bekommen, weil er unter Schlafstörungen litt. Exodus ließ Giselle ein Datapad aushändigen, sodass sich die Vahla diesen Fall sofort notieren konnte. Es war wichtig den Mitarbeitern zu signalisieren, dass sie solche Probleme ernst nahmen und sich darum kümmerten, egal ob sie gerade erst angekommen waren oder nicht.

Eine Stunde später hatten sie mit allen geredet, die verfügbar gewesen waren, jedem die Hand geschüttelt und unzählige Namen gehört. Exodus hatte schnell aufgegeben, sich all die Nautolaner-Namen merken zu wollen, zumal sie für ihn alle sehr ähnlich aussahen und nur freundlich genickt und gelächelt. Giselle und er brachten Bas Goarland abschließend zum All-Terrain-Gefährt zurück. Der ältere Mann würde heute noch die Reise zurück nach Coruscant antreten. Er schüttelte ihnen beiden kurz die Hand und versprach Exodus seinem Vater Grüße auszurichten. Dann verschwand er und sah dabei erleichtert, wenn auch nicht vollkommen glücklich aus. Exodus konnte das verstehen. In gewisser Weise war Goarland hier auf Fresia gescheitert. Ihm würde das nicht passieren, da war er sich sicher.


„Also dann.“

sagte er zu Giselle, während sie beide dem Kettenfahrzeug nachsahen, welches erneut den Trampelpfad in Richtung der Anlegebucht nahm. Der größte Rummel des ersten Tages war schon überstanden, auch wenn die Sonne noch lange nicht untergehen würde. Endlich waren sie allein. Und er war nicht gewillt, diesen Zustand allzu bald aufzugeben.

„Wo wollen Sie hin? Wollen wir uns gemeinsam hier in der Gegend umschauen?“

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Sie war nicht enttäuscht, als sie Bas Goarland verabschiedeten. Zwar hatte der bisherige Projektleiter sein abneigendes Verhalten etwas relativiert, als Exodus hatte durchblicken lassen, dass sie einen nicht ganz unwichtigen Posten bei der republikanischen Flotte inne gehabt hatte, Freunde wären sie aber vermutlich wohl niemals geworden. Der Mann hatte seine Pflicht erfüllt, indem er Exodus und Giselle vorgestellt und ihnen das Wichtigste gezeigt hatte und war vermutlich heilfroh, Fingers Mark endlich verlassen zu können. Giselles Gefühle standen dazu in einem starken Gegensatz: sie war froh, endlich wieder hier zu sein. Es schien ihr viel zu lange her, dass sie auf Rings Island gewesen war. Dass ihr Aufenthalt sich diesmal anders gestalten würde, war kein Nachteil, ganz und gar nicht. Nach den ersten Gesprächen mit den anwesenden Nautolanern hatte Giselle bereits das Gefühl, dass ihr die Arbeit hier Spaß machen könnte. Sie war gut darin, offen mit anderen umzugehen, ein Umstand, den die Mitarbeiter der Wingston Corporation sofort zu spüren schienen. Wenn jemand Probleme hatte, konnte er sich an Giselle wenden und einer von ihnen tat dies sofort, Giselle auf einen möglichen Schichtwechsel ansprechend. Die Vahla notierte sich seinen Namen und sein Anliegen und versprach ihm, nachzusehen, was sie für ihn tun konnte, sobald ihr die Pläne vorlagen und sie diese durchgesehen hatte. Exodus wurde aus vielen Richtungen neugierig beäugt. Er war der neue Chef und es war nur verständlich, dass seine Mitarbeiter ihn genau studieren würden. Dabei war der erste Eindruck, den er hinterließ, besonders wichtig. Ein erster Eindruck konnte über so vieles entscheiden. Während Giselle ihn beobachtete, wie er Hände schüttelte und sich von einer Vorstellung zur anderen arbeitete, fragte sie sich, was ihr eigener Eindruck von ihm war, doch es fiel ihr schwer, darauf eine Antwort zu geben. Sie hatte ihn kennen gelernt, als er versucht hatte mir ihr zu flirten. In der Red Square Bar hatte sie gedacht, er wolle die Nacht mit ihr verbringen. Sobald sie ihn in seine Schranken gewiesen hatte, hatte er jedoch einen gänzlich anderen Kurs eingeschlagen und diesen bisher beibehalten. Jetzt war er ihr Arbeitgeber, ihr Chef, und verhielt sich auch genau so, wenn auch etwas freundlicher und nahbarer als Giselle es bisher von den Menschen kennen gelernt hatte.

Als das All-Terrain-Gefährt aus ihrem Blickfeld verschwand und Bas Goarland damit endgültig verschwunden war, wandte sich Exodus an Giselle. Es war früher Abend und sie hatten noch nicht ihre neuen Unterkünfte bezogen, doch es schien ihn noch nicht wieder zurück in die Mitte des Camps zu ziehen, ebenso wenig wie Giselle. Eine Erkundungstour der umliegenden Gegend war genau das Richtige, um den Tag ausklingen zu lassen: sich noch einmal die Beine vertreten und einen Eindruck von Palms Island gewinnen.


“Sehr gerne.“

Stimmte Giselle Exodus‘ Vorschlag zu und deutete den Strand hinüber.

“Gehen wir ein Stück hier entlang?“

Sie hätten sich auch direkt durch die hohen Gräser am Ende des schmalen Sandstreifens einen Weg in den Wald bahnen können, doch ihr Gefühl besagte Giselle, dass sie sich dieses Abenteuer noch aufsparen wollte. Es war ihr erster Tag, sie trug ein dünnes Kleid und sie hatte Exodus neben sich. Sobald sie die Gelegenheit hatte, würde sie die Wälder der Insel erkunden, für heute genügte es vollkommen, den Strand entlang zu schlendern.

“Und, wie ist Ihr erster Eindruck?“

Wollte Giselle wissen und stellte sich die selbst Frage sogleich auch selbst.

“Meines Empfindens nach herrscht eine sehr entspannte Atmosphäre innerhalb der Nautolanergruppe, ein bisschen zu entspannt vielleicht. Die Arbeit schien für den Tag bereits eingestellt gewesen zu sein, als wir ankamen. Ich denke aber, dass wir das problemlos etwas drehen können.“

Gab sie ihm ihre Einschätzung der Situation. Sie würde tatsächlich als Erstes einen Blick auf die Arbeitspläne werfen und diese dann entsprechend neu ausstellen und anpassen. Ein bisschen sanfter Druck hier und da und die Arbeiter würden sich in ihre neuen Gruppen einfügen. So lange man nicht mit dem Brecheisen vorging, ließen sich solche Änderungen in der Regel problemlos durchsetzen. In gemächlichem Tempo sparzierten Exodus und Giselle den Strand entlang, rechts von ihnen das Meer, links die hohen Bäume, die die Grenze zum Dschungel markierten. In der Ferne konnte Giselle eine Anhäufung brüchiger Felsen erkennen. Sie hatten die Möglichkeit, dort umzukehren oder über sie hinweg zu klettern. Die Vahla blieb kurz stehen, hob ein Bein nach dem anderen und streifte ihre Sandalen von den Füßen, um den Weg barfuß fortzusetzen. Das hatte sie schon die ganze Zeit tun wollen.

“Ich würde auch gerne sobald wie möglich mit hinaus auf’s Meer fahren, um mir ein Bild davon zu machen, wie draußen auf dem Wasser gearbeitet wird, welches technische Equipment vorhanden ist und wie der tatsächliche Abbau funktioniert.“

Dieser Wunsch erschien Giselle nur schlüssig. Um ihre Arbeit gut machen zu können, musste sie alle Arbeitsschritte kennen lernen und verstehen.

“Das muss aber noch nicht gleich morgen sein.“

Fügte sie hinzu.

“Am besten dann, wenn es am ehesten passt.“

Sie hatten ja Zeit, erinnerte sie sich und sie würde auch bereits genug damit zu tun haben, sich die verwaltungstechnischen Gegebenheiten zu Gemüte zu führen. Dies würde ihren morgigen Tag ausfüllen. Und wenn dieser vorbei war, würde sie den Wald kennen lernen und die Insel erforschen, jedenfalls ein Stück weit. Sie hörte schon jetzt das melodische Rufen der Tiere und Pflanzen, der Felsen und der warmen Erde. Sie wollte die rauen Steine unter ihren Füßen spüren, mit den Händen über die Rinde eines uralten Baumes reiben und das zärtliche Gefühl eines Astes spüren, der mit seinen weichen Blättern über ihre Wange strich, wenn sie sich unter ihm hindurch bückte.

