[Fiktion] Emmergens

Gestern hat Miche endlich seine eigene "An den Wassern der Gauca" Kampagne angefangen, in der einige Inquisitoren 400 Jahre nach dem Fall des Sternes versuchen, Informationen über einen seltsamen Landesherren zu finden, der sein kleines Reich plötzlich an einer wichtigen Zollstraße hochgezogen hat. Wir mussten als Söldner verkleidet losreisen und uns den Streitkräften des Narcur Gaucaius anschließen, dabei haben wir einige doch recht nette Leute getroffen.
Miche hat mich beauftragt, diese kleine Truppe zu Papier zu bringen... Rudi, Enuin und Harris (und Arya) sind die Söldner des Gaucaius, Deidra, Ulfgar, Marin und Melilaila sind unsere Inquisitoren, die in den nächsten Abenteuer hoffentlich noch einen Erfolg verbuchen können...

Hier sind die Bleistiftlinien, geinked wird morgen :)

Von Inquisitoren und Söldnern - Bleistift.jpg
 
In der Kampagne "Die Schatten Emeralds" spielte @Conquistador eine Hexenjägerin, die zweimal von den Bundvätern angeheuert wurde, um Blutkonstrukte zur Strecke zu bringen. Aus Gründen der Geschichte endete für diesen Charakter hier aber auch die Teilnahme an der Kampagne. Ich schrieb eine Kurzgeschichte, die zwischen den beiden Auftritten spielte, dann schrieb Conqui eine weitere.

Und die Erzählung um Thuêban Aq Ramin war vorbei...

...bis Conqus auf mich zukam und mich an ein Konzept erinnerte, das ich damals hatte: eine kleine Kampagne aus kurzen, schnellen Abenteuern, die Thuêbans weitere Missionen sammelte. Also trug ich über einen Tag einige Ideen zusammen und meisterte am Freitag den ersten Auftrag der Hexenjägerin. @Dyesce gesellte sich als neuer Sidekick dazu und übernahm die Rolle des Mycnoiden-Gelehrten Guikut.

Hier ist das erste Kapitel dieser neuen Geschichte:

THUÊBAN AQ RAMIN hatte viele Monster gesehen. Damals in ihrer alten Heimat, der Weite der Ödnis. Später in den Schatten der Republikhauptstadt Emerald. Dunkle Magier und gefallene Zauberer. Aber auch Ungeheuer mit Pelz und Schweif, Klaue und Hauer.



Die meisten dieser Monster hatte die Hexenjägerin vernichtet, unter ihnen zwei Manifestationen einer jungen Blutmagierin aus Zurul. Nach dem ersten Kampf war sie der Stadt verwiesen worden, doch ein zweites Mal wurde sie geladen, um ihr Werk zu vollenden und dem dunklen Spuk ein Ende zu bereiten.



Die Bundväter hatten sie gut bezahlt und nun streifte sie durch den kalten Winter Tarleens. Immer auf der Suche nach einer neuen dunklen Quelle unheiligen Leides, das es zu vernichten galt.



Stets geschützt durch das Licht Iln Pashniads.



Angetrieben durch den Eifer, der tief in ihrem Herzen brannte.







Dies sind einige ihrer Geschichten...


KNÖCHELHOHER SCHNEE LAG auf dem Hof des Bauern Gunter Hommburch. Thuêban war zum Grund des Halbling gerufen worden, da dieser felsenfest behauptete, Opfer unnatürlicher Vorfälle geworden zu sein.



"...jeden Morgen, müsst Ihr wissen. Seit neun Tagen jetzt insgesamt. Und jedes Mal zwischen ein und fünf Hühnern. Bei dieser Rate habe ich bald keine Hühner mehr..." Der paustbackige Bauer sah die Hexenjägerin mit großen, besorgten Augen an.



Dann deutete er auf den alten Wald, der nur einen langen Steinwurf entfernt hinter der Wiese lag, die an den Hof angrenzte. Die Nadelbäume, die hier wuchsen, wirkten dunkel, waren auf den hängenden Ästen mit Schnee bedeckt.



"Die Nachbarn denken alle, es ist ein normaler Fuchs." Hommburch wirkte gekränkt. "Aber die können reden, was sie wollen. Ich bin mir sicher, dass es etwas anderes ist." Er hielt kurz inne. "Etwas monströses..." Beinahe ein Flüstern.

Der Halbling blickte zum Hühnergatter, das an der Seite des großen Bauernhauses erbaut worden war. Verschneite Blutflecken waren dort zu erkenne, umgeben von bräunlich-roten Federn. "Bald habe ich keine Hühner mehr. Ich bin doch im Winter auf die Eier angewiesen."



Der Blick des Bauern wanderte von Thuêban zu Guikut, der neben der Hexenjägerin stand. Man sah Mycnoiden nicht oft in dieser Gegend. Die alte Rasse der Pilzmenschen hielt sich vor allem in Höhlen und Mittelpunkten der uralten Wälder der Welt auf und nur wenige bereisten die zivilisierten Reiche.

Guikut war hoch wie ein Zwerg, jedoch dünn wie ein Zweig. Aus seinem schmalen, eher hohen Schirm wuchsen beinahe direkt zwei schlaksige Arme und zwei noch schlaksigere Beine und eine ganze Traube von kleinen, schwarzen Augen blinzelten in dem knolligen Pilzkörper, der nur eine Handbreit unter dem Schirm nach unten ragte.

Erst seit zwei Monaten reiste Thuêban mit dem alten Wesen, das sich über die Jahrzehnte viel Wissen über die Natur und die Magie angeeignet hatte. Er war eine Hilfe auf der Jagd nach den Schrecken der Nacht und ein willkommener Freund am Lagerfeuer, wenn auch ein reichlich seltsamer. Seither war sie mit ihm durch das bergige Land westlich des Großen Gebirges gezogen, immer auf der Suche nach neuen Aufgaben...



Hommburch reichte Thuêban einen kleinen Stoffbeutel. Die Südländerin nahm die Bezahlung entgegen und öffnete die Kordel, erblickte im Beutel fünf Silbermünzen. Sie nickte, während sich der Pilzschirm Guikuts leicht zusammenzog und dann kurz pulsierend eine Wolke an Sporen ausstieß.

Einen Augenblick kämpfte der Bauer mit einem Juckreiz in der Nase, blinzelte irritiert. Dann sah er Giukut mit aufflammender Erkenntnis an. Thuêban atmete nur tief ein. Sie hatte sich in den letzten Wochen an die Art und Weise gewöhnt, mit der der Mycnoiden mit anderen Wesen kommunizierte.



...will Hühner sehen...



Leicht eingeschüchtert deutete der Halbling auf das Gatter. "Lebendige? Oder tote?"



...tot...



Der Halbling führte sie durch das kleine Tor im Zaun und blieb vor einer der roten Stellen im Schnee liegen. Das warme Blut hatte ein kleines Loch in die weiße Decke geschmolzen, neue Flocken hatten sich als feine Schicht darüber gelegt. "Die toten habe ich schon in der früh beseitigt. Die wollte ich hier nicht herumliegen lassen..."



Er seufzte unglücklich, während einige Hühner neugierig aus dem Verschlag lugten und die Besucher ihres Geheges beäugten.

Mit einer seltsam elastischen Bewegung beugte sich Giukut über den Blutfleck. Keine Gelenke wurden gebeugt, keine Gliedmaßen abgewinkelt. Der Pilzkörper passte sich nur der neuen Haltung an, formte einen leichten Bogen. Die Augentraube blinzelte aufmerksam, als jedes Detail aufgenommen wurde.



"Ihr könnt hier schlafen," bot der Bauer ihnen kleinlaut an. "Ich mache Euch ein Lager in der Stube bereit, direkt neben dem Kachelofen. Und Ihr bekommt natürlich auch etwas zu essen. Falls es länger dauert, dieses Monster zu fangen, meine ich." Er sah unsicher zu Guikut. "Falls Ihr überhaupt schlafen und essen müsst."



Der Mycnoid richtete sich stumm auf, sah einige Herzschläge lang Hommburch an und beugte sich dann wieder über den gefrorenen Fleck im Schnee.

Dann wanderte sein Blick zu seichten Abdrücken, die dort zu erkennen waren. Sie führten zur Lache und wieder von ihr weg, machten kleine Kurven, wie wenn ein Tier auf der Jagd gewesen war. Diese Vertiefungen stammten nicht von Hühnern, das konnte Guikut sofort erkennen. Es war offensichtlich, was hier im Gatter sein Unwesen getrieben hatte.

Er schickte erneut seine Sporen in die Luft.



...Tarleener Rotfuchs... oder junger Düstermarder...



"Äh..." Hommburch schüttelte den Kopf. "Nein, das ist etwas anderes. Unser Hund würde bei einem Fuchs Laut geben. Das ist kein normales Tier."



Thuêban sah vom Bauern zum Wald. "Vielleicht ein Formwandler," flüsterte sie, mehr zu sich selbst, als zu den beiden anderen. Sie sah zu Guikut, der sie nur stumm musterte. "Vielleicht führen uns die Spuren zum Ziel..."



Sie verließen das Gatter, in dessen Eck ein kleines Loch tief in den Schnee und den Boden darunter gegraben worden war, und während der Halbling hilflos zurückblieb, verfolgten sie die Abdrücke über die weiße Wiese bis hin zum Wald.

Unter den Bäumen lag weniger Schnee. Der mit Nadeln bedeckte Grund war vereist und hart und darum verloren sie die Spur des Hühnerdiebes dort auch. Angespannt blieb Thuêban am Waldrand stehen, während Guikut langsam mit seinen langen Beinen unter den Bäumen schritt.

Das Knacken der schwer mit Schnee beladenen Äste war in der Stille des Waldes zu hören. Der dunkle Ruf eines Rabens. Dann war außer dem Wind, der zwischen den Stämmen leise pfiff, alles ruhig.

Das plötzliche Gefühl, beobachtet zu werden, ließ beide wachsam aufblicken. Es wirkte nicht bedrohlich, aber dennoch wie eine schwere Decke, die sich auf ihre Schultern gelegt hatte.



"Das gefällt mir nicht," hauchte Thuêban und zog Arra, eine ihrer treuen Äxte. Vorsichtig schritt sie nun Guikut nach, der sich um sich selber drehte, den Wald um sich nach Gefahren absuchend.



Dann ein ferner Ruf, der vom Hof zu ihnen heran wehte: "Soll ich Tee aufsetzen?"



Thuêban reagierte nicht. Sie blickte nur in das Zwielicht des Waldes hinein und konzentrierte sich. Jedes Detail nahm sie schärfer wahr, als es das normale Auge zuließ. Jeder Zweig, der sich im Wind bewegte, jeder Riss in der Rinde der schlafenden Bäume. Irgendwo flatterte eine Wildtaube aus dem Unterholz auf, für Thuêban hörte es sich jedoch an, als wäre das aufgescheuchte Tier genau neben ihr in die Luft aufgestiegen.

Die Kälte war schneidend wie ein Messer, erdrückend wie die Pranke eines Eistitanen.



"Das gefällt mir wirklich nicht." Wieder nur ein Flüstern, aber mit mehr Nachdruck.



...vielleicht schaut uns Wald an... vielleicht Bäume...



Thuêban atmete die Sporen ihres Gefährten tief ein, klopfte dann mit Arras Axtblatt hinter sich gegen einen der mit Frost überzogenen Baumstämme. Es kam keine Antwort und beinahe schon war die Hexenjägerin darüber erleichtert. Sie blickten weiter in die Schatten des Waldes.



"Wollt Ihr Euren Tee?" Die Stimme des Halblings ließ sie herumfahren. Dort stand Gunter Hommburch, dick in Winterkleidung gehüllt und zwei tönerne Tassen mit dampfender Flüssigkeit zu ihnen empor reichend. Der Tee duftete nach Hagebutten.



Thuêban sah sich erstaunt um. Die Schatten waren tiefer geworden, das Sonnenlicht beinahe vollends verschwunden. Es war nun frischer hier unter den Baumkronen und sie merkte plötzlich die Kälte, die in ihre Knochen gekrochen war.



"Das Essen wäre auch gleich bereit..." fing der Bauer an, blickte dann wieder skeptisch zu Guikut. "...falls Ihr etwas esst..."



"Wie lange sind wir schon im Wald?" Thuêbans Stimme war heiser, als hätte sie seit einiger Zeit schon nicht mehr getrunken.



Der Halbling überlegte kurz. "Ich habe Holz ins Haus gebracht. Damit Ihr es schön warm habt in der Nacht. Und die Tiere versorgt. Und meine Frau hat zu kochen begonnen und..." Er zuckte mit den Schultern. "Bestimmt zwei oder drei Stunden."



Thuêban blickte Guikut ernst an, zog tief die schneidende Luft ein. Sie wusste, dass der Mycnoid mit seinen Sporen solche Effekte in anderen Leuten hervorrufen konnte. Aber anscheinend war Guikut ebenfalls die letzten Stunden wie berauscht gewesen und hatte in den Wald hinein gestarrt. Wer konnte einen Mycnoiden so beeinflussen?



Hommburch streckte ihnen erneut die Tassen entgegen. "Mit Zitrone," erklärte er herzlich lächelnd. "Gut für die Abwehrkräfte."



Die beiden nahmen die Tassen, Guikut den warmen Ton mit seinen dünnen Pseudofingern umtastend. Der Halbling drehte sich in Richtung seines Hofes, ging einige Schritte und drehte sich dann zu ihnen um. Er winkte mit den großen Handschuhen, lud sie ein, ihm zu folgen.

Gemeinsam wanderten sie zum Wohnhaus zurück und ohne Absprache blieb Guikut vor der Türe stehen. Er würde noch einige Stunden hier in der Nacht verbleiben, das war Thuêban klar. Zu neugierig war der kleine Pilzmann und während sie drinnen in der Stube saß, saugte Guikut den warmen Hagebuttentee mit seinen schwammigen Fingern auf und blickte geduldig zum Wald.



Thuêban wurde königlich bewirtet. Frau Hommburch brachte gebratenes Wurzelgemüse in feiner Soße und die vier Kinder der Halblinge sahen den Gast zuerst mit großen Augen an, dann fingen sie an, mit ihrem Essen zu spielen und sich zu gegenseitig zu necken. Mit zufriedenem Gesicht sah ihnen ihr Vater zu, schenkte dann sich und Thuêban etwas von seinem selbst gebrautem Bier ein und kurz verschwand seine Gattin, um in der kleinen Nebenstube den Großeltern auch etwas vom Abendessen zu bringen.

Die ganze Zeit über genoss Thuêban die Gasfreundschaft der Familie, doch war sie in Gedanken abwesend. Sie grübelte über das Gesehene und dachte mit finsterem Blick an das Gefühl zurück, im Wald beobachtet zu werden.

Dann betrat Guikut die Stube, eine leere Tasse in den dünnen Pilzhänden. Die Hommburchkinder lachten hell auf und das jüngste Mädchen watschelte unsicher und brabbelnd auf den Mycnoiden zu.



Schnell nahm Frau Hommburch die Kleine auf den Arm und lächelte ihrer Tochter an. "Nein, Schatzi. Der Herr will sich doch ausruhen..."



Thuêban sah Guikut fragend an.



...nichts... Eule über Wald... Katzen im Dachstuhl...



Guikut setzte sich zu allen an den Tisch und Hommburch bot seinen Gästen eine Pfeife an, zündete sich dann selber torfigen Tabak an, nachdem seine Gäste dankend ablehnten. Es wurden Röstkastanien gereicht und schon bald gingen die Halblinge zu Bette. Einige Zeit hörten die beiden Gefährten noch die Familie im Obergeschoss rumoren, dann war es still und bis auf die einsame Kerze auf dem abgeräumten Tisch dunkel in der Stube.

Thuêban saß noch einige Zeit am Fenster und blickte zum schwarzen Umriss des Waldes, dann drückte sie sich auf dem weichen Nachtlager, das ihnen Frau Hommburch auf der Kachelofenbank vorbereitet hatte, gegen den warmen Stein.

Guikut stellte sich daneben, ruhte er Nachts doch stets in dieser Position. Er schloss seine vielen Augen und füllte die Luft der Stube mit beruhigenden Sporen, die beide in einen tiefen Schlaf fallen ließen...



***



Noch bevor die Sonne aufging, standen Thuêban und Guikut wieder in der kalten Winterluft. Das Knacken des abkühlenden Kachelofens hatte die Hexenjägerin gelockt, doch war ihr Eifer und ihr Pflichtbewusstsein stärker als solche Annehmlichkeiten.

Der Mycnoid stand regungslos im Hühnergatter, während Thuêban in der nur einen Spalt weit geöffneten Türe zum Wohnhaus wie ein lebendig gewordener Schatten wartete. Alles war in ein seltsames Grau gefärbt und einige Krähen in der Nachbarschaft stritten in lauten, krächzenden Stimmen miteinander.

Schließlich löste sich ein dunkler Fleck aus dem Wald und kam durch den hohen Schnee auf den Hof zu. Es war eindeutig ein Fuchs, erkannten die beiden Jäger und immer wieder wurde sein Weg durch ein aufmerksames Innehalten unterbrochen.

Als er die Ecke des Gatters erreichte, grub er sich schnell nach unten, verschwand kurz aus dem Sichtfeld der beiden und einen Augenblick später reckte sich ein rötlicher, spitzer Kopf ins Innere des Hühnergatters. Der Fuchs hatte erneut seinen Weg zu seiner Beute gefunden.



Lautlos schickte Guikut eine Wolke aus Sporen in den Wind, die den Fuchs zahm und gefügig machen sollten, doch schaute das Tier nur kurz alarmiert in Guikuts Richtung, sprang dann weiter in Richtung des Hühnerhauses, in dem bereits ein leicht panisches Gackern lauter wurde.

Guikut blinzelte. Warum wirkten seine Sporen nicht auf einen einfachen Fuchs? Und warum ging der Räuber weiter auf die Hühner los, während er doch deutlich bemerkt hatte, dass er entdeckt worden war.

Doch Thuêban hatte mehr erkannt: ein fahles Leuchten in den Augen des Tieres. Leicht bläulich und milchig. Dies war kein normaler Fuchs, der die Hühner eines Bauern tötete. Hinter dieser Sache steckte mehr.



Langsam griff Guikut zu einem Holzscheit, der neben ihm im Schnee lag. Er hob ihn hoch und warf ihn mit Wucht dem Fuchs entgegen. Der hielt mitten in seinem Lauf zum Hühnerstall inne, blickte kurz zum Mycnoid und der Scheit landete in einer Wolke aus aufgewirbelten Schnee vor seinen Pfoten.

Doch anstatt die Flucht zu ergreifen spitzte der Fuchs die Ohren und sah in Richtung des Waldes. Fast so, als würde jemand ihn vor dort aus rufen.

Guikut nutzte die Gunst der Stunde und warf sich in einer schnellen Bewegung auf das zusammenzuckende Tier. Er landete im Schnee, der Fuchs aber hatte sich unter dem Griff hinweg gedrückt. Er flitzte in Richtung des Loches, das unter dem Gatter hindurch führte.



Thuêban löste sich in einer flüssigen Bewegung aus der Türe und sprang dem Fuchs hinterher, schwang Arra in Richtung des Pfostens, der am Loch das feine Gitter stützte. Doch bevor der Fuchs die anvisierte Stelle erreichen konnte, atmete er die Sporen, die aus dem Pilzschirm des Mycnoiden strömten. Zwei Sprünge schaffte er noch, dann rutschte er bewusstlos in den Schnee und blieb dort liegen. Arra blieb zitternd im Pfosten des Gatters stecken.

Vorsichtig erhob sich Guikut und stakste zum Fuchs, hob ihn sanft hoch. Die rote Zunge hing schlaff aus der mit Zähnen gefüllten Schnauze. Ja, es war ein normaler Fuchs, soweit war dies zu erkennen. Ein schöner, das mussten die beiden Jäger zugeben, aber etwas Besonderes erkannten sie gerade nicht an ihm... dann umwehte sie ein warmer Wind und der Körper Guikuts erzitterte sanft.



...Magie... unglaublich starke Magie...



Der Maycnoid blickte, immer noch leicht bebend, zum Wald. Dort hatten sich einige Blätter im Wind gesammelt und wurden nun über die verschneite Wiese zum Gatter getragen. Doch es waren grüne Blätter, keine alten aus dem vergangenen Herbst. Leben floss durch ihre feinen Adern und durch die Maschen des Gitters wirbelten sie. Einen Meter vor den beiden Gefährten blieben sie tanzend auf der Stelle stehen und aus dem Blätterwirbel heraus formte sich eine humanoide Gestalt. Ein kruder Kopf, darunter ein Torso und zwei Arme. Darunter waren die Blätter nur ein körperloser Strudel ohne Gestalt. Von dieser Erscheinung ging das selbe Gefühl aus, das sie gestern im Wald empfunden hatten. Eine schwere Decke. Nicht bedrohlich, aber mächtig.

