Fresia (Fre'ji-System)

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp - Verwaltungszelt | mit Giselle ]

Wenn er sich einmal im Arbeitsmodus befand, fiel es Exodus leichter, sich nicht von Giselles Anwesenheit ablenken zu lassen. Dann konnte er sie nach einer Weile als ganz normale Mitarbeiterin betrachten – oder zumindest fast – und kluge Entscheidungen treffen. So wie das Abschalten des Terminals eine kluge Entscheidung gewesen war. Kurz darauf entschied sich das Gewitter nämlich über ihrem Camp Halt zu machen und sich mit einem Blitz in den Stromgenerator zu fressen. Das Licht ging aus. Der Strom war weg. Das Zelt war nur noch in schummriges Licht getaucht, das durch die durchsichtigen „Fenster“ in den Zeltwänden seinen Weg ins Innere fand. Fast schon romantisch. Aber diesen Gedanken führte Exodus nicht zuende – er war noch voll auf Arbeit eingestellt. Entsprechend unzufrieden wanderten seine Augenbrauen in die Höhe.

„Ja, die Daten bleiben uns erhalten.“

echote Exodus nachdenklich Giselles Worte und rieb sich das rasierte Kinn. Wie so häufig auf Fresia, stellte er sich die eine Frage: Was nun? Was sollte er tun?

„Am besten wir sehen uns draußen mal um.“

Hier im Zelt sitzen zu bleiben, brachte zumindest nichts. Außer, er legte es auf intimie Zweisamkeit mit Giselle an. Was natürlich grundsätzlich immer in seinem Interesse und eine Option war.

„Kommen Sie mit?“

fragte Exodus überflüssigerweise, denn Giselle hatte sich schon von ihrem Platz erhoben. Gemeinsam durchquerten sie das Zelt. Vor dem Ausgang wartete Exodus einen Moment. Der Regen suchte seinen Weg nach drinnen und prasselte gegen den dünnen Verschlag. Auf dem Platz hatten sich große Pfützen gebildet, aber dahinter konnte man dünnen Qualm aufsteigen sehen.

„Scheint der Generator zu sein.“

erklärte Exodus wiederum unnötigerweise, denn Giselle sah genau in dieselbe Richtung wie er. Unwillkürlich griff er nach dem Kragen seines Hemdes, um ihn zum Schutz vor dem Regen hochzuklappen. In diesem Fall würde es ihm nichts bringen. Der Kragen stand kaum 4 Centimeter hoch. Darüber konnte so ein Sturm doch nur lachen. Resignierend richtete er den Kragen wieder und griff nach dem traurig aussehenden Regenschirm, der zu wissen schien, dass er diesen Sturm vielleicht nicht überleben würde. Jost Fleetfire und die Nautolaner hatten eine Reihe von Regenutensilien mitgebracht und der Schirm hatte Exodus am Morgen gute Dienste erwiesen. Jetzt hatte sich der Sturm aber noch verschlimmert und vermutlich konnte er genauso gut ohne einen Schutz gehen. Dennoch griff er optimistisch nach dem schwarzen Schirm und sah zu Giselle.

„Sie haben die Wahl: Entweder Sie schließen sich meinem Versuch an, trocken und gesittet mit diesem Schirm bis zum Generator hinüber zu spazieren – oder Sie rennen wie ein Kind durch den Regen, in der Hoffnung, möglichst wenig Wasser abzubekommen und schnell dort zu sein.“

Sein Blick traf ihren, sie gab ihm nicht sofort eine Antwort. Plötzlich durchfuhr ihn ein Ruck, er stellte den Schirm wieder in die Ecke und schmunzelte sie an.

„Wem mache ich etwas vor – ich komme niemals trocken und gesittet dort drüben an. Dann lieber rennen wie ein Kind.“

Mit seiner rechten Hand schob er den Verschlag zur Seite. Auf die Plätze, fertig …

„Los!“

japste Exodus und spurtete den Platz entlang. Der Regen durchtränkte ihn fast augenblicklich und die Pfützen spritzten hoch auf, als er seine Schuhe mit schnellen Schritten darin versenkte. Er spürte Giselle neben sich laufen. Es machte fast ein bisschen Spaß.
Fast zu schnell erreichten sie beide den Generator. Er stieß dunklen Qualm aus, ruhte ansonsten aber. Einige Stellen der Verkleidung waren schwarz. Das sah gar nicht gut aus.


„Tja.“

blieb Exodus nur übrig zu sagen, während er die Hände in die Seiten stemmte und von Giselle zum Generator sah. So durchnässt wie er schon war, störte der Regen jetzt auch nicht mehr.

„Das war’s wohl. Wir müssen ihn reperieren lassen. Aber bei dem Regen geht das nicht.“

Er zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Seufzen.

„Damit haben Sie für heute wohl frei. So können wir zumindest nicht weiterarbeiten.“

Der Arbeitsmodus begann sich zu verabschieden. Er konnte heute genauso wenig tun wie seine Assistentin. Das eröffnete wiederum die Chance intimier Zweisamkeit. Nur: Strandspaziergänge bei dem Wetter? Das klang wenig romantisch.

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp - Stromgenerator | mit Giselle ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp – Stromgenerator – Mit Exodus -

Giselle kreischte vor Freude, als sie neben Exodus durch den Regen rannte. Innerhalb von wenigen Sekunden war sie bereits vollkommen durchnässt. Wasser spritzte dort auf, wo Exodus rannte und die Vahla spürte ihr eigenes Gesicht erleuchten. Ohrenbetäubender Donner krachte über ihnen. Leider war es um den Generator nicht gut bestellt, denn der Qualm ließ schnell darauf schließen, dass er ihnen heute keine Stromzufuhr mehr liefern würde. Arbeit war somit kaum mehr möglich. Exodus schien ernsthaft betroffen, sah jedoch ein, dass es keinen Sinn mehr machte und für Giselle bedeutete dies, schneller als erwartet einen freien Tag zu haben.

“Sobald das Gewitter nachlässt, kann bestimmt jemand danach sehen.“

Schlug Giselle vor und Wasser triefte ihr über Stirn und Wangen.

“Hoffentlich kommt die Reparatur ohne spezielle Ersatzteile aus.“

Sie warf Exodus einen kritischen Blick zu. Technik war nicht ihre Stärke, doch sie konnte sich vorstellen, dass ein Generator aus Komponenten bestehen mochte, die erst auf dem Festland besorgt werden mussten, um ihn wieder ans Laufen zu bringen. Dazu würde ein Fachmann allerdings mehr sagen können und bis es so weit war, blieb ihnen nur abzuwarten und ihre freie Zeit zu genießen.

“Gut, dann gehe ich mich wohl besser trocknen.“

Sagte Giselle, deren Haare ihr bereits in nassen Strähnen am Kopf klebten, der Farbton wesentlich dunkler als in getrocknetem Zustand.

“Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen.“

Effektiv zu arbeiten hatten sie während ihrer ersten beiden Tage nicht unbedingt geschafft. Exodus Wingston musste frustriert darüber sein. Er war nach Palm Island gekommen, um die Leistungen seiner Mitarbeiter zu steigen und Ordnung in ein Projekt zu bringen, mit dem sein Vorgänger überfordert gewesen war. Alles, was er bisher hatte tun können, war das Camp vor einem Unwetter zu sichern und seiner Assistentin frei zu geben, weil der Strom ausgefallen war. Ein wenig tat er Giselle Leid, auch wenn die Freude über zusätzliche Freizeit deutlich überwog. Sie kehrte zu ihrem Zelt zurück, schob sich durch den Eingang und zog die Plane hinter sich wieder möglichst schnell zu, um es nicht zusätzlich herein regnen zu lassen. Sou und Zera saßen nebeneinander auf dem Boden, Hologrammbilder ihrer Familien miteinander teilend.

“Uff, da ist aber jemand nass geworden.“

Bemerkte Zera grinsend, griff jedoch hilfsbereit nach einem von Giselles Handtüchern und reichte es ihr. Dankbar nahm Giselle es entgegen, rubbelte damit durch ihre Haare und wickelte es sich dann um den Kopf.

“Draußen regnet es, habt ihr das gewusst?“

Scherzte sie und schälte sich aus aus ihrer Kleidung, die an ihr klebte wie eine zweite Haut.

“Wirklich? Nein, habe ich gar nicht bemerkt!“

Zera grinste. Die beiden Nautolannerinnen, mit denen Giselle sich das Zelt teilte, verstanden sich sehr gut miteinander und verhielten sich auch Giselle gegenüber höflich, wenn verstänlicherweise auch noch zögerlich. Mit der Zeit würde sich dies vielleicht noch bessern, doch selbst wenn nicht, konnte Giselle dies nachvollziehen. Als Assistentin des Projektleiters verbrachte sie automatisch viel Zeit mit Exodus und es war nur natürlich, dass von den anderen Angestellten aus ein gesundes Mistrauen herrschen mochte, was man mit ihr besprechen konnte, wie frei man sich ihr gegenüber ausdrückte und welche Bemerkungen man besser für sich behielt, schließlich konnte alles, was man ihr anvertraute, am Ende bei Exodus Wingston landen. Giselle zog sich frische Kleidung an, überließ die Nautolanerinnen wieder sich selbst und ihrer Unterhaltung, um sich ihnen nicht ungefragt anzuschließen und nahm sich einen Datenblock, um ein Buch weiter zu lesen, das sie auf Jems Empfehlung hin begonnen hatte. Sie hatte die Beine angezogen, sich gegen eine Rückestütze gelehnt, ihre Füße in warme Socken gesteckt und begann zu lesen. Über ihr prasselte der Regen noch immer auf das Zelt hinab, das helle Aufzucken von Blitzen erhellte draußen das nur recht trübe Tageslicht und ein lauter Donner ließ Sou zusammenzucken. Fresia zeigte sich von seiner wilden, ungebändigten Seite. Durch den Datenblock in ihrer Hand hindurch sehend stellte sich Giselle die sich im starken Wind wiegenden Baumwipfel vor, während ihre eigene Stimme in ihrem Kopf echote, wie sie Exodus erklärte, dass es auf Fresia etwa alle zwei Monate zum Wolkenbruch kam. Alle zwei Monate. Einem inneren Instinkt folgend legte Giselle den Datenblock zur Seite, ohne auch nur einen einzigen Satz gelesen zu haben. Sie wollte raus. Sie musste. Die Insel wartete nur darauf, vo ihr erkundet zu werden.