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Exodus spürte, wie die Anspannung langsam von ihm abfiel. Die Ruhe hier am Strand, der leichte Windzug, das Rauschen des Meeres und vor allem Giselle an seiner Seite, das alles tat ihm gut. Auch wenn er sich in der Rolle des Geschäftsführers wohlfühlte, so war es trotzdem etwas Besonderes vor einer ganzen Gruppe neuer Angestellter zu sprechen. Er war darauf bedacht, einen guten Eindruck zu machen. Im Endeffekt kam es darauf an, wie gut das Team arbeitete und seiner Erfahrung nach konnte ein gutes Verhältnis zum Chef dabei Wunder wirken. Nach dem Debakel bei Abregado-rae hatten einige Mitarbeiter der Wingston Corporation gekündigt – aber viele waren auch geblieben. Er rechnete seinem Einsatz auf dem Planeten diesen Erfolg zu.
Giselle war natürlich noch ein ganz anderer Fall. Es war ein merkwürdiger Drahtseilakt, den ganzen Tag schon. Ein sehr großer Teil von ihm wollte sie bezirzen, sich mit ihr über Persönliches unterhalten, ihr charmante Komplimente machen – sie kennen lernen, charakter- und körperlich. Gleichzeitig wusste er, wie sehr er sich zunächst zurückhalten musste. Er war jetzt ihr Chef und obwohl er diese Tatsache vor einigen Tagen noch als großen Glücksfall gesehen hatte, wurden ihm jetzt auch die Schattenseiten bewusst. Giselle war nicht Serah. Sie würde nicht sofort heute Abend die Beine für ihn breit machen. Sie war hartnäckig, professioneller oder einfach nicht interessiert. Während sie sprach, blickte er zu ihr hinüber und stellte sich vor, wie sie sich ins Wasser stürzen und die Kleider vom Leib reißen würde. Er grinste.


„Mein erster Eindruck?“

Er zwang sich, seine Gedanken zu sortieren. Ihre Frage hatte ihn an ihren Tanz in der Red Square Bar zurückerinnert, aber das hatte sie wohl weniger gemeint. Dieser erste Eindruck war zumindest sehr positiv gewesen. Mit ihr am Strand entlang zu spazieren war schon fast aufdringlich romantisch. Wie konnte sie da eigentlich nicht solche Gedanken haben?

„Es fällt mir schwer die Nautolaner auseinander zu halten. Bei einer Handvoll von ihnen ginge das vielleicht, aber fünfzig Stück … puh. Da haben wir eine Menge Arbeit vor uns.“

Exodus zuckte mit den Schultern, ließ seine rechte Hand lässig in die Hosentasche gleiten.

„Aber Sie haben Recht: Einige von ihnen schienen ganz erschüttert darüber, dass sie ihr Wasserball-Spiel unterbrechen mussten. Da sollten wir langsam etwas anziehen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Bas Goarland in dieser Hinsicht schon resigniert hat. Er hatte ja von Problemen mit den Nautolanern gesprochen.“

Der Geschäftsführer dachte an die Szene vom Nachmittag zurück, bei der einer der Nautolaner nach einem Schichtwechsel gefragt hatte. Giselle hatte sich der Sache schnell angenommen und der Nautolaner war zufrieden gewesen. Sie schien tatsächlich einen guten Draht zu diesen Jungs aufbauen zu können.

„Ich bin aber optimistisch, dass wir das hinkriegen. Sie waren wirklich gut heute.“

Er lächelte sie an. Ein weiteres Thema, das Giselle ansprach, war ihm auch schon durch den Kopf gegangen: Die weitere Tagesplanung und vor allem eine Fahrt aufs Meer hinaus.

„Ich hatte ohnehin geplant, mir mal anzusehen, wie genau der Abbau des Lumiums von statten geht. Wir haben ein paar Taucherausrüstungen für Menschen hier, also können wir uns den Arbeitern sicher anschließen. Ich würde das aber lieber erst noch ein wenig nach hinten verschieben – wir sollten uns zuerst um die grobe Organisation im Camp kümmern. Sie brauchen zum Beispiel noch eine Schlafgelegenheit.“

Es war eine Gratwanderung. Manchmal verschwieg er die Dinge, die ihm durch den Kopf gingen. Manchmal auch nicht. Sein Lächeln nahm einen verschmitzten Zug an.

„Im Zweifelsfall wäre auch meine Hütte groß genug.“

Natürlich war das nur ein Scherz. In seinem Kopf lief die Szene aber weiter: Giselle, die ihm einen Besuch in seiner Hütte abstattete, nur spärlich bekleidet, er, der er von der süßen Frucht kosten durfte. Sie war verboten. Er wollte sie. Und seine Zeit würde kommen. Wenn er bis dahin nicht schon völlig verrückt geworden war.

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Wie Giselle sich bereits gedacht hatte, würde es noch nicht so gut passen, gleich am nächsten Tag mit hinaus aufs Meer zu fahren, was ihr aber auch nichts aus machte und so nickte sie bestätigend zu Exodus‘ Vorschlag, noch etwas mit diesem Plan zu warten. Wenn es so weit war, konnten sie mit Hilfe von spezieller Taucherausrüstung den Nautolanern unter Wasser folgen. Auf dieses Ereignis, selbst wenn es Teil ihrer Arbeit war und kein Erlebnis zu ihrem reinen Vergnügen werden würde, freute sie sich schon jetzt. Unter Wasser wartete noch einmal eine ganz neue Welt auf sie, die sie bisher nicht kannte. Exodus‘ Lob zu ihrem Auftreten vor den Arbeitern nahm Giselle kommentarlos zur Kenntnis. Sie hatte nicht viel getan, außer zuzuhören und sich die Namen der Angestellten zu merken. Der schwierige Teil würde erst morgen kommen, wenn sie sich mit dem Projekt im Detail befassen würde.

“Sind Sie denn schon mal getaucht, mit einer solchen Ausrüstung, meine ich?“

Fragte Giselle interessiert.

“Ich hoffe es sehr, denn Sie müssten mir eine genaue Einweisung geben.“

Meinte sie lächelnd.

“Ich habe so etwas noch nie benutzt.“

Es würde spannend sein, die Unterwasserwelt rund um Fingersmark kennen zu lernen, doch die stand zunächst noch hinten an. Was Exodus dagegen ganz richtig bemerkte: sie hatten sich noch nicht um ihre Unterkünfte gekümmert, oder besser gesagt, um Giselles Unterkunft. Sie hatte die aus Holz gebaute Hütte gesehen, die etwas abseits der einheitlichen Zelte stand und die selbstverständlich dem Projekter, also Exodus, vorbehalten war. Er hatte in dieser Hinsicht also schon ausgesorgt.

“Ich werde schon einen Schlafplatz finden, da bin ich sicher.“

Erwiderte Giselle, als er ihr scherzhaft anbot, ihr Unterschlupf in seiner Hütte – oder seinem Bett? – zu gewähren, und ließ dabei offen, in wieweit sie damit auf seine Anspielung einstieg. Da war sie wieder, die Seite von Exodus Wingston, die versuchte, mit Giselle zu flirten. Abgeneigt war sie solchen neckischen Austäuschen in der Regel nicht, in der Kommunikation mit ihrem Vorgesetzten konnte dies allerdings durchaus zu Problemen führen. Wie kritisch war es, einen solchen Umgang miteinander zu führen? Erfahrungswerte, was dies anging und auf die sie hätte zurück greifen können, hatte Giselle nicht.

“Zur Not lege ich mich ins hohe Gras oder grabe mich am Strand in Sand ein.“

Scherzte sie und hätte die Vorstellung eines Schlafplatzes unter einem freien Sternenhimmel im Kopf gehabt, wenn sie nicht gewusst hätte, dass es noch etwas dauern würde, bis es auf Fresia wieder dunkel wurde.

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Na endlich! Endlich zeigte sie ihm wieder diese überaus charmante Seite, dieses Lächeln, das er – so kam es ihm zumindest vor – zuletzt bei ihrer Vorstellung in der Red Square Bar gesehen hatte. Seit er ihr in der Bar einen Job angeboten hatte, waren sie auf einer geschäftlichen Ebene gewesen. Er hatte es nicht geschafft, sie zu durchbrechen. Bis jetzt. Endlich öffnete sie sich ein bisschen, machte einen Scherz und lächelte wie die Sonne. Vielleicht lag es auch doch an der Atmosphäre, die ein Strandspaziergang unweigerlich verbreitete. Lächelnd sah er hoch zum Himmel. Die Sonne wurde von einigen Wolken verdeckt. Als Kind hatte sein Vater ihm immer wieder eingeprägt, nicht zu lange in die Sonne zu blicken, weil man davon blind werden konnte. Wieder traf sein Blick Giselle. Verbotene Frucht, gefährliche Sonne – wie er es auch drehte oder wendete, all diese Dinge waren ihm egal. Das Verlangen nach ihr und ihrem Geheimnis überdeckte alles. Die Vahla lief mittlerweile barfuß durch den Sand und trug ihre Sandalen in der Hand.

„Ich habe einige Male getaucht, ja. In meiner Jugend hatte ich noch Zeit für solche Dinge. Mein Vater ist mir gereist, wenn er Zeit hatte. Er wollte, das ich möglichst viel von der Galaxis sehe.“

War das eben schon ein Flirt von ihr gewesen? Sollte er weiter darauf anspielen, dass sie „Nachhilfe“ in Sachen Tauchen brauchte? Exodus sah sie schief an.