Langsam machte Thuêban einen Schritt zurück.



...bist Du Wald...?



Die Pilzsporen ließen den Wirbel aufzucken und eine der körperlosen Blätterarme deutete in einer fließenden Bewegung auf den Fuchs in Guikuts Griff. Augenblicklich schlug das kleine Tier die Augen auf und begann damit, sich sanft aber bestimmt aus der Umarmung zu befreien. Kein Winseln. Kein Beißen. Lediglich das beinahe flüssige Winden, das man von Katzen kannte.



...dein Abgesandter...?



Der Blätterwirbel neigte den Teil seiner Pseudokörpers, der seinen Kopf darstellte.



...Fuchs frisst Hühner... Bauer mag das nicht...



Der Fuchs löste sich endlich aus dem Griff des Mycnoiden und schlenderte dann ruhig am Wirbel vorbei. Kurz blickte er nach oben und in der Wärme des Windes war eine Spur von Tadeln zu erahnen. Der Fuchs schüttelte sich, dann sprang er zum Loch am Gatter und grub sich auf die andere Seite, lief dann über die Wiese hin zum Wald.

Ein Ächzen ließ Thuêban und Guikut nach hinten blicken. Dort stand Gunter Hommburch mit seiner Familie, die Kinder hinter der Frau schützend zurückgedrängt. Der Bauer hatte einen längeren Prügel in der vor Angst zitternden Hand, alle waren in dicke Decken gehüllt.

Der Blätterwirbel senkte sein Haupt wie zum Gruße und Guikut machte einen langen Schritt auf die Halblinge zu, schenkte ihnen durch seine Nähe Sicherheit.



...Wald, Familie Hommburch... Familie Hommbruch, Wald...



Einige Herzschläge lang rührte sich der Blätterwirbel nicht und es schien, als würde er die Bauern genau mustern. Dann fing er an, in sich zusammen zu fallen und langsam zurück zum Wald zu wehen, doch Guikuts Sporen erreichten ihn erneut.



...kann Fuchs anderes essen...?



Der Wirbel nahm wieder Form an und nickte bedächtig.



Noch bevor sie Gunter Hommburch aufhalten konnte, rief seine Frau dem Blättertanz mit beiseite geschobener Angst in der Stimme zu: "Wir stellen Euch aber jetzt immer eine Schüssel mit frischen Eiern vor die Türe. Damit Euer Fuchs nicht hungern muss. Ist das in Ordnung?"



Der Wirbel sah die Halbling an und die Luft um alle herum wurde wärmer. Es roch nach Blumen und wenn sie genau hinhörten, konnten sie das Summen von Bienen und Hummeln vernehmen.

Dann wehten die Blätter zurück über die Wiese und die kalte Winterluft umhüllte sie.



"Das könnte ein 'ja' gewesen sein," murmelte Thuêban und sah den Blättern nach, bis sie am Waldrand nicht mehr zu sehen waren.



Einige Zeit standen sie noch da, bis Frau Hommburch mit einem Lächeln den Kopf schüttelte. "Kommt in die Stube. Ich mache allen Frühstück."



Sie stapften der Bäuerin hinterher, während Guikut dem Herren des Hauses erklärte, dass sein Hühnergatter ein Loch hatte...
 
Meine eigenen Emmergens-StoryCubes sind fertig... 9 6-seitige Würfel, die interpretierbare Symbole zeigen und mit denen man kleine Geschichten erzählen, Ideen für Zeichnungen komplett zufällig auswürfeln oder etwa auch Vorgeschichten für Charaktere brainstormen kann. Schönes Spielzeug, ich wollte halt mal wieder meine eigenen haben ^^

Tadaaa...

Story Cubes.jpg
 
Ein neues Kapitel unserer kleinen aber feinen Thuêban-Kampagne mit @Conquistador als Thuêban und @Dyesce als Guikut :)

NACHT WAR ES im Gasthaus "Die Tante" geworden, das auf halben Weg zwischen Tengging und Ludorfsstadt lag. Die Gäste hatten sich seit zwei Stunden auf ihre Zimmer zurückgezogen und die Wirtsleute alles zusammen gepackt. Eigentlich sollte nun Stille im Schankraum sein.

Doch gab es keine Ruhe für Thuêban und Guikut, die neben dem Wirten Otto Hehlmandel standen. Hehlmandel war ein stämmiger Mann mit vollem Backenbart und kleinen Augen, die wie schwarze Murmeln wirkten. Er war in ein weites Nachtgewand gehüllt, das seinen Körper umhüllte, hatte eine Schlafmütze auf dem zitternden Kopf. In seiner Hand wurde eine ebenfalls erzitternde Laterne von Seite zu Seite geschwungen.

Die drei standen vor der Leiche eines noch recht jungen Gastes. Vielleicht Anfang zwanzig, schätzte Thuêban. Er sah so aus, als wäre er auf der Bank sitzend eingeschlafen, Kopf und Oberkörper auf dem schweren Tisch ruhend, der in der Mitte des Raumes stand. Vor ihm war eine kleine Rotweinlache, der dazugehörige Tonbecher lag umgefallen neben dem schwarzen Haar.



Verzweifelt sah der Wirt die beiden ungleichen Hexenjäger an. Thuêban erwiderte den Blick, dann beugte sie sich über den Toten. Der Wein war beinahe getrocknet. In der trockenen Luft des Schankraums war dies im Winter nur eine Frage von wenigen Stunden. Die Tat konnte sich also kurz nach der Ruhestunde zugetragen haben.

Die Kleidung der Leiche war schmutzig, wie es von tagelanger Reise auf der Straße normal war. Ein Abenteurer? Einer der Helden, die durch Tarleen wanderten, immer auf der Suche nach wichtigen Taten und neuen Herausforderungen?

Nur einen Dolch trug er bei sich, der Gürtel hatte aber eine Schlaufe für eine größere Scheide. Vermutlich war sein übriger Besitz auf dem Zimmer, das er sich für die Nacht genommen hatte. Ein alter, sichtbar geliebter Hut ruhte neben ihm auf der Sitzbank.



Doch dies war nicht, warum der Wirt Thuêban und Guikut zu solch später Stunde in den Schankraum geführt hatte. Nein, es waren die ausgezehrten Züge auf dem Gesicht des Reisenden, die ledrige, trockene Haut. Die eingefallenen Augenhöhlen und Wangen und die zurückgezogenen, dünnen Lippen.

Thuêban kannte solche Anblicke aus der Ödnis. Die Toten ihrer Heimat wurden in windgeschützte Höhlen gelegt und dort durch das trockene Klima der Wüste mumifiziert. Doch war dies eine Sache von Jahren und waren hier höchstens wenige Stunden vergangen.



"Es sieht so aus," murmelte Thuêban: "als hätte man ihm das Leben ausgesaugt."



...dunkle Magie...



Guikuts Sporen schwebten durch den Raum.



Der Wirt wich zitternd zurück. "Bei den Göttern!" Er drückte sich gegen einen der Stützbalken, hielt die Laterne wie einen Schild schützend vor sich. Als könnte bloßes Licht einen bösen Zauber bannen... "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn hier nicht reingelassen." Er griff sich an den Kragen seines Nachtgewandes und zog es enger um sich. "So'was brauche ich in der Tante nicht."



"Wen?" wollte Thuêban wissen. "Wen hättet Ihr nicht hereingelassen?"



"Ihn..." Hehlmandel zeigte zitternd auf den Toten.



Eine neue Sporenwolke sammelte sich im Schein der Laterne.



...liegt lange hier tot...?



"Vor einer Stunde haben meine Leute hier noch alles aufgeräumt," antwortete der Wirt leise. "Seitdem sollte niemand mehr hier unten gewesen sein. Ich habe Euch gleich geholt, als ich ihn fand."



"Seit wann wohnt er hier?"



"Ist heute am späten Mittag in der Tante angekommen und hat sich ein Zimmer genommen. War seitdem im Schankraum." Hehlmandel schluckte. "Aber..." Seine Stimme versagte und er krächzte, blickte gen Decke. "Bei den Göttern." Er war bleich und Schweiß rann unter der Schlafmütze hervor.



Wieder Sporen, die aus den Lamellen des Mycnoidenschirmes rieselten. Diese tanzten aber kurz durch den Raum und landeten dann um den Mund des Toten herum. Auf seinen ledrigen Lippen, auf dem vertrockneten und dem rissigen Zahnfleisch. Dort begannen die Sporen zu schwach zu glimmen.

Sie reagierten auf die Magie, die an dieser Körperstelle besonders intensiv gesammelt worden war. Neugierig beugte sich Thuêban nach vorne.



"Mmmmhm. Ein Kuss des Auslaugens also." Der Mycnoid und Otto Hehlmandel starrten sie schweigend an und Thuêban drehte sich zum Wirten. "In welcher Gesellschaft war das Opfer denn in den letzten Stunden? Bevor die Schenke für die Nacht schloss?"



"Der Gast hat eigentlich den ganzen Tag mit einer anderen Abenteurerin, die sich auch ein Zimmer genommen hat, hier gesessen. Aber ich hätte nicht gedacht..." Seine Augen wurden groß. "Wenn ich das gewusst hätte..." Er fing an zu stammeln. "Die hätte ich hier nicht reingelassen. Das ist ja..." Er sah entsetzt Thuêban an. "Bei den Göttern, die anderen Gäste sind alle in Gefahr, wenn diese Frau das war!"



Guikut schickte eine kleine Wolke an beruhigenden Sporen in den Schankraum.



"Wir befragen sie erst einmal," versicherte Thuêban dem Wirten. "Führt uns doch bitte zu dem Zimmer dieser Frau."



"Ja, gewiss..." Einige Schritte machte der Wirt, dann: "Wollt Ihr nicht vorgehen? Es ist im Obergeschoss, die Treppe dort hoch." Immer noch wackelte die Laterne in seinem Griff, so sehr zitterte er.



...zuerst sein Zimmer...?



"Oder so." Thuêban nickte Guikut zu.



"Die zweite Türe auf der rechten Seite," flüsterte der Wirt, der nun hinter ihnen schlich.



Der lange Gang des oberen Stockwerkes hatte an beiden Wänden je fünf Türen, dahinter fiel fahles Mondlicht durch ein kleines Fenster, wo der Flur auch eine Biegung nach Links machte. Guikut ging zur genannten Türe und versuchte sie zu öffnen, sie war aber versperrt.

Mit einem leichten Klimpern reichte Otto Hehlmandel Guikut seinen Schlüsselbund, den benötigten Schlüssel nach oben haltend.

Ruhig entsperrte der Mycnoid das Schloss, dann betraten er und Thuêban den kleinen Raum. Ein Bett und ein Stuhl standen dort, eine kleine Komode mit einer Wasserschale. Ein dreckiger Spiegel hing neben einigen Wandhaken zwischen Türe und Fenster. Vor dem Bett stand ein Rucksack mit einer zusammengeschnürten Schlafrolle, auf dem Bett lag ein Schwert in seiner Scheide. An einem der Haken hing ein Wandermantel.

Guikut trat einen langen, schlaksigen Schritt in den Raum, während Sporen aus seinen Lamellen rieselten. Doch fanden sie dieses Mal keinen Ort, auf dem sie zur Ruhe kamen. Keine Magie wurde in diesen Wänden ausgeübt.



"Wo ist das Zimmer der Frau?" fragte Thuêban leise den Wirten, der hinter ihr zitterte.



Der deutete auf eine Türe auf der anderen Seite des Ganges, etwas weiter den Gang hinunter.



"Wisst Ihr den Namen des Gastes?"



"Nein. Meine Hausmagd macht die Bücher, schreibt alle Gäste ein. Ich habe da keinen Überblick, ich organisiere die Küche, mache die Bestellungen." Er sah über Thuêbans Schulter zur Türe der Verdächtigen. "Warum gibt es jetzt hier Morde? Das ist ganz schlecht für mein Geschäft..." Thuêban sah ihn nur stumm an und Otto Hehlmandel schüttelte erneut seinen Kopf. "Da müsst Ihr Danni fragen, sie weiß die Namen."



Derweil hatte Guikut schon den Rucksack des Toten geöffnet und kramte darin herum. Dort war alles zu finden, was ein Abenteurer in Tarleen brauchen würde, zuzüglich dem ein oder anderen besonderen Gegenstand: ein kleines Säckchen voller Gewürze, mit denen man Fisch zubereiten konnte. Ein Bündel Briefe und Karten. Ein kleines Notizbüchlein, mit einem Kohlestift in ein Stück Leder gewickelt.

Guikut öffnete das den Umschlag und erkannte, dass es ein Tagebuch war, begann sofort auf den letzten Seiten zu lesen. Er hoffte, dass hier ein Hinweis auf seinen Tod stand, die Erwähnung eines seltsamen Treffens oder eines Fluches. Doch stand dort nur in einem zwei Tage alten Eintrag, dass er bald in Tengging ankommen würde.

Thuêban ging langsam zur Türe, auf die der Wirt gedeutet hatte. Einen kurzen Augenblick lang sah Otto Hehlmandel zum lesenden Guikut, dann eilte er leise der Hexenjägerin nach, nahm die Laterne mit sich. Der Mycnoid sah in der plötzlichen Dunkelheit auf, blickte dann wieder auf die Seiten des Tagebüchleins und seine Lamellen begannen gelblich-grün zu leuchten, warfen einen unheimlichen Schein auf die beschriebenen Blätter. Ohne sich weiter stören zu lassen, las der Pilzmensch weiter.



Thuêban klopfte am über die Jahre geglätteten Holz der Zimmertüre. Von drinnen erklangen Geräusche, dann ein verschlafenes "Ja, gleich..." und nur wenige Herzschläge später öffnete eine junge Frau die Türe, nur einen halben Kopf kleiner als Thuêban selber. Doch ihre Haut war um einiges heller als die der Jägerin aus der Ödnis, ihr Haar rotblond und im Nacken zusammengebunden. Sommersprossen schmückten ihre Wangen und den Nasenrücken, eine dünne Narbe führte von ihrer Oberlippe bis hin zum rechten Auge. Sie war in ein leichtes Hemd gekleidet, das ihr beinahe bis zum Lendenschurz ging.



Durch den schmalen Spalt der nur wenig geöffneten Türe sah sie Thuêban an. "Was?"



"Ihr wisst, was mit Eurem Gefährten passiert ist?"



"Von welchem Gefährten sprecht Ihr?"



Thuêban sah zurück zum Wirten, der zitternd auf die andere Türe deutete. Aus dem Eingang drang immer noch das unwirkliche Licht der Mycnoidlamellen.



"Der Herr, der dort drüben sein Zimmer hat," erklärte die Hexenjägerin.



Die andere Frau öffnete ihre Türe weiter, streckte kurz ihren Kopf heraus. Dann zog sie sich wieder zurück in die Sicherheit ihres Zimmers. "Ich weiß nicht, wer hier wo sein Zimmer bekommen hat." Sie schüttelte ihr Haupt. "Da müsst Ihr schon deutlicher sein, wer Eurer Meinung nach mein Gefährte sein soll." Langsam wirkte sie ungehalten. "Hat jemand meinen Namen gesagt? Mich erwähnt?"



"Ihr habt doch den Abent mit jemanden verbracht. Das wurde mehrfach bezeugt..."



"Ach, den meint Ihr."



"Genau."



"Was ist mit dem?"



"Der ist tot."



"Oh..." Sie öffnete die Türe gänzlich und Überraschung huschte über ihr Gesicht. "Was ist passiert?"



"Das wollen wir gerade herausfinden." Thuêban senkte ihre Stimme. "Es scheint so, als hätte man ihm seiner Lebenskraft beraubt."



"Oh. Das hört sich..." Die andere stockte. "...brutal an. Wie kann ich nun helfen?"



"Nun ja." Die Hexenjägerin deutete über ihre Schulter zum Zimmer des Toten. "Ihr könnt mir sagen, wer er war. Vielleicht ward Ihr ja schon seit einigen Tagen mit ihm unterwegs...?"



Die Frau schüttelte ihren Kopf. "Ich habe ihn hier zum ersten Mal getroffen."



"Hat er Euch irgendetwas von seinen letzten Tagen der Wanderschaft erzählt?"



"Nein. Wir haben einfach nur so gesprochen. Wir sind beide Reisende und haben desshalb unseren Abend in der Schenke gemeinsam verbracht. Geschichten von unseren Erlebnissen erzählt. Von der Straße." Kurz dachte sie schweigend nach. "Aber Uhish hat auf mich nicht sonderbar gewirkt."



"Uhish?"



"Uhish Brooks. Sein Name. Ich bin übrigens Pat Talmun." Sie streckte Thuêban ihre Hand entgegen und die Hexenjägerin reichte ihr die ihre im Gruße.



"Thuêban Aq Ramin."



Pat Talmun überlegte. "Nein. Er hat mir nichts in dieser Richtung erzählt."



"Dann wisst Ihr vielleicht, woher er kam...?"



"Ich glaube, ich erinnere mich an eine Erzählung von einem kleinen Dorf an der südlichen Grenze der Republik. Er hat keinen direkten Ortsnamen gesagt und auch nicht, ob er dort geboren wurde oder die letzten Jahre dort gelebt hat. In der Nähe des Gebirges, am Rand der Ödnis."



"Mhm."



"Ich habe mich einige Zeit mit ihm unterhalten und alles, was er sagte, war nicht sonderlich... aufregend."



"Seltsam..." murmelte Thuêban und sah aus ihrem Augenwinkel, wie an der Ecke zum Quergang ein Haarschopf auftauchte und ebenfalls schnell wieder verschwand.



Auch der Wirt hatte die andere Person bemerkt. "Ah. Gut, dass Du da bist, Danni. Wir haben ein paar Fragen an Dich..." Er begann, in ihre Richtung zu watscheln.



Schnelle, aber leise Schritte eilten davon und mit gerunzelter Stirn wendete sich Thuêban wieder an Talmun. "Bleibt in Eurem Raum. Eventuell haben wir weitere Fragen an Euch."



Talmun nickte und schloss die Türe, als Thuêban schon hinter dem Wirten her eilte. Seine irritierte Stimme hallte durch die Nacht. "Hey, Danni! Ich hab' Dir 'was gesagt!"



Es wurde auf dem Gang heller, als Guikut interessiert seine leuchtenden Kopf aus dem Zimmer reckte, doch bevor Thuêban nun die Ecke umrunden konnte, gab es einen lauten Schlag und Otto Hehlmandel wurde mit erstaunlicher Wucht gegen die Wand geschleudert. Keuchend blieb er auf den Dielen liegen.



Alarmiert zog Thuêban ihre Axt Banirr und sprang der Schankmagd hinterher. Guikut ließ das Tagebuch von Uhish Brooks fallen und rannte auf seinen langen, gebogenen Beinen an die Seite seiner Gefährtin. Die hatte Danni im Schatten zwischen den Fenstern entdeckt und sprintete auf die junge, dralle Frau zu, die in einfache Arbeitskleidung gehüllt war.

Im nächsten Augenblick war Danni verschwunden und an ihrer Stelle kauerte eine alte Vettel, gebückt und mit offenem Mund geifernd. Die eingefallene Nase war beinahe nicht mehr vorhanden und ein Auge hin schlaff herab. Sie war faltig, uralt und krächzte den beiden Hexenjägern eine Warnung entgegen.



Panik schwappte über Thuêban, wie ein Sog, der ihren Mut gegen die Wand schleuderte, wie soeben Otto Hehlmandel gegen die Wand geworfen worden war. Hektisch riss sie ihre Hand nach oben, die keine Axt hielt, und aus ihren Fingern fuhren magische Säuregeschosse, die den Gang entlang flitzten.

Doch die alte Vettel sprang aus dem Stand an die niedrige Decke und Thuêbans Säure spritzte nur gegen die Wand und den Boden. Ätzender Dampf zischte empor, während die Vettel auf sie zu kroch, mit verdrehten Gliedmaßen und weit aufgerissenem Maul. Wie ein Käfer krabbelte sie mit abgehakten Bewegungen an der Decke entlang.



Thuêban keuchte auf. Auf dem faltigen Hals der Alten saß plötzlich kein vertrocknetes, verformtes Gesicht mehr, sondern das ihrer eigenen Mutter. Gütig lächelte das Gesicht auf dem krabbelnden Leib sie an, so wie an dem Tag, an dem sie aus ihrem Taldorf in der Ödnis abgereist war. Die Hexenjägerin stockte, doch Guikut hatte sich nicht von der dunklen Magie der Alten einspinnen lassen.

Der Mycnoid sah immer noch das alte Weib, wie es beängstigend verdreht an der Decke entlang auf sie zukrabbelte. Mit einem langen Bein machte er einen gewaltigen Schritt, senkte seinen Pilzschirm und stieß unzählige Sporen aus den immer noch leuchtenden Lamellen.