“Was hast du vor?“

Fragte Sou, als Giselle in ihrer Tasche wühlte und sich im Begriff war, wieder umzuziehen. Giselle hatte die beiden Frauen gebeten, sie vertraulich und mit dem Vornamen anzusprechen, was sie zu Beginn, der Etikette gemäß, nicht getan hatten. Wenn man sich jedoch ein Zelt miteinander teilte und nebeneinander schlief, befand Giselle, war es überflüssig, übertriebene Höflichkeiten walten zu lassen.

“Ich möchte einen Sparziergang machen.“

Antwortete Giselle. Zera und Sou wechselten einen Blick.

“Hmm, es stürmt draußen ziemlich.“

Merkte Zera an. Giselle grinste.

“Ich weiß, aber ich mag Regen.“

Erwiderte sie, knotete das Bikinioberteil, das sie angezogen hatte, am Rücken zusammen, und schlpüfte in ein Paar selbst abgeschnittener Microshorts. Je weniger Kleidung sie trug, umso weniger konnte sich mit Wasser vollsaugen, an ihr kleben und sie behindern. Außerdem war es weit davon entfernt, draußen kalt zu sein.

“Also, ich bin Nautolan, aber selbst ich bleibe lieber hier drinnen sitzen.“

Stellte Zera fest und Sou nickte bestätigend.

“Ich auch.“ ,sagte sie, “Vor allem bei dem Gewitter.“

Tatsächlich war besagtes Gewitter bereits dabei, nachzulassen. Der Abstand zwischen Blitz und Donner dauerte länger als noch kurz zuvor und auch das Grummeln selbst schien aus weiterer Ferne zu kommen, als Giselle wieder aus der Zeltöffnung nach draußen stieg. Auf ihrem Gesicht lag eine freudige Erwartung. Dies war eine der Gelegenheiten, wegen der sie mit nach Palm Island gekommen war.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp – Auf dem Weg in den Wald -
 
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Die Erde unter ihren Füßen war feucht und aufgeweicht. Giselle Givenchy bog ein paar Zweige zur Seite und duckte sich unter einem Gebüsch hindurch. Ihre festen Schuhe, ideal für lange Wanderungen in unebenem Gelände, waren überzogen mit einer schlammigen Schicht und in ihrem zurück gebundenen Haar hingen ein paar Blätter, die sich dort verfangen hatten. Sie hatte schon seit einer Weile nicht mehr auf die Uhr gesehen, ihr Gefühl sagte ihr jedoch, dass sie seit einer guten Standardstunde unterwegs war. Es regnete noch immer in ungebrochener Intensität und das Wasser rann Giselles Gesicht und ihren Körper hinunter. Für sie war dies jedoch nicht unangenehm. Sie fühlte sich tatsächlich wie in ihrem Element, fast so als sei sie auch eine der Nautolannerinnen, deren Zuhause das Wasser war. Der Stamm eines mächtigen Baumes, der schon vor Jahren gefallen zu sein schien, lag lang gestreckt und entwurzelt auf dem Waldboden. Giselle fühlte mit einer Hand über die raue Rinde. Moos hatte sich hier und dort gebildet und der Stamm war nass durch den Regen, wie alles um sie herum. Giselle kletterte auf den schweren Riesen, richtete sich auf und balancierte über den teilweise rutschigen Stamm, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, um ihr Gleichgewicht zu halten.

Ihre erste Nacht auf Rings Island, die sich, was die Lichtverhältnisse anging, in keinster Weise vom Tag unterschieden hatte, hatte Giselle am Fuße eines großen Baumes verbracht, um dessen Stamm sie zehn große Schritte hatte machen können. Es war der größte Baum, den sie nach ihren ersten Stunden auf der Insel hatte fnden können und er hatte sie sofort an Kaschyyyk erinnert. Vor dem Schlafen hatte sie sich die Augen mit einem Tuch verbunden, um ihren Sinnen Dunkelheit vorzutäuschen, und hatte sich dann zwischen zwei großen Wurzeln, die über dem Erdboden rankten, ein Nest gebaut. Es war das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit, sogar seit einigen Jahren, gewesen, dass sie eine Nacht im Freien verbracht hatte. Als sie am nächsten Morgen aufgewacht war, hatte eine dicke Spinne mit langen, behaarten Beinen nur Zentimeter von ihrer Nase entfernt auf dem Baumstamm gehockt und ihr Rücken hatte geschmerzt, weil sie ungünstig auf einem Ast gelegen hatte, doch es war das schönste Gefühl gewesen, dass sie sich in diesem Moment hatte vorstellen können. Giselle war ein Kind der Natur, durch und durch.

Giselle wanderte über den Baumstamm, jeder Schritt schwer durch die behäbigen Wanderschuhe, und sprang, am Ende angelagt, mit geschlossenen Beinen zu Boden. Der Moment, in dem sie den Boden berührte, wurde begleitet von einem plötzlich neu aufkommenden Donnerschlag, der den Wald um sie herum erschütterte – ein Klang, als risse es die Insel in der Mitte entzwei. Giselle zuckte im ersten Moment zusammen, hob den Kopf und begrüßte einen neuerlichen, prasselnden Regen, der ihr Gesicht bedeckte. Mit vor Überraschung weit geöffnetem Mund und geschlossenen Augen, hielt die Vahla ihr Gesicht den Ergüssen des Himmels entgegen, der sie tränkte und stärkte.


- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel -
 
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp – Exodus’ Hütte | allein ]

Millionen und Abermillionen Regentropfen mussten mittlerweile auf das Dach seiner kleinen Hütte geprasselt sein. Ungeduldig stierte Exodus zur Decke, als ob er mit purer Willenskraft dem Himmel befehlen konnte, den Dauerregen einzustellen. Fingers Mark schien ihn zermürben zu wollen – genau wie seinen Vorgänger Bas Goarland. Aber Exodus war von einem anderen Kaliber. Er gab sich nicht so leicht geschlagen. Das alles hier würde er aushalten und ausharren. Bis die Sonne wieder da war, bis das Camp besser organisiert war, bis sie Erträge des Lumium-Abbaus gut waren. Bis er Giselles Geheimnis gelüftet hatte. Sowieso: Was konnte er auf Coruscant erwarten vorzufinden? Eine kaputte Ehe und ein viel zu großes Penthouse, ein Betthäschen und mitleidige Blicke. Seine Gedanken wanderten von Serah – dem Betthäschen – zurück zu Giselle. Was trieb sie wohl die ganze Zeit? Er langweilte sich, hier gab es nichts für ihn zu tun. Die anfangs so großzügig erschienene Hütte wirkte mittlerweile klein und beengend. Dort wo Giselle war, wurde es meistens interessant. Mit einem Ruck stellte er die, auf einem kleinen Hocker hochgelegten, Füße auf dem Boden ab, richtete sich auf und ging hinüber zu Tür. Sie war mit einem altmodischen Türgriff ausgestattet und Exodus zog den Griff kraftvoll nach unten, zögerte dann aber doch einen Moment. Der Regen peitschte von außen gegen die Tür – er würde innerhalb von Sekunden komplett durchnässt sein. Egal. Er wollte zu Giselle.

Seine Prognose war richtig gewesen: Nach wenigen Schritten war er nass bis auf die Knochen und das T-Shirt klebte wie eine zweite Haut an ihm. Er joggte in mittlerem Tempo zu Giselles Zelt, diesmal darauf bedacht nicht in jede der großen Pfützen zu treten, was nicht ganz so leicht war, da ihm der entgegenschlagende Regen die Sicht vernebelte. Wo ihre Unterkunft stand, wusste er natürlich mittlerweile und sogar, wie ihre beiden Mitbewohnerinnen hießen: Zera und Sou. Giselle hatte die beiden schon mal namentlich erwähnt und Exodus hatte sich darum bemüht, die Namen zu behalten. Jetzt kam ihm diese Bemühung gleich zu Gute. Vor dem Zelt blieb er zögernd stehen, wischte sich die kurzen nassen Haare aus der Stirn und versuchte gegen die Plane zu klopfen, um auf sich aufmerksam zu machen. Was misslang. Gegen eine Plane konnte man nicht klopfen, vor allem nicht, wenn gleichzeitig lautstarker Regen darauf ein prasselte. Er räusperte sich.


„Ladys?“

Gleichzeitig griff er nach dem Verschlag und schüttelte ihn, um anzudeuten, dass er eintreten wollte. Aus dem Inneren ertönte keine Erwiderung. Dann stand plötzlich eine hübsche Nautolanerin vor ihm und zog den Verschlag zur Seite.

„Mr. Wingston.“

sagte sie überrascht und schien unschlüssig, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Exodus beschloss, ihr die Entscheidung abzunehmen.

„Hallo …“

Zera und Sou. Welche davon war wohl diese hier? Er hatte keinen blassen Schimmer. Mist. Dann würde es ohne Namen gehen müssen.

„Ich bin auf der Suche nach Giselle. Ist sie da?“

Auf dem Weg war ihm der Gedanke gekommen, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, wieso er seine Assistentin suchte. Zera oder Sou gegenüber musste er nichts sagen – er war der Chef hier und hatte das Recht seine Assistentin aufzusuchen. Aber Giselle gegenüber würde er einen Vorwand brauchen. Er dachte an irgendwelche Planungen, die er mit ihr durchgehen wollte. Wie sie jetzt weitermachten, ab wann sie Jost oder Dan’el wieder zum Festland schicken konnten, um einen Handwerker für den Generator zu finden – oder Werkzeug. Das waren natürlich tatsächlich zu klärende Fragen, allerdings wusste Exodus schon, was Giselle antworten würde: Noch nicht. Das Unwetter war viel zu stark. Es war in der letzten Stunde sogar noch stärker geworden. Aber so war das ja auch mit Vorwänden: Eigentlich gab es nichts wirklich zu besprechen, man tat nur so, als ob. Zera – oder Sou – riss ihn wieder aus seinen Gedanken.

„Nein, sie ist nicht hier.“

Sein auffordernder Blick genügte, um ihre eine weitere Erklärung zu entlocken.

„Sie wollte einen … Spaziergang machen.“

Exodus‘ Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Einen Spaziergang? Bei dem Wetter?“

„Ja.“

Hektisch blickte er sich um, sah zum Himmel. Ein greller Blitz spannte sich über die Wolken hinweg und brannte sich in Exodus‘ Netzhaut. Wer machte bei diesem Wetter einen Spaziergang?!