„Ich kann Ihnen gerne ein paar Tricks zeigen.“

Das musste genügen, auch wenn ihm einige andere Sprüche auf der Zunge gelegen hatten. Er wollte sich die kleinen Erfolge nicht sofort wieder selbst zerstören, in dem er allzu offensichtlich oder plump mit ihr flirtete. Das war zumindest die Art, die ihr offenbar nicht gefiel.

„Sie wollen sich im Sand eingraben?“

Exodus stieß ein kehliges Lachen aus.

„Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass Sie tatsächlich kein Quartier für die Nacht bekommen – denn das würde ich gerne sehen.“

Je mehr sie sich ihm öffnete, desto weniger musste er Sorge haben, zu weit zu gehen. Sie würde ihm signalisieren, wenn es ihr zu weit ging, da war er sich sicher. Aber ein harmloser Spaß, das war wohl in Ordnung. Exodus verlangsamte seine Schritte, als sich vor ihnen einige Felsen, die den Strand unterbrachen, auftaten. Sie waren nicht besonders hoch, theoretisch konnten sie also hinüber klettern. Er blickte von den Felsen zu Giselle hinüber und zog dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, seine Schuhe und Socken aus, stellte sie in den Sand und ging barfuß auf die Felsen zu.

„Lust auf eine kleine Klettertour?“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte er den rechten Fuß auf einen kleinen Vorsprung des Felsens und zog sich mit den Armen ein Stück hoch. Mit Schuhen wäre das nicht möglich gewesen. Er sah zurück zu Giselle. Sein Halt war jetzt fest, der Anstieg war relativ leicht. Er hielt ihr die Hand hin – symbolisch, weil sie diese kleine Anhöhe auch selbst überbrücken konnte.

„Kommen Sie!“

Wenn sie jetzt zustimmte und seine Hand ergriff, waren sie endgültig auf der privaten Ebene angekommen und konnten auch ein persönliches Gespräch führen. Es gab tausend Dinge, die ihn an der mysteriösen Frau interessierten. Was hatte sie wirklich hier her verschlagen? Wieso hatte sie bei der Republik aufgehört? Wieso war sie überhaupt dorthin gegangen? Und was – ja was – war mit ihrem Ehemann?

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Er hatte bereits Erfahrung im Tauchen und Giselle dachte, dass dies vermutlich nicht weiter verwunderlich war. Jemand wie Exodus Wingston, der eine Firma leitete und offensichtlich ein gutes Leben führte, hatte solche Dinge längst ausprobiert. Er erzählte, dass er früher mit seinem Vater gereist war – früher, das bedeutete, als er noch jung gewesen war. Seit er Verantwortung für die oder in der Wingston Corporation übernommen hatte, hatte er wahrscheinlich nur noch wenig Freizeit. Giselle stellte sich sein Leben vor wie das Leben eines Geschäftsmannes üblicherweise in den Medien beschrieben wurde: Arbeitstage, die die zwölf Stunden regelmäßig überschritten, keine Zeit für Hobbys und noch weniger Zeit für die eigene Familie, falls eine solche vorhanden war. Sie fragte sich, ob Exodus eine Familie hatte und vermutete, dass er Single war. Sein Verhalten ihr gegenüber ließ jedenfalls darauf schließen. Vielleicht war er aber auch einer jener Männer, die auf Reisen dennoch mit fremden Frauen flirteten und Ablenkung suchten. Sollte dies der Fall sein, würde sie sich von ihm fern halten, zumindest was die privaten Dinge ging. Betrug in einer Partnerschaft führte selten zu etwas Gutem, wie sie selbst schmerzlich hatte erfahren müssen und sie wollte nicht die Art Frau sein, die sich in eine Beziehung drängte und diese zerstörte.

“Ich lasse mir gerne von Ihnen helfen, wenn es so weit ist.“

Nahm sie schließlich sein Angebot an, ihr mit dem Gebrauch einer Taucherrüstung zu helfen und sah zu, wie er, jetzt wo sie bei den Felsen angekommen waren, die sie schon aus der Ferne gesehen hatte, seine Schuhe auszog, und sich anschickte hinauf zu klettern. Besonders weit waren sie noch nicht gegangen und es wäre schade, schon jetzt wieder zum Camp zurück zu kehren. Ohne zu zögern ließ Giselle ihre Schuhe achtlos in den Sand fahren, stellte ein Bein auf einen der Felsen und ergriff Exodus‘ ausgestreckte Hand, um sich von ihm hochziehen zu lassen. Kraftvoll zog er sie zu sich hinauf. Es war nicht hoch, doch Giselle hatte augenblicklich das Gefühl, als habe mit diesem Schritt das erste Abenteuer auf der Insel begonnen. Dicht neben Exodus stehend sah sie sich um. Die Felsen waren feucht von der Gischt des Meeres und glitschig dort, wo sie dunkel glänzten. Sie mussten nicht weit gehen und nur ein paar Steine überqueren, bis sie auf der anderen Seite wieder hinunter in den Sand springen konnten.

“Ich fürchte nur, es würde keinen guten Eindruck auf den Rest der Mannschaft machen, wenn der Projektleiter seine Assistentin draußen in einer Sandmulde schlafen lässt.“

Lachte Giselle und begann, sich geschickt von einem Stein zum nächsten zu bewegen.

“Es sei denn, man macht einen Versuch daraus, um das soziale Miteinander des Teams zu testen: wie viele Stunden muss ich ausharren, bis mir jemand aus Mitleid Platz in seinem Zelt bietet?“

Grinsend warf Giselle Exodus einen Blick zu und fast zeitgleich sprangen sie zurück in den Sand.

"Aber ganz ernsthaft, ich benötige nicht viel. Wenn in irgendeinem der Zelte noch eine einfache Matte für mich frei ist, bin ich rundum zufrieden."

Sie befanden sich nun an einer Stelle des Strandes, von wo aus sie das Camp nicht mehr sehen konnten. Abgesehen von den undeutlichen Spuren im Sand, die kaum lesbar, für Giselle aber trotzdem erkennbar waren, gab es kein Anzeichen dafür, dass hier irgendwo jemand lebte, geschweige denn eine ganze Gruppe von über 50 Personen. Giselle atmete tief ein. Das hier war erst der Anfang. Die Insel war groß und es würde noch sehr viel mehr zu entdecken geben.

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Wenn es so weit war, ließe sie sich gerne von ihm helfen. Das waren Giselles Worte. Wenn es soweit war ... das klang wie ein Versprechen. Exodus betrachtete Giselle eindringlich, als sie schließlich seine Hand ergriff und sich von ihm hochziehen ließ. Einen kurzen Moment lang sahen sie sich in die Augen. Diese Frau war ein einziges Versprechen. Und er hatte es geschafft. Sie waren auf der persönlichen Ebene. Heute Abend war vielleicht nicht alles möglich, aber doch schon eine ganze Menge.
Im Sand standen jetzt zwei Paar Schuhe. Giselles Sandalen und seine schwarzen Lederschuhe. Es sah aus, als gehörten die Schuhe einem Pärchen, das der Romantik des Augenblicks und dann einander verfallen war. Der Gedanke gefiel ihm. Natürlich hatte sein Interesse an Giselle trotzdem nichts mit Liebe zu tun. Hier ging es um den Reiz des Verbotenen, die Ergründung eines Geheimnisses. Er war einfach noch nicht bereit, noch nicht darüber hinweg.

Gemeinsam balancierten sie über die glitschigen Felsen, wobei Giselle die Anmut einer Tänzerin immer anzusehen war. Hier in der Natur, abseits von der neuen Arbeit, schien sie endgültig aufzutauen. Ihr Scherz brachte Exodus zum Lachen und ließ ihn kurzzeitig wanken. Nur sein schnelles Rudern mit den Armen verhinderte eine Bruchlandung auf den nassen Steinen. Trotzdem verlor er sein Grinsen nicht.


„Soweit ich von Bas Goarland gehört habe, werden die wenigen Nautolanerinnen im Camp von ihren männlichen Kollegen stark umschwärmt. Die Chance, dass Sie hier lange alleine gelassen würden, ist also eher klein, schätze ich.“

Er zwinkerte ihr zu. Ganz schön großspurig von ihm, über die Nautolaner zu witzeln, während er selbst schon mehrere Versuche gestartet hatte, Giselle für sich zu gewinnen. Vielleicht wertete Giselle es aber auch als Selbstironie. Ob die Nicht-Menschen eine Vahla überhaupt attraktiv fanden? Exodus musste gestehen, den Nautolanerinnen nicht unbedingt viel abgewinnen zu können. Natürlich konnten sie ganz hübsch sein, aber nur zum anschauen, mehr war da nicht drin. Er stand eher auf menschliche Frauen. Nun war auch Giselle kein Mensch – aber den Unterschied bemerkte man kaum. Zumindest würden bei ihr im Bett keine Tentakel auftauchen, wo man eigentlich keine haben wollte. Er hatte da so seine Erfahrungen mit einer Twi’ek gemacht …

Exodus machte einen großen Schritt zum letzten der Felsen. Damit waren sie am Ende der kleinen Felsanhäufung angelangt und ihre kurze Klettertour schon wieder beendet. Giselle machte einen vergnügten Satz hinunter in den Sand, wobei ihr luftiges Kleid vom Wind in die Höhe gewirbelt wurde. Exodus duckte instinktiv den Kopf nach unten, um einen besseren Blick zu bekommen. Da er sich aber nur ein Sekundenbruchteil nach der Vahla vom Fels gelöst hatte, war seine Position denkbar ungünstig, um einen intimeren Blick zu erhaschen. Es reichte nur bis zum Ende ihrer langen Beine. Aber auch das ließ schon ein breites Grinsen auf seinem Gesicht zurück. Ein netter Vorgeschmack war das auf jeden Fall. Die Versuchung wurde langsam greifbarer.