Thuêban war diese Art von Beschuss von ihrem Kameraden gewohnt, die alte Vettel jedoch nicht. Zuckend und krächzend blieb sie einige Schritte vor den beiden hängen und trotz sichtbarem Kraftaufwand konnte sie sich nicht aus ihrer Starre lösen.



...habe sie...



Die Illusion war verschwunden und Thuêban sah wieder das alte Weib, geifernd und gegen Guikuts Sporen ankämpfend. Einen Augenblick lang nahm sich die Hexenjägerin die Zeit, zu Iln Pashniad zu beten, auf dass er ihr Axtblatt mit göttlicher Magie verstärken möge. Dann schleuderte sie Banirr der Vettel entgegen. Die Axt grub sich tief in die faltige Stirn und tot fiel die Alte auf die Dielen. Noch ein Zucken, dann lag sie still.

Thuêban und Guikut blickten zum Wirt, der aber lag noch wimmernd an der Wand, während nun Türe um Türe aufging und die neugierigen Gäste nachsahen, was es mit dem Lärm auf sich hatte. Sie blickten entsetzt auf das alte Weib, das in einer stetig wachsenden Blutlache vor ihnen lag.

Langsam beugte sich Guikut über die erschlagene Vettel.



...Todesfee... trank Leben anderer...



Weitere Sporen senkten sich aus Guikuts Schirm auf die Leiche. Sie war wirklich tot, erkannten sie beruhigt. Die Magie an ihrem Leib nahm pulsierend ab, als das Blut aus ihrer Stirn floss, das verrieten die Sporen. Der Mord war gesühnt.



"Bereitet einen Scheiterhaufen vor," befahl Thuêban Otto Hehlmandel, dachte dann an den ausgezehrten Körper im Schankraum. "...oder gleich zwei."



***



In der Nacht noch untersuchten die beiden Hexenjäger Dannis Zimmer, doch fanden sie dort nichts Außergewöhnliches. Die Schankmagd war seit Jahren in der "Tante" beschäftigt gewesen und noch nie hatte es solche Morde gegeben. Sie organisierten eine Suchmannschaft und fanden zwei Tage später ein aufgeschüttetes Loch in der Heide nahe dem Gasthaus. Dort lagen die sterblichen Überreste der echten Danni und sie wurde unter Gebeten aufgebettet und schließlich auch dem Feuer übergeben...


...und ich hab noch Ideen für 15 weitere Miniabenteuer :kaw:
 
Und Kapitel #3 unserer kleinen Thuêban-Kampagne konnte uns gestern nach dem Kino noch etwas ablenken :)

LANGSAM TAUTE DER Schnee auf den Feldern. Thuêban und Guikut standen am Rand eines flachen Erdtrichters, der sich auf dem Acker eines besorgten Bauern befand, der die beiden Hexenjäger alarmiert und bis zu seinem Grund geführt hatte. Von ihm war schon nichts mehr zu sehen, hatte er sich doch schnell wieder zu seinem Hof begegnet. Hier roch es nach Blut. Nach Tod.

Vier Nachbarn hatte die kleine Gemeinde in der Nähe von Ludorfsstadt mittlerweile verloren. Immer waren es blutige Erdtrichter auf den Feldern, die zurückblieben. Nie fand man Überlebende.



Vorsichtig, Schritt für Schritt, tastete sich Thuêban auf dem unebenen Boden nach unten voran. Kleine Steine lösten sich und rollten klackernd an den tiefsten Punkt des Trichters. Ihr Mycnoidengefährte überwachte ihr Vorankommen vorsichtig, blinzelte im warmen Sonnenlicht.



...dort unten ist etwas...



Die Informationssporen von Guikut ließen Thuêban kurz aufblicken, dann sprang sie den letzten Meter nach unten, ging dort in die Hocke. Langsam griff sie ins aufgewühlte Erdreich und zog zuerst einen Handrücken, dann einen halben, abgerissenen Unterarm aus dem Boden. Die Hand umklammerte immer noch den abgebrochenen, mit Blut überzogenen Stiel eines Feldgerätes. Auch die Steine hier waren rot gefärbt.

Als die Hexenjägerin das abgetrennte Körperteil gänzlich aus dem Boden gezogen hatte, bröckelte mehr und mehr Erde in ein tiefes Loch, das sich bis zur Faustgröße bildete. Wurzeln hielten den Rest stabil und darunter war nur Schwärze zu erkennen.



Thuêban drehte sich zu Guikut, der immer noch oben am Trichterrand stand. "Hier ist alles untertunnelt..."



Dann erhob sie sich, erklomm den Trichter und stapfte an Guikut verbei, bis hin zum Feldweg, der zwischen einigen Äckern lag. Dort stand ein alter Zaun, an einigen Stellen bereits morsch und nicht gut im Stande gehalten.

Der Mycnoid beobachtete Thuêban genau und rührte sich auch nicht, als sie wieder an ihm vorbei zurück zum Trichter ging, Pfahl und Zaunlatte in den Händen. Schnell hatte die Frau den Holzpfahl in den Boden am Trichter gerammt und ein Seil daran befestigt und während sich nun auch Guikut mit überlegten Schritten näherte, grub Thuêban bereits mit der Latte am größer und größer werdenden Loch.

Langsam fingen die Lamellen unter Guikuts Schirm zu leuchten an und das seltsame Licht des Mycnoiden drang tief in den Gang, der unter ihnen lag. Nicht mehr als zwei Meter nach unten rieselte die Erde und als das Loch groß genug erschien, warf Thuêban die Latte zur Seite und nickte Guikut zu.



Der blinzelte kurz, nahm dann das Seil feste in die dünnen Pilzhände und langsam kletterte Guikut in die Tiefe. Im Schein seiner Lamellen sah er einen Gang, der sich von Westen nach Osten erstreckte, uneben und immer noch mit Frost durchzogen. Dann eine Bewegung in der Finsternis hinter der Reichweite seines Lichtes. Ein Aufblitzen von hunderten nadelspitzer Zähnen. Ein gewaltiges Maul, das sich in atemberaubender Geschwindigkeit auf ihn zuschob und ihn mitriss...



Thuêban sah nur einen riesigen, schwarzen Körper, der Guikut verschluckte. Das Seil wurde mitgerissen, spannte sich kurz, riss schließlich den Pfahl aus dem Erdreich und gerade noch konnte sich die Hexenjägerin ducken, als der wirbelnde Holzpflock an ihrem Kopf vorbei zischte und dann im Loch verschwand.

Sie fluchte leise auf Gharoodo, zog Arra und Banirr und sprang mit beiden Äxten in den Händen in die Dunkelheit hinuner. Dort sah sie zitternd erleuchteten Ränder des Tunnels, Guikut gänzlich vom schwarzen Schatten verdeckt und der Lichtkranz schnell in die Ferne rückend. Immer noch hingen die Sporen des Mycnoiden in der kalten Luft, einen panischen Hilfeschrei in Thuêbans Gedanken setzend.

Sie seufzte und lief dann dem schnellen Schatten hinterher, bis zu einer Biegung im Gang. Tiefer hinab in die Dunkelheit der Welt führte dieser Tunnel und an der erdigen Wand lehnte ein mitgenommener Guikut. Seine samtige Pilzhaut war beinahe überall aufgeschürft und ein Teil seines Schirmes war eingerissen und umgeknickt. Schwach blinzelnd blickte er Thuêban an, die neben ihm im schwächer werdenden Licht seiner Lamellen zum Stehen kam.



"Bist Du noch zu etwas zu gebrauchen?"



Ein kurzes Zittern ging durch den Mycnoiden, dann rappelte er sich auf seinen langen, biegsamen Gliedmaßen auf.



...ja...



Das Leuchten der Lamellen wurde wieder heller und mutig stellte sich Guikut neben seine Mitstrreiterin. Nichts war von der Bestie zu sehen, aber das Grollen von sich verschiebenden Erdreich drang leise und bedrohlich zu ihnen. Ein leichtes Beben drang durch Thuêbans Stiefelsohlen und die dünnen Beine Guikuts.



"Auf meine Schultern." Eine Mischung aus Befehl und Angebot.



Ohne zu zögern reagierte der Mycnoid, kletterte geschwind am Rücken der Hexenjägerin empor und umklammerte mit den schlaksigen Gliedmaßen Hals und Brust, der hohe Schirm über Thuêbans Schulter den Gang beleuchtend. Zusammen eilten sie so weiter den Tunnel entlang, bis sich der Weg gabelte: ein Loch führte weiter nach unten, der andere bog nach Norden ab.



"Den einfachen Weg?" Thuêban drehte ihr vernarbtes Gesicht so, dass sie Guikut auf ihren Schultern sehen konnte. "...oder die Rutschpartie?"



Die Vibration im Boden nahm erneut zu und ein durch Thuêbans Zögern alarmierter Guikut fasste mit einem Armstiel an die nahe Gangwand, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen.

Ja, die Intensität nahm weiter zu, einige Steinchen lösten sich aus der Decke und fielen herab. Aber woher kam das Beben? Von woher näherte sich die Bestie?



...sicherer Weg... später noch Zeit für gebrochene Beine...



Die Vibration in den Gangwänden wurde stärker und ein beständiger Regen an Erde rieselte auf sie hinab.



...vielleicht bleiben wir auch einfach hier...



Ruhig atmend ging Thuêban in Kampfstellung, eine Axt schräg hinter sich gehalten, die andere vor sich. Die Füße in den Boden gespreizt und den Blick gesenkt, eher auf ihr Gehör und den Körper hörend, als auf Augen, die durch die Finsternis eh viel zu spät das Nähern der Bestie wahrnehmen würden.

Guikut klammerte sich fester an den Oberkörper seiner Gefährtin, seine Augentraube die Decke und Wände genau beobachtend.



Steine, Wurzeln und Erdreich wurde nach allen Seiten geschleudert, als sich aus der Seite des Ganges ein riesiger Maulwurfskopf bohrte und Thuêban mit einem schnellen Schnappen zwischen die scharfen Zähne riss. Schulter, Brust und Bauch waren im Maul des Untieres und gerade noch hatte sich Guikut zur Seite rollen können, um den dünnen Nadelzähnen zu entkommen.

Wütend schreiend hieb die Hexenjägerin mit Arra um die Schnauze herum, traf nur wenige Fingerbreit über dem Auge das schwarze, dichte Fell. Der Knochen jedoch war zu dick für diesen Schlag und auch wenn nun Blut über den zuckenden Schädel lief, wollte der Maulwurf seine Beute nicht aufgeben.

Thuêban versuchte ihren linken Arm zum Angriff zu heben, konnte dies aber nicht, war er doch durch die Schnauze des Maulwurfs zu sehr nach hinten gebogen. Sie hasste diese Aufträge. Hasste es, gegen Monster zu kämpfen, von denen sie noch nicht einmal gehört hatte. Sie war eine Hexenjägerin. Sie tötete dunkle Magier und andere Magienutzer. Keine riesenhaften Schädlinge.



Dann wurde sie in eine Sporenwolke gehüllt, die aber nicht ihr gegolten hatte und somit auch nicht ihr Nervensystem beeinträchtigte. Die Bewegungen des Riesenmaulwurfes wurden langsamer, dann blieb er stark atmend still in der Wand hängend, die großen Vorderpfoten wie pinke Schaufelhände mit tödlichen Krallen in den Gang ragend.

Beinahe friedlich wirkte das blutende Tier, doch hing immer noch eine ächzende Thuêban in seinem Maul, versuchte sich durch kräftiges Zappeln aus der Umklammerung zu lösen.



...lass los...



Die Information der Sporen verstehend, öffnete der Maulwurf seine Schnauze und mit einem schmerzhaften Schlag kam die Hexenjägerin auf dem Tunnelboden auf. An ihrem Rücken drehte sich Guikut wieder in eine bessere Lage, ließ den Maulwurf nicht aus seinen Augen. Die Sporen sollten das Tier noch einige Sekunden lang in einem friedlichen Zustand lassen. Vielleicht könnten sie...

Thuêban stand mit einem gequälten Laut auf, hob ihre Äxte und ließ sie auf den Schädel der Bestie sausen. Knochen splitterten und Blut spritzte. Ein helles Quieken drang aus dem Rachen des Maulwurfes, dann schob er sich nach hinten und verschwand in der Dunkelheit des neuen Ganges.

Kurz blickte Thuêban der Bestie hinterher. Ihre Augen zuckten hin und her, während sie nachdachte.



...ist nur Tierchen...



"Ein gefährliches Tierchen." Die Hexenjägerin wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. "Das Bauern frisst... und zerreißt..."



...können bestimmt anders lösen...



Thuêban antwortete nicht. Guikut verstärkte seinen Griff um den Körper der Menschenfrau, wusste er doch, dass die Jagd noch nicht zu Ende war.

Die Hexenjägerin lief los, dem Maulwurf hinterher und nach Luft schnappend. Ihre Wunden brannten und sie merkte, wie der Speichel des Tieres ihre Muskeln schwächte. Sie lähmte. Mit einem kurzen Gebet an den Alten Mann der Wüste pumpte sie neue Kraft in ihren Körper, drängte das paralysierende Sekret zurück und aus ihrem System.

Sie spürte, wie auch Guikut sich um ihre Wunden sorgte: feine Pilzfäden wuchsen in die Bisskanäle, die ihr Fleisch durchzogen, und sanft wurden die Löcher zusammengezogen und mit klebrigem Gewebe geschützt. Schon drang kein Blut mehr hervor und schneller lief Thuêban den Gang entlang.



Als sie erneut eine Gabelung erreichten, hielt die Jägerin erneut an. Vor ihnen teilte sich der dunkle Weg nach links und rechts, ein anderer Tunnel führte beinahe gerade nach unten weiter in die Tiefe.



...Gänge sind groß... Tunnel reichen weit... unten eventuell Nestkammer...



Normale Maulwürfe gruben ihre Nestkammern in der Mitte des weiten Gängesystems, hier war aber in anderen Maßeinheiten zu rechnen. Vermutlich gingen die unterirdischen Wege noch weiter und tiefer ins Erdreich hinein.

Thuêban nickte nur stumm. Dann sprang sie ohne zu zögern in den senkrechten Schacht, die Füße an der bröckelnden Wand entlang rutschend. Über ihnen gab die Decke des anderen Ganges nach und der Riesenmaulwurf löste sich aus der Schwärze, fiel den beiden Hexenjägern hinterher. Sein Maul war blutig und im Schein von Guikuts Lamellen funkelten die spitzen Zähne wie hunderte Eiszapfen.

Eine Falle! Der Maulwurf hatte ihnen eine Falle gestellt...



Auf ihrem rasanten Weg in die Tiefe drehte sich Thuêban und zielte mit zwei Fingern, die Hand immer noch den Griff von Arra umklammernd, auf die ihnen hinterher stürzende Bestie. Ein Säurestrahl traf eines der kleinen, tiefschwarzen Augen und wieder schrie der Riesenmaulwurf schrill auf.

Eine Sporenwolke löste sich von Guikut und während das wütende Tier für einen neuen Angriff Luft durch seine wunde Schnauze einzog, legten sich die Pilzkörperchen wie eine dicke Decke über den Verstand des Giganten. Das Quieken verstummte, die winzigen Augen schlossen sich. Dann taumelte er bewusstlos Thuêban und Guikut nach.



Thuêban kam mit einer gekonnten Rolle auf einem Lager aus Ästen und alten Planen auf, versuchte noch weit genug weg zu kommen, doch krachte der gewaltige Körper auf sie und begrub ihre Beine. Ein nasses Knacken hallte durch die Kammer, als das Genick des Maulwurfes in eine Richtung gebogen wurde, für die es nie gedacht gewesen war.

Grunzend stemmte sich die Frau gegen das Gewicht, konnte sich nach einigen Augenblicken aus der misslichen Lage befreien. Der Gigant lag im Schimmer der Lamellen tot vor ihr.



...schade... armes Tierchen wollte nur leben... sich ernähren... brutaler Tod...



Thuêban sagte nichts.



...dennoch würden Menschen Vermögen für riesiges Fell zahlen...



Die Hexenjägerin nickte, sah sich dann in der Nestkammer um. Andere Gänge führten von hier weg, das sah sie im organischen Licht des Mycnoiden. Nach einigen Herzschlägen der Ruhe machten sie sich an die Arbeit.



***



Beinahe einen Tag später gruben sich die beiden Gefährten aus dem Ackerboden. Keinen überlebenden Bauern hatten sie in den Gängen und Kammern der erschlagenen Bestie gefunden, keine verwendbaren Überreste. Nur das zusammengerollte Fell hatten sie fein verschnürt dabei, als sie sich aus dem Erdreich schoben.

Lange standen sie unter der wärmenden Sonne zwischen kleinen, schmelzenden Schneedecken und suchten mit ihren Blicken nach den Bauern, die sie auf diese Jagd geschickt hatten und die nun ohne Angst vor einem Menschen verschlingenden Maul ihr Land bestellen konnten...
 
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Wieder eine Seite aus meinem Enchiridion:

009 - Gorgops.jpg


Gorgops kamen bis dato noch nicht in unseren Kampagnen vor, das wird sich vermutlich aber dieses Jahr dann mal ändern. In "Die Schatten Emeralds" wurden schon einige Katzenmenschen eingeführt, jetzt sollen auch mal die Tierchen dieser Region folgen, die bis jetzt nur am Rande erwähnt wurde. Einer meiner kommenden Charaktere soll jedenfalls einen solchen Gorgops als Haustierchen haben :kaw:
 
Und ein neues Thuêban-Kapitel:

ES WAR FRÜHLING geworden und weiter waren die beiden ungleichen Gefährten über die Landstraßen gewandert. Immer auf der Suche nach neuen Aufträgen. Auf der Suche nach neuer Dunkelheit, die es zu bekämpfen galt.

Mit ihnen schritt die Maultierdame Wanda, die ihnen ein Bauer aus lauter Dankbarkeit nach dem Erschlagen des alles verschlingenden Mauls geschenkt hatte. Wanda trug nun ihr weniges Gepäck und ohne wirkliche Last schlenderten sie über den festgetretenen Weg.



Langsam fing es an zu dämmern und da kein Kaminrauch über den Baumwipfeln in den Himmel stieg oder ein anderes Anzeichen für ein nahes Dorf zu sehen war und sie seit Stunden kein Wegeschild mehr passiert hatten, deutete Thuêban auf den Weg vor ihnen.



"Ich glaube, wir sind hier nicht in der Nähe einer größeren Siedlung oder gar einer Stadt..."



Guikut nickte nur auf seine stumme Mycnoidenart.



"Suchen wir uns einen windgeschützten Ort, um dort die Nacht zu verbringen."



Zusammen spazierten sie einige Zeit weiter, auf der Straßenseite zu ihrer Rechten ein dichter Forst aus Nadelbäumen. Eben war hier der Waldboden und regelmäßig bepflanzt. Es sollte schwer werden, hier einen gemütlichen Übernachtungsort zu finden.

Nach einem Kilometer kamen sie zu einem schiefen, mit Flechten und toten Schlingpflanzen überwachsenen Schild.



"Vielleicht sagt uns das ja, wo in der Nähe ein Holzfällerlager oder dergleichen ist," meinte Thuêban zuversichtlich und richtete das Schild in eine aufrechte Position, kratzte einige Flechten weg.



Es hatte vor Jahren einen nun überwachsenen Waldweg entlang gezeigt, stellte sie fest. Auf dem Schild waren eingebrannten, verwitterten Zeichen zu erkennen: 'Tannerhof' stand dort geschrieben.



...Tannerhof nicht mehr bewohnt... für uns aber Schutz...



"Das auf jeden Fall."



Zusammen mit Wanda folgten die beiden dem Weg, auf dem die verschiedensten Gräser wuchsen und Eidechsen in Sicherheit huschten. Bis zu einer Hecke gingen sie, hinter der eine mannshohe Steinmauer erbaut worden war. Das hölzerne Tor war schon zerbrochen und lag vor dem alten Haus, dessen kurze Seite eingestürzt war. Das Dach hatte an dieser Stelle ebenfalls nachgegeben und war auf die Steine gefallen, an anderen Stellen schien die Schindeldeckung ebenfalls löchrig geworden zu sein.

Unter dem schattigen Dach waren die Holzdielen über die Jahre morsch geworden und aufgebrochen, Gräser und Moose wuchsen dort auf dem aufgeweichten Boden. Nur ein alter, ebenfalls mit Moospolstern überzogener Tisch und zwei instabil gewordene Stühle standen vor einem alten Kamin, in dessen Asche kleine Pflänzchen sprossen.



...aus Schattenspinnenkrieg...



Fünf Jahre waren seit dem verheerenden Krieg vergangen, der zwischen der von Hexenweibern manipulierten Republik Tarleen und dem nördlichen Königreich Cromshell getobt hatte.