„Und ihr habt sie nicht davon abgehalten?“

„Nein, Sir.“

Die Nautolanerin wurde unruhig. Es war nicht so, dass er ihr wirklich einen Vorwurf machte. Viel mehr begann er sich Sorgen um Giselle zu machen. Sie war ein Kind der Natur und nach eigener Aussage fühlte sie sich dort am wohlsten. Das war ja auch alles schön und gut, nur war die Natur bei diesem Unwetter etwas Gefährliches. Ein vermeintlich romantischer Strandspaziergang konnte bei solchen Wellengängen leichten schlimmer ausfallen – und überhaupt!

„Wie lange ist sie schon weg? Wo ist sie hingelaufen?“

„Schon eine ganze Weile. Da war der Regen noch etwas schwächer. Wo sie hin ist, weiß ich nicht.“

Sie war losgegangen, als das Unwetter noch nicht so stark gewesen war. Sie war losgegangen, ohne zu wissen, dass es so stürmen würde. Sie hatte es nicht vorausgesehen und war jetzt irgendwo da draußen.

„Ich gehe sie suchen.“

sagte Exodus nur noch knapp und wandte sich ab. Im letzten Moment zögerte er und blickte zu der Nautolanerin zurück, nickte ihr zu.

„Danke.“

Dann verschwand sie aus seinem Blickfeld und seinen Gedanken. Giselle konnte zum Meer gelaufen sein, aber da der Strand nur einige Meter entfernt war, hätte er sie jetzt schon sehen oder zumindest spüren müssen. In den letzten Tagen hatte er sich angewöhnt, gelegentlich in der Macht hinauszugreifen und ihre Aura zu erspüren. Ihre Aura war wie ihr Geruch, er mochte es sie über die Macht zu spüren, so wie er es mochte, wenn ihm ihr Duft die Sinne vernebelte. Blieb nur noch der Dschungel. Der unendlich große Dschungel, voller – was wussten sie schon! – gefährlicher Bestien, wütender Mon Calamari und anderen Dingen. Seine Schritte und Gedanken beschleunigten sich, seine Füße trugen ihn fast automatisch zu den Ausläufern des Dschungels. Er lief schnell durch das Dickicht und so schlugen ihm viele Äste ins Gesicht, kratzten über seine Haut und hinterließen leicht blutende Wunden, die der Regen in Sekundenschnelle ausspülte. Der sintflutartige Regen hatte jeden Zentimeter seines Körpers erreicht und trieb unermüdlich weiter auf ihn und die Blätterwelt um ihn herum, ein. In der Macht breitete er seine Fühler aus, suchte Giselle, zwischen den Tausenden Lebewesen, deren Heimat der Dschungel war. Jedes Mal wenn das Grollen über ihm ohrenbetäubend laut wurde, zuckte er zusammen. Nicht, weil er Angst um sich hatte – sondern wegen Giselle. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn er hatte nicht damit gerechnet. Giselle war … sie war ein Objekt der Begierde – hatte er gedacht. Dass er Angst um sie haben könnte – das war neu. Nur blieb ihm keine Zeit, dieses neue Gefühl einzuordnen und zu reflektieren. Der Dschungel war erbarmungslos.

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Giselle sprang über einen schmalen Bachlauf. Das Ufer war glitschig, der Schlamm aufgeweicht vom Regen. Einen Moment lang strauchelte sie und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu behalten, konnte sich jedoch an einem herab hängenden Ast fest halten und sich vor einem Fall bewahren. Es regnete noch immer in Strömen, heftiger sogar als noch zuvor, und der Wind pfiff ihr um die Ohren. Wären ihre Haare nicht zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden gewesen, sie hätten ihr wild durch das Gesicht gepeitscht. Die Bäume bogen sich im Angesicht der nicht zu widerstehenden Kräfte, die sie nieder zu drücken drohten und der Himmel, so grau und dunkel er versuchte sich zu halten, wurde alle paar Minuten durchzogen von einem kräftigen Blitz, manchmal nur ein einfaches Leuchten, manchmal mit einer klar zu erkennenen Struktur. Giselle hatte sich ihrer Schuhe entledigt und sie irgendwo auf dem Weg stehen gelassen, zu klobig waren sie gewesen und zu behindernd. Die dicken Strümpfe, die sie getragen hatte, waren völlig durchnässt gewesen. Barfuß setzte sie ihren Weg durch den Wald fort, jeder Schritt eine Art Befreiung. Giselle Givenchy war in der Wildnis aufgewachsen und hätte sie nie verlassen, wäre sie nicht dazu gezwungen worden. Dies war ihre Art von Rückkehr – eine kurzfristige und befristete Rückkehr, doch hier auf Fingers Mark, im Auge des Sturms, genoss sie es, ihren Wurzeln näher zu sein als irgendwo sonst.

Regen ergoss sich auf die Insel, ohne dass ein Ende in Sicht gewesen wäre und Giselle sah nur wenige Tiere. Die meisten hatten Schutz gesucht, klüger als die Vahla, die dem Wetter trotzte und sich nur kurzzeitig Unterschlupf suchte, um dann direkt weiter zu gehen. Wo lag ihr Ziel? Es war eine Frage, die man dem Volk der Vahla oft stellte. Sie waren Nomaden, die die Galaxis durchstreiften, auf der ewigen Suche nach ihrer verlorenen Heimatwelt, von der viele der Meinung waren, dass sie sie niemals finden würden. Konnte dies wirklich ein Ziel sein? Ein Ziel, dass sie vielleicht niemals erreichen würden? Oder lag es schlicht in ihrer Natur, blindlings einen Weg zu suchen, mit unbekanntem Ausgang?

Giselle lief eine weite Runde, fand eine Quelle, aus der erfrischend kaltes Wasser floss und ein Tal voller Pilze, von denen sie einen roh aß. Spuren einheimischer Mon Calamari begegneten ihr ebenfalls ein paar, doch nicht so viele, wie sie unter anderen Wetterbedingungen hätte finden können. Die aufgewühlte Erde spielte dieses Spiel nicht mit, erfand stattdessen ihre eigenen Regeln. Als Giselle einen weiten Umweg gelaufen war, gelangte sie schließlich wieder zu dem umgefallenen Baumstamm, diesmal aus einer anderen Richtung kommend. Sie wusste nicht, warum, doch dieser Ort war besonders, fast so, als läge eine alte Magie in ihm verborgen. Der Regen hatte nachgelassen und wenn sie zum Himmel sah, konnte sie eine winzige Lücke in dem Grau-in-Grau erkennen. Giselle begann eine Melodie zu summen, schnippte einen winzigen Käfer von ihrer Schulter und kletterte, zum zweiten Mal an diesem Tag, auf den Baumstamm. Dieses Mal jedoch waren ihre Bewegungen leichtfüßiger, unbehindert von den schweren Wanderschuhen. Auf blanken Sohlen balancierte sie über das feuchte Holz, wagte ein paar schnellere Schritte und drehte sich um, als der Stamm zu Ende war, sich plötzlich, ganz wie von selbst, in einer Reihe von Sprüngen wieder findend, die sie sich leicht und schwerelos fühlen ließen. Giselle hob die Beine, winkelte sie an und drehte sie nach außen, eine Bewegung fließend in die andere übergehend. Sie tanzte das Pas de chat, ihre Balance auf einem einfachen Baumstamm haltend, wie sie es auf Alderaan gelernt hatte und auch dies war nichts als eine Reise in die Vergangenheit und ein Versuch, diese mit der Gegenwart zu verknüpfen, von der sie noch immer nicht wusste, in welche Zukunft sie sie führen würde.


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Er hatte Angst. Seine Schritte waren schneller geworden, er rannte. Die Schuhe versackten tief im Schlamm. Der Regen hatte den Boden aufgeweicht. Er ließ sich nicht aufhalten. Er hatte Angst. Der Regen schlug ihm wie Peitschenhiebe gegen den Rücken, ins Gesicht und entgegen. Die Bäume und ihre Äste wollten ihn greifen, so kam es ihm vor. Sie stellten ihm ein Bein, sie hielten ihn auf, sie verlangsamten ihn. Sein Puls ging schneller, der Atem stoßartig. Seine Kondition war gut, aber das war hier war anstrengend. Aber es war nicht nur das. Exodus hatte Angst. Nicht um sich, nicht um das Camp, nicht um sein Geld. Es war der Gedanke an Giselle, der ihn antrieb. Nur einige Meter neben ihm schlug ein Blitz krachend in einen der hohen Bäume ein. Der Stamm fiel behäbig, aber mit unmenschlicher Wucht zu Boden und riss alles um sich herum mit. Exodus schenkte ihm nur einen Seitenblick. Seine Machtsinne waren auf Anschlag hochgefahren, seine Instinkte reagierten perfekt. Der Baum traf ihn nicht und er kämpfte sich weiter durch den Dschungel. All die Tiere um ihn herum warem ihm bewusst, er spürte sie, spürte alles. Nur Giselle spürte er nicht. Sie war nicht hier.
Wieso hatte er solche Angst?
Nur weil er, wenn ihr etwas zustieß, nicht mehr ihr Geheimnis erfahren würde? War es das? Ihr Geheimnis und der Wunsch es zu erfahren, waren sein Antrieb gewesen, sie in der Red Square Bar zu engangieren, mit ihr einen ausgedehnten Strandspaziergang zu unternehmen, ihre Nähe zu suchen. Zog sich deshalb sein Bauch schmerzhaft zusammen und klopfte deshalb sein Herz?
Bestimmt, sagte er sich. Was sollte es auch sonst sein?
Sein Körper schrie nach einer Pause, er erlaubte sie sich nicht. Mittlerweile beschlich ihn das Gefühl, den ganzen Dschungel schon einmal durchquert zu haben und sich im Kreis zu drehen. Wo war Giselle? Wenn ihr etwas zugestoßen war – konnte er ihre Aura dann überhaupt noch spüren? Er hatte die Erfahrung gemacht, dass tote Körper noch ein Echo der Aura abstrahlten, einen Moment lang. Wie lang dauerte dieser Moment?
Sie war nicht tot. Sie war …
Da! Alle seine Machtsinne drängten in eine Richtung und sein Körper mit ihnen. Seine Beine überschlugen sich fast, er begann zu fliegen, bemerkte nicht mehr die vielen Schnittwunden, die der Dschungel ihm zufügte. Er war in die Macht eingetaucht, badete im Licht ihrer Aura, bemerkte seinen Körper kaum noch. Dann wurde sein Blick klar. Exodus schob die Zweige eines großen Busches zur Seite. Giselle tanzte. So wie sie es immer tat, so wie jede ihrer Bewegungen Teil einer großen Choreographie war.