„Wie ist das eigentlich …“

setzte er an und drängte seine Gedanken weg von allem, was sich unter Giselles dünnem Kleid befand. Sie beide standen wieder fest im Sand, diesmal so nah am Meer, dass eine kleine Welle schon ihre Knöchel umspülte.

„… das Leben als Vahla, meine ich. Ich fürchte, als es in der Schule früher um Ihr Volk ging, habe ich nicht besonders gut zugehört.“

Er nahm Giselle fest in den Blick, denn er war neugierig auf ihre Reaktion. Zur Erklärung seiner Frage ergänzte er:

„Ihr Lebenslauf liest sich sehr ungewöhnlich. Von Ihrem Vahla-Clan zur Flotte der Neuen Republik. Von einem nomadenhaften Leben in eine überaus geordnete Welt. So viel habe ich zumindest gehört. Oder liege ich falsch?“

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Kühles Meerwasser sprudelte um ihre Knöchel herum und ihre Füße versanken im nassen Sand. Giselle erfreute sich an dem einfachen, aber vertrauten Gefühl einer Welle, die ihren Kopf gen Ufer neigte und das Land dort küsste, wo ihre Schultern endeten. Die Vahla machte ein paar Schritte, bückte sich und hob eine Muschel auf, Exodus' Frage in ihrem Kopf wider hallend. Wie es war, das Leben der Vahla, hatte er wissen wollen, und ob es nicht ein großer Unterschied war, zwischen diesen verschiedenen Leben, die sie bisher gelebt hatte. Ein Lächeln huschte über Giselles Gesicht, das weder pure Freude noch Trauer symbolisierte, sondern viel eher eine Mischung aus beidem.

“Die Flotte der Republik ist wie eine eigene kleine Welt.“

Sprach sie und setzte einen Fuß vor den anderen in der weichen, unter ihr nachgebenden Masse. Ein kleiner Krebs schob sich dicht an ihren Zehen vorbei und Giselle hob den Fuß, um das Hindernis aus seinem Weg zu räumen.

“Die Gesetze dort sind streng, die Regeln klar und linear. Scheinbar alles ist definiert, von der vorgegebenen Kleidung, über simple Protokollfragen, bis hin zu taktischen Manövern. Das Leben beim Militär ist gewöhnungsbedürftig, das stimmt.“

Stellte Giselle fest und dachte an ihre Zeit während der Grundausbildung. Sie hatte so gar nicht gewusst, worauf sie sich einließ und schon nach wenigen Wochen gedacht, alles abbrechen zu müssen. Sie hatte zurück gewollt, zurück nach Alderaan, zurück nach Ambria, zurück zu Morten und zurück zu ihrer Familie. Obwohl die Republik ihr genau das versprochen hatte – Zusammenhalt und Gemeinschaft – hatte sie sich noch nie so allein gefühlt wie zu diesem Zeitpunkt. Einzig das Wissen, dass sie nirgendwohin würde gehen können, hatte sie gehalten. Es hatte keinen Ort gegeben, an dem sie willkommen gewesen wäre und niemanden, der die Arme für sie ausgebreitet hätte, um sie wieder aufzunehmen. Giselle drehte sich zu Exodus herum.

“Aber auch innerhalb meines Volkes gibt es Regeln. Wir Vahla leben geordneter, als man es uns vielleicht zutrauen mag. Wir sind Nomaden, doch das bedeutet nicht, dass wir ohne ein Grunderüst in den Tag hinein leben. Jeder Clan verteilt Rollen, jeder hat seine Aufgabe und jeder einzelne richtet sich nach den Gesetzen des Zirkels.“

Es war lange her, dass sie über ihr Volk gesprochen hatte. Zuletzt hatte sie Liam von ihren Leuten erzählt. Er hatte sich interessiert gezeigt und ihr einige Fragen gestellt und es tat gut, über diese Dinge zu sprechen. So fern sie ihrem Volk auch war, so hatte Giselle das Gefühl, dass Worte und Geschichten sie ihrer Familie wieder ein Stück weit näher bringen konnten. Das und natürlich ihre Ehrungen der Vahl selbst. Auch weit entfernt von ihresgleichen vergaß Giselle niemals, zu ihrer Göttin zu beten und sich ihr demütig zu zeigen.

“Alles in allem ist beides natürlich nicht miteinander vergleichbar.“

Dachte sie laut.

“Aber ich denke, so unterschiedliche beide Welten auch sind, ich hatte nicht die schlechteste Vorbereitung, um bei der Flotte zu bestehen.“

Sie grinste.

“Zumindest ein paar Grundvoraussetzungen stimmten.“

Und nicht zuletzt, fügte sie in Gedanken hinzu, hatte auch ihre Ausbilung in Belleau-a-Lir dazu beigetragen, dass sie das Wort „Disziplin“ und seine Bedeutung im Schlaf definieren konnte.

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Giselle erzählte von ihrem Leben als Vahla und bei der Neuen Republik. Sie empfand ihre beiden Leben als nicht so gegensätzlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mochte. Es gab Regeln, sagte sie, auch bei den Vahla und ihrem nomadenhaften Leben. Vielleicht sogar gerade da, ergänzte Exodus in Gedanken, weil man ansonsten verloren war. Giselle war stehen geblieben und hatte sich nach einer Muschel gebeugt. Exodus blickte hinaus aufs Meer und bewegte nachdenklich die Füße im Sand hin und her, sodass er sich einige Zentimeter in den Boden hinein grub. Als Kind hatte er das häufig gemacht, dieses kleine Spiel. Wie weit konnte er sich eingraben, ohne sich vom Fleck zu bewegen? Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Wie bei einer Familie.“

sprach er seinen Gedanken zusammenhangslos aus. Er sah zu Giselle hinüber.

„In einer Familie hat jeder seine Rolle und damit verbundene Aufgaben.“

Ein Vater musste für seine Kinder da sein. Ein Ehemann für seine Frau. Yuna hatte ihm vorgeworfen, diese Pflicht nicht richtig zu erfüllen. Sie hatte richtig gelegen.

„Wenn einer seine Aufgaben nicht erfüllt … dann funktioniert es nicht. Dann geht alles kaputt.“

Ein schwaches Lächeln huschte über seine Miene. Nachdenklich sah er wieder auf seine Füße, die schon fast komplett vom Sand bedeckt waren. Mit einem Ruck zog er sie wieder heraus, stellte seine Füße neben die beiden Löcher, die er hinterlassen hatte. Ob er es jemals besser machen konnte? Jetzt war er hier auf Fresia, mit einer Frau, die er kaum kannte, die ihn faszinierte, sich aber auch nicht anfühlte wie die nächste große Hauptrolle in seinem Leben. Zumindest nicht langfristig. Das hier war doch nur eine Episode. Oder nicht?

„Ihre beiden Welten hatten also auch Gemeinsamkeiten. Aber was ist mit Fresia? Sie scheinen häufig etwas Neues ausprobieren zu wollen.“

„Oder laufen Sie vor etwas weg?“, fragte sich Exodus im Stillen. Der Gedanke kam ihm erst jetzt, weil er sich bewusst wurde, dass er genau das tat. Nur eine Alternative sah er nicht.

„Warum sind Sie nicht zurück zu ihrem Volk?“

wollte er noch wissen. Giselle war naturverbunden, das musste jedem klar werden, der auch nur fünf Minuten mit ihr verbrachte. Die Vahla, als Nomadenvolk, lebten in der Natur. Hatte sie sich vielleicht endlich nach einem Leben gesehnt, in dem sie sich keinen großen Regeln beugen musste? Exodus unterdrückte den Impuls sich nachdenklich am Kinn zu kratzen. Es kam ihm vor, als läse er ein spannendes Buch: Jede Seite, die er aufschlug, konnte etwas neues unverhofftes offenbaren.