Thuêban schenkte ihrem Gefährten ein seltenes Lächeln. "Vielleicht findet sich ja noch ein guter Wein in diesen Ruinen..."



...oder Honig...



Sorgfältig knotete die Hexenjägerin Wanda an einen Metallhaken, der aus dem aufgesprungenen Mauerwerk ragte und einst die Türe des Bauernhauses gehalten hatte. Sie gab dem Maultier zu Fressen und drehte sich dann zu Guikut, der sich bereits im Haus umsah. Mit dünnen Fingern fuhr der Mycnoid über den Moosteppich auf dem Tisch, strich über dünne Blütenstängel und Mäusekot.

Der Wald nahm sich das Land wieder, das sich die Zivilisation aus seiner Seite geschnitten hatte. Zufrieden öffnete Guikut seine Lamellen und feine Sporen rieselten zwischen die flachen, grünen Grashalme. In den letzten Wochen hatte er dies immer wieder getan. Auf Feldern, Wiesen und im Schatten der großen Bäume. Siebenundzwanzig Geschlechter umfasste sein uraltes Volk und würde nur der richtige Mycnoid über seine Sporen stolpern, könnten sich schon in diesem Sommer noch junge Pilzlinge aus dem feuchten Boden schieben.

Wieder streute er seinen Nachwuchs in die Welt hinaus, während Thuêban damit begann, eine alte Zeltplane neben dem Kamin aufzuspannen. Sie sollte ihnen Unterschlupf bieten und als die stumm arbeitende Frau den lange erloschenen Kamin neu entfachte, flohen einige Tausendfüßler, Spinnen und eine Mäusefamilie aus dem brüchigen Mauerwerk.



Gemütlich saßen sie eine Stunde später in der von den Flammen erhellten Nacht und teilten sich eine karge Wegzehrung, dann legte sich Thuêban auf ihre Bettrolle und schlief alsbald ein. Guikut stand neben dem Tisch, bereit für eine seichte Ruhephase, in die sich sein Volk begeben konnte, wenn es nötig war.

Sporen strömten aus seinem Pilzschirm und legten sich auf ihn und Thuêban, halfen den beiden beim Erholen, während ein Käuzchen im nahen Wald seinen Ruf aussandte. Einige Stunden vergangen so und Guikut hielt halb schlummernd Wacht.



Dann zuckte Wanda im Schlaf zusammen, versuchte einen Schritt nach hinten zu machen. Sie sah sich panisch um, dann begann sie am angebundenen Strick zu ziehen und zu zerren, schrie laut und aus vollem Hals ihre Angst in die Nacht hinein.

Guikut blinzelte verwundert, ging dann mit langen, stelzigen Schritten zum tobenden Maultier. Thuêban hatte sich halb auf ihrer Bettrolle erhoben, Banirr fest im Griff.



"Was ist los?"



...weiß noch nicht...



Die Sporen, die Guikuts Worte transportierten, legten sich schwer auf Thuêbans müden Geist. Vorsichtig berührte der Mycnoid die Flanke des verängstigten Tieres, dann begann er eilig, den Knoten vom Metallhaken zu lösen.

Als er bemerkte, wie sich eine körperlose, bläulich leuchtende Hand aus dem grauen Stein der Mauer schob, wich Guikut unsicher zurück. Die Hand war die eines menschlichen Leichnams, knochig und mit unnatürlich langsam wehenden Fleisch- und Hautfetzen behaftet. Guikut blinzelte, dann sprang er mutig nach vorne und zog weiter am Knoten, der Wanda an der Wandas Seil am Stein befestigte. Die Maultierdame schrie gequält weiter.

Eine Gestalt schob sich nun aus der eingefallenen Wand heraus, sich seltsam in der Wirklichkeit entfaltend, Hüfte und Beine fehlend und dennoch in der Luft hängend, als würde sie hier und jetzt im aufgebrochenen Raume stehen. Fast schon bedächtig hob sie einen Arm, die knochigen Finger nach Guikut ausgestreckt.



...hallo...



Guikuts Sporen tanzten durch die leuchtende Gestalt, konnten sich nicht auf den blauen Schimmer legen. Die Gestalt reagierte nicht, streckte weiter seine Hand nach dem Mycnoiden aus.



"Halt!" Die Stimme Thuêbans schnalzte durch die Nacht und die Gestalt hielt inne. "Was wollt Ihr?"



Das geisterhafte Gesicht kehrte sich langsam zu ihr um, der Blick leer und tot. Trockenes, durchsichtiges Fleisch hing vom kahlen Schädel und obgleich kein Wind in der Ruine die Luft bewegte, schwangen lose Hautfetzen wie Fahnen hin und her.

Eine extrem schnelle, seltsame Bewegung, die das Auge nicht verfolgen konnte und plötzlich stand die Gestalt vor Thuêban, riss seinen Mund unnatürlich weit auf. Kein Laut war aus der körperlosen Kehle zu hören, doch der Angstschrei Wandas wandelte sich in ein ohrenbetäubendes Quietschen. Thuêban ließ sich auf ihre Bettrolle zurückfallen, als Geisterhände nach ihr griffen und die Luft mit Eiseskälte durchschnitten.



Guikut löste eine Wolke aus Sporen aus seinen Lamellen, die von den bebenden Nüstern des Maultieres aufgesogen wurden. Sofort beruhigte sich das Tier und starrte mit weit aufgerissenen, zitternden Augen in die Leere. Eilig löste Guikut den störrischen Knoten am Seil und berührte Wanda an der Wange.



...gehe hinaus... gehe zur Hecke... friss, wenn du willst...



Kurz sah der Mycnoid dem Mautier hinterher, als es schwerfällig über den Hof ging und dann an den Blättern der grünen Sträucher schnupperte. Dann wandte er sich wieder Thuêban und dem Geist zu, als ein schriller Schrei der Hexenjägerin durch die Ruine schallte.

Er sah die rauchende Tischplatte, die hinter der schimmernden Gestalt stand. Säure. Er konnte sie bis hier her wahrnehmen, wie sie sich durch Moos und Holz fraß. Anscheinend hatte Thuêban versucht, die kalte Gestalt mit ihrem Zauber zu treffen. Stattdessen war die Säure ohne jegliche Wirkung durch den Geist gedrungen und arbeitete sich nun durch das alte Möbelstück.

Der Geist war über Thuêban gebeugt, hatte eine transparente Hand in ihre rechte Schulter, die andere in ihre Schläfe gebohrt. Kein Blut war zu sehen, nur ein unheiliges Leuchten, wo sich geisterhafter Körper und Haut trafen. Der langgezogene Schmerzenslaut der Hexenjägerin wurde lauter.



Ein weiteres Mal schickte Guikut Sporen in die Hausruine. Diese Sporen jedoch wirkten nicht beruhigend und als sie auf Thuêban landeten, durchzuckte neue Kraft die mit Pein erfüllte Frau. Sie atmete scharf ein, dann formte sie ihre Finger zu einem heiligen Symbol der Ödnis. Gepresste Worte auf Gharoodo taten ihr Übriges und wie durch eine unsichtbare Barriere getroffen wurde die körperlose Gestalt nach hinten geschleudert.

Die nun freien Hände des Geistes rauchten, als hätten sie göttliches Licht berührt und erneut öffnete er seinen Schlund für einen lautlosen Schrei. Einen kurzen Augenblick später war er mit einer unwirklichen Bewegung durch die Rückwand des Bauernhauses geflohen.



Ächzend rappelte sich Thuêban auf. "Nichts wie weg hier..."



...nicht herausfinden, was Geist wollte...?



Der Mycnoid legte seinen Pilzschirm schief.



...ihn für immer wegschicken...?



"Dafür," krächzte Thuêban: "bekommen wir kein Geld."



...du hast Recht... hier wohnt niemand, den Geist stören könnte...



"Ist hier auch nicht sonderlich einladend, wenn man's genau nimmt," grunzte die Hexenjägerin. Sie schüttelte ihren Kopf. "Wir waren einfach unvorsichtig. Ich würde vorschlagen," meinte sie, in Richtung des verfallenen Tores deutend: "dass wir Wanda nehmen und für die restliche Nacht noch einen geeigneten Schlafplatz suchen."



Kurz überlegte Guikut.



...aber das Richtige tun wäre, ihn weiterzuschicken... wirkte wie normaler Bauer... verloren im Tod...



Thuêban ließ seufzend ihren Kopf hängen. Vor nicht all zu langer Zeit hätte sie nicht einfach so geholfen. Keinem Bauern. Keiner verlorenen Seele. Hatten die Mycnoidensporen, die sie nun täglich einatmete, eine solche Auswirkung auf sie? Wurde sie zu emotional? Zu hilfsbereit, ohne auch nur ein Kupferstück als Gegenleistung zu verlangen?

Immer noch fühlte sie sich nach der geisterhaften Berührung des Körperlosen ausgelaugt. Aber sie nickte.



Vorsichtig sahen sie sich um, gingen letztendlich hinter die Hausruine. Der Geist war in diese Richtung geflohen, doch konnten sie ihn im verwilderten Garten nicht erkennen. Ein aufgebrochener, leerer Kaninchenstall stand dort im Schutz der alten Mauer und ein großer Kastanienbaum streckte sich zu den Sternen empor.

Unter den Ästen des Baumes stand ein kleiner, hölzerner Schrein, der das zerbrochene Sonnenzeichen des Gottes Paragon zeigte. Das Holz war zersplittert, die meisten Strahlen mit Schlägen abgebrochen. Hier hatte der Besitzer des Hofes vermutlich für einen guten Ertrag gebetet, seinem Gott kleine Opfergaben in Form von Speisen oder kleinen, selbstgemachten Schmuckstücken erbracht.

Vor dem geschändeten Schrein war ein gewaltiger Speer in den Boden gerammt worden, beinahe wie ein eiserner Pfahl. Und auf diesem war der geschundene Körper eines Mannes gespießt worden, das spitze Ende des Speeres durch seinen Rachen gebohrt, Hüfte und Beine abgerissen und nirgends zu sehen. Efeu hatte sich den Pfahl hinauf geschlängelt und Brustkorb und Schultern des Toten umschlungen. Sie erkannten nur wenige Spuren von Fraß am alten Fleisch.



...magische Waffe...



"Vermutlich von einem der Schattenkonstrukte aus dem Krieg. Mächtig genug, um Aasfresser und sogar die Spuren von Wetter und Zeit abzuwehren."



Die Schattenspinnen hatten zwar die Armee von Tarleen gegen den Norden gerichtet, viele Landstriche der Republik hatten aber als Brutstätte für die bestialische Invasion gedient. Zahllose Bürger hatten ihr Leben verloren, als sie sich gegen die Weiber auflehnten. Als sie sich weigerten, Familie und Hof aufzugeben, nur um einer neuen Generation von Spinnenmonstern zu dienen, die sie vermutlich eh über kurz oder lang als Nahrung oder Kinderwiege benutzt hätten.



"Legen wir den armen Teufel zur Ruhe..."



Guikut half Thuêban, als sie den Leichnam umständlich vom hohen, aber fest im Boden verankerten Pfahl zog. Das klamme Material der übergroßen Waffe fühlte sich an, als würde eine Art elektrisches Feld auf ihr liegen. Rau und mit einem seltsamen Widerstand, den man auf den Fingerspitzen spürte.

Immer wieder sah Guikut in die Dunkelheit des Gartens hinein und als er am Rand der Mauer eine blau schimmernde Gestalt entdeckte, die sie bei ihrer Arbeit beobachtete, winkte der Mycnoid ihr zu. Thuêban, durch diesen Gruß aufmerksam geworden, blickte prüfend in die Richtung des Geistes, doch der stand nur da und rührte sich nicht.

Vorsichtig legte die Hexenjägerin die verstümmelte Leiche ins hohe Gras, wischte sich Schweiß von der Stirn. Plötzlich roch alles erdig und nach einem sehr alten Wald, als die Magie des Speeres den Körper nicht mehr wirklich am Verfall hindern konnte. Sichtbar alterte das tote Fleisch rasend schnell nach.



"Beerdigen wir ihn nicht hier beim Speer," murmelte Thuêban Guikut zu und hob den Leichnam erneut in ihre Arme.



Sie trug ihn bis zum Kaninchenstall, wo sie ihn behutsam zu Boden sinken ließ. Derweil hatte sich Guikut auf die Suche nach einem Spaten gemacht und nach kurzer Zeit das benötigte Werkzeug aus einem jungen Brennnesselgestrüpp gezogen.

Ohne jegliche Eile schaufelte die Hexenjägerin ein Grab und sie wickelten den Toten in einen alten Vorhang, den sie in der Ruine gefunden hatten. Dann schütteten sie den aufgewühlten Boden zurück ins Loch und zusammen bauten sie aus Ästen ein wunderschönes Sonnenzeichen, das sie auf den kleinen Erdhügel platzierten.

Die geisterhafte Gestalt im Garten war schon lange verschwunden und nun erhoben sich aus dem Gras dutzende Glühwürmchen und sie schwirrten stumm und traumhaft schön um die beiden Gefährten herum.



"Mögest Du gequälte Seele nun auf ewig Deine Ruhe finden," sprach Thuêban mit fester aber sanfter Stimme. "Unter dem Lichte Deines Gottes Paragon."



Während sie weiter am Grab des toten Bauern standen, tanzten die Glühwürmchen im Garten zu einer Melodie, die außer ihnen niemand hören konnte...
 
Ein weiteres Thuêban-Kapitel:

DAS DORF RIES war in Aufruhr und zusammen standen Thuêban und Guikut zwischen einem großen Wohnhaus und einer Menschenmenge, die angespannt auf der breiten Dorfstraße wartete und stumm mit ansah, was die beiden Hexenjäger unternehmen wollten. Die Tür des Hauses war nur einen Spalt weit geöffnet, die schweren Fensterläden verschlossen. Kein Rauch kam aus dem Kamin und kein Geräusch drang zu ihnen heran.

Sobald die beiden reisenden Abenteurer nach Ries gekommen waren, hatten die Dorfbewohner sie aufgehalten und nach ihrer Hilfe gefragt. Sie hatten sie hier her geführt und geschildert, dass im Haus des Dorfmagiers Wulv seltsame Dinge passiert seien. Man hatte zuvor Lärm gehört und Schreie. Die Stille, die nun das Haus umspielte, war alarmierender, als so manch anderes Geräusch.

Und von einer Ehefrau hatten die Dörfler berichtet, die Wulv vor zwei Monaten an seine Seite genommen hatte. Aus Zurul soll sie gewesen sein und eine Hexe. Bestimmt war diese Razen die Quelle dieses Übels und sollten Thuêban und Guikut wirklich ein Problem im Magierhaus vorfinden und dieses auch noch lösen können, sollte ihnen aus Dankbarkeit die Dorfkasse übergeben werden...



Thuêban sah kurz zum Mycnoiden, der stumm neben ihr stand. Dann machte sie einen Schritt auf das Haus von Wulv zu, als hinter ihr die Stimmen lauter wurden.



"Nehmt Euch in Acht!"



"Sie ist eine Hexe, glaubt mir!"



Guikut sah blinzelnd zu Thuêban und seine Kommunikationssporen umhüllten die beiden.



...was hat sie getan...?



"In Zurul ist Blutmagie weit verbreitet." Thuêban hob ihre Hand, fuhr mit ihren Fingern über die Narbe an ihrer Schläfe. Die Narbe, die sie in Emerald vom Rattenmenschen Slithik erhalten hatte, als sie das erste Mal gegen die Ausgeburten zuruler Magie antreten musste. "Ich habe schon meine Erfahrungen damit gemacht."



...alle Zuruler sind Blutmagier...?



"Nicht alle, nein. Aber so selten die Blutmagie in den nördlichen Reichen ist, so gängig ist sie in den Urwäldern Zuruls..." Kurz blickte sie zu den Dorfbewohnern zurück. "Falls sie wirklich eine Hexe mit solchen Fähigkeiten ist, bin ich darauf vorbereitet."



Das Murmeln der Zuhörer baute sich wie eine Welle auf. Die Dorfbewohner fühlten sich bestätigt, nahmen weiter Abstand zum Haus des Magiers.



Thuêban drehte sich nun vollends zu den verängstigten Leuten. "Wir verurteilen niemanden im Vorfeld! Wir klären ab, was mit Wulv und Razen passiert ist, dann sehen wir weiter..."



Keine Antwort wurde ihr gegeben und nur besorgte Blicke trafen den ihren.



Kurz nickte Thuêban Guikut zu, dann schritten sie zur Tür des Hauses, blieben dann wachsam vor ihr stehen. Aus den Lamellen des Mycnoiden lösten sich neue Sporenwolken, die durch den Spalt ins Innere des Wohnhauses wehten.



...hallo...



Keine Antwort wurde gegeben und so zog Guikut leicht am Türgriff, öffnete den Spalt weiter, bis er und Thuêban hindurch spähen konnten. Die Stube war reich ausgestattet und man merkte sofort, dass Wulv vermutlich an reisenden Abenteurern und anderen Dingen dazuverdiente, der schöne Teppich war aber mit dem Tisch einen halben Meter von der Raummitte weggerückt worden, lag nun in Falten und mit einer bräunlichen Flüssigkeit besudelt. Ein umgeschmissener Schemel lag unter dem Tisch, daneben der Körper von Wulv, gut gekleidet, Haut und Fleisch seltsam ausgezehrt. Als hätte man der Leiche jede Flüssigkeit entzogen.

An seinen Füßen ein weiterer Körper: eine dunkelhäutig Frau mit langen, schwarzen Haaren und einem schulterfreien, ehemals weißen Kleid, das nun bräunlich verschmiert war. Auch sie wirkte ausgezehrt, frei jeglichen Blutes.



"Das schließt schon einmal eine Verdächtige aus..."



Guikut nickte stumm und stellte sich neben die tote Zurulerin, konzentrierte sich und ließ feine Sporen aus seinen Lamellen regnen. Kurz sah ihm Thuêban dabei zu, dann ging sie neben Wulv in die Hocke, betrachtete die Leiche des Dorfmagiers. Er sah aus, als wären die letzten Augenblicke im Leben des Mannes voller Schrecken gewesen, die weit aufgerissenen Augen und der verzerrte Mund sprachen von einem nicht sehr friedlichen Tod.

Die Sporen es Mycnoiden hatten sich mittlerweile auf jede Oberfläche im Raum gelegt und glimmten schwach. Guikut stand leicht wankend und mit geschlossenen Augen neben seiner Gefährtin. Er spürte magische Gegenstände am Körper des Magiers, Ringe und andere, schwächere Artefakte. Rückstände eines Schutzzaubers, der immer noch an den Händen klebte und nur langsam verschwand.

Dann bemerkte Guikut die intensive Magiestrahlung, die immer noch von Razen ausging. Einen langen Schritt ging der Pilzmann näher an die Tote heran und beugte sich zu ihr hinab, sog die Informationen auf, die durch die Sporen zu ihm drangen. Eine unglaublich starker Beschwörungszauber war durch sie gesprochen worden und eine deutliche Spur dieser Energie führte in einen der hinteren Räume. Langsam folgte Guikut diesem Hinweis, erblickte nun bräunliche Abdrücke, wie Schmiere aus getrocknetem, alten Blut auf dem Holzboden und den Wänden.



Thuêban drehte den Kopf von Wulv vorsichtig hin und her, betrachtete genau die zurückgezogenen Lippen, das aufgesprungene Zahnfleisch. Die raue, spröde Zunge. Thuêban seufzte. Alles sah danach aus, als würde sich der Fall aus Emerald wiederholen. Als würde sie erneut gegen Blutkonstrukte kämpfen müssen. Warum? Warum musste immer sie gegen diese widernatürlichen Wesen antreten?

Ein Scheppern aus dem hinten Teil des Hauses ließ sie aufspringen. Herunterfallende Töpfe und zerspringende Teller waren zu hören und das Bersten von Holz. Kein Splittern, sondern ein langes, feuchtes Ächzen. Mit gezogenen Waffen sprang sie in den Nebenraum, in dessen Eingang bereits Guikut stand und mit langen Fingern auf die Gartentüre deutete.

Die Wände und wackelnden Pfannen, die dort an Haken hingen, waren mit dunklem, gerinnenden Blut verschmiert, die Türe nach außen auf den Rasen gedrückt und verbogen, als wäre sie in einem reißenden Fluss lange der Strömung ausgesetzt worden.



hier ist Spur...



Schnell kramte Thuêban ein kleines Fläschchen aus ihrer Gürteltasche, tröpfelte die dünne Flüssigkeit auf ihre Axtschneiden. In der Hauptstadt hatte es ihr das Teerkamillenextrakt schon gute Dienste erwiesen, sie hatte aber gehofft, nie wieder Verwendung dafür zu finden. 'Krusti' hatte sie die Waffe gegen Blutkonstrukte mittlerweile getauft, war der wirkliche Name doch auf Draconic und kompliziert auszusprechen.