„Giselle!“

rief er nur, denn es war das einzige, was ihm seit einer Unendlichkeit durch den Kopf ging. Sie drehte sich um, in Zeitlupe und er brachte ihre Choreographie durcheinander. Die Erleichterung darüber, sie gefunden zu haben, währte nicht lange. Giselle verlor in ihrer Überraschung das Gleichgewicht, ihre Bewegung verlor die Eleganz, als sie zu schwanken begann und schließlich von dem glitschigen Baum abrutschte. Instinktiv bewegte er sich auf sie zu, bereit die Macht zu nutzen, um ihr entgegen zu hechten und sie vor dem Aufprall zu bewahren. Sein kurzes Zögern, der Gedanke an sein eigenes Geheimnis, welches er noch nicht lüften wollte, verhinderte eine heldenhafte Rettungsaktion. Giselle fiel zu Boden und prallte dumpf auf. Exodus zuckte zusammen, eilte jetzt doch noch zu ihr hinüber.

„Ist alles okay?“

Giselle Givenchy war eine unglaubliche Frau. Um sie herum ging die Welt unter, doch das interessierte sie nicht. Sie stürzte sich mitten in den Weltuntergang und tanzte ihren Tanz. Sie tanzte und war in ihrer eigenen Welt. Zumindest so lange bis ein sorgenvoller Tölpel sie unterbrach.

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Alles um sie herum war perfekt: der Dschungel, der nasse Regen auf ihrem Gesicht, die Schritte, die sie einen nach dem anderen tanzte. Sogar die Musik, die in ihrem Kopf spielte, nur allein für sie hörbar, kam ihr vor wie aus einem alten, fremden Land. Dies war der perfekte Ort, der perfekte Moment – bis die Welt um sie herum sich zu drehen begann, erschüttert wie von einem Erdbeben oder so, als teile sich die Insel nun tatsächlich, allerdings ohne Donnerklang. Dies war der Moment, in dem Exodus Wingston auftauchte. Giselle sah ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde, die Umrisse einer Gestalt, die im Schatten der Bäume stand und nach ihr gerufen hatte. Einen Herzschag später versagten ihre Füße, sich Halt auf dem Baumstamm zu suchen. Sie sah nicht mehr viel, nur das Grün der Bäume und ein dunstiges, nebliges Grau, das der Himmel sein musste. Als sie wieder klar denken konnte, lag sie seitlich im feuchten Gras und Exodus Wingston hockte neben ihr. Blinzelnd sah Giselle ihn an. Sie spürte ihre Füße und ihre Beine. Ihr Gesäß tat etwas weh, doch das würde sich schon wieder geben.

“Ja, ich bin okay.“

Antwortete sie.

“Nur ein bisschen... verwirrt.“

Sie lächelte ein winziges Lächeln. Gerade noch hatte sie dort oben auf dem Baumstamm gestanden, nicht einmal eine Minute später fand sie sich auf dem nassen Waldboden wieder. Die Vahla stützte sich auf einer Hand ab, um sich hoch zu schieben und wieder aufzurichten, zog ihre Hand jedoch jäh zurück, als ein unangenehmes Brennen ihrer Handfläche dafür sorgte, dass sie schmerzverzerrt das Gesicht verzog. Überrascht hob Giselle ihre Hand – und wandte sogleich das Gesicht ab, die Augen dabei fest zusammen gepresst.

“Ohhh nein, bitte nicht!“

Entfuhr es ihr, doch es war längst zu spät. Giselles Handfläche war aufgeschürft und präsentierte eine hässlich blutende Wunde. Scharf sog die Tänzerin die Luft ein, öffnete die Augen und starrte stur geradeaus, hinein in den weiten Wald. Blut an sich war nicht das Problem. Es war ihr eigenes Blut. Sie hasste es. Giselle schluckte.

“Wie schlimm ist es?“

Wollte sie wissen, ohne einen zweiten Blick zu riskieren und spürte, wie sich ein hohles Gefühl in ihrem Bauch breit machte. Angestrengt kämpfte Giselle gegen die aufkeimende Übelkeit an. Ein paar Minuten zuvor war die Welt noch perfekt gewesen. Der Sturz hatte ihr nichts aus gemacht. Hinzufallen gehörte beim Tanzen immer wieder dazu und Giselle hatte gelernt, aus jedem Fehler zu lernen. Man stand wieder auf und machte weiter. Doch genau das erwies sich gerade als sehr, sehr schwierig.

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Es dauerte einen Moment, bis Giselle ihm antwortete. Ob sie in Ordnung sei, hatte er gefragt. Ja, antwortete sie jetzt, ohne allerdings so auszusehen. Exodus hatte sich neben sie gesetzt und unterdrückte den Impuls ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Ihr tapferes Lächeln zauberte ein Schmunzeln auf seine ansonsten sorgenvolle Miene.

„Ich würde sagen …“

setzte er an und reagierte damit auf ihre ausgedrückte Verwirrung.

„… Sie sind gefallen. Nunja und davor … haben Sie sich unvernünftigerweise allein in den Dschungel begeben, während der Rest der Welt untergeht.“

Vielleicht war sie aber gar nicht wegen ihres Sturzes verwirrt – so wie er zuerst angenommen hatte – sondern wegen seines plötzlichen Erscheinens. Auch hier sollten vielleicht ein paar erklärende Worte folgen.

„Ich habe von Sou und Zera erfahren, dass Sie das Camp verlassen haben. Und bei dem Wetter dachte ich mir … ich gehe mal hinterher.“

Dass er sie gefunden hatte, stellte er als völlige Selbstverständlichkeit dar und ging nicht weiter darauf ein. Vielleicht legte sie als Zufall aus. Vielleicht glaubte sie auch einfach, dass – da sie sich offensichtlich so gut in der Natur auskannte – auch andere gut darin waren, Spuren zu lesen. Obwohl das bei dem Regen und dem schlammigen Boden fast unmöglich sein musste.
Erst jetzt bemerkte Giselle ihre aufgeschürften Hände – sie blutete. Nicht schwer allerdings und Exodus zog überrascht die Augenbrauen hoch ob ihrer Reaktion darauf. Giselle, war das nicht diese toughe Frau, die schlagfertig und wenig zimperlich war? Die scheinbar bereit war, sich allen möglichen Gefahren zu stellen? Diese Frau lamentierte jetzt wegen einer aufgeschürften Hand? Das war … ungewöhnlich.


„Ähm …“

fing Exodus etwas ratlos an und in einer anderen Situation hätte er sich vielleicht darüber amüsiert, das Giselle nicht im Stande schien wieder auf ihre Hände zu blicken.

„Es ist nicht so schlimm.“

Aus einem Impuls heraus, zog er sein durchnässtes T-Shirt aus – es war eigentlich schon egal, ob er hier komplett oben ohne rumlief oder diesen nassen Lappen an seinem Körper trug – und drückte es zu einem Lappen zusammen. Behutsam nahm er Giselles verletzte Hand in seine und tupfte mit dem Stoff über die blutenden Stellen. Nach einer Sekunde erkannte er, das weitere kleine Tropfen aus den aufgeschürften Stellen quollen. Exodus zuckte kaum merklich mit den Schultern und riss dann sein T-Shirt in zwei Hälften. Eine Hälfte faltete er zu einem breiten Verband zusammen und sah Giselle an.

„Darf ich?“

Den provisorischen Verband, band er um ihre aufgeschürfte Händflächen, sodass der durchtränkte Stoff das Blut aufnehmen konnte, auch wenn die Verletzung kaum einen Verband benötigt hätte.

„So.“

sagte er schließlich und musterte Giselle aufmerksam. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht der einzige war, der hier viel Haut zeigte. Seine Kleidung war komplett durchnässt, aber Giselles Kleidungsstücke verdienten diesen Namen kaum. Sie trug nur ein Bikinoberteil und sehr knappe Shorts. Der Stoff des Bikinis lag auf ihr wie eine zweite Haut und hätte Exodus Anstand gehabt, wäre er bei dem Anblick rot geworden. Viel Raum für Fantasie ließen auch die Shorts nicht mehr. Sie war nahezu nackt – und in seinem Kopf dauerte es nicht lange, sie auch noch von diesen beiden knappen Stücken zu befreien.
Die attraktive und hilflose Maid, die sich ihrem durchtrainierten Retter und Angebeteten, mitten im Dschungel und während der Regen auf sie einprasselte, hingab. Na wieso eigentlich nicht?


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Giselle sah davon ab, noch einmal einen Blick auf ihre Hände zu werfen. Als Kind hatte sie keine Schwierigkeiten damit gehabt, ihr eigenes Blut zu sehen. Wann dies zu einem Problem geworden war, konnte sie nicht einmal mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht hatte sich dies in der Pupertät entwickelt, vielleicht erst später. Ihr wurde schlecht, wenn sie nur daran dachte, was bedeutete, dass sie vermied, daran zu denken. Wenn es jedoch über den bloßen Gedanken hinaus ging und sie wirklich verletzt war, hatte sie mit sich und ihrem Ekel zu kämpfen. Sich selbst zu verarzten, kostete sie mehr Überwindung, als sich so manch einer vorstellen konnte. Mit dem Blut anderer hatte sie dagegen keine Probleme. Möglicherweise war es die eigene Verletzlich-, aber vor allem ihre Sterblichkeit, die der Anblick ihres Blutes ihr bewusst machte und vor der sie Angst hatte. Nach ihrem Tod würde sie vor die Feuergöttin treten und Giselle wusste, dass sie dort kein leichtes Gericht erwarten würde.

Exodus hatte ihre Hand genommen, sich diese angeshen, ihr versichert, dass die aufgeschürften Handflächen nichts waren, was als schlimm einzustufen war, und sein Shirt ausgezogen, um ihr die mit dem Stoff die Hände zu verbinden. Giselle ließ ihn gewähren, froh, dass sie dies nicht selbst machen musste. Sie war blass um die Nase geworden und überlegte bereits, wie lange es mit einem Bactapflaster wohl dauerte, bis die Wunde verheilt war.