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Belleau-a-Lir lag weiter zurück, manchmal sogar weiter als alles andere, doch die allgemeine Theaterhochschule für Musik und darstellende Kunst hatte einen großen Einfluss auf Giselles Leben gehabt. Hätte sie dort nicht drei Jahre lang eine Ausbildung im klassischen Ballett absolviert, wäre sie danach vielleicht niemals Morten begegnet. Jede Entscheidung, die man im Leben traf, wirkte sich vermeidbar auf weitere Ereignisse und Begegnungen aus. Hätte man sie damals nicht so streng gefördert, hätte sie vielleicht niemals die Kraft besessen, die Grundausbildung bei der Flotte durchzuziehen und zu beenden. Dass sie es getan hatte, hatte tatsächlich zwei Gründe. Der eine Grund war, dass sie nicht gewusst hatte, was sie sonst hätte tun sollen und der andere, dass sie sich selbst, aber viel mehr noch Morten etwas beweisen wollte. Sie wollte ihm zeigen, dass sie jemand anderes sein konnte, dass sie fähig war sich zu ändern und die Regeln einer anderen Kultur anzunehmen. Am Ende war es umsonst gewesen. Morten hatte sie nicht zurück genommen.

Giselles Blick streifte Exodus, der seine Füße fest in den Sand drückte und eine weitere Gemeinschaft nannte, in der Regeln wichtig waren: die Familie. War es seine Familie, von der er sprach? Die Vahla wusste noch immer nicht, ob er alleinstehend war oder nicht. Als er sprach, war eine gewisse Resignation in seine Stimme zu interpretieren, doch das konnte auch eine Fehleinschätzung sein.


“Fresia war so nicht geplant.“

Antwortete Giselle.

“Fresia war Zufall – oder Fügung.“

Sie lächelte und begegnete seinem Blick. Ihre rechte Schulter hob sich leicht, so als wolle sie andeuten, dass sie selbst noch keine Antwort auf diese Frage gefunden hatte. Dies war tatsächlich so. Sie hatte ihre Karriere bei der Flotte beendet, war Mortens Rat gefolgt und war nach Fresia gereist, weil sie von schönen Stränden und einer malerischen kleinen Stadt auf den Hügeln über dem Meer gehört hatte. Hill City. Fingers Mark hatte sie erst kennen gelernt, als Jem ihr die Geschichte von Carm Orty erzählt hatte. Die Stimme des Barbesitzers klang noch immer in ihrer Erinnerung wider und in Giselle keimte erneut das Verlangen auf, alles über die Inseln zu erfahren, was es zu lernen gab. Selbst jetzt, wo sie hier war, hatte sie das Gefühl, noch lange Zeit zu brauchen, bis ihr Durst gestillt sein würde. Wenn dies überhaupt jemals möglich war. Doch warum Fresia, wollte Exodus wissen. Warum ein fremder Planet und nicht die Rückkehr zu ihrer Familie? Zurück zu den Vahla. Um Giselles Herz legte sich ein eisernes Band. Den Blick von ihm abwendend entfernte sie sich von Exodus und sparzierte, betont heiter, durch das sich immer wieder vor und zurück bewegende Wasser. Ohne zu sprechen bückte sie sich immer wieder nach vorne, um ihre Sammlung an Muscheln zu erweitern. Vor ihr breiteten sich weiter der Strand und das Meer aus und Giselle schaute nicht zurück.

“Diese Insel birgt ein großes Geheimnis.“

Teilte sie ihre Vermutung mit ihm.

“Ich kann es fühlen, wenn meine Füße die Erde berühren und ich die Augen schließe, um den Stimmen der Tiere zu lauschen. Hier zu sein ist Privileg.“

Giselle hielt inne, ging in die Hocke und drückte die Muscheln, die sie zuvor gesammelt hatte, nebeneinander in den Sand.

“Haben Sie Familie?“

Wollte sie wissen, ohne sich in diesem Moment darum zu scheren, ob es angebracht war ihm eine solch private Frage zu stellen oder nicht. Er hatte sich ebenfalls nicht zurück gehalten und er musste nicht antworten, wenn er nicht wollte. Ihr Kopf wandte sich zum Himmel.

“Wir sollten zurück gehen.“

Sagte sie.

“Man wird sich bereits fragen, wo wir sind.“

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Sie hatte nicht geantwortet. Exodus war das nicht verborgen geblieben: Giselle hatte nicht gesagt, wieso sie nicht zurück zu ihrem Volk gegangen war. War das ihr großes Geheimnis? Hatte er an der Oberfläche des Mysteriums gekratzt? Sie war die verbotene Frucht. Weil sie etwas Schlimmes getan hatte? Spontan malte er sich aus, Giselle sei eine Massenmörderin auf der Flucht und sein Instinkt warnte ihn deshalb vor ihr. Aber das war natürlich Unsinn. Selbst wenn dem so wäre und sie ihre Tat so gut vertuscht hatte, dass sie damit die Flotte der Neuen Republik hatte täuschen können, dann hätte sie niemals dort verschwinden müssen. Dass er sich überhaupt so einen Quatsch zusammen fantasierte!
Exodus runzelte die Stirn und sah Giselle nach, die weiter nach Muscheln Ausschau hielt und dabei gänzlich unbekümmert wirkte. Sie verbarg etwas, genau wie die Muscheln in ihrem Inneren eine Perle behüteten. Es wäre so leicht, sie zu öffnen, ihre Schale aufzubrechen und sich die Perle zu nehmen. Die Macht hatte ihm früher gute Dienste erwiesen. Es wäre so leicht, in ihren Geist einzudringen und sich alles zu nehmen, was er wollte. Es wäre so leicht. Aber er wäre verloren, das wusste er.
Dankbar für die Ablenkung griff er Giselles Bemerkung über Fingers Mark auf und sah zu, wie seine Schritte kleine Kreise in den zurück zum Meer eilenden Wellen hinterließen.


„Ja, diese Insel hat wirklich etwas magisches.“

Stimmte er zu, wenn es auch mehr Small-Talk als tiefsinniges Gespräch war. Er mochte die Insel, sie war wirklich ein Traum. Aber das eigentliche Geheimnis hier war Giselle. Sie bezeichnet es als ein Privileg hier sein zu dürfen und er war sich unschlüssig, wie er die Sache sah: Hier zu sein war sein Job und eine Fluchtmöglichkeit. Mit Giselle hier zu sein, das wiederum war etwas Besonderes. Aber ein Privileg? War es ein Privileg, sich bewusst in den Abgrund zu stürzen? Denn dieses Gefühl beschlich ihn nach wie vor. Auch wenn Giselles Charme all diese Warnungen regelmäßig überdecken konnte.
Ihre nächste Frage wischte das Lächeln allerdings von seinem Gesicht. Sie wollte wissen, ob er Familie hatte. Natürlich hatte er die Frage fast schon provoziert, mit seiner Äußerung eben. Jeder würde nach danach fragen, wenn der Gesprächspartner einen Monolog über die Funktion einer Familie gehalten hatte. Aber so lief das Spiel nicht. Er war nicht hier für einen Seelenstriptease. Zumal seine Wahrheit in der Regel eine sehr abschreckende Wirkung hatte.


„Ja, ich habe Familie.“

sagte er knapp und versuchte die aufkeimende Bitterkeit aus seiner Stimme zu verbannen. Damit stand es eins zu eins. Er war zu ihrem Geheimnis vorgedrungen und sie nun zu seinem. Mit der Familie hing alles zusammen. Sein Leben bei den Jedi, sein Leben bei den Sith. Sein Versagen als Ehemann und Vater. Ihre Frage nach einer Rückkehr kam ihm gerade Recht.

„In Ordnung.“

stimmte er nickend zu. Die Stimmung war weg, zumindest für den Moment. Seine Füße gruben sich in den Sand, als er sich auf der Stelle herum drehte. Er ging einige Schritte, nachdenklich zu Boden blickend. Schließlich entlockte ihm ihr letzter Kommentar doch noch sein gewohntes Grinsen.

„Ich bezweifle, dass wirklich jemand den Chef vermissen wird.“

Exodus zuckte mit den Schultern. Er würde heute vermutlich nichts Interessantes mehr von Giselle erfahren, dieser Zug war jetzt abgefahren. Um einen neckischen Kommentar war er trotzdem nicht verlegen:

„Bei der hübschen Assistentin des Chefs können die Dinge natürlich schon wieder ganz anders liegen.“

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So wenig wie sie über ihre Familie hatte sprechen wollen, wollte er über seine eigene reden. Das konnte Giselle akzeptieren. Sie verstand, wenn man gewisse Begebenheiten der Vergangenheit ruhen lassen wollte, oder versuchte nicht zu viel über sie nachzudenken. Die Frage, die sie sich in ihrem Kopf bereits gestellt hatte, hatte er aber trotzdem beantwortet: ja, er hatte eine Familie und es spielte keine Rolle, wie weit diese ging. Exodus Wingston war als Mann für sie tabu. Er mochte versuchen mit ihr zu flirten, und so lange es bei harmlosen Spielereien blieb konnte sie darauf eingehen, doch nach diesem Punkt zog sie eine unsichtbare Grenze, die zu überwinden das Moralgefühl der meisten Menschen belasten würde. In diese Situation wollte Giselle nicht gelangen.