Dann schritten sie vorsichtig nach draußen, hinaus in den großen Garten hinter dem Haus. Gemüse- und Kräuterbeete sahen sie, einen alten Kirschbaum mit einer einfachen Schaukel für die Herrin des Hauses. Ein Vogelhäuschen stand auf einem hohen Stiel im Schatten der dicken Äste und tönerne Gartendruiden mit roten Mützen und kleinen Schubkarren waren an Hecken und in den Beeten verteilt.

Die Schmierspur führte über den nieder gepressten Rasen und zum Gartenzaun, der immer noch stand, aber halb umgebogen und verschorft war. Als hätte sich etwas durch ihn hindurch zum nächsten Grundstück geschoben.



Sie kletterten über den Zaun, als sie das Kreischen einer Frau aus dem Nachbarhaus alarmierte. Der wütende, mit Panik unterlegte Ruf eines Mannes folgte, dann ein Poltern, das aus der offenen Hintertüre zu ihnen drang. Schnell sprangen sie an der ebenfalls aufgedrückten und rot verklebten Pforte vorbei und erblickten eine Küche, in deren Mitte ein schwerer Tisch und zwei Bänke standen. Um diese Möbel herum waberte ein großes Blutkonstrukt, den Tisch beinahe vollends mit seinem flüssigen Körper verschlingend. Wie ein seltsamer, blutroter Engel bewegte es sich hin und her, während eine immer und immer weniger zappelnde Katze Stück für Stück im oberen Teil des Konstruktes verschwand.

An der Wand der Küche, neben einer weiteren Türe, waren drei Menschen in absolutem Entsetzen versteinert. Eine zitternde Frau und ihr kleiner Sohn, die hinter dem Familienvater Schutz gesucht hatten, starrten voller Angst zur grotesken Blutmasse, dann zuckte ihr Blick hilfesuchend zu Thuêban und Guikut.



...was ist das denn...?



Thuêban antwortete nicht und verfluchte in Gedanken das Wiedersehen mit diesen Monstern. Sie glaubte mittlerweile nicht mehr an die völlige Unschuld von Razen, zu viele sprach gegen die Zurulerin. Vermutlich hatte die Hexe absichtlich oder gar aus Versehen mit ihrer Magie dieses Unglück heraufbeschworen und das außer Kontrolle geratene Konstrukt hatte sie und ihren Ehemann umgebracht.

Mit der Linken holte Thuêban aus und wollte der blutigen Bestie schon Banirr entgegen schleudern, als Guikut einen neuen Angriff mit seinen Sporen durchführte. Die kleinen Pilzteilchen trafen das Konstrukt wie ein Hagel aus Staub, blitzten als hellblaue Blitze auf und ließen das Blut wie kleine, kreisrunde Wellen auf einem Teich erzittern. Das Konstrukt fuhr mit einem seltsam nach vorne gebeugten Pseudokopf zu ihnen herum und die Wurfaxt der Hexenjägerin zischte nur einige Haarbreit an der glibbernden Masse vorbei und prallte gegen die Wand, blieb scheppernd auf dem Metallofen liegen.



Der Familienvater nutzte die Gelegenheit und drückte seine Frau und den Sohn durch die schnell aufgezogene Türe, hinein in den nächsten Raum und in relative Sicherheit, doch dieser Ausbruch an Aktivität ließ das Konstrukt erneut zu ihnen herum fahren. Ein Schwall an Blut löste sich dabei aus dem Körper und klatschte an die Wand.

Thuêban stutzte. Verlor das Monster seine Form? Wurde es so flüssig, dass es sich nicht mehr als Körper zusammen halten konnte? Die Sporen von Guikut hatten seltsame Auswirkungen auf verschiedene Wesen und während Menschen und die meisten Tiere müde und desorientiert auf einen solchen Angriff reagierten, hatte das Konstrukt anscheinend mit anderen Symptomen zu kämpfen.

Mit voller Wucht warf Thuêban Arra gegen das Monster, doch auch dieser Angriff fand sein Ziel nicht, waren die Bewegungen des Blutkonstruktes doch zu unvorhersehbar, zu flüssig und wabernd.



"Djar'hi ksechm," zischte sie zwischen den Zähnen hervor. 'Verdammter Ziegendreck' im Gharoodo Dialekt der Anin, dem Volk der erfahrenen Jägerin.



Breitbeinig stellte sich Guikut nun vor das Konstrukt und begann damit, Sporen rhythmisch aus seinen Lamellen zu pumpen, erzeugte damit ein lauter und lauter werdendes Beben, welches das Konstrukt durchfuhr und weiteres Blut davon spritzen ließ. Das Blutmonster bäumte sich auf und ein hohes, alles durchdringendes Fiepen entfuhr ihm. Thuêban krümmte sich und hielt beide Hände über die Ohren, war dieser Ton doch zu viel für Geist und Körper. Sie kannte den Schrei aus der Hauptstadt, hatte ihn schon da zu hassen gelernt.

Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie sich aufzurichten, als sie zwei Bluttentakel auf sich und Guikut zuschnellen sah. Sie wollte noch eine Warnung an den immer noch pumpenden Mycnoiden rufen, als die beiden knochenlosen Arme, die sich aus dem massigen Körper stülpten, beide trafen.

Sie wurden nach hinten gedrückt und beinahe zurück in den Garten hinaus und gerade noch konnten sie sich ducken, als im Strom der Blutarme die schwere Holzbank auf sie zuflog und mit einem kräftigen Schlag gegen den leeren Türstock krachte.



Thuêban blieb in Bewegung, huschte weiter geduckt um das Blutkonstrukt herum und fing sich einen harten Hieb mit einem weiteren Bluttentakel ein, der sie straucheln ließ. Sie nutzte den Schwung, rollte sich über die Schulter ab und griff im Vorbeigleiten Arra, die auf dem schmutzigen Küchenboden lag. Sie hieb nach dem Auswuchs, der sie angegriffen hatte, der aber zog sich wie das Stielauge einer Schnecke in den Blutkörper zurück. Die mit Krusti beträufelte Schneide von Arra traf erneut nur Luft.

Durch Thuêbans Manöver flankierten die beide Hexenjäger nun das Konstrukt und schnell sah sich Guikut um. Er riss einen kleinen Zinnbilderrahmen von der Wand, der den Stich einer alten Frau einfasste, und schleuderte ihn mit seinem langen Arm gegen das Monster, das zwischen ihnen aufragte. Mit einem nassen Glitschen verschwand es im Pseudokopf des Blutkonstruktes und wütend fuhr es sich zum Mycnoiden herum.

Gerade noch konnte er ein Ende der zuvor geworfenen Sitzbank wie ein Schild nach oben ziehen, als ihn der Schlag eines Blutauswuchses frontal traf und ihn nach hinten und durch den Türrahmen drückte, wo er zappelnd versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.



Thuêban ergriff die Chance und tastete kauernd nach Banirr, die immer noch auf dem Ofen lag. Nun beide Äxte fest in den Fäusten, hieb sie gegen die Blutform und schrie entsetzt, als beide Angriffe gegen dicke Schorfplatten prallten, sie sich innerhalb weniger Augenblicke an der Seite des Konstruktes aufbauten und weiter verhärteten. Die Axtblätter konnten nicht in den blutigen Körper eindringen, somit auch nicht das Teerkamillenextrakt.

Doch dies hatte Guikut Zeit geschenkt. Zeit, sich wieder auf die langen Beine zu erheben und zurück in die Küche zu laufen. Zeit, auf die Kommode neben der Tür zu greifen und die teure, schön bestickte Tischdecke herunter zu reißen und auf das Blutkonstrukt zu schleudern. Der Mycnoid wusste nicht genau, was er sich davon versprechen sollte. Eventuell konnte der dünne Stoff einiges vom Blut absaugen, das Monster weiter schwächen. Es gar dermaßen ablenken, dass Thuêban ein wirklicher Treffer gelingen konnte. Guikut dachte nicht nach, er handelte...



...und war erstaunt, als er bemerkte, dass auf der Kommode ein brennendes Öllämpchen gestanden hatte. Mit der Decke hatte er es nach unten gezogen und in Richtung des Konstruktes geschlagen und nun zerbarst das dünne Tongefäß und die Flammen loderten hell und heiß auf der Oberfläche des kreischenden Widersachers, der nun beinahe panisch um sich schlug.

Ein mehrstimmiges Kreischen erklang, während die Oberfläche des Blutkörpers erbebte und zitterte, mit ausstülpenden und sich wieder einziehenden Auswüchsen versuchte, das brennende Öl von sich abzuschütteln.



Thuêban schlug ihre beiden Äxte tief in den roten Körper des Monsters, vorbei an der nun nur noch stockend wachsenden Schorfpanzerung. Sofort wurde die Masse grau und löchrig, zerfiel an den Schneiden in aufgewirbelten Staub. Das Kreischen wurde lauter, dann schlagartig leiser und verstummte vollends.

Doch die Flammen hatten mittlerweile einen Teil des Tisches erfasst und dicker Qualm quoll an die Decke der Küche. Hastig richtete sich Thuêban auf und begann, Druck auf den sich immer mehr zur trockenen Struktur umwandelnden Körper des toten Blutkonstruktes auszuüben. Die Basis bröckelte, aber erst als Guikut ihr zur Seite eilte, fiel das besiegte Monstrum. Es nahm den zerbrechenden Tisch mit und zerfiel beim Aufprall auf den geschundenen Boden in tausende Stücke, hüllte den Raum in dicken Staub. Die letzten überlebenden Flammen wurden von den Füßen der beiden Hexenjäger ausgetreten.

Der Raum war mit einer grauen Schicht verhüllt, an vielen Stellen tropfte noch geronnenes Blut und Schleim.

Müde, mit Körperflüssigkeiten verkrustet und voller blauer und schmerzender Stellen sahen sich die beiden an, dann schlürften sie aus der Küche hinaus, durch die Stube und ins Freie, wo die Dorfbewohner angespannt und mit vor Erstaunen weit geöffneten Augen und Mündern ihr Erscheinen erwarteten...
 
Kleiner Auszug aus unserem gestrigen Abenteuer "Hauch des Eises" aus der Abenddämmerung-Kamapgne:

Lucy musterte den Geldkristall, den ihr Renae gegeben hatte und nickte dann zustimmend. Eine wirklich hohe Summe war dort abgespeichert und als sie den kleinen Stein Faragut hinhielt, hellte sich seine Miene auf.

"Dann können wir auch gleich für gutes Essen sorgen. Wenn die anderen zurückkommen vom harten Tagewerk..."

"Natürlich."

"Essen. Trinken." Die Augen des Alchemisten wurden glasig.

"Ja."

"Deko. Andenken. Da finden wir schon was."

Sie wanderten weiter die Straße entlang, wieder aus dem Regierungsdistrikt hinaus. Die Häuser hier waren wieder kleiner und es gab viele Geschäfte. Alles sah nach einem Viertel aus, in dem die Mittelschicht ein angenehmes Leben im Ewigen Eis führen konnte. Der breite Gehweg war belebt von Lidgardern jeder Größe und Form und niemand beachtete die beiden Rileahner.
Vor einem kleineren Hotel blieben sie stehen, sahen sich kurz an und betraten dann den warmen Vorraum. An einem Tresen saß ein griesgrämig drein blickender Zwerg, der stumm ihre Stiefel musterte, an denen immer noch Schnee klebte.

"Hi!" begrüßte ihn Lucy mit hoher, energiegeladener Stimme, reckte einen der durch den Schneeanzug steifen Arme etwas weiter nach oben, als er eh schon hing.

Der Gesichtsausdruck des Zwerges verdunkelte sich weiter.

"Wir brauchen Zimmer für..." Lucy verstummte kurz, zählte an ihren Fingern ab. "...sechs Leute."

Endlich sprach der Zwerg. Seine Stimme war grummelig, wie sie es sich vorgestellt hatten. "Ein Zimmer für sechs Leute?"

"Nein." Lucy sah ihn verwundert an, während Faragut auf dem Tresen nach einem typischen Rezeptionsglöckchen suchte, zu seiner Enttäuschung aber keines fand. "Zwei Zimmer."

"Könnt Ihr haben." Der Zwerg begann etwas in ein Buch zu schreiben."

"Schön."

"Frühstück nicht inklusive."

"Schade." Lucy blinzelte den Hotelier an. "Gibt's hier denn gute Frühstücksmöglichkeiten?"

"Da draußen sicher."

Faragut hatte sich von seiner Enttäuschung erholt. "Was gibt’s denn über diese schöne Stadt zu erzählen?"

"Wurde von Frostriesen erbaut..."

"Sonst 'was?" Faragut lehnte sich lächelnd nach vorne. "Empirische Einflüsse? Kultur? Sehenswürdigkeiten?"

Lucy verzog nachdenklich ihr Gesicht. "Nennt man die so? Frostriesen? Nicht Eisriesen?"

Der Zwerg hob seinen ausdruckslosen Blick.

"Und wenn Eisriesen: reden wir von Riesen im Eis oder Riesen aus Eis?"

"Oder," setzte Faragut nach: "mögen sie gerne Eis...?"

Lucy nickte. "Speiseeis oder... Wintereis?"

Der Zwerg holte tief Luft, sah sie weiter gelassen an. "Wollt Ihr jetzt die Zimmer haben oder nicht?"

"Ja."

"Gut." Er schob ihnen zwei Schlüssel zu. "Vierter Stock."

"Wow." Lucy nickte anerkennend. "Ausblick."

Der Zwerg verdrehte seine Augen und wandte sich wieder dem Buch zu, in das er geschrieben hatte, doch Lucy war noch nicht fertig.

"Kann man hier noch schön zum Absacken Abends wo hingehen?"

"Schaut Euch auf der Straße um." Ein dicker Zwergenfinger deutete auf die Eingangstüre.

"Aber wo lohnt es sich?"

Faragut lehnte sich weiter zum Hotelier vor. "Wisst Ihr, wir kennen auch einen Zwerg." Sein Lächeln war breit und einfacher Natur.

Als ihr Gegenüber sie nur anstarrte, seufzte Lucy. "Ich merk' schon, wenn wir nicht willkommen sind." Sie nahm die Schlüssel und die beiden verließen den Vorraum durch die Türe, standen dann wieder auf der eisigen Straße und blickten sich um.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mal wieder was gezeichnet... nichts für meine Skizzenbüchlein, sondern ein paar NPCs, die in zwei meiner Kampagnen wichtige Begegnungen waren.

Helden gegen die Schatten.jpg

links: Helden aus der Geschichte Die Reisenden, in der wir den Weg der Orks unserer Welt beleuchten. Diese Gruppe stellte sich gegen unseren Schamanen und seine Gefolgsleute, als diese nach einem Händler suchten, der vergiftete Nahrung mit sich führte und somit unbeabsichtigte den plündernden Orkstamm extremst ausdünnte. Zwei Begegnungen hatten wir mit den vier Recken, die zweite überlebten sie nicht. Der Gnom Zuntara wurde zwar von einem jungen Rotdrachen gefressen, den unser Schamane unbedingt aufpüren wollte, die anderen drei aber wurden im direkten Kampf von den Orks erschlagen. Es war ein guter Kampf.

rechts: reisende Abenteurer aus der Geschichte Die Schatten Emeralds, unserer ongoing Mafia-Kampagne. Der Gepanzerte kaufte nur einen Spaten auf dem Wochenmarkt, als die Bundagenten dort Unruhe stiften wollten, die beiden anderen aber waren direkt in Kämpfen verwickelt... zwar nicht gegen die Agenten, dafür aber gegen Blutkonstrukte, die die Straßen der Republikhauptstadt unsicher machten.

...Helden, die als Gegenspieler auftreten. Immer wieder schön :)
 
Neues Thuêban Abenteuer:

EINE WOCHE WAR seit Ries vergangen und die Wunden, die das Blutkonstrukt geschlagen hatten, waren verheilt. Zusammen mit der Eselin Wanda standen Thuêban und Guikut auf einem alten, heruntergewirtschafteten Hof, eine Wegstunde von der nächsten großen Siedlung entfernt. Benachbarte Bauern hatten die beiden Hexenjäger erkannt, als sie vorbeigezogen waren, und sie hatten das ungleiche Paar gebeten, bei der alten Perol vorbei zu schauen. Auf ihrem Grund, so sagten sie, ging es nicht mit rechten Dingen zu.

So standen sie nun vor der kleinen, dicklichen Frau, die krumm vor ihnen aus einem faltigen Gesicht blinzelte, die abgewetzten Holzschuhe voller Staub der von der Sommersonne erhitzten Straße. Zahnlos kaute sie einige Worte, während Thuêban und Guikut prüfend umherblickten. Ein übler Gestank lag in der Luft, wie wenn in der Nähe etwas großes gestorben war.

Doch so schlimm heruntergewirtschaftet sah das alte Bauernhaus auch nicht aus. Die kleine Scheune, in die nicht einmal zwei Ochsenkarren passen würden, hatte Löcher im Dach, ja. Aber es liefen einige Hühner herum und von irgendwoher hörten die Hexenjäger sogar eine meckernde Ziege.



"Des ist ganz schlimm," jammerte die alte Perol. "Weil seit einigen Wochen ist schon dieser Geruch da... ich weiß nicht, ob Sie den jetzt riech'n können... und des ist wirklich schlimm und ich weiß nicht, woher der kommt. Wenn's nur der Geruch wär', dann würd' ich sagen, da ist halt irgendwo eine Katz' oder so..."



Sie verzog das Gesicht gequält und Thuêban schüttelte leicht ihren Kopf. Nein, der Geruch war um einiges schlimmer. Eine tote Katze konnte das nicht bewerkstelligen.



"...das halt ein Miezerl irgendwo g'storb'n ist und jetzt langsam vor sich hin..." Sie stockte. "...in der Sonne, wissen's. Aber ich seh' auch Nachts... wenn ich raus geh und noch Arbeiten erledigen muss... dann seh' ich manchmal bei der alten Scheune..." Sie deutete mit einem dicken, von Gicht geplagten Finger auf das nahe Gebäude. "...da seh' ich immer Schatten. Wissen's, das macht mir schon..." Die alte Perol unterbrach sich selbst. "Ich bin alt. Ich hab nicht so viel, wo ich mich da drauf verlassen kann, dass mich irgendjemand beschützt, wenn Nachts was passiert. Und man hört ja immer wieder was von Orks oder auch von... ja, selbst ein Goblin könnte mir ziemlich gefährlich werden, wemma... und die Ausländer...!"



Thuêban und Guikut tauschten verstohlene, vielsagende Blicke aus. Wen von den beiden meinte die Alte nun? Oder meinte sie etwas völlig anderes? Aber die alte Perol bemerkte davon gar nichts und sprach einfach weiter.



"Ja, wissen's, wenn's nur der Schatten wäre, dann könnt' ich mich halt Nachts einsperren und könnt' zum Paragon beten, dass Er mich beschützt und alle Engel über mich wachen. Aber gestern aufd Nacht da hat's halt den Bellbert erwischt..."



Guikut bog seinen Stiel zur Seite, legte seinen Pilzhut schief.



"Ja, ich hab ihn jetzt..." Die Alte Perol sah sie mit zitternden Augen an. "Ich hab ihn jetzt beerdigt, hinten im Gemüsebeet. Aber des... wissen's? Der war die letzten..." Ihre Stimme brach. "...die letzten elf Jahr' war der mein einziger Freund." Tränen sammelten sich in den Falten ihres Gesichtes. "Der hat immer zu mir g'halten. Und der Bellbert, wissen's wie ich den heut' Morgen g'funden hab? Des war richtig..." Die Alte schluchzte. "Des war ned schön."



Sprach sie von einem Hund? Mitfühlend verströmte Guikut einige Sporen, die die alte Perol etwas beruhigten. Sie griff nach ihrer Schürze, die über dem mehrlagigen Rock hing und schnäuzte sich lautstark hinein.



"Ich hab' schon viel von Ihnen g'hört, aber..." Sie schniefte. "Ich hab nicht viel, aber Sie können's gern ham, wenn's einfach schau'n, was da los ist. Und Paragon bewahre, wenn's an Bellbert ausgrab'n müssen, um da zu schau'n, dann mach'n's des. Aber ich trau' mich nimma in den Schuppen nei und ich trau mich auch irgendwie nimma aus'm Haus 'naus."



Thuêban nickte. "Es tut mir leid. Aber ich denke, wir müssen uns wirklich den Bellbert erst einmal anschauen."



"Ja... dann kommen's mit."



Guikut zögerte, sah nachdenklich Thuêban an.



...Schuppen anschauen...?



"Ist halt Tag." Die Hexenjägerin zuckte mit ihren Schultern. "Aber Du kannst ihn Dir gerne anschauen, während ich mit Frau Perol..."