“Vielen Dank.“

Sagte sie, als er offensichtlich fertig war und sie sich endlich wieder traute, den Blick von den Bäumen abzuwenden. Exodus war triefend nass, so wie sie selbst. Sogar an seinen Wimpern hingen Regentropfen, wie kleine Diamanten. Giselle drehte ihre Hand hin und her. Der provisorische Verband machte es ihr leicht, die aufgeschürften Innenhandflächen nicht sehen zu müssen.

“Ich bin nicht gut darin, fürchte ich.“

Erkärte sie ihm.

“Mein eigenes Blut zu sehen. Mir wird dabei ganz übel.“ Weil es sie plötzlich fröstelte, schüttelte Giselle sich. “Von daher: noch mal danke.“

Sie wandte ihren Blick nach oben. Kam es ihr nur so vor, oder wurde der Regen schwächer? Es war schon ein paar Minuten her, seit sie den letzten Donnerknall gehört hatte.

“Wissen Sie, Sie hätte mich nicht suchen müssen.“

Meinte sie und lächelte.

“Auch wenn es nett ist, dass Sie es getan haben. Im Übrigen überraschen Sie mich immer wieder. Sie haben mir verschwiegen, dass Sie so ein guter Spurenleser sind.“

Bewundernd begegnete Giselle Exodus' Blick. Er musste wirklich sehr gut sein, dass er ihre Fährte bis hierher hatte aufnehmen können, wo es doch fast die ganze Zeit über in Strömen geregnet hatte. Sie selbst hatte nur wenige Anzeichen von Mon Calamari Bewegung im Wald ausmachen können, weil der Erdboden bei diesem Wetter in ständiger Bewegung war. Giselle zog die Beine an und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm.

“Hier draußen ist es wundervoll."

Sprach sie.

"Ich bin froh, dass Sie mir angeboten haben, für Sie zu arbeiten. Fingers Mark ist das Beste das mir seit langer Zeit passiert ist.“

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„Gerne.“

Exodus erwiderte Giselles Dank mit einem Lächeln, blieb mit den Augen aber wieder an ihrem Bikinioberteil hängen. Genauer gesagt: Nicht direkt an ihrem Oberteil selbst, sondern an dem, was der durchweichte Stoff nur spärlich verhüllte. Ihre Haut wirkte zart und schimmerte vom Regen verführerisch. Dazu ihr Duft und der Geruch des Dschungels – es wäre wirklich der perfekte Moment ...
Giselles Begutachtung ihrer verbundenen Hand lenkte auch Exodus‘ Blick auf die vermeintlich schwere Verletzung und seine Gedanken zum gegenwärtigen Dschungel, weg von der Fantasievorstellung in seinem Kopf. Jetzt, wo ihre verwunderte Hand verarztet war, erklärte seine Assistentin, sie könne kein Blut sehen. Zumindest nicht ihr eigenes. Das war also ihre Schwäche – oder zumindest eine Schwäche. Bisher hatte sie tatsächlich nicht allzu viele gezeigt. Höchstens vielleicht ihre geringe Offenheit für die Vermischung privater und beruflicher Beziehungen.


„Wir haben doch alle etwas … worin wir nicht gut sind.“

murmelte Exodus bedeutungsschwer und dachte zum ersten Mal am heutigen Tag an Yuna. Es hatte sich schon gebessert, seit er auf Fresia war. Er dachte nicht pausenlos an sie, wurde aber auch nicht ständig an sie erinnert. Außerdem hatte er etwas zu tun – und das lenkte die Gedanken ohnehin immer ab. Dann war da natürlich noch Giselle. Über ihr Geheimnis hatte er sich schon viel den Kopf zerbrochen. Manchmal rückte Yuna da in den Hintergrund. Und auch wenn sein Gefühl ihm immer noch sagte, er stürze sich ins Verderben, so fühlte sich das alles doch schon viel besser an.

„Ich habe Sie gerne gesucht.“

sagte Exodus wahrheitsgemäß, ließ sich neben Giselle auf dem weichen Dschungelboden nieder und lehnte sich mit dem nackten Rücken gegen den Baumstamm, der eben noch ihr Schwebebalken gewesen war.

„Im Camp gab es ohnehin nichts zu tun.“

Auch das entsprach der Wahrheit. Nur was sollte er zu ihrer Anerkennung seiner Spurenleser-Fähigkeiten sagen? In letzter Zeit passierte es ihm immer häufig, dass er auf die Macht zurückgriff, ohne weiter darüber nachzudenken. Obwohl er es sich in seiner Zeit auf Coruscant versucht hatte abzugewöhnen, verfiel er wieder in die alten Mechanismen. Auch auf Abregado-rae hatte er das getan. Es fühlte sich gut an, diesen alten Vertrauen bei sich zu haben: Die Macht. Es gab ihm das Gefühl von Kontrolle. Es gab ihm Halt. Nur wusste Giselle nichts davon und bisher gefiel ihm dieser Zustand ganz gut. Denn das hieß auch, dass sie nichts von seiner Vergangenheit beim Sith Orden wissen musste. Und er nicht davon erzählen.

„Wissen Sie: Ich habe meine eigene Methode Spuren zu lesen. Ich folge meiner Intuition und – naja – es funktioniert in der Regel ganz gut.“

Er sah knapp zu ihr hinüber und bemühte sich, die vage Aussage mit einem Grinsen zu überspielen. Fingers Mark, hatte sie eben gesagt, war das Beste, was ihr seit langer Zeit passiert war. Auch Giselles Vorgeschichte schien nicht allzu schön gewesen zu sein. Was genau vorgefallen war, hatte er noch nicht in Erfahrung bringen können. Vielleicht war das der ideale Zeitpunkt um danach zu fragen.
Exodus ließ ihn bewusst verstreichen und sprach seinen nächsten Gedanken stattdessen laut aus:


„Ja, ich weiß was Sie meinen. Mir geht es ganz genauso. Fingers Mark … das ist eine neue Chance, nicht wahr?“

Und während er sie ansah und ihr Profil studierte, ihre hohen Wangenknochen, die vollen Lippen und das zarte Kinn, fühlte er sich merkwürdig verbunden mit ihr. Giselle und er waren sich doch gar nicht so unähnlich.

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Eine neue Chance. Ja, so konnte man es vielleicht nennen. Für Giselle war die Rückkehr in die Natur eine Rückkehr zu ihren Wurzeln. Auf Palm Island gab es nicht vieles, das an die moderne Welt erinnerte und das gefiel ihr. So war sie aufgewachsen. Für Exodus Wingston musste es hingegen eine neue Erfahrung sein, auf Dauer so zu leben. Er hatte erzählt, dass er früher mit seinem Vater oft gereist war und er hatte bestimmt den einen oder anderen „Abenteuerurlaub“ wie man es nannte, hinter sich. Das Projekt auf Fingers Mark war jedoch Arbeit für ihn, es war kein Urlaub, und dementsprechend länger würde die Zeit werden, in der er in einer primitiven Holzhütte wohnte, Bäume fällte und seine Assistentin bei strömendem Regen im Wald suchte, wobei letzteres besser nicht zur Regel werden sollte.

“Eine neue Chance.“

Wiederholte Giselle nachdenklich die Worte ihres Vorgesetzten.

“Das klingt gut. Was glauben Sie, wieviele Chancen jemand erhalten sollte?“

Sie lehnte ihren Kopf gegen den mächtigen Stamm des gefallenen Riesen, dessen Zeit abgelaufen war und der dennoch noch immer ein Teil war im Zyklus des Waldes, und sah zum Himmel. Sie wusste, dass sie bereits mehrere Chancen erhalten und eine nach der anderen vertan hatte. Hatte sie eine weitere verdient? War sie aus diesem Grunde hier, auf Fingers Mark? Oder war es bloß Zufall, dass sie Exodus an jenem Abend in der Red Square Bar kennen gelernt hatte? Eigentlich glaubte Giselle nicht an Zufälle. Es war zu bequem, daran zu glauben. Sie wusste, die Göttin hatte sie im Blick. Die Frage war, hielt sie auch ihre Hand über sie? Nach allem was geschehen war, war das nur schwer vorstellbar.

"Ihre Intuition hat Ihnen auf jeden Fall gute Dienste geleistet."

Merkte sie an, wieder auf seine Fähigkeit anspielend, sie innerhalb des riesigen Dschungels aufgespürt zu haben. Sie hätte praktisch überall sein können, aber er hatte sie gefunden und sie war sich ganz sicher, dass ihr niemand gefolgt war, als sie das Camp verlassen hatte.

"Hat sie Sie auch schon mal im Stich gelassen?"

Giselle warf ihm einen Seitenblick zu. Die Stimmung zwischen ihnen war wieder so wie an ihrem ersten Abend auf der Insel, als sie am Strand spazieren gegangen waren. Ihr fiel auf, dass sie es mochte, mit ihm zu reden. Seltsamerweise hatte es etwas tröstendes.

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Wieviele Chancen verdiente ein Mensch? Wieviele Chancen verdiente er selbst? Giselle stellte diese Frage in den Raum und unwillkürlich dachte Exodus an die vielen Chancen in seinem Leben. Viele davon hatte er nicht genutzt, häufig hatte er eine neue bekommen. Sein Vater war einer dieser Menschen, die ihm immer wieder die Chance gaben es besser zu machen, aber das zählte wohl nicht, denn Eltern waren immer für ihre Kinder da. Egal wie alt sie waren und wie viele Fehler sie schon begangen hatten. Ein anderer Mensch, der ihm immer wieder die Hand gereicht hatte, war Yuna. Er hatte es wirklich versaut – mehrmals. Immer und immer wieder. Ihre gemeinsame Zeit bei den Jedi, die er jäh beendet und damit ruiniert hatte. Die gemeinsamen Kinder, für die er nicht nicht da gewesen war. Die Familie auf Coruscant, die er nicht besucht hatte. Alisahs Weg zu den Sith, den er geebnet hatte. Und trotzdem hatte Yuna ihm immer wieder vertraut. War es schlussendlich nicht sogar nur gerechtfertigt, dass sie ihn verlassen hatte? Oder verdiente er eine neue Chance – noch eine?