Sie folgte ihm, als er den Rücktritt antrat und ließ sich ein zweites Mal von ihm die Felsen hinauf helfen. Ganz Gentleman bot er ihr die Hand und zog sie hinauf, wie auch schon auf dem Hinweg. Während sie dieses Mal über die Steine balancierten, spürte Giselle, dass sie allmählich müde wurde. Letzten Endes hatten sie heute doch eine ganze Menge neuer Dinge gesehen und viele neue Leute kennen gelernt. Sie war außerdem früh auf den Beinen gewesen, nach einer Nacht, in der sie kaum geschlafen hatte. Es war der Gedanke an die Reise nach Fingers Mark gewesen, der sie die meiste Zeit über wach gehalten hatte. Die Ankunft auf der Insel hatte sie sich immer und immer wieder ausgemalt, ein ums andere Mal.


“Offen gestanden, Sie können Recht haben mit Ihren Zweifeln.“

Erwiderte Giselle scherzhaft, nach einer Weile des Schweigens, als sie wieder den Teil des Strandes erreicht hatten, der dem Camp am nächsten war, und ihre Schuhe aus dem Sand aufsammelten, die sie zuvor doch hatten stehen lassen.

“Möglicherweise findet im Camp bereits eine Feier statt, weil man hofft, der neue Chef habe sich sogleich auf der Insel verirrt.“

Sie lächelte ihn an, als sie dies sagte, ein stilles Dankeschön für das Kompliment, das er ihr zuvor gemacht hatte. Größtenteils schweigend setzten sie den den restlichen Weg fort, zurück zum Camp. Die Zelte waren bereits von weitem zu sehen. Es waren zwölf Zelte an der Zahl, alle von mittlerer Größe, die als Unterkünfte für die Mannschaft vorgesehen waren. Pro Zelt schliefen vier oder fünf Personen zusammen. Sie alle waren u-förmig rund um eine große Feuer- und Kochstelle aufgebaut, die wiederum von Bänken und Sitzgelegenheiten umrahmt war. Etwas abseits, nahe dem Wald, stand eine hölzernen Hütte – die Behausung des Projektleiters, die bisher von Bas Goarland bewohnt worden und nun Exodus übergeben worden war. Nicht nur als Leiter dieses Projektes, sondern auch als Geschäftsführer der Firma, erwartete niemand von ihm, sich auf eine Matratze neben die einfachen Angestellten zu legen. Und dann waren da noch vier größere Zelte, etwas stabiler als die Schlafunterkünfte, in denen technische Gerätschaften untergebracht waren, Vorräte und natürlich auch die verwaltungstechnischen Hilfsmittel. Während des ersten Rundgangs, bei dem Goarland ihnen alles gezeigt hatte, hatte Giselle einen Bürotisch gesehen. Hier würden vermutlich Exodus und sie im Wechsel arbeiten.

Rauch stieg aus der Mitte des Camps auf. Ein Feuer loderte in einem großen Kessel. Einige der Nautolaner tollten noch immer im Wasser, die meisten jedoch saßen vor ihren Zelten, aßen und unterhielten sich. Es wäre ein schönes abendliches Bild gewesen, wäre die Sonne im Begriff gewesen unter zu gehen.


“Ich denke, ich werde mir als erstes einen Schlafplatz suchen.“

Sagte Giselle, als sie sich den anderen näherten. Sie trug ihre Sandalen noch immer in der Hand. Aus dem großen, schweren Topf roch es appetitlich nach saftigem Eintopf.

“Danke für den Sparziergang. Es war schön, einen ersten Eindruck von der Insel zu gewinnen.“

Fügte sie hinzu. Sie hatten noch nicht viel gesehen und sie wussten längst nicht, was sie erwarten würde. Das Geheimnis von Palm Island würde sich ihnen nicht von selbst offenbaren, nicht von selbst und vor allem nicht an ihrem ersten Tag.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand | mit Giselle ]

Der Rückweg kam Exodus viel länger vor, als der Weg hin zur Felsanhäufung und dem verborgenen Strand. Normalerweise war es doch andersherum: Der Weg zu einem Ziel dauerte gefühlt länger als der Weg zurück. Der Gedanke ließ ihn unwillkürlich die Stirn runzeln. Vermutlich kam dieser Eindruck durch das immer wieder einkehrende Schweigen zwischen ihm und Giselle. Es war, wie er vorhergesagt hatte: Die Zeit der persönlichen Gespräche war vorbei, zumindest für heute Abend. Und ohne Gespräche, ohne Ablenkung oder Beschäftigung kroch die Zeit nur langsam dahin. Wenn man die beiden vom Camp aus sah, konnte der Eindruck eines Liebespaares entstehen, das sich schon lange Zeit kannte und auch wortlos verstand. Davon waren sie weit entfernt. Ihr Schweigen kam nur durch die gegenseitige Unvertrautheit. Exodus war gewillt, sich dieses Vertrauen von Giselle zu erarbeiten. Eine andere Chance sah er nicht. Keine zumindest, die ihn halbwegs vor dem Abgrund der Macht bewahrte. Aber wollte er ihr eigentlich vertrauen? Er hatte schließlich auch seinen Anteil am Schweigen gehabt.

Als sie das Camp schließlich erreichten, beschlich ihn das paradoxe Gefühl, das alles doch viel zu schnell gegangen war. Jetzt stand die vorläufige Trennung an und er hatte keine Ahnung, wann sie das nächste Mal in dieser privaten Atmosphäre miteinander reden würden. Ob sich das für jeden Tag einrichten ließ, ein Spaziergang des Projektleiters mit seiner Assistentin? Wenn er wollte, konnte er die Besprechung des Tagesplans mit Giselle natürlich so abhandeln. Aber dann wären sie wieder eindeutig auf der geschäftlichen Ebene – und private Fragen fielen aus dem Rahmen. Exodus unterdrückte ein Seufzen, setzte ein Lächeln auf und setzte nun ebenfalls zur Verabschiedung von Giselle an.


„Mir hat es auch Spaß gemacht. Palm Island hat einiges zu bieten. Wir sollten das wiederholen.“

Ob das funktionieren würde? Wenn sie ehrlich Spaß an der Sache gehabt hatte – und sein Gefühl sagte ihm, dass das so gewesen war – dann gab es eine kleine Chance. Aber er würde abwarten und geduldig bleiben müssen. Das Flüstern in seinem Kopf beachtete diese Einsicht allerdings nicht. Es zischte, er müsse so schnell wie möglich wieder in ihre Nähe kommen. Am besten ließe er sie gar nicht erst ziehen. Nur war das in der aktuellen Situation nicht möglich.

„Ab morgen gibt es viel zu tun. Ich hoffe mal, die durchgehende Helligkeit lässt uns beide trotzdem gut schlafen. Ich bevorzuge ja Nächte in denen es auch dunkel ist.“

Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er hoch in den Himmel hinauf und schirmte sich augenblicklich die Augen mit der rechten Hand ab. Die Sonne schien, wie er es normalerweise nur zur Mittagszeit gewohnt war. Nach einigen Sekunden senkte er den Blick wieder.

„Am besten wir treffen uns morgen früh vor dem Verwaltungszelt. Dort werden wir uns sowieso einlesen müssen.“

Sie standen mittlerweile zwischen den ersten Zelten und Exodus würde sich jetzt zu seiner Hütte begeben. Giselle stand noch vor der Aufgabe sich einen Schlafplatz suchen zu müssen.

„Nun gut. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Wenn Sie wider Erwarten doch keinen Schlafplatz finden – graben Sie sich nicht im Sand ein. Sie wissen ja wo meine Hütte steht.“

Er erlaubte sich ein neckisches Zwinkern. Das war’s für heute. Keine weiteren Anzüglichkeiten. Morgen war auch noch ein Tag. Freundschaftlich legte er zum Abschied seine rechte Hand auf ihre linke Schulter und lief dann an ihr vorbei in Richtung seiner Hütte. Die kurze Berührung elektrisierte ihn. Er wollte mehr davon.

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Bevor sie sich dem Kern des Lagers näherte, schaute sich Giselle noch ein wenig um. Sie würde nicht mehr lange auf bleiben, noch ein, vielleicht zwei Stunden draußen sitzen, sich mit ihren neuen Kollegen bekannt machen und anschließend zu Bett gehen. Über Exodus Wingston hatte sie an diesem Tag einige Dinge erfahren. Er war konzentriert, professionell und pflichtbewusst, wenn es um die Arbeit ging, doch er schien es ebenfalls zu genießen, sich ein paar Minuten von seinen Aufgaben zu befreien. Zudem scherzte er gerne und, was sie bereits zuvor gewusst hatte, scheute sich nicht, harmlose Annäherungsversuche zu starten. Was dahinter im Einzelnen wirklich steckte, vermochte Giselle nicht aus seinem Verhalten heraus zu lesen. Wenn er eine Familie hatte, wie er sagte, war dieses Spiel möglicherweise lediglich pure Unterhaltung für ihn und nichts, was er ernsthaft in Erwägung zog. Die Berührung seiner Hand auf ihrer Schulter hallte noch in ihr nach, als er das Lager mit langen Schritten durchquerte und zu seiner Hütte ging. Giselle sah ihm nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war und schlenderte erst als er verschwunden war zu einer der Sitzgruppen hinüber. Wenn sie alle beieinander saßen, wirkten die Nautolaner mit ihrer grünen Haut, den langen Kopftentakeln und den großen schwarzen Augen alle wie Klone, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen. Es kam darauf an, sich die kleinen, feinen Unterschiede zu merken, und wenn es nur die Kleidung war, an der man sie – zumindest einen Tag lang, bis diese wieder gewechselt werden würde – auseinander hielt. Giselle erkannte Jak, der Arbeiter, der sie schon kurz nach ihrer Ankunft und nach Exodus' Einführungsrede um einen Schichtwechsel gebeten hatte. Im Gegensatz zu vielen der anderen männlichen Nautolaner, von denen die meisten mit freiem Oberkörper unterwegs waren, trug er eine dünne, weite Tunika, saß auf einem umgestürzten Baumstamm und löffelte Eintopf aus einer Schale. Als Giselle sich ihm näherte, sah er auf und sie winkte ihm zu.