"Mei wissen's, wenn's wirklich mit dem Schatten zu tun hat," unterbrach die alte Perol Thuêban. "Der kommt wirklich nur Nachts naus und jetzt ist ja noch am hellichten Tag, da hab' ich noch nirgendwas g'sehn, außer an Fuchs, der Hühner stehlt. Aber des ist ja normal. Wissen's, der Bellbert hat den Fuchs immer vertrieben..."



Nun waren sich die beiden wirklich sicher, dass es sich bei Bellbart um den Hund der alten Perol gehandelt hatte.



Kurz sah Frau Perol zur Mittagssonne empor, murmelte einige Worte. Dann: "Kommen's einfach mit."



Sie führte die beiden hinter das kleine Bauernhaus, wo ein schöner Garten am Rande des nahen Waldes lag. Ein kleiner Hocker stand dort zwischen den Beeten, auf ihm lag eine kleine, sichtbar oft benutzte Pfeife. Nur einen Meter neben dem Hocker war ein frisch aufgeworfener Erdhaufen.

Guikut erzeugte eine kleine Sporenwolke, die nur ihn und Thuêban umhüllte.



...besorgen wir alter Frau neuen Hund...? kann Hund Kläffbert nennen...



"Bei den Nachbarn kann man ja nach dem Auftrag mal fragen," flüsterte Thuêban dem Mycnoiden zu. Dann lauter zur alten Perol: "Habt Ihr eine Schaufel?"



"Brauchen's eine?"



"Das wäre besser."



"Ich hol' Ihnen a Schaufel, warten's."



Die Alte ging kurz mit kleinen, watschelnden Schritten zur Hintertüre, verschwand im Inneren und kam nur wenige Augenblicke später mit dem erfragten Werkzeug zurück in den Garten. Trockene Erde klebte noch am Schaufelblatt.

Die Mittagssonne stand hoch und schien warm aufs Land, als Thuêban mit dem Graben begann. Schnell war sie bis zu einer alten Decke vorgedrungen, griff ins flache Grab und schlug den rauen Stoff zur Seite. Darunter lag ein großer Mischlingshund... oder besser, was davon übrig war. Von der Schulter bis zum Bauchraum war das Fleisch aufgerissen worden, Knochen zerfetzt oder abgenagt. Die Organe im weit offenliegenden Bauchraum fehlten gänzlich.

Die alte Perol fing erneut an zu weinen und Thuêban sah leicht genervt gen Himmel. Warum hatte die Alte unbedingt neben ihnen stehen müssen, während sie den Kadaver untersuchten?



Guikut beugte sich mit seinem langen, dürren Körper nach vorne und ließ Sporen ins Grab rieseln. Sie begannen leicht zu glühen.



...magische Rückstände... langsam schwindend... aber verdreht... dunkel...



Dann blickte der Pilzmann genauer auf die Spuren des Angriffes, der Bellbert das Leben gekostet hatte. Kein Wolf oder Düsterwolf hatte diese Wunden gerissen. Die meisten Risse und Schnitte sahen eher nach klauenartigen Fingernägeln aus, als nach Krallen. Aber wer konnte solche Rillen in Haut und Fleisch hinterlassen? Ein Ork?

Aber nein, die Bissspuren an den Knochen stimmten nicht mit denen des alten Volkes überein, das immer wieder kleine Streifzüge in die zivilisierten Landstriche machte. Nein, es waren die Abdrücke eines Schrates, erkannte Guikut schlagartig. Aber lag auf dem Schrat ein dunkler Spruch, der auf sein Opfer abgefärbt hatte? Oder hatte der Schrat selbst dunkle Mächte genutzt?

Angespannt sah der Mycnoid für lange Zeit ins Leere, dann nickte er Thuêban ernst zu. Die blickte zu Frau Perol, die nun leicht wippend und vor sich hinmurmelnd auf ihrem Gartenhocker saß, die kalte Pfeife in ihrem Schoß.



"Wir können den guten Bellbert jetzt wieder zudecken. Danach würden wir uns die Scheune anschauen..."



Die alte Frau erhob sich seufzend. "Des kömma gern mach'n. Aber bitte helfen's ma im Namen vom Paragon und vom St. Piad und allen anderen guten Göttern."



Sie gruben den Hund wieder ein, dann sprach Frau Perol noch ein leises, unverständliches Gebet. Schließlich blickte sie die beiden Hexenjäger mit Hoffnung in den entzündeten Augen an, ging dann wortlos zur Hintertüre ihres Hauses und schloss hinter sich ab.

Guikut drehte sich zu Thuêban und Sporen schwebten durch die warme Sommerluft.



...Schrat... aber verfluchter Schrat... verzauberter Schrat... Schrat mit Problemen...



Thuêban runzelte ihre Stirn. Schrate waren entfernt mit Orks verwandt, das wusste sie. Sie waren bulliger als der alte Feind der Zivilisation, in ihrer Zahl geringer. Die wenigen Stämme, die sich in Tarleen aufhielten, waren im wilden Grenzland beheimatet, mehr in Farthing und im Hohen Norden. Aber selbst da waren sie dank ihrer eher kleinen Stammesstrukturen in der Unterzahl und in den letzten Jahrhunderten vergleichsweise friedlich.



"Ein Schrat? In dieser Gegend?" Sie überlegte. "Seltsam... schauen wir uns die Scheune an."



Zusammen schritten sie ums Haus und erkannten, dass Wanda nicht mehr in der Mitte des Hofes stand. Die Eselin hatte sich zur Hausvorderseite zurückgezogen und stand dort, geschützt von einem kleinen Zaun und einigen Büschen. Sie hielt die Scheune im Auge, drehte ihre langen Ohren immer wieder in deren Richtung. Besorgt ging Guikut zu ihr und pflückte am Wegesrand einige Brennnesseln, hielt sie der nervösen Eselin unter die Schnauze. Zögerlich fraß Wanda, die meiste Aufmerksamkeit aber wurde immer noch der Scheune geschenkt, die auf der anderen Seite des Hofes stand.

Thuêban stand vor dem baufälligen Gebäude, in einer Hand immer noch die Schaufel der alten Perol, die andere in der Nähe ihrer Axt Banirr, die griffbereit an ihrem Gürtel hing. Als Guikut zu ihr aufschloss, immer noch einen Brennnesselstängel in der dürren Hand, wagten sie sich näher an das doppelflügelige Scheunentor heran. Es quietschte, als die Hexenjägerin es aufzog.

Ein Schwarm von Fliegen und ein Sinne betäubender Gestank empfing sie. Das Mittagslicht fiel durch große Löcher im Dach und Ritzen, die zwischen den Brettern der Wand entstanden waren, und im ersten Moment erkannten sie nur Gerümpel, das hier abgestellt worden war: Ersatzräder für einen großen Karren, von dem jede Spur fehlte. Altes Zaumzeug. Ein zweiter Boden, der drei Meter über ihnen auf der rechten Seite der Scheune gezogen worden war und auf dem Stroh lag, in dem einige Federn steckten. In der linken, hinteren Ecke ein großer Haufen gammeliges Heu, aus dem immer und immer mehr Fliegen stoben und sich weiter dröhnend verteilten.



Angeekelt zog Thuêban ihren Kragen vors Gesicht, atmete nur noch flach und schlug mit ihrem Ärmel Fliegen von Augen Stirn. Guikut, nicht im geringsten durch den Zustand der Scheune beeinträchtigt, griff mit langen Fingern zur verrosteten Heugabel, die neben dem Tor an die Wand gelehnt worden war, ging damit dann zum modrigen Haufen. Er deutete auf eine Stelle, die nicht ganz so nass und matschig wie der Rest wirkte. Jemand oder etwas hatte hier vor nicht allzu langer Zeit gegraben.



...such in anderer Ecke... diese Pilzsporen sind nicht gut für Dich...



Thuêban nickte ihrem Gefährten dankbar zu, ging dann zu den Ersatzrädern und rollte sie mit leichten Schaufelbewegungen zur Seite. Mäusekadaver lagen dort, zur Hälfte verspeist und beinahe bis zum Knochen herunter genagt. Rattenkadaver. Taubenkadaver. Kadaver von ein oder zwei Katzen. Sie sah alarmiert zu Guikut zurück, der damit begonnen hatte, das schlickige Heu mit dem ächzenden Werkzeug abzutragen.

Maden fielen ihm vor die weißen Pilzfüße und immer mehr und mehr Fliegen versuchten, dem Umbruch ihrer Heimat zu entkommen. Dann kamen die ersten dunklen Klumpen ans Tageslicht. Wenn es Fleisch war, erkannte man es nicht mehr wirklich. Es hatte eine Art von Venen und Adern, roch intensiver als faulige Erde. Dickere Maden bohrten sich aus seinem Inneren hervor.

Schließlich kam der mit Holzplanken ausgelegte Scheunenboden zum Vorschein und unter der nun abgetragenen Stelle im Heuhaufen wurde ein Loch sichtbar. Eine der Bretter war weggebrochen worden und nur Schatten sah Guikut gerade dort unten. Die zwei anschließenden Planken schienen bereits mehrfach weggebogen worden zu sein und würde man sich diese Arbeit machen, würde sich ein durchaus von einem Schrat begehbarer Eingang auftun.



...Loch im Boden...



Thuêban eilte an Guikuts Seite und half dem Mycnoiden dann beim Weghebeln der beiden Bretter. Kaum waren sie fertig, als ein gurgelndes Fauchen aus der Tiefe erklang. Instinktiv machte Thuêban einen Schritt zurück.

Guikut aber rückte näher an das Loch heran und seine Lamellen fingen an zu leuchten, wurden heller und warfen ihr seltsam blasses Licht gegen die Schatten. Und in diesen Schatten blitzten milchige Augen auf. Dort unten lauerte ein Schrat, Lippen und Zahnfleisch blass und zurückgezogen, die Nase flach und fast vollends weg gefault. Das Fell war an vielen Stellen abgeschabt, wirkte ansonsten feucht und verklebt. Das goblinoide Wesen wirkte genauso ungesund wie die Fleischklumpen, die im Heu gelegen hatten. Mit einem Zischen zog es sich zurück in die Dunkelheit.

Tiefer beugte sich Guikut hinab, ließ einlullende Sporen in die Schwärze schweben. Einige unglaublich lange Augenblicke passierte nichts, während der Mycnoid über dem Tunneleingang hing. Plötzlich schoss ein halb verwester Arm hervor, griff den Hexenjäger mit verkrusteten Krallen und zog ihn mit einem Ruck unter den Boden. Nur eine kleine Sporenwolke blieb, die von der Angst und dem Entsetzen Guikuts Kunde tat.



"Djar'hi..."



Thuêban ließ die Schaufel fallen, zog Arra und Banirr und sprang in den engen Tunnel hinein und ihrem Gefährten nach. Mit ihren schweren Stiefeln traf sie den Schädel des Schrats, der gerade versuchte, den um sich schlagenden Guikut zu umklammern. Nur zwi Meter ging der Gang nach unten, dann machte er einen Knick und führte beinahe horizontal weiter ins Erdreich. Hier war der Gestank noch schlimmer.

Als Sohle modrige Haut und Schädel traf, gab das alte Gewebe nach und morscher Knochen brach weg. Thuêban rutschte auf der glitschigen Masse zur Seite und fiel neben dem Schrat auf den Tunnelboden, während der Schrat seinen nun halb weggebrochenen Kopf gar nicht wirklich wahrzunehmen schien.



Kurz wurde das Leuchten von Guikuts Lamellen schwächer, als sich ein kräftiger Stoß aufbaute, dann wurde der Schrat gegen die unregelmäßige Tunnelwand geschleudert, als sich die Druckwelle des Mycnoiden gegen den Angreifer entlud. Mit einem glitschenden Geräusch brach die Schulter des Schrates in den Brustkorb ein, Haut und stinkende Muskeln folgten ohne Widerstand.

Thuêban versuchte sich aufzurappeln, während der Schrat ein langes, gurgelndes Geräusch von sich gab und sich ihr zuwandte. Er hatte keinen Bauch und einen großteils leeren Brustkorb, die Knochen der Beine waren beinahe blank. Es gab keinen Zweifel, dass der Goblionoid, aus dessen Mund faules Fleisch flockte und kleine, beinahe transparente Spinnen krabbelten, untot war.

Nur so groß wie ein Daumennagel waren die seltsamen Krabbler, die sich über Gesicht und Nackenfell in Richtung Rücken retten wollten, weg vom Glimmen der Pilzlamellen und weg von den Blicken der beiden Hexenjäger.



...Spinnen... magisch...



Arra behielt sie in der Hand, während Thuêban Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand abspreizte und einen feinen Säurestrahl aus den Fingerspitzen beschwor. Die kochende Flüssigkeit spritzte zischend gegen die Tunnelwand, als sich der untoten Schrat unter dem Angriff hinweg duckte. Lediglich zwei Spinnen, die mittlerweile auf der Wand saßen, wurden durch die Säure zerfressen.

Gebückt sprang der Schrat nun nach vorne und rammte Thuêban, drückte sie gegen das bröselnde Erdreich, kratzte und schlug, versuchte die Hexenjägerin mit seinem stinkenden Maul zu beißen. Ihre Rüstung hielt den Klauen und Hieben stand, dennoch verzog Thuêban schmerzerfüllt das Gesicht.



...Spinnen... Feuer...



Mit einem langen Schritt näherte sich Guikut dem Untoten, erzeugte mit purer Willenskraft feine Pilzfäden in seiner Handfläche und griff dann in Richtung des Schrates. Der Mycnoid wusste, dass die heilenden Kräfte mitunter zerstörerische Wirkung auf untotes Fleisch hatten, doch ließ sich der Schrat zur Seite fallen, zog die überraschte Thuêban mit zu Boden. Guikuts Berührung verfehlte ihn nur um Haaresbreite.

Die liegende und sich windende Hexenjägerin stieß den Schrat von sich weg, holte mit Arra aus und versenkte das Axtblatt tief im Schädel ihres Widersachers. Der gurgelte und schlug weiter um sich, traf sie mit morschen Armknochen an der Stirn und leicht betäubt durch den Stoß versuchte sich Thuêban aufzurichten. Doch der Schrat hielt sie neben sich am Boden, festigte seinen Griff wie einen Schraubstock.



Eine neue Sporenwolke legte sich auf alles und mit einem kurzen Zucken ließ der Schrat locker. Die Lamellen Guikuts verdunkelten sich langsam, konnte der Mycnoid doch nicht all zu viele seiner Kräfte gleichzeitig einsetzen und im schwachen Licht, das von der Scheune in den Tunnel fiel, blieb der Schrat auf seinem Rücken liegen. Nur die milchigen Augen bewegten sich suchend.

Thuêban drehte sich zum Untoten und griff mit einer Hand auf das geschundene, eingefallene Gesicht. Säure fraß sich durch den Schädel, scharf riechend und erzürnt brodelnd. Beißender Rauch kräuselte sich in die Scheune empor und nun sahen die beiden Hexenjäger, dass sich mehr und mehr Spinnen, die noch im Körper des Schrates Schutz gesucht hatten, im Zauber Thuêbans auflösten.

Ein seltsames Geräusch wehte durch den Tunnel, wie ein Quieken ohne Stimme. Einen Herzschlag später antwortete ein klägliches Hauchen aus der Finsternis. Die restlichen Spinnen flohen in den dunklen Tunnel hinein, dem körperlosen Geräusch entgegen.



"Raus..." Thuêban sprang auf ihre Beine.



Guikut trat den Schrat, doch kam keine Reaktion vom nun gänzlich toten Körper und kurz funkelte der Mycnoid ihn vorwurfsvoll an.



...bleib tot...



Zusammen flohen sie aus dem dunklen Tunnel und in die mit Fliegen verseuchte Scheune, Thuêban immer noch leicht angeschlagen und Guikut mit den langen Pilzarmen nach dem Rand des Loches tastend. Kurz atmeten sie erschöpft durch.



"Wir brauchen frisches Öl." Sie schützte erneut Mund und Nase mit ihrem Kragen und die Worte kamen nur gedämpft hervor, doch fehlte ihnen nicht an Dringlichkeit. "Alles, was Frau Perol hat! Ich kümmere mich um das Stroh. Entweder das Feuer erledigt das Biest oder wir müssen nachher noch einmal rein..."



Ohne zu zögern lief Guikut los, auf den Hof und zum alten Bauernhaus. Er sah, dass sich Wanda noch weiter von der Scheune entfernt hatte und nun schon halb im nahen Wald stand, immer noch ängstlich in ihre Richtung schauend. Guikut war stolz auf die kluge Eselin.

Auch sah er, dass die alte Perol ihn zwischen den Gardinen hervor beobachtete und kurz winkte er ihr zu. Das Gesicht der Alten verschwand, dann wurde die Vordertüre aufgesperrt und Frau Perol trat ihm gebückt entgegen.



"Mei, wo is'n die nette Frau von eben? Geht's ihr gut?"



...brauchen Öl... müssen Scheune abbrennen...



"Abbrennen?" Die alte Perol sah Guikut alarmiert an. "Ich weiß ja nicht. Na, abbrennen, des ist nicht so gut."



Trotz ihres Einspruches humpelte sie in die Stube zurück und griff ein kleines Fässchen vom halb gefüllten Vorratsregal. Zwei Liter Lampenöl waren es ungefähr, die die Alte Guikut in die dünnen Arme drückte. Der Mycnoid rannte los, bemerkte aber nach einigen langen Schritten, dass Frau Perol ihm besorgt folgte.



...keine gute Idee... gefährlich...



Vor Aufregung zitternd blieb die Alte stehen und sah Guikut hinterher. "Mei, versuchen'ses bitte ohne Abbrennen."



wir versuchen...



Als Guikut zurück in die Scheune stürmte, war Thuêban gerade dabei, das Stroh vom zweiten Boden mit der alten Heugabel in den Tunnel zu werfen. Ohne einen weiteren Herzschlag zu verschwenden, entkorkte Guikut das Ölfässchen und goss die glucksende Flüssigkeit hinab in die Dunkelheit. Dort saßen mehrere kleine Spinnen am Rand der Schatten, die vom Tageslicht geworfen wurden, und mit erhobenen Vorderbeinen drohten sie den Hexenjägern. Doch kletterten sie nicht näher auf sie zu und kurz blickte Guikut zum beschädigten Dach der Scheune. Trauten sich die Spinnen nicht ins Tageslicht? Konnte es ihnen sogar schaden?

Thuêban hatten aber schon ihren Feuerstein und den Feuerschläger herausgezogen, kniete über einem Fetzen Zunder und entfachte mit einigen schnell geschlagenen Funken eine kleine Flamme. Das nun brennende Stroh warf sie in das Loch und sofort schossen ihnen Feuerzungen entgegen, begleitet vom hellen Fiepen der verbrennenden Spinnen. Beide machten einen Schritt zurück.

Kurz meinten sie, ein leises, zischendes Flehen zu hören, während das Feuer stärker und stärker wurde, glimmende Strohteile im warmen Aufwind nach oben tanzten.



"Lasst Zarnay nicht verbrennen..." hauchte es. "Nicht Zarnay." Leise und wie vom Wind geflüstert. "Nicht Zarnay."



Höher schlugen die Flammen und leckten schon am undichten Dach, als Guikut die Schaufel griff und den Tunnel mit modrigem Heu zu verschließen begann. Sogleich half ihm Thuêban mit der alten Heugabel und nach wenigen Augenblicken war der Eingang zum Tunnel beinahe vollends verstopft. Sollten das Feuer und der Rauch dort unten ihre Arbeit vollenden...



Lange wachten sie neben dem dampfenden Heu, das von der Hitze des Feuers noch mehr stank, als sie für möglich gehalten hatten. Als der Abend kam, blieb Guikut in der Scheune, während Thuêban im Schaukelstuhl der alten Perol vor dem Kamin die Nacht verbringen durfte.



***​



Am nächsten Morgen schaufelten sie das mordige, immer noch feuchte Heu erneut vom Loch. Es roch von unten stark nach Rauch und die Tunnelwände waren verrußt und von kleinen Rissen durchzogen.

Vorsichtig stiegen sie unter die Erde und wieder leuchteten Guikuts Lamellen hell auf. Im Schein seines Pilzschirmes sahen sie die Überreste des Strohs und den verkohlten Leichnam des Schrates. Er lag noch dort, wo ihn Guikut am Vortag mit seinen Sporen erstarren hatte lassen, sein Schädel nur noch eine leere, von der Säure ausgefressene Schale.

Leise, Schritt für Schritt, folgten sie dem engen Tunnel um eine Kurve und standen nach etwa zehn Metern schon am Ende des Ganges. Dort ragte ein seltsamer Schrein aus dem Boden, aus Fleisch und Knochen geformt, das taschenähnliche Innere wie ein aufgerissener Kokon heraus gestülpt und mit kleinen, toten Spinnen gefüllt. Auf dem Schrein lag eine nackte, verdrehte Frau, glatzköpfig und an ihrer rechten Seite ohne Arm und Bein. Stattdessen ragten dort vier Spinnengliedmaßen aus dem sonst recht schönen Körper, hart und schwarz, mit borstigen Haaren versehen, verkrampft im qualvollen Tod.