„Ich weiß es nicht.“

gab er ehrlich zu und sah mit nachdenklich trübem Blick in den Dschungel.

„Das ist eine dieser Fragen, nicht wahr? Eine der Fragen, von denen es abhängt.“

Von denen es abhing, ob man glücklich werden konnte oder nicht. Von denen es abhing, ob andere glücklich werden konnten. Yuna wäre nicht glücklich gewesen, wenn sie ihm eine weitere Chance gegeben hätte. Es war einfach schon zu viel passiert.

„Eine zweite Chance verdient jeder. Auch eine dritte, eine vierte vielleicht. Die Frage ist doch, ob man ein Bemühen sieht. Ob derjenige es wirklich will – sich zu bessern oder sich zu ändern. Wenn das so ist, dann ist eine weitere Chance verdient. Aber manchmal hilft das alles nichts. Manchmal können diejenigen, die uns die Chancen geben, einfach nicht mehr. Manchmal wird das alles zu viel.“

Hatte er es wirklich gewollt? Ja, er hatte sich ein ruhiges Leben mit seiner Familie gewünscht. Mit Adrian und Alisah und natürlich mit Yuna. Die Umstände hatten es nicht erlaubt und vielleicht auch Exodus‘ eigenes Wesen. Vielleicht war er nicht dafür geschaffen, vielleicht war es sein Schicksal, sich ins Verderben zu stürzen. Vielleicht wollte die Macht ihn damit etwas lehren, vielleicht erlaubte sie sich auch nur einen Scherz. Vielleicht hatte sie die Versuchung Giselle deshalb in eine so attraktive Hülle verpackt.

„Meine Intuition?“

wiederholte er auf Giselles Frage hin, ob er von ihr schon einmal im Stich gelassen worden sei. Seine Intuition, das war die Macht. Er lachte kurz und freudlos auf.

„Ich würde nicht unbedingt sagen, dass sie mich schon einmal im Stich gelassen hat. Vielleicht wollte sie nur einfach nicht immer die besten Dinge für mich.“

Es war merkwürdig mit Giselle darüber zu reden. Genau das hatte er ja vermeiden wollen: Über die Macht und über seine Vergangenheit zu erzählen. Aber ohne die Dinge beim Namen zu nennen funktionierte es. Sie konnte sich seine Geschichte anhören und darüber urteilen, ohne voreingenommen zu sein, weil sie Exodus Wingston und alles was in Verbindung mit seinem Namen stand, für verwerflich hielt.

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Manchmal konnten die anderen nicht mehr, sagte Exodus. Und wenn sie nicht mehr konnten, gaben sie keine weitere Chance mehr. Das machte Sinn. Niemand hatte unendlich Kraft und sie konnte das verstehen. Eine Schmerzgrenze, ob psychisch oder physisch, lag bei jedem anders. Giselle jedoch hatte niemals eine zweite Chance von denen bekommen, die sie enttäuscht hatte. Die Chancen, die sie in ihrem Leben erhalten hatte, waren einer höheren Quelle entsprungen.

“Es hängt auch davon ab, ob man verzeihen kann.“

Dachte Giselle laut.

“Viele denken, es wäre so schwer, sich zu entschuldigen. Manche sagen, das wäre das Schwerste überhaupt. Ich glaube, wirklich zu verzeihen ist viel schwieriger.“

Sie sprach aus Erfahrung. Giselle Givenchy hatte bereits auf Knien um Vergebung gebeten. Es hatte ihr damals nichts ausgemacht, doch auch zu nichts geführt. Nur aus diesem Grund saß sie hier.

“Und dann sind da die Fehler, die unentschuldbar sind. Für solche Dinge gibt es keinen Neuanfang. Und dennoch gibt es neue Chancen in Form von... Fingers Mark zum Beispiel.“

Giselles Stimme wurde weich, als sie den Namen der Inselgruppe aussprach und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

“Wir sollten es also besser nicht vermasseln.“

Exodus Wingston war ein Mann, der bereits vieles erlebt haben musste. Er kam aus gutem Hause, er leitete eine Firma, hatte genügend Geld und Geld war wichtig, wenn man auf Coruscant aufwuchs. Dort, wo Giselle her kam, hatten Credits nur eine geringe bis gar keine Bedeutung. Auf Coruscant sah das anders aus. Hatte man dort ein leeres Portmonaie, wurde man verstoßen in die Unteren Ebenen und die Slums, in denen man niemals das Tageslicht zu Gesicht kam. Die Vahla war nie dort gewesen und sie hattte auch kein Bedürfnis, einen Planeten zu bereisen, dessen Oberfläche zugeflastert war mit Städten und Industrie. Auf Coruscant gab es keine Bäume, keine Wiesen. Alles dort war künstlich, eine Demonstration dessen was möglich war, erschaffen von den intelligenten Spezien, die die Galaxis bevölkerten. Hier, auf Fresia, trafen sich ihre Wege, der des Geschäftsmannes und der der Vahla, die von ihrem Volk unwiderruflich verstoßen worden war.

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Verzeihen war viel schwieriger, sagte Giselle und Exodus nickte stumm. Er hatte Yuna nie danach gefragt, ob sie ihm verziehen hatte. Sie hatten diese Themen immer umschifft, es war selten zur Sprache gekommen, dass sich Exodus in seiner Zeit bei den Sith nicht um sie gekümmert hatte. Irgendwie hatten sie beide einfach gewusst, dass sich die Zeiten geändert hatten und jetzt alles anders lief. Zumindest bis zu seiner Reise nach Abregado-rae. Während Exodus‘ Abwesenheit schien Yuna das Vertrauen in dieses unausgesprochene Versprechen verloren zu haben. Weil er fortgegangen war – schon wieder. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit gehabt, sich zu entschuldigen. Ein grimmiges Lächeln stahl sich unbemerkt auf seine Züge.

„Wir sollten es wirklich nicht vermasseln.“

stimmte er Giselle zu. Sie beide wussten, dass sie etwas verband. Was genau, das vermochte keiner genau zu sagen. Sie hielten ihre Geschichten hinter Verschluss. Plötzlich löste Exodus seinen starren Blick vom Dschungel und blickte Giselle offen an.

„Können Sie das – verzeihen meine ich?“

Sie hatte von enentschuldbaren Fehler gesprochen. Gab es so etwas? Wenn, dann war Exodus einer jener Menschen, die solche Fehler begangen hatten. Ob Giselle schon einmal so jemandem begegnet war? Wusste sie daher, dass das Verzeihen am schwierigsten war?
Um nicht ihr allein die Frage zu stellen, beantwortete er sie für sich selbst auch. Sein Blick ruhte noch immer auf Giselle.


„Ich gebe zu, dass es mir manchmal schwer fällt. Anderen zu verzeihen – oder auch mir selbst.“

Er seufzte und versuchte es ungeschickt als tiefes Durchatmen zu tarnen. Was war er doch für ein melancholischer und deprimierender Geselle. Exodus Wingston stand für ein strahlendes und gewinnendes Lächeln. Das hatte er sich vorgenommen, als er nach Coruscant zurück gekommen war. Hier allerdings war nicht Coruscant und er konnte sein eigenes Vorhaben leichter brechen.

„Wahrscheinlich haben Sie Recht: Sich zu entschuldigen und es so zu meinen ist schwer. Sich die eigenen Fehler einzugestehen und auf den anderen zuzugehen. Aber die Verletzung des anderen kann tiefer sein, als man selbst zu glauben vermochte. Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Für manche Wunden bräuchte es vielleicht mehr als ein Menschenleben.“

Exodus grinste seine Assistentin schief an. Der Zug Traurigkeit verschwand nicht aus seiner Miene.

„Aber so viel Zeit haben wir nicht.“

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Es hätte ihr unangenehm sein sollen, neben ihrem Vorgesetzten zu sitzen, mitten im Wald, Haut und Haare triefend nass, und mit ihm über vergangene Fehler und verpatzte Neuanfänge zu sprechen. Dies war kein Thema, das man miteinander diskutierte, wenn man eine professionelle Beziehung zueinander führte. Dies war ein Thema für Personen, die einander kannten, einander vertrauten und sich nahe standen. Giselle war Exodus' Angestellte, er war ihr Chef. Doch wem machten sie etwas vor? Ihre Verhalten zueinander war von Beginn an nicht so seriös gewesen, wie man es sich bei einer solchen Konstallation vorstellte. Er hatte mit ihr geflirtet, sie hatte mit ihm gescherzt und jetzt schütteten sie sich einander ihre Herzen aus, mehr oder weniger.

“Ich weiß nicht, ob ich einfach verzeihen kann.“

Antwortete Giselle auf Exodus' Frage und ein nachdenklicher Ausdruck hing auf ihrem Gesicht.

“Ich habe es noch nie tun müssen.“

Sie dachte darüber nach. In ihrem ganzen Leben war sie noch niemals wirklich enttäuscht worden. Es hatte kleinere Dinge gegeben, wie es sie überall gab. Unwichtige Streitereien oder Meinungsverschiedenheiten, Dinge, die man schnell wieder vergaß. Verletzt oder enttäuscht hatte sie jedoch noch niemand. Es war bisher immer anders herum gewesen. In gewisser Weise konnte sie sich wohl glücklich schätzen.

“Wir werden es sehen, wenn es eines Tages so weit ist.“

Fügte sie an.

“Nicht, dass ich hoffe, dass es so weit kommt.“

Es hatte gänzlich aufgehört zu regnen. Giselle lehnte sich nach vorne, hob die Arme über ihren Kopf, wrang ihren Zopf aus wie ein nasses Handtuch und ein kleiner Bach rann ihren Hals und ihr Schlüsselbein hinab.

“Vielleicht läuft die Zeit auf Fingers Mark ja auch langsamer.“

Sagte sie, begleitet von einem hoffnungsvollen, scherzhaften Zwinkern ihrer Augen.

“Diese Insel ist pure Magie. Man weiß nie, was einen noch erwartet.“

Von neuem Optimismus gepackt, sprang Giselle auf ihre Füße.

“Kommen Sie.“

Sagte sie und streckte ihm freundschaftlich ihre Hand entgegen, auch wenn er es nicht nötig hatte, von ihr auf die Füße gezogen zu werden.