“Hallo. Guten Appetit.“

Grüßte sie ihn und er zeigte ein Grinsen zwischen zwei Happen Eintopf. Munter setzte sich Giselle neben ihn, streckte ihre Beine aus und schaute zum Strand hinunter. Für ein paar Sekunden sagte sie nichts. Erst, als er fertig gegessen hatte – die Portion in seinen Händen hatte nicht lange überlebt, da er ein beherztes Tempo an den Tag gelegt hatte, den Eintopf zu vertilgen – wandte sie sich wieder in seine Richtung.

“Ich habe mich gefreut, hierher zu kommen und ich bin froh, jetzt endlich hier zu sein. Palm Island ist ein wunderschöner Ort.“

Jak, der Nautolaner, stellte die einfache Schale zu seinen Füßen ab.

“Der Chef hat gesagt, Sie sind schon mal hier gewesen?“

Fragte er. Giselle nickte.

“Auf einer der Nachbarinseln, Rings Island.“

Bestätigte sie. Interessiert und fragend schaute Jak sie an.

“Was haben Sie dort gemacht?“

Wollte er wissen und als Giselles Mund sich zu einem Lächeln verzog, grinste auch er.

“Gar nichts.“ Erwiderte sie wahrheitsgemäß. “Aber dafür hat die Insel einiges mit mir gemacht.“

Jak war ein aufmerksamer Zuhörer und er teilte eine Vorliebe mit Giselle. Genau wie sie, liebte er lange Sparziergänge in der Natur. Das Lager der Wingston Corporation war für ihn, anders als für einige andere der Arbeiter, nicht der Dreh- und Angelpunkt der Insel. Er hatte bereits begonnen die Insel für sich zu erkunden und Giselle las zwischen den Zeilen, dass unter Bas Goarlands Regie wohl viel Zeit für derlei Dinge gewesen war. Exodus' Vorgänger hatte es nicht verstanden, die Nautolaner zu führen und an die Arbeit zu bringen. Aus Jacks Tonfall war deutlich heraus zu hören, dass sie ihm alle auf der Nase herum getanzt waren. Schließlich half er ihr bei der Suche nach einem Schlafplatz. Giselle hatte keine Ahnung, wohin ihr Gepäck gebracht worden war, doch der Koffer und die Tasche waren schnell gefunden und Jak, sprach für sie mit zwei der Nautolanerinnen, die sich bisher ein Zelt zu zweit geteilt hatten und somit noch Platz für eine weitere Person hatten. Ob sie sich wohl dabei fühlten, die Assistentin des Projektleiters bei sich zu beherbergen, vermochte Giselle nicht zu sagen. Ihre ersten Reaktionen schienen ihr ein wenig verhalten, doch sie nahm sie hin und hoffte einfach, diesen Eindruck später widerlegt zu sehen. Verstehen konnte sie, dass man ihr nicht ganz unvoreingenommen begegnete: niemand wusste, wieviel von dem, was man mit ihr besprach, an Exodus Wingston weiter gegeben werden würde. Vertrauen zu schaffen war daher eine von Giselles wichtigsten Aufgaben in den nächsten Tagen. Als sie sich umgezogen, für die Nacht bereit gemacht und der Göttin des Feuers ihren Tribut gezollt hatte, kehrten Giselles Gedanken zurück zu Cam Orty und wie schon in ihrer ersten Nacht auf Rings Island fühlte sie sich ihm auch jetzt ungewöhnlich stark verbunden. Es war, als lebe sein Geist, selbst nach seinem Tod, auf den Inseln, rund um Fingers Mark, weiter.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus‘ Hütte | allein ]

Wie sagte ein altes Sprichwort? Neuer Tag, neues Glück! Exodus Wingston, frisch gebackener Projektleiter der Unternehmung der Wingston Corporation begann seinen ersten richtigen Arbeitstag bei bedecktem. Wirklich gut geschlafen hatte er nicht. Er war mehrmals in der Nacht aufgewacht, hatte die alberne Schlafmaske gelüftet und dank dem Tageslicht, das sich durch seine hölzernen Rollläden gequetscht hatte, gedacht, es sei schon viel zu spät und er habe verschlafen. Natürlich war das nie der Fall gewesen – in den Tagesperioden war es auf Fresia eben einfach die ganze Zeit hell. Schon nach einer Nacht konnte Exodus den Ärger von Bas Goarland verstehen. Gleichzeitig hatten ihn vor, während und nach dem Schlaf die guten Seiten dieses Planeten beschäftigt – in Form seiner unwiderstehlichen Assistentin. Bevor er ins Bett gegangen war, hatte er versucht, noch etwas über Giselles Volk, die Vahla, herauszufinden. Die Informationen waren eher spärlich gewesen. Ein Nomadenvolk, das auf verschiedenen Planeten lebte, dann eine Auflistung von bekannten Ritualen, wie Tätowierungen des Clans. Generell wirkten sie eher unzivilisiert, wobei Giselle diesen Eindruck komplett widerlegte. Möglicherweise hatte die Ausbildung bei der Neuen Republik ihr übrigens dazu getan – das konnte er schwerlich beurteilen. Schlussendlich hatte die Frau ihm seinen Schlaf geraubt und das, obwohl sie nicht einmal das Bett mit ihm geteilt hatte.

Tatsächlich verließ er seine Hütte noch bevor sein Wecker geklingelt hätte. Er war die ständigen Wach- und Schlafphasen satt gewesen und hatte deshalb beschlossen, es gleich ganz sein zu lassen. So war er einer der ersten beim großen Frühstück im Zentrum des Lagers. Wie Bas Goarland es damit gehalten hatte, wusste er nicht. Spontan vermutete er, dass der ältere Mann beim Frühstück lieber seine Ruhe hatte haben wollen und es deshalb alleine in der Hütte eingenommen hatte. Exodus beschloss, sich Volksnah zu zeigen und bei allen anderen zu frühstücken. Das hatte den Vorteil, dass leichter und schneller Absprachen mit verschiedenen Mitarbeitern getroffen werden konnten und, dass man besser mitbekam, wenn Probleme auftauchten. Es gab ein rudimentäres Frühstücks-Buffet unter freiem Himmel. Die Köche waren gerade noch dabei, es zu Ende aufzubauen, als Exodus dazu stieß. Unter den wenigen Gesichtern, die auf die Freigabe des Frühstücks warteten, erkannte er ihren Fahrer von gestern. Ein Mensch, der etwa in seinem Alter sein musste. Kurzgeschorenes dunkles Haar, mit einer hohen Stirn. Dan’el war sein Name, wenn er sich recht erinnerte.


„Guten Morgen! Dan’el, richtig?“

begrüßte Exodus den Mann gut gelaunt und gab ihm einen kräftigen Händedruck. Der andere stand zum Gruß auf und setzte sich zeitgleich mit Exodus wieder auf die Bank.

„Ja, richtig. Guten Morgen, Sir.“

Dan’el klang weniger müde als er selbst es war. Er hatte etwas von einem Soldaten an sich, zumindest strahlte er Disziplin aus. In Bas Goarlands Unterlagen hatte gestanden, Dan’el war der Captain des Wassergleiters, der die Nautolaner aufs Meer hinaus brauchte. Genau der richtige Ansprechpartner also, für das Thema, das er gestern mit Giselle erörtert hatte.

„Ich habe ein Anliegen: Ich würde gerne in den nächsten Tagen mit raus aufs Meer – und sogar unter die Wasseroberfläche, um mir den Abbauprozess selbst anzuschauen.“

Er fiel mit der Tür ins Haus, aber er war auch der Chef. Er durfte das.

„Sehr gerne, Sir.“

Dan’el nickte ernst, zog aber dennoch einen Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben.

„Meine Assistentin Miss Givenchy würde der Operation auch gerne beiwohnen. Haben wir so viel Platz?“

„Aber sicher, Sir.“

Exodus nickte zufrieden und betrachtete Dan’el etwas genauer. Ob er wirklich zur Armee gehört hatte? Republik oder Imperium? Bas Goarland hatte eine Hand voll Mitarbeiter der Wingston Corporation von Coruscant mit nach Fresia gebracht, aber Dan’el gehörte offenbar nicht dazu. Exodus hörte an seinem Akzent, dass er nicht von Coruscant kam.