Mit Arra stupste Thuêban das verendete Monster an. Kein Zucken. Kein Atemzug. Das Feuer hatte vor vielen Stunden die letzte Luft im Tunnel gefressen und die Kreatur war über ihrer Brut zusammengebrochen, zu schwach, um Zauber zu weben oder zu kämpfen.



...haben Spinnenhexe umgebracht...



"Eine Überlebende aus dem Krieg." Thuêban nickte.



Zusammen holten sie einige große Decken und wickelten darin die tote Hexe, den Schrat und den Fleischschrein ein, schleppten sie auf einen nahen Acker und verbrannten die unheiligen Überreste unter dem wachsamen Blick der Sommersonne. Nichts davon wollten sie der alten Perol zeigen, hatte die Frau doch genug Schrecken erlebt und Angst erlitten.

Nur von ihrem Sieg wollten sie der Alten berichten und sich dann auf die Suche nach einem geeigneten Ersatz für Bellbert machen...



***​



Mit Wanda standen sie vor dem Haus der Gerychs. Tomal Gerych hielt ihnen einen jungen Welpen entgegen, der mit großen Augen und wedelndem Schwanz den Handel über sich ergehen ließ. Kläffbert sollte ein guter Ersatz für den toten Hund der alten Perol werden.

Thuêban drückte Herrn Gerych einige Münzen in die Hand, während unweit des Hofes einige dünne Finger die zur Seite geschobenen Zweige und Blätter zurück an ihren Platz gleiten ließen. Sie hatte genug gesehen. Hatte sich zum Glück beherrschen können. Gewartet. Sie würde planen. Warten. Vorbereiten.



Ihre Zeit würde kommen.


Und jetzt mach ich mich mal wieder an mein Enchiridion ^^°
 
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Wie angedroht nun einige neue Seiten aus meinem Skizzenbüchlein (no.2):

010 - Hwreyl.jpg

Die Insel Hwreÿl war der Schauplatz meiner Mini-Kampagne mit dem einfachen Namen Tûp für @Dyesce die ich letztes Weihnachten gemeistert habe... nur sie als Fuchs Tûp lief durch die Gegend, spielte mit Mycnoiden, erwehrte sich Farthinger Soldaten und half am Schluss, den Drachen Nird zu Fall zu bringen...

011 - Wurmmutant.jpg


Die Wurmmutanten kamen in der für Jugendliche und Kinder konzipierten Kampagne Abenteuer aus Cromshell zum Einsatz, wo sie als böse Fußtruppen für Chaos und Leid sorgten. War schön, wie die Kids drauf reagiert haben und einer von ihnen spielt in einer Emmergens-fremden Space-Opera-Kampagne aktuell sogar einen ähnlichen Wurmmutanten ^^°

012 - Ibixian.jpg


Ibixian kamen schon in einer unserer ersten Emmergens-Kampagnen vor: Geschichten von Staub und Schatten, wo sie uns gegen die Untotenarmeen des dunklen Lord Átors halfen. Seitdem haben sie immer mal wieder einige Auftritte gehabt, zuletzt in meiner abschließenden Sonnenfeuer Geschichte und @lain s Abenddämmerung...
 
Das neueste Kapitel von Thuêban, das @Conquistador und @Dyesce mit mir am Freitag gespielt haben:

DER VOLLMOND SCHIEN hell zwischen den satten Blättern hindurch und sprenkelte die Mooskissen des Waldes mit fahlem Licht, während Thuêban und Guikut gehetzt über Strauch und gefallenen Baumstamm jagten, über kleine Gräben, gefüllt mit Brombeerranken und kleinen Tümpeln, sprangen und das Stampfen der schweren Hufe hinter sich als Ansporn nahmen, immer noch schneller zu laufen.

Die langen Beine ihres Verfolgers ließ Erde und Wurzeln nach allen Seiten spritzen, während die leeren Augenhöhlen und der schwarze, weit aufgerissene Mund ihnen im Rücken brannten. Beinahe so, als würde der Blick ihre Willenskraft aufsaugen und die Angst in ihrem Herzen, ihrem Verstand und ihren Knochen bis ins Unermessliche steigern. Nicht dass Guikut Kochen hatte. Oder ein Herz...

Weiter wuchs der massive Körper des Untieres heran, das verzweigte Geweih Äste und Bäume zu beiden Seiten in einen zischenden Splitterregen verwandelnd. Das Mondkitz war wütend. Und die Wut galt alleine den Hexenjägern.



Mit langen Schritten eilte Guikut auf seinen dünnen Beinen neben der fum Luft kämpfenden Thuêban einher, als vor ihnen eine kleine Hütte im Wald auftauchte. Aus schweren Stämmen war sie vor langer Zeit erbaut worden, doch nun wirkte sie verlassen und dunkel. Ein Käuzchen, das auf der geöffneten Türe geruht hatte, flog erschrocken in die Nacht, als das Mondkitz und die beiden Verfolgten durch das Dickicht brachen.

Das laute Schnaufen und Schlürfen hinter ihnen trieb Thuêban und Guikut zu einem letzten Spurt an und der Mycnoid riss einen durch Wind und Wetter leicht gelösten Fensterladen auf und sprang ins Innere der Hütte. Neben ihm stürmte die Hexenjägerin durch die Türe und warf sie mit Gewalt hinter sich zu.

Im Schatten der kleinen Kabine war ein längst erkalteter Kamin zu sehen, ein verstaubter Tisch und ein einsamer, an die Wand gestellter Stuhl. Einige Bretter standen an der Wand, daneben ein schwerer Balken für die Türe. Dazwischen einige alte Nester kleinerer Waldtiere, die hier Zuflucht gesucht hatten, tote Spinnen und Staubmäuse.



Mit einem schnellen Handgriff verriegelte Guikut das Fenster, sprang dann zu Thuêban und half ihr, den alten, aufgequollenen Balken in die Türbeschläge zu keilen. Sie wurden nach hinten geworfen, als das Mondkitz von außen gegen die Hüttenwand krachte. Einige Stellen des kleinen Gebäudes gaben nach, als der mächtige Körper immer und immer wieder gegen das Holz schlug. Splitter drückten sich aus den Bruchstellen und zusammen krabbelten Thuêban und Guikut in die Mitte der Hütte, wo sie vorerst sicher zu sein schienen.

Von draußen drang das zornige Rasseln des Mondkitzatems, dann ein weiterer Schlag. Und ein weiterer. Die beiden Hexenjäger sahen sich erschöpft an. Wie konnte der Spähausflug in den sommerlichen Wald nur so schief laufen?



Im kleinen Örtchen Langwingen waren sie von den Landbütteln über eine Gefahr im nahen Wald informiert worden. Dort trieb ein Untier sein Unwesen, hatte es geheißen und die Landbüttel hatten sich dagegen entschieden, ihre eigenen Leute einem solchen Risiko auszusetzen. Man hatte auf einen Abenteurer gewartet, der dem Treiben Einhalt gebieten konnte, letztendlich war das Wort "Mondkitz" gefallen. Und es gab Gerüchte über die Kräfte dieser seltenen Wesen und in dunklen Nächten flüsterte man sich an Lagerfeuern zu, wie tödlich das Aufeinandertreffen mit diesen Geschöpfen war.

Am späten Abend waren die beiden im Wald angekommen, hatten eine kleine Lichtung gefunden und dort gewartet. Kein Mondkitz war erschienen, als die Nacht über ihnen hereingebrochen war und nur ein scheues Kieselhörnchen hatte sich an den Gräsern und Früchten der Waldblöße gelabt.

Dann hatte es eine Erschütterung gegeben und die beiden waren von einem heran preschenden und um sich tretenden Mondkitz überrascht worden, das auf Angriffe mit Sporen und Waffen wenig Reaktion gezeigt hatte. Schnell hatten die Hexenjäger gemerkt, dass eine Flucht sinnvoller war, als ein aussichtsloser Kampf gegen einen Feind, von dem nur wenige überhaupt etwas, geschweige denn eine Schwachstelle wussten.



Thuêban wusste nur, dass einige Gelehrte den Mondkitzen eine symbiotische Beziehung mit den scheuen Kieselhörnchen zusprachen, ähnlich den Moosparasiten im Cromsheller Norden. Beschützten sich Kitz und Hörnchen gegenseitig? Warnte der Nager das seltene Geschöpf vor Gefahr? Beschützte das Mondkitz das kleine Tier, wenn Jäger oder Raubtiere in der Nähe waren?

Ein weiteres Krachen gegen die Hüttenwand riss Thuêban aus ihren Gedanken. Wieder war ein weiteres Stück Holz gesplittert, fiel mehr Mondlicht ins Innere ihrer zerfallenden Zuflucht. Was sollten sie nur machen?

Draußen begann das Mondkitz ein seltsames, das Blut zum Gefrieren bringendes Fiepen, das laut und sich überschlagend durch die Nacht wehte. Dann wieder eine Erschütterung, als der muskulöse Körper erneut gegen das Holz schlug. Es war größer geworden, seitdem sie von der Lichtung geflohen waren. Deutlich größer. Thuêban fluchte leise.



...aufs Dach...



Thuêban blickte in Richtung des kleinen, geschlossenen Fensters, dann auf die alte Feuerstelle, in deren Richtung Guikut deutete.



"Durch den Kamin?"



...wage nicht anders...



Sie rappelten sich auf und eilten zum steilen Abzug, der aus dicken Steinen erbaut worden war und nach oben führte. Guikut zwängte sich hinein, Thuêban drückte ihn sanft nach oben. Mit all seinen dünnen Gliedmaßen spreizt sich der Mycnoid in den Kamin ein und zog sich Ruck um Ruck nach oben, bis er mit seinem Pilzschirm über den Rand der Steine blickte.

Unter ihm schlich das Mondkitz mit fließenden Bewegungen um die Hütte, das Haupt nach vorne gestreckte und die Wände nach Schwachstellen absuchend. Das feuchte Schnuppern des Wesens war laut zu hören, wie Blasen, die durch Schlamm gezogen wurden. Plötzlich blickte das Mondkitz auf und kleine Ohren falteten sich aus dem gespenstischen Haupt, drehten sich zitternd zu allen Seiten.

Mit einer ruckartigen Bewegung drehte es sein verstörendes Gesicht zu Guikut, der Mund wurde größer und größer, die leeren Augenhöhlen weiter aufgerissen. Ein schriller, hoher Ton erklang und wieder warf sich das Mondkitz gegen die erbebende Hütte, den zum Glück noch haltenden Kamin, indem sich der Mycnoid mit aller Kraft am steinernen Rand festklammerte.

Dann schüttelte Guikut seinen Schirm und Sporen rieselten auf das Mondkitz herab. Wieder reagierte das seltsame Geschöpf kein bisschen auf die sonst so potenten Flocken, doch Guikut hatte noch nicht alle Möglichkeiten ausgereizt...



"Alles in Ordnung da oben?" drang es aus dem Kamin von unten herauf.



...noch...



"Was schlägst du vor?"



...ich versuche noch einmal...



Andere Sporen lösten sich aus den Lamellenzwischenräumen und füllten die Luft um die kleine Hütte. Aber immer noch warf sich das Mondkitz wieder und wieder gegen den Kamin. Enttäuscht ließ Guikut seinen Pilzschirm hängen.

Vorsichtig öffnete Thuêban das Fenster einen Spalt weit und lugte hinaus. Von ihrer Position aus konnte sie nur das Hinterteil des wütenden Wesens erkennen. Wie es immer wieder gegen die Wand rannte, mindestens doppelt so groß und massig, wie zu Beginn der Konfrontation. Das verstörend weiß leuchtende und doch zugleich abgedunkelt erscheinende Fell ließ es wie einen Geist wirken, unwirklich und durch die nicht enden wollenden Schläge realistischer, als es Thuêban sich wünschte.

Vermutlich war es eines der magischen Kreationen, die unkontrolliert im Nachspiel des Sternenfalls entstanden waren, schoss es der Hexenjägerin durch den Kopf. Oder es gab sie schon lange vor dem Fall und sie waren eine Art Manifestation des Waldes, ähnlich dem Blättertanz, dem sie im Winter gegenüber gestanden waren. Aber der Blättertanz hatte nicht versucht, sie zu töten.

Ein schreckliches Kreischen erklang aus der Kehle des Mondkitzes, das sich wieder in das unglaublich hohe Fiepen umstülpte, die Luft beinahe elektrisch auflud. Ein Brechen, als der Schädel der Kreatur gegen die Seitenwand der Hütte schlug und eine Spitze des Geweihs ins Innere eindrang. Holz barst. Ein gurgelndes Grunzen, gefolgt von einem lang anhaltenden Laut, der beinahe gackernd durch die Nacht hallte.



Dann ein helles Licht, von den Lamellen des Mycnoiden erzeugt, die Aufmerksamkeit des Mondkitzes mit einem leichten Pulsieren auf sich ziehend. Ein weiterer Sporenflug. Das nun stumm zum Kamin starrende Wesen wurde ruhiger. Ruhiger. Ruhiger. Bald sah es nur noch fasziniert zum pulsierenden Licht, mit schwarzen Augenhöhlen und klaffendem Maul, vollkommen bewegungslos neben der Hütte stehend. Guikut hatte das wütende Wesen doch noch unter seine Kontrolle bringen können.

Eine Stunde lang überdauerten sie so, angespannt und beinahe nicht zu atmen wagend, während das Mondkitz sich nicht rührte, der Mond langsam seine Bahn bis zu den dunklen Baumwipfeln zog. Als die helle Scheibe hinter dem Umriss der Kieferspitzen verschwand, versiegte mit ihm das fahle Licht, welches das Wesen umspielte. Dunkler und dunkler wurde es, das Mondkitz kleiner und kleiner.

Bald saß nur noch ein dickes Kieselhörnchen auf dem Waldboden, die dünnen Arme und Beine angewinkelt, die langen Ohrenpinsel in der leichten Brise zitternd. Kleine Geweihansätze erinnerten entfernt an das Mondkitz, doch die großen Schneidezähne und die kleinen Perlenaugen konnten entfernter vom wütenden Biest nicht sein. Ein puscheliger Schwanz vervollständigte das Bild eines harmlosen Nagers.



Immer noch sah es fasziniert das helle Lamellenlicht an, das Guikut verströmte, und Thuêban lockerte vorsichtig den schweren Balken der Türe, verließ ohne laute Geräusche die Sicherheit der Hütte. Neugierig betrachtete sie das gebannte Hörnchen.



...kannst Du füttern...? halte weiter fest...



Langsam griff Thuêban in ihre Tasche, zog ein Stück Dörrfleisch hervor. Schritt für Schritt kam sie näher auf das Kieselhörnchen zu. Auf das Mondkitz. Ihre Gedanken überschlugen sich. Der Nager und das magische Biest... sie waren ein und dasselbe, keine Symbionten. Beim Licht des Vollmondes nahm das Hörnchen lediglich die Gestalt des Kitzes an.

Sie lächelte. Gelehrte würden ein kleines Vermögen für diese Erkenntnis zahlen, darauf wettete sie. Wenn ihnen geglaubt würde.



...kann loslassen...?



Ein letzter Schritt, so nahe, dass sie mit ausgestrecktem Arm das Kieselhörnchen berühren könnte.



"Ja."



Ruckartig drehte sich der Kopf des Kieselhörnchens zu Thuêban. Schnuppernd zuckte die Nase hin und her und ein leises Fiepen ertönte. Mit einer angespannten Hand über der Axt im Gürtel, der anderen halb ausgestreckt und das Stück getrocknete Fleisch haltend, ging Thuêban leicht in die Knie.

Die kleinen Augen des Hörnchens fokussierten auf den Leckerbissen in Thuêbans Griff, eine kleine, rosafarbene Zunge leckte sich hektisch über Mundwinkel, Nase, Zähne und Unterlippe. Ein kurzes Schnappen und das Dörrfleisch war zwischen den Vorderpfoten des Kieselhörnchens fixiert. Es begann daran zu knabbern, der Blick immer noch auf dem Menschen ruhend.

Thuêban und Guikut beobacheten fasziniert, wie das kleine Tierchen das Dörrfleisch so weit wie möglich in eine elastische Backe stopfte, mit dem Rest des Stücks immer noch aus dem Maul hängend einige Sprünge zum nahen Dickicht machte, sich dort nochmal umsah und dann in der Nacht verschwand.

Die Hexenjägerin starrte lange in den Schatten, die Ereignisse in ihrem Geiste hin und her wälzend. Sie sollten in Langwingen vorbei schauen, den Landbütteln Bescheid geben und jemanden finden, der gutes Geld für solches Wissen bezahlte.



...würde gerne wieder herunter kommen...



Sie drehte sich zu Guikut um, der immer noch aus dem Kamin schaute und ging dann zurück in die Hütte, um ihrem Kameraden zu helfen...
 
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Und wieder ein Thuêban Kapitel, diesmal auch wieder ein längeres...

SEIT ÜBER ZWEI Wochen waren die beiden Hexenjäger nun in Langwingen, hatten immer wieder für ein entsprechendes Entgelt anreisende und neugierige Gelehrte zum Kieselhörnchen geführt. Wanda hatte sich an die kleine Ortschaft gewöhnt und Thuêban hatte einen Stall angemietet, in dem die Maultierdame gemütlich schlafen konnte, während Thuêban selber im Gasthaus "Spieß und Eck" untergekommen war. Guikut nutzte die Zeit, um im Wald immer wieder kleine, fruchtbare Stellen auszuwählen und dort seine Sporen zu verstreuen. Es gab so viele gute Plätze hier, an denen Pilzlinge groß werden konnten...



Es war ein sonniger, kühler Vormittag und es wurde geredet in Langwingen. Vor dem "Spieß und Eck" hatten sich einige Leute vor dem Schwarzen Brett versammelt. Gleich neben Ausschreibungen wie "Wir verkaufen unser Schaukelpferd" und "Schwein entlaufen" hing ein Steckbrief, der von den Landbütteln ausgestellt worden war.

Darauf wurde verkündet, dass die Familie Einbrot vermisst wurde und ihre Verwandte Emita Einbrot aus Langwingen nun nach ihr suchen ließ. Die Ankunft des Ehepaares Terik und Loreli mit ihrem Sohn Ludowik war seit einer Woche überfällig und nun baten die Landbüttel und "Tante Emita" reisende Abenteurer und beherzte Anwohner um Mithilfe.

Eigentlich war es nach der ganzen Geschichte mit dem Mondkitz recht friedlich in dieser Umgebung geworden. Seit jeher durchstreiften keine Orkbanden diesen Teil des Hinterlands und Banditen hatten sich schon lange ertragreichere Gebiete gesucht. Also was hatte die Familie Einbrot aufgehalten? Eventuell doch das Mondkitz? Von der Mondphase würde es sich zumindest ausgehen...



Eine Gruppe Landbüttel bereitete sich in der Nähe darauf vor, einen längeren Marsch zu beginnen. Der Hauptmann des Verbandes, ein gewisser Mernot Jungwald, instruierte nochmals seine Männer, dann fand sein Blick Thuêban und Guikut. Mit schnellen Schritten kam er auf die beiden zu.



"Wie ich sehe," begann der im Grunde eher bübisch aussehende Mann: "spielt Ihr mit dem Gedanken, die Einbrots zu suchen?"



Thuêban hatte mit Jungwald in den letzten Wochen immer wieder gesprochen und sie hatten auch zusammen das ein oder andere Bier im "Spieß und Eck" getrunken. Sie würde nicht sagen, dass sie sich wirklich kannten, Jungwald hatte aber sehr wohl von den Vorteilen der Hexenjäger erfahren und zog seinen breiten Hut, auf dem eine buschige, rote Feder steckte.

Die Frau aus der Ödnis nickte.



Jungwalds Miene hellte sich auf. "Darf ich Euch mit meinen Männern begleiten, Gnädigste?"



"Gerne."



Zufrieden lächelnd nickte der Hauptmann und Guikut verneigte sich leicht, deutete das Heben seines Pilzhutes an. Gemeinsam folgten sie Jungwald zu seinen Männern, die freundlich die Landbüttelhüte zogen und ebenfalls erleichtert wirkten, Unterstützung zu bekommen. Zwei hatten lange Saufedern dabei, die restlichen kurze, kräftige Knüppel an den Gürteln, die ihren braunen Wams unter den Bäuchen hielten. Nur Jungwald trug ein Schwert an seiner Seite.