“Es klart auf und der Wind hat sich gelegt. Ich möchte die Zeit nutzen. Es gibt etwas, das ich noch machen möchte. Wenn Sie möchten, können Sie sich mir anschließen.“

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Wie war das wohl, wenn man noch nie jemandem hatte verzeihen müssen? Exodus konnte sich das nur schwer vorstellen, aber Giselle erklärte, dass es ihr genau so ging. Sie habe noch nie verzeihen müssen, sagte sie. Was hieß das? Dass ihr noch nie jemand großes Leid zugefügt hatte oder dass sie schon jemand so verletzt, ihr aber keine Möglichkeit zum Verzeihen gegeben hatte? Exodus schürzte nachdenklich die Lippen.

„Es kann auch ein schönes Gefühl sein, wenn man verzeiht. Von daher muss das nichts ausschließlich schlechtes sein.“

Manchmal wusste man schon, während man etwas aussprach, dass es vielleicht nicht das aller klügste gewesen war. Exodus schüttelte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Kopf und lächelte schief.

„Das heißt nicht, dass ich es Ihnen wünsche. Denn natürlich würde dem Verzeihen eine Verletzung oder Enttäuschung vorweg gegangen sein.“

Mit einem lauten Lachen versuchte er sich aus der Bredouille zu befreien, schüttelte abermals den Kopf und sagte:

„Vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe.“

Rund um sie herum erklang noch immer das Geräusch von Wassertropfen, die ihren Weg zum Boden fanden. Doch es waren nur noch kleine Pfützen, die sich auf den großen Blättern angesammelt hatten und sich jetzt mit aller Kraft der Erde entgegenstreckten – der Sturm hingegen war vorbei. Die Vahla stand von ihrem durchaus gemütlichen Plätzchen am Boden auf und wrang ihre nassen Haare aus. Das kleine Rinnsaal Wasser fand seinen Weg über ihr linkes Schlüsselbein und schließlich zwischen ihren Brüsten hindurch. Exodus folgte dem Wasser gebannt mit seinem Blick, während sein Grinsen breiter wurde.
Dann forderte sie ihn auf, sich ebenfalls zu erheben und reichte dem, noch am Boden sitzenden, Exodus die Hand. Der Vizepräsident der Wingston Corporation zwinkerte ihr einigermaßen verdutzt entgegen, erwiderte ihr Lächeln aber umgehend und ließ seine Hand in ihre gleiten. So drehte sich das Spiel also – bei ihrem ersten privaten Gespräch, während des Strandspaziergangs, war er es noch gewesen, der diese Initiative ergriffen hatte. Jetzt war es Giselle selbst, die den Körperkontakt wollte. Bei ihren Worten wurde sein Grinsen nur noch ein Stück breiter. Sie wollte noch etwas machen und er konnte sich ihr anschließen, wenn er mochte. Bei ihrem Anblick, dachte Exodus im Stillen, fielen ihm auch ein paar Dinge ein, die er gerne tun würde.


„Ich bin dabei.“

antwortete er und lächelte geheimnisvoll, während sein Blick noch einmal musternd an ihrem entblätterten Körper entlang fuhr. Wie gut, dass sie seine Gedanken nicht lesen konnte.

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Jetzt, wo er sie gefunden hatte und wusste, dass sie sich nicht von dem Sturm hatte kleinkriegen lassen, hätte Exodus Wingston sie wieder alleine lassen können. Er hätte zurück zum Camp gehen können mit dem Wissen, dass seine Asisstentin – abgesehen von einer aufgeschürften Hand, an dessen Entstehung er nicht ganz unschuldig war – wohlauf war. Er tat es aber nicht. Er tat es nicht, weil Giselle ihm angeboten hatte, sie zu begleiten. Für sie war der Sparziergang durch den Dschungel noch nicht zu Ende. Der Abend war noch fern und sie wollte noch nicht zum Camp zurück kehren, wo es wenig für sie zu tun gab. Hier draußen in der Wildnis war es viel interessanter. Es gab unendlich viel zu entdecken, zu sehen und zu unternehmen und einem spontanen Impuls folgend hatte Giselle Exodus eingeladen, sich ihr anzuschließen. Manchmal war es schön, alleine unterwegs zu sein, doch manchmal war es auch nett, Gesellschaft zu haben. Ein solcher Tag war heute: sie hatte das Gefühl, dass Exodus und sie etwas verband und es war schön, Zeit mit ihm zu verbringen.

Sie führte ihn weg von dem großen Baumstamm und zurück in die Richtung, aus der sie zuletzt gekommen war, als sie ihre Runde durch den Wald gedreht hatte. Gemeinsam schoben sie sich unter tiefhängenden Ästen hindurch und an nassen Büschen vorbei. Giselles nackte Füße glitten lautlos über den Waldboden. Sie hatte keine Schwierigkeiten damit, sich irgendwo zurecht zu finden. In einer großen Stadt, zwischen endlos hohen Hochhäusern mit ihren dunklen, immer gleich wirkenden und verwinkelten Gassen wäre es vielleicht etwas anderes gewesen, doch hier im Wald fand sie sich zurecht. Es genügte, dass sie den Weg einmal gegangen war um zu wissen, wo sie lang musste. Jeder Baum, jeder Fels und jeder Strauch sahen anders aus. Der Himmel, zwar noch immer grau, aber längst nicht mehr so dunkel, begann etwas aufzulockern. War das dort oben ein kleiner Flecken Blau, den man zwischen den Wolken hindurch blinzeln sehen konnte? Giselle schaute nach oben, als die Bäume einen größeren Abstand voneinander ließen und sie zwischen ihren Kronen hindurch schauen konnte.


“Wir sind gleich da.“

Ließ sie Exodus wissen, dem sie noch nicht verraten hatte, wohin sie mit ihm ging. Sie hatten die meiste Zeit des Weges über geschwiegen, auf den nicht geebneten Weg vor ihnen konzentriert. Ohne Vorwarnung blieb Giselle stehen und lauschte.

“Hören Sie es schon?“

Fragte sie ihn, drehte sich zu ihm um und grinste ihn an. Das Rauschen des Meeres, das man im tiefen Waldinneren nicht hatte hören können, drang nun wieder an ihr Ohr, noch etwas entfernt, aber deutlich zu vernehmen. Giselle ging weiter, gelangte an ein Dickicht und suchte den Weg, den sie sich beim ersten Mal gebahnt hatte. Dann waren sie tatsächlich so gut wie am Ziel. Der Wald teilte sich, verschwand praktisch vor ihren Augen und sie fanden sich auf einem hohen Felsen wieder, dessen steile Klippen über dem Meer aufragten. Tief und wohltuend atmete Giselle ein, als ein starker Wind ihr entgegegen raste.

“Was für eine Aussicht!“

Stellte sie fest und schaute zu Exodus.

“Ich bin vorhin schon kurz hier gewesen.“

Erklärte sie ihm, hob einen Stein vom Boden auf und trat an den Rand der Klippen heran. Unter ihr schlugen die Wellen mit wütender Kraft gegen die Felswände. Die Vahla streckte ihren Arm aus, öffnete die Hand und ließ den Stein hinunter in die Fluten fallen.

“Wissen Sie, was auch ein schönes Gefühl ist?“

Fragte sie ihn und spielte auf das von ihm Gesagte an, das er sie eigentlich gebeten hatte, gleich wieder zu vergessen.

“Sich einfach fallen zu lassen. Nichts denken, nichts fühlen... einfach fallen.“

Giselle schaute hinunter. Es würde ein tiefer Fall werden, aber sie wollte den Sprung wagen. Sie hatte es schon vor gehabt, als sie alleine hier gewesen war, doch die Vernunft hatte sie abgehalten. Zu stürmisch war es gewesen, zu unkontrolliert das Meer, der Regen und der Wind. Inzwischen zeigte sich der Himmel tatsächlich wieder versöhnlicher. Ein schmaler Riss hatte sich in die undurchdringlich erscheinende Wolkendecke gefressen und dort, wo sie vorhin schon einen blauen Flecken vermutet hatte, schimmerte jetzt ganz schüchtern und schwach die Sonne durch. Regenzeit auf Fresia bedeutete unbeständiges Wetter, das sich alle fünf Minuten ändern konnte.

“Springen Sie mit mir?“

Fragte Giselle und in ihrer Stimme schwang, ob unbeabsichtigt oder nicht, eine leichte Herausforderung mit.

“Nass sind Sie sowieso schon."

Stellte sie fest und lächelte unverwunden.

"Und falls ich untergehe, können Sie mich retten.“

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Fallen lassen. Los lassen. Einfach springen. Ab ins Ungewisse.
Ging es darum nicht schon die ganze Zeit auf Fingers Mark? War er nicht deshalb nach Fresia gekommen? Das was Giselle hier vorschlug, stand sinnbildlich für alles, was er tun musste. Nichts denken und nichts fühlen. Einfach fallen lassen. In seinem Kopf hallten ihre Worte nach und erzeugten ein wohliges Kribbeln auf seiner nackten Haut. Wann hatte er das letzte Mal losgelassen? Hatte er überhaupt schon diese Art der Freiheit gefühlt?


„Ich muss leider passen.“

sagte er bedauernd und ihm war bewusst, wie falsch sie diese Antwort verstehen konnte. Das gehörte zum Spiel.

„Ich kann Ihnen nicht zustimmen, was die Schönheit dieses Gefühls betrifft. Ich kann Ihnen aber auch nicht widersprechen.“

Schmunzelnd zuckte er mit den Achseln und drehte sich um die eigene Achse, um den Abgrund und das Meer besser in Augenschein nehmen zu können.

„Ich kenne das Gefühl schlicht nicht. Ich habe mich noch nie … fallen lassen. Oder es ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann.

Langsam ging er in die Hocke und spähte über die Klippe hinweg. Mit den Händen stütze er sich auf dem feuchten Boden ab. Seine Finger strichen über das Gras. Einige Wassertropfen perlten auf seine Haut ab. Der Anblick nach unten war ganz schön tief.

„Aber ich bin bereit, diesen Zustand zu ändern.“

Mit einer schnellen Bewegung richtete er sich wieder auf, strich die feuchten Hände an seiner Hose trocken und lächelte Giselle an.

„Vor allem, wenn ich eine so nette Einladung dazu bekomme.“

Gespielt unschlüssig wog er den Kopf hin und her und gab dann noch zu bedenken:

„Vielleicht wollen Sie mich aber auch nur dabei haben, damit Sie ihren Retter gleich an Ihrer Seite haben.“

Er löste den gespielten Zweifel mit einem weiteren Lächeln auf. Seine Augen funkelten sie vergnügt an.