„Sagen Sie: Ist Bas Goarland mit draußen gewesen, auf dem Meer?“

Dan’el zögerte kaum merklich. Er wusste die Antwort und er wusste, dass er seinen alten Chef damit in kein besonders gutes Licht rückte. Aber jetzt gab es einen neuen Chef.

„Nein, Sir.“

sagte er schließlich. Exodus verzog keine Miene. Es lag ihm nichts daran, Bas Goarland schlecht zu machen. Goarland war ein verdienter Mitarbeiter der Wingston Corporation, aber dieser Job hier war auf seine alten Tage vielleicht doch etwas zu groß gewesen. Er kratzte sich nachdenklich das Kinn, lächelte Dan’el dann aber doch wieder offen an.

„Verstehe.“

Einen Moment lang schwiegen sie beide, dann war es Dan’el der das Wort ergriff.

„Sir?“

„Ja?“

„Das Frühstück ist eröffnet.“

Ein breites Lächeln zierte jetzt sein Gesicht. Exodus konnte nicht anders, als es zu erwidern. Es waren doch die kleinen Freuden des Lebens, die es so lebenswert machten. Gemeinsam standen sie auf und stellten sich an die kurze Schlange, die sich vor dem Buffet gebildet hatte. Manchmal waren es die kleinen Freuden – und manchmal war es eine Frau, die einen in den Wahnsinn trieb. Das war das komische daran: Er war nicht wirklich unglücklich mit seiner Situation. Giselle machte ihn verrückt und raubte ihm den Schlaf – aber ärgerte sich nicht darüber. Stattdessen sehnte er ihre Nähe nur umso mehr herbei.

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Der erste Morgen auf Palm Island zeigte sich von seiner verhangenen Seite. Die Sonne war vollkommen vom Himmel verschwunden. Dort, wo sie normalerweise verlässlich den endlos blauen Himmel zierte, zeigte sich jetzt eine breite graue Wolkenfront. Giselle war früh auf den Beinen gewesen und war den Strand entlang gelaufen. Seit sie auf Fresia war, hatte sie es zu ihrem Ritual gemacht, morgens eine Runde zu joggen. Es war wunderbar, sich auf diese Art und Weise fit halten zu können. Was waren dagegen schon die modernen Trainingsräume auf einem Mon Calamari Sternkreuzer? Sie war auch nicht die einzige gewesen, die den Tag zu früher Stunde begonnen hatte. Einer der Nautolaner, sein Name war Zeol, hatte sich ihr auf halbem Wege angeschlossen, als er irgendwann mitten aus dem nirgendwo aus dem Dschungel aufgetaucht war. Sie waren noch rund zwanzig Minuten zusammen gelaufen, ehe sie sich im Lager wieder getrennt hatten. Danach hatte Giselle in einer der, etwas abseits vom Camp gelegenen, geschickt gebauten Naturduschen geduscht und sich angezogen. Sie ließ sich Zeit dabei, sah die beiden anderen Frauen, mit denen sie ihr Zelt teilte – ihre Namen waren Sou und Zera – kommen und gehen und als sie schließlich zum Camp zurück kehrte, gab es bereits Frühstück. Giselle trug eine dunkle Hose, die sie über den Knien abgeschnitten hatte, nackte Füße in braunen, geflochtenen Sandalen und ein weites, locker sitzendes Shirt, das ihr die meiste Zeit aufgrund seines weiten Rundhalsausschnitts über eine Schulter rutschte, während an ihren Armen ein paar einzelne Armreifen klimperten.Die meisten Mitarbeiter der Wingston Corporation waren damit beschäftigt, sich ein Frühstück aus dem aufgebauten Buffet zusammen zu stellen und unter den wenigen anwesenden Menschen erkannte Giselle ohne Probleme Exodus Wingston, der aus der Menge förmlich heraus zu stechen schien, in seinem weißen Hemd und den unverwechselbar hoch gekrempelten Ärmeln. Die Vahla dachte darüber nach, sich zu ihm zu gesellen, fand aber andererseits, dass sie bereits am Vorabend genug Zeit miteinander verbracht hatten und es albern aussähe, hielte sie sich ständig an ihren Chef. Die Entscheidung wurde ihr zudem abgenommen, als Jak plötzlich neben ihr auftauchte, in der Hand einen Teller, der bis oben hin gefüllt war etwas, das stark nach Seetang aussah.

“Guten Morgen – gut geschlafen?“

Wollte er wissen. Giselle nickte.

“Alles bestens, und du?“

Nach dem Gespräch am Abend zuvor und seiner schnell angebotenen Hilfe, ihr einen Schlafplatz zu vermitteln, waren sie schon bald dazu über gegangen, sich zu duzen.

“Schlecht, wie immer.“

Mit den Schultern zuckend, aber immerhin noch grinsend, sah er sie an. Giselle wusste inzwischen, dass er schon unter Schlafstörungen gelitten hatte, bevor er nach Fresia gekommen war. Es waren also weder das Klima, noch die ungewohnten Lichtverhältnisse, die sich für diesen Umstand verantwortlich zeichneten.

“Ich hoffe, es kommt wieder in Ordnung.“

Sagte Giselle.

“Ich schaue mir nachher die Schichtpläne ansehen und schauen, ob ich dich zu einer anderen Zeit einsetzen kann.“

Bestätigte sie ihm noch einmal und Jak nickte dankend. Der Nautolaner vermutete, dass es die Anwesenheit der anderen Männer war, die ihn nachts nicht schlafen ließ. Er hatte, bevor er von der Wingston Corporation rekrutiert worden war, auf einem Schiff gearbeitet und auch sich auch dort eine Kajüte mit mehreren Kameraden geteilt. Seitdem hatte er begonnen schlecht zu schlafen. Falls es tatsächlich daran, dachte Giselle, war das Problem schnell gelöst. Er musste lediglich versetzt zu den Männern arbeiten, mit denen er sich ein Zelt teilte, sodass er tagsüber schlief, wenn die anderen unterwegs waren.

Giselle schlenderte ein wenig umher. Sie frühstückte selten, aß meistens nur eine Kleinigkeit oder ließ diese Mahlzeit ganz ausfallen. Etwas entfernt vom Großteil des Trubels – insgeamt mochten sich in dem Lager etwa 70 Personen tummeln – standen Sou und Zera, umringt von drei der männlichen Nautolaner und Giselle konnte sie sogar aus der Ferne kichern hören. Bas Goarland hatte es mit seiner gestrengen Art übertrieben. Er hatte es nicht verstanden, die Mitarbeiter auf Palm Island vernünftig zu führen und für die Arbeit auf Palm Island zu motivieren. Anstatt mit ihnen zu sprechen, hatte er den wichtigen Chef markiert und damit lediglich Respekt verloren, statt ihn zu gewinnen. Solche Dinge mussten von nun an anders laufen. Zwischen den Mitarbeitern sollte ein angenehmes, freundliches Klima herrschen, doch das ewige Herumschawänzeln, das Goarland den Nautolanern vorgeworfen hatte, und das auch Giselle in diesem Moment wieder beobachten und selbst erleben konnte, musste sich auf die Freizeit der Angestellten beschränken, anstatt sich auch auf die Arbeitszeit auszuweiten. Gleiches galt für Wasserballspiele oder sonstige Strandaktivitäten. Vor dem Verwaltungszelt, etwas abseits gelegen hinter dem Hauptteil des Zeltlagers, wartete Giselle wie vereinbart auf Exodus. Sie hatte gesehen, dass er sich mit einem der anderen Menschen unterhielt, aber er vermutlich bald kommen. Eine genaue Uhrzeit hatten sie jedenfalls nicht aus gemacht. Kaum hatte sie diesen Gedanken gedacht, sah sie ihn auch schon. Er sah entspannt aus, und war vor allem lockerer gekleidet als noch am Tag zuvor. Seine edlen Lederschuhe waren einem weniger förmlichen Paar Schuhe gewichen, passend zu ihrer Umgebung. Die edlen Designerteile hätte er sich hier vermutlich ohnehin nur verdorben. Giselle winkte ihm zu, als er sich ihr näherte. In einer Hand trug er einen Thermobecher, vermutlich gefüllt mit Kaf.


“Guten Morgen.“

Grüßte sie fröhlich.

"Wie haben Sie geschlafen? Lebt es sich gut in der Hütte? Wahrscheinlich haben Sie es sich schon gedacht, aber ich musste mich nicht im Sand eingraben. “

Fragte und informierte sie ihn. Die erste Nacht an einem neuen Ort war immer etwas Besonderes, selbst für sie, die in ihrem Leben schon so viel gereist war. Ob es anderen auch so ging? Von Morten wusste sie, dass er überall hatte schlafen können, so lange seine Matratze weich genug gewesen war. Wo diese gelegen hat, war ihm im Grunde egal gewesen.

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