„Aber sei’s drum. Springen wir.“

Wie weit waren sie jetzt schon? Anfangs hatte sie seine körperlichen Annäherungsversuche noch abgewehrt. Mittleweile hatten sich die Dinge etwas gelockert. Sie hatte zuletzt den Körperkontakt gesucht und jetzt – ja, jetzt standen sie hier halb nackt und kurz davor sich gemeinsam in die tosenden Fluten zu stürzen. Es bestand wohl kein Risiko mehr darin dem Verlangen, sie zu berühren, nachzugeben. Exodus legte seine rechte Hand auf ihren nackten Rücken und übte leichten Druck aus, um sie dazu bewegen, einen Schritt nach vorne zu machen. Erst nach einem langen Moment löste er sich wieder aus der Berührung.

„Also los. Es gibt kein Zurück mehr.“

Giselle nickte. Dann gingen sie beide ein kurzes Stück zurück, um Anlauf zu nehmen. Die Klippen lagen etwa vier bis fünf Meter vor ihnen. Es waren nur wenige Schritte. Nur wenige Schritte, bis zum Nichts, zum freien Fall, zur Schwerelosigkeit. An nichts denken, hatte Giselle gesagt. Ein letztes Mal sah er zu ihr hinüber und ihre Blicke trafen sich. Nahezu gleichzeitig sprinteten sie los. Ein, zwei, drei Mal berührten Exodus Füße den weichen Boden. Dann sprang er ab, löste sich von der Welt und ließ sich einfach fallen.

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In dem Moment, in dem Giselle den Boden unter den Füßen verlor, verschwanden alle ihre Gedanken und Emotionen. Es gab nichts mehr, das sie hielt. Die Welt um sie herum war verschwunden, wie in plötzlichen Nebel getaucht, der so dicht war, dass man die eigene Hand vor Augen nicht erkennen konnte. Himmel und Erde bildeten eine Einheit. Es spielte keine Rolle mehr, wo man sich befand. Eines war so gut wie das andere. Giselle fühlte sich frei, getrennt von allem, das sie an ihr Leben band und sie zeichnete. Sie befand sich im freien Fall, ein Sturz kopfüber in eine ungewisse Zukunft. Sie sah nichts, nur das Aufbegehren eines dunklen Schlunds, auf den sie zustürzte, der sie zu verschlingen drohte und dessen tösendes Gelächter in ihren Ohren wider hallte wie Donnerschlag.

Das Wasser war im ersten Moment eiskalt und versetzte ihr einen Stich, als es Giselle hinunter in seine Tiefen zog. Die Lunge mit Sauerstoff gefüllt ließ sich Giselle nach unten ziehen, ohne gegen den festen Griff, der sie gefangen hielt, anzukämpfen. Erst nach einigen Sekunden öffnete sie die Auge, schlug ihre Beine zusammen und arbeitete sich zur Wasseroberfläche vor, die sich von ihren Lichtverhältnissen her nur unwesentlich von den Tiefen des Meeres unterschied. Unter Wasser war es ganz ruhig. Giselle, so hatte sie das Gefühl, hörte nur das eigene, tiefe Rauschen ihres Blutes, das in ihren Adern pulsierte. Sie fühlte sich schwerelos, gefangen in einer Blase oder einem Käfig aus purer Energie. Erst als ihr Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, zerplatzte die Blase. Die Vahla atmete durch, zurück in der Wirklichkeit und hatte gerade noch Zeit aufzusehen und einer großen Welle ins Auge zu blicken, die sich über ihr brach. Wieder tauchte Giselle unter, unfreiwillig diesmal. Das Meer hatte sie zurück in seiner Gewalt, riss an ihren Beinen und füllte ihre Lungen mit Wasser. Vorbei waren die träge Schwerelosigkeit und die angenehme Stille. Giselle befand sich mitten im reißenden Strom des Ozeans. Mit aller Kraft arbeitete sie sich zurück nach oben. Sauerstoff! Giselle schnappe nach Luft und wandte den Kopf. Die Wellen schienen nur noch über ihr zu sein, zu groß und zu herrisch, als dass man ihnen hätte entkommen können.


"Exodus?"

Rief sie laut, doch ihre Stimme wurde vom Rauschen der Brandung verschluckt. Mühsam hielt sich Giselle über Wasser, die Sicht wie vernebelt, während die Wellen sie mit sich trugen wie ein Stück Treibholz. Dann sah sie ihn, hob ihren Arm und winkte ihm zu, nur um im nächsten Moment wieder von einer Welle mitgerissen und gewaltsam unter Wasser gedrückt zu werden. Dieses Mal gelang es ihr nicht, sich zurück an die Luft zu kämpfen. Es war ein Spiel, das sie spielte, ein gefährliches zwar, aber eines, das einer Herausforderung glich. Und Giselle Givenchy liebte Herausforderungen.

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Der Rausch währte nur kurz und zugleich unendlich lang. Die kühle Luft streichelte über seine Haut, riss gleichzeitig alles mit sich – Exodus‘ Zweifel, seine Sorgen. Jeden manifesten Gedanken. Der Schmerz blätterte für einen Moment einfach von ihm ab. Exodus schloss die Augen, genoss jede Sekunde, auch wenn es nur einige wenige waren. Der Aufprall traf ihn hart, kalt und erbarmungslos – aber vorbereitet. Seine Machtinstinkte hatten sich alarmierend gemeldet, doch er hatte beschlossen, sie zu ignorieren. Kein Machteinsatz – er wollte das kalte Wasser spüren, so wie es war. Er wollte das echte Leben fühlen, die Natur und ihre gewaltige Kraft. Wie ein Torpedo schoss er in das wilde Wasser, tauchte tief unter und brauchte einen Moment, bis er die Orientierung zurück erlangte. Die Macht, die er eben noch ausgeschlossen hatte, kehrte langsam zu ihm zurück und damit auch seine übernatürlichen Sinne. Er spürte die Dinge um sich herum: Das Wasser, seine tausenden Lebewesen und auch Giselle. Das Wasser hatte sie in kürzester Zeit voneinander weggetrieben.
Exodus gab die kurze Verbindung zu seiner Assistentin wieder auf und ruderte mit den Armen zurück in Richtung Wasseroberfläche. Mit Hilfe der Macht wäre es ihm ein leichtes gewesen, sich eine Luftblase zum Atmen vor Mund und Nase zu erschaffen. Auch wenn er darauf nicht zurückgriff – das Wissen um diese Fähigkeit verhinderte, dass er Panik bekam, wie sie in einem ähnlich unerfahrenen Schwimmer in seiner Situation vielleicht aufgekeimt wäre. Es war nicht so, dass er untrainiert war. Aber die tosenden Fluten von Fresia waren für jeden Schwimmer eine Herausforderung. Giselle hatte damit sicher keine Probleme. Sie war ein Kind der Natur und vermutlich schon häufig in solchen Wellen geschwommen. Mühsam rudernd hielt er sich an der Wasseroberfläche und suchte sie in den tosenden Fluten, mit den Augen und der Macht. Von ihr ging ein diffuses Gefühl aus. Sie wirkte angestrengt, aber ansonsten in Ordnung. Er lächelte in ihre Richtung, in dem Glauben ihren blonden Haarschopf gerade gesehen zu haben und hob winkend mit dem Arm. Diese Geste brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn wieder untertauchen. Eine plötzliche Strömung unter der Oberfläche zerrte an ihm und der ehemalige Sith Executor setzte instinktiv die Macht ein, um sich der Naturgewalt entgegen zu setzen. Seine Muskeln spannten sich vor Anstrengung und brachten ihn nach wenigen Zügen wieder zurück an die Oberfläche. Seine Augen suchten erneut nach dem blonden Schopf von Giselle – vergebens. Wieder setzte er ein hoffnungsvolles Lächeln auf und tastete in der Macht nach ihrer Präsenz. Die Anstrengung war noch da, intensiver als eben. Ihre Aura hatte eine harte Note bekommen: Sie kämpfte. Seine Augen weiteten sich und das Lächeln gefror auf seinen Lippen. Irgendwas war nicht in Ordnung. Irgendwas stimmte da doch nicht.


„Giselle!“

Sein Ruf klang kehling und viel zu leise, um gegen die Brandung anzukommen. Während es in seinem Kopf noch arbeitete, hatte sich sein Körper schon in Bewegung gesetzt. Exodus tauchte nicht nur in das Wasser, sondern auch in die Macht ein. Seine Sinne waren jetzt ganz bei Giselle, während er die Kraft seiner Muskeln unwillkürlich mit der Macht verstärkte. Jeder Zug brachte ihn ihr näher und um besser voranzukommen, tauchte er komplett unter. Der Kampf gegen die Wellen an der Oberfläche verschwendete nur Zeit und zerrte an seiner Kraft. Seine Stoffhose störte seine Bewegungen und er wünschte sich insgeheim, sich schon vorher von ihr entledigt zu haben. Die Schuhe, die er ohnehin schon vor dem Sprung hätte ausziehen müssen, strich er mit den ersten Schlägen seiner Beine ab und ließ sie ohne einen weiteren Blick gen Ozeanboden sinken. Sein Körper schoss unnatürlich schnell durch das Wasser, angetrieben von der Macht und seiner Willenskraft. Die rudernden Bewegungen folgten einem inneren Rhythmus, angetrieben von Giselles näherkommender Aura. Dann sah er die Vahla unter Wasser mit Armen und Beinen gegen die Strömung antretend. Nur noch wenige Meter, nur noch wenige Schläge. Exodus streckte seine Hand nach ihr aus, fasste nach ihren Fingern, erhöhte den Druck und zog sie zu sich heran. Sein linker Arm schloss sich um ihren Oberkörper und Exodus drückte sie fest an sich. Dann padelte er mit dem rechten Arm der Wasseroberfläche entgegen.
Er wusste nicht, ob sie hatte gerettet werden wollen. Er wusste nicht, ob sie sich selbst in Gefahr gesehen hatte. Er wusste nicht, ob sie ihm dankbar oder wütend sein würde. Er wusste nur, dass er nicht anders hatte reagieren können. Vielleicht schlummerte in ihm ja doch noch ein ausgeprägter Beschützerinstinkt.


[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – im Meer | mit Giselle ]
 
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