Zusammen zogen sie die Landstraße entlang und hinein in den Wald. Der Weg wurde schattiger und war schon bald unter dem Herbstlaub nur noch schwer zu erkennen. Gemeinsam gingen sie alle möglichen Wege ab, die das Netzwerk aus großen Straßen und kleinen Pfaden unter dem rötlich-gelben Blätterdach bildeten, doch nirgendwo fanden sie eine Spur von den Einbrots.

Über die letzte Woche hatten die Hexenjäger viele Teile des Waldes gut kennen gelernt, doch kannten sich die Landbüttel immer noch besser in der Nachbarschaft aus und so vertraute Thuêban auf Hauptmann Jungwald und seine Intuition. In kleinen Bächen und Gräben suchten sie und zwischen toten Stämmen und dichten Farndickichten.



Schließlich aßen sie zusammen und die Landbüttel teilten ihre Brotzeit und sie lachten und genossen den wärmenden Wind, der aus dem Süden wehte. Schließlich zogen sie weiter und amüsiert beobachtete Thuêban einen der Landbüttel, der immer wieder Ärger von Jungwald bekam, wenn er sich zurückfallen ließ und eine leicht verschlafene Haselmaus aus seiner Tasche zog und ihr Brotkrumen gab, die er aus seinem löchrigen Handschuh schüttelte.

Auch Hauptmann Jungwald fand das Tierchen niedlich, das war allen überaus deutlich. Aber zugeben würde er dies nie. Stattdessen drohte er Strafübungen an, das Streichen von Lohn und Gemeinschaftsdienste, der betroffene Landbüttel aber zeigte immer nur kurz Einsicht.

So verging der Tag und langsam wurde es dunkel unter dem rauschenden Blätterdach. Wieder gingen sie einen Weg, den sie schon zuvor gegangen waren und immer noch sahen sie keine verräterischen Wagenspuren oder andere Hinweise, die auf die Familie Einbrot hinwiesen. Sie entschieden sich, für die Nacht nach Langwingen zurück zu kehren und am nächsten Tag die Suche fortzusetzen.



Sie gingen die alte Waldstraße entlang, die auf einem kleinen, erhöhten Grat in Richtung des Ortes führte. Mitten im Schritt blieb Thuêban stehen, sah sich alarmiert um. Roch in die leichte Brise, die aufgekommen war. Ein beißender Geruch war zu erkennen, wenngleich leicht und von den Düften des Waldes überlagert. Wie von einem Raubtier wirkte es.

Sie sah zu Guikut und erkannte, dass auch die Sinne des Mycnoiden angeschlagen hatten. Ihre Blicke wanderten gemeinsam hinab vom Weg hinweg über die Moospolster und Wurzelstufen, bis hin zu einem kleinen Bach, der einige Längen von ihnen zwischen Brombeerbüschen gluckste.



Thuêban hob ihre Hand. "Hört mal," brummte sie den Landbütteln entgegen. "Ich rieche etwas."



Irritiert blinzelte Hauptmann Jungwald sie an. "Was habt Ihr gerochen?" Sein blinzeln wurde nervöser, als Guikut vom Weg sprang und in Richtung des Baches stakste. "Und wo geht Euer... kleiner... Freund hin...?"



Guikut sah im Gehen zurück, schaffte es sogar, mit seiner Augentraube halbwegs warnend drein zu blicken.



"Aus dem Gestrüpp dort hinten." Thuêban deutete auf die Brombeerranken. "Etwas faules und großes..."



Die Landbüttel begannen, in die Brise hinein zu schnuppern, runzelten nachdenklich die Stirn.



"Ich rieche nichts."



"Moos?"



"Nach Wald riecht's halt."



Einer hob sogar sein Bein, um an der Sohle seines Stiefels zu schnüffeln.



Jungwald beendete das Schauspiel augenblicklich. "Zwei von Euch bleiben hier..." Er deutete in die ungefähre Richtung zweier Männer. "Wenn jemand kommt, dann fragt ihn nach den Einbrots. Verstanden?"



Die beiden nickten und zusammen mit den restlichen vier Landbütteln ging Thuêban Guikut hinterher. Der war schon am Bach angekommen und blickte in das gemütlich vor sich hinfließende Wasser, in dem sich kleine Krebse von Kiesel zu Kiesel jagten. Mit seinem dünnen Körper beugte er sich zu einer Stelle mit niedergetrampelten Brombeergestrüpp hinunter, das durch enormes Gewicht zerbrochen und abgeknickt in den Boden gearbeitet worden war. An einer der Ranken hing ein Stofffetzen, der an die Kleidung eines wohlhabenden Bürgers erinnerte.

Tiefer ging er mit seinem Blick und im teilweise ausgetrockneten und verhärteten Schlamm der Böschung erkannte Guikut mehrere Abdrücke. Sie hatten verschiedene Größe, der breiteste dick wie ein junger Baumstamm. Die Form von dicken Zehen und Krallen waren in den Spuren zu erkennen, die übereinander gelagert waren und an einigen weiteren Stellen des Bachufers durch das Gebüsch gebrochen.

Der Mycnoid drehte sich zu den anderen, als sie sich ihm näherten und eine Wolke aus Sporen wehte in ihre Richtung.



...Trolle...



Augenblicklich wich alle Farbe aus den Gesichtern der Landbüttel. Sie hielten im Gehen inne, ihre Hände griffen zu den Waffen und unruhig sahen sie sich um. Sie zuckten zusammen, als ein Eichelhäher über ihnen von Baum zu Baum flog.

Thuêban ging vor den Spuren in die Hocke, beäugte sie einige Herzschläge lang. Trolle. Diese Wesen waren in diesen Gegenden schon ab und zu anzutreffen und auch meist in kleinen Familienverbänden. Aber meist waren sie weit ab der Zivilisation zu finden, wurden sie doch immer wieder von Abenteurern und Armee zurückgedrängt, nachdem in einer Region zu viel Vieh gerissen und das ein oder andere Bauernhaus geplündert worden war. Einzelgänger jedoch galten als aggressiv und unberechenbar und so manche kleine Siedlung hatte schon unter der Anwesenheit eines tollwütigen Männchens leiden müssen.

In dieser Jahreszeit würden Trolle entweder in wärme Gebiete ziehen oder genügend Vorräte für den Winter sammeln, das wusste die Hexenjägerin, die schon mit diesen Hünen zu tun gehabt hatte. Sie wusste auch, dass eine reisende Familie wie die Einbrots schon als Beute in Frage kommen konnte...



Sie deutete auf die Abdrücke im ausgehärteten Schlamm. "Drei Spuren... zwei Große und ein Kleiner..." Sie blickte zu den Landbütteln hoch. "Wir sollten mindestens zu zweit bleiben."



...vor allem Landbüttel...



Jungwald zuckte zusammen. "Sollten wir nicht alle zusammen bleiben?" Die Angst war deutlich in seinen Augen zu erkennen. "Oder soll ich einen meiner Männer zurück nach Langwingen schicken um Verstärkung zu holen?"



Guikut schwenkte seinen Pilzschirm langsam von Seite zu Seite.



...kein Vorteil...



Der Hauptmann der Landbüttel schluckte. "Gut."



Er winkte den beiden Männern auf der Waldstraße zu, die aber blickten gerade in eine vollends andere Richtung und bekamen von den Gesten ihres Vorgesetzten nichts mit. Jungwald fluchte, dann berührte er die Schulter eines anderen Landbüttels und deutete auf die Straße. Der Mann nickte und eilte gebückt zu seinen Kollegen. Kurz sprachen sie miteinander, dann kamen sie zu dritt zum Bach gelaufen.

Thuêban konzentrierte sich auf einen der größten Abdrücke, schloss dann ruhig atmend ihre Augen. Kaum hörbar rieselten Worte über ihre Lippen.



"Beim Auge des Iln Pashniad..."



Sie fasste sich mit der Seite ihre gekrümmten Zeigefingers an die Stirn, schlug dann ihre Lider auf. Sich aufrichtend, nickte sie Hauptmann Jungwald und seinen Männern zu.



"Folgt mir."



Alle folgten ihr, während sie schnell ihren Weg durch das Gestrüpp suchte, dem Bach entlang und tiefer in den Wald hinein. Je weiter sie kamen, umso höher wurden die Hänge zu ihren beiden Seiten und schon bald hörte Thuêban das Flüstern eines der Landbüttel.



"In der Richtung sind die Ruinen."



Der leise, zischende Laut eines Kollegen brachte ihn zum Schweigen. Thuêban sah sich um. Ruinen also. Die Sache nahm mehr und mehr Form an.

In einem langen Tal im Laubwald kamen sie nach einiger Zeit zum Stehen. Der Bach wand sich weiter durch einige Farndickichte und der flache Hang zu ihrer Rechten war mit jungen Bäumen bewachsen. Zu ihrer Linken sahen sie die Überreste eines alten Steinhauses. Die Front und Seite des zum Großteil zerfallenen Hauses war aus grauen, flachen Steinen erbaut worden, Efeu kletterte in den Ritzen empor. Es wirkte wie eine längst aufgegebene Kapelle oder eine kleine Wacht.

Dahinter ragte eine mehrere Meter hohe Felsenwand empor, auf deren Kuppel einige alte, knorrige Bäume standen. Am Fuße der Felswand, direkt hinter der Ruine, konnte Thuêban einen Schatten ausmachen. Der Eingang einer Höhle? Eine Erweiterung des längst aufgegebenen Bauwerks? Oder waren die künstlichen Mauern vielmehr eine Erweiterung des tiefen Felsspalts?

Die Spuren führten zu den alten Mauern, das konnte Thuêban bereits erkennen...



Sie drehte sich zu Jungwald. "Was ist das für eine Ruine?"



"Das weiß keiner hier so genau." Die Worte des Hauptmannes waren leise. Er wirkte ängstlich. "Sie ist ein Überbleibsel vom Sternenfall. Als Kinder haben wir immer gesagt, sie sei verhext. Und unsere Eltern haben uns verboten, dort zu spielen." Er sah zu seinen Männern. "Keiner interessiert sich dafür..."



Wortlos winkte Thuêban Guikut herbei und ging mit ihm einige Schritte, weg von den Landbütteln, die gebannt die Ruinen beäugten.



"Was denkst Du?" flüsterte sie. "Wie sollen wir vorgehen? Mit den Landbütteln oder ohne sie? Oder nur mit einem Teil...?"



...ziemlich sicher Trollhöhle... für Landbüttel zu gefährlich...



Thuêban nickte. "Es sollte auch sicher sein, dass sie panisch weglaufen, wenn auch nur einer der Trolle dort herauskommt."



...sollten ihnen sinnvolle Aufgabe geben...



Sie blickten zu den Landbütteln. Die sprachen ebenfalls leise miteinander, warfen ihnen immer wieder unsichere Blicke zu. Der Mann mit der Haselmaus hatte seinen kleinen Freund wieder aus der Tasche gezogen und streichelte den Nager unter dem pelzigen Kinn. Einige Schritte entfernte er sich so von seinen Kameraden, dann verschwand er plötzlich mit einem kurzen, gellenden Schrei in einem sich unter ihm öffnenden Erdloch. Moos und Blätter wurden nach oben und zur Seite geschleudert.

Dann horchten sie auf, als schwere, dumpfe Schritte schnell lauter wurden. Die eh schon durch den Sturz ihres Kameraden beinahe in Panik verfallenen Landbüttel versteinerten wie Rehe, auf die eine Pferdekutsche in vollem Galopp zuraste.



"Haltet die Stellung!" rief Thuêban ihnen zu, ihre beiden Äxte ziehend.



Die Landbüttel erwachten aus ihrer Starre und bildeten einen Abwehrkreis, während die beiden Träger der Saufedern ihre Waffen nach außen richteten. Sie schrien überrascht auf, als ein riesiger, mit dicken Hornplatten übersäter Troll aus dem Unterholz brach und mit einem einzigen Rückhandschlag zwei der Männer in die Luft schleuderte. Blutige Fetzen, wie aufgeplatztes, überreifes Obst, fiel auf den Waldboden.

Weitere, ebenso schwere Schritte waren zu hören und hilflos sahen die unter Angriff stehenden Männer umher, während Thuêban und Guikut losliefen, dem mächtigen Troll und den Landbütteln entgegen. Der Mycnoid presste eine sich schnell ausbreitende Wolke aus Sporen aus seinen Lamellen und der Troll stolperte grunzend zurück, schlug irritiert nach der Luft vor seinem Gesicht.

Hauptmann Jungwald witterte seine Chance...



"Tötet das Miststück!" rief er seinen letzten beiden Männern, den Saufederträgern, zu und hob selbst das Schwert in seiner zitternden Hand.



...nein... zu gefährlich...



Guikut schüttelte vehement seinen beschirmten Kopf, als die beiden Speerträger die Spitzen ihrer Waffen in die Brust des abgelenkten Trolls bohrten.



"Wir haben keine andere Wahl," bellte ihm Jungwald mit verbitterter Miene zu.



...Ihr habt uns...



Schon wollte Jungwald antworten, als ein zweiter Troll aus dem nahen Dickicht stürmte. Er war kleiner als der erste aber immer noch größer als ein ausgewachsener Orkbulle, hatte mehrere sichtbare Zitzen zwischen den Hornplatten und eine leere, überwachsene Augenhöhle im Schädel. Die Einäugige sprang auf die Landbüttel zu, hieb immer wieder mit den Fäusten von oben auf sie herab. Blut und Knochensplitter spritzten in alle Richtungen davon.

Thuêban rammte den Körper des großen Trolls, schwang beide Äxte gegen den gepanzerten Körper. Nur eine Klinge durchdrang die feste Hornschich, wurde tief ins schwarze Fleisch getrieben. Die andere rutschte von den huckeligen Platten ab. Ein Schmerzenslaut entfuhr der Kehle des Großen.

Doch erkannte die Hexenjägerin, dass die Wunden, die die Saufedern gerissen hatten, bereits wieder fast geschlossen waren. Trolle hatten eine unglaubliche Wundheilung, das wusste die Hexenjägerin leider auch aus erster Hand. Kurz fragte sie sich, was die Einäugige gemacht hatte, dass sie wirklich dauerhaft ihr Auge verloren hatte...



Der Große wich zurück und nochmals traf Thuêban sein Fleisch mit einer ihrer Waffen, ließ es aufklaffen und dunkel bluten. Doch der Große machte nur Gesten, als wolle er Thuêban auf ihren Weg schicken, weg von der Ruine und diesem Ort des Todes. Er winselte seltsam tief und gutural, formte primitive, unverständliche Worte, die dem kleinen Verstand des Giganten entsprachen.

Guikut kam einige Schritte vor der großen Lache aus Blut und zerquetschten Innereien zu stehen, die einmal eine Gruppe Landbüttel gewesen war. Er schickte seine Sporen in die Luft und schnell verteilten sie sich im ganzen Kampfgebiet. Die kleinen Pilzteilchen legten sich auf die Trolle, wurden von ihnen tief eingeatmet und mit glasigem, leeren Blick und offenen Mündern kamen sie zur Ruhe. Ihre langen, kräftigen Arme hingen mit Blut verschmiert an ihren Seiten.

Hinter Guikut durchbrach ein lautes Knacken die gerade wiedergewonnene Stille im Wald und als sich der Mycnoid umdrehte, stand dort ein kleiner Troll, nicht größer als ein hochgewachsener Zwerg. Er war dünn und ausgemergelt, hatte eingefallene Wangen und Augenhöhlen. Vermutlich wollte er sich von hinten an die beiden Hexenjäger heranschleichen, nun aber stand er ebenfalls durch die Sporen beeinflusst zwischen zwei Baumstämmen und blickte teilnahmslos in die Ferne.



...alle aufhören...



Etwas bewegte sich auf dem Fleischhaufen, auf den die Einäugige geschlagen hatte und kurz wollte Thuêban schon dort hin, um der armen Seele zu helfen, die den Ansturm des Trollweibchens überlebt hatte. Dann erkannte sie aber Jungwald, dessen gesamter Unterleib fehlte. Mit zitternden Armen zog er sich noch einige Handbreit über den verschmierten Boden, dann brach er leblos zwischen den Eingeweiden seiner Kameraden zusammen.

Thuêban sah betroffen zu Guikut, der sich langsam dem Großen näherte.



...warum seid Ihr hier...? warum greift Ihr an...?



Der Große grunzte langsam, untermalte seine Laute mit schwerfälligen Gesten. Durch die Sporen, die immer noch auf den Trollen klebten und die durch die Magie der Welt mit Guikut verbunden waren, bekam der Pilzmann nun schwache Eindrücke, Impulse aus dem einfältigen Geist des gepanzerten Giganten. Er versuchte, das Wahrgenommene auf seine Art zu interpretieren, sandte neue Sporen zu Thuêban.



...wütend... Schmerz... stachelige Angreifer... heute... gestern... warum...?



Er sah die Hexenjägerin an.



...Trolle verstehen nicht... warum werden sie immer angegriffen...? stachelige Angreifer... klingt nach Landbütteln...



Er drehte sich zu den Trollen.



...Höhle Euer Zuhause...?



Der Große stieß ein langes, tiefes Gurgeln aus.



...Sommer... Winter... Sommer... Winter... wohnen seit zwei Jahren hier...



Thuêban nickte schweigend und fragend sah Guikut sie an.



...warum vorher keine Probleme...? warum erst jetzt...?



Ein tiefes Seufzen hob Thuêbans Brust. Warum jetzt? Warum überhaupt? Sie sah müde und traurig auf die Toten, die vor ihr lagen, während Guikut weiter über das Erfahrene sinnierte.



...irgendwelche Leute erklärten sich zu Helden... haben Trolle angegriffen... wollten Gutes tun... haben stattdessen Feinde gewonnen...



"So ungefähr muss es gewesen sein..." Thuêban schüttelte resigniert den Kopf.



Erneut schickte Guikut seine Sporen in das Bewusstsein der Trolle.



...habt Ihr Menschenfamilie gesehen...?



Der Große deutete in eine Richtung, in der die Gruppe aus Langwingen heute noch nicht gesucht hatte. Guikut blinzelte verwirrt.



...verstehe nicht... irgendetwas mit Mond und Wasser... versunken...?



Er sah Thuêban an.



...doch das Mondkitz...?



Die Hexenjägerin nickte. "Sag ihnen, dass wir sie in Frieden lassen, wenn wir einfach abziehen dürfen."



...lasst uns gehen und Tote mitnehmen... wir werden nicht weiter verletzen...



Kurz hielt er inne, dann schickte er eine weitere Sporenwolke in die kühle Waldluft.



...Menschen hatten Angst... darum haben sie angegriffen...



Der Große starrte Guikut nur mit offenem Mund an, während dicker Speichel von seiner dicken Unterlippe tropfte.



...nehmt Euer Kind... geht nach Hause...



Dann trat der Mycnoid nach vorne und streckte seinen langen Arm aus, legte die feinen Finger auf den Bauch des Trollbullen. Feine Fäden wuchsen in die Haut des Großen und verschlossen die restlichen Wunden. Dann ließ er den Bann, den die Sporen auf die Giganten gelegt hatte, mit einem kurzen Erzittern seines Körpers fallen.

Die Trolle blinzelten, wie wenn sie gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht wären. Verängstigt quäkend fing der Dünne an, zu seinem Vater zu rennen und der drückte Guikut sanft aber bestimmt mit einer Hand zur Seite, griff mit der anderen seinen Nachwuchs und hob ihn an seine Seite. Die Einäugige puhlte mit einem dicken Finger im Fleisch der Leichen herum, strich sich dann rötliche Flüssigkeit auf die Lippe und bohrte sich schließlich in einem der breiten Nasenlöcher. Dann griff sie sich eines der aufgeplatzten Organe vor ihr und mit diesem fest im Griff folgte sie dem Großen und dem Dünnen, die bereits zur Ruine unterwegs waren. Das Ende des Organs spannte sich und löste sich mit einem nassen, reißenden Geräusch vom Kadaver, wurde von der Einäugigen übers Moos gezogen.

Die Hexenjäger ließen die drei Trolle ziehen. Hauptsache, sie hatten genügend Leichenreste, um sie in Langwingen den Angehörigen und dem Tempel zu übergeben. Damit sie beigesetzt werden konnten.



Vorsichtig gingen die beiden Hexenjäger um den blutigen Haufen Fleisch und Knochen herum und hin zum Loch, das sich unter dem ersten Landbüttel aufgetan hatte. Am bröckelnden Rand stehend, erkannten sie, dass es eine krude Falle war. Zum Glück für den Mann war es keine ausgefeilte Fallgrube mit angespitzten Stöcken oder dergleichen. Eine solche zu konzipieren wären die Trolle vermutlich auch gar nicht in der Lage gewesen.

Der Landbüttel lag dort unten im Schatten, ohnmächtig und ansonsten nicht verletzt und da das Loch nicht einmal drei Meter tief war, stieg Thuêban schnell hinab und weckte den Hilflosen. Zusammen mit Guikuts langen, stabilen Armen konnten sie ihn schnell aus der Grube befördern.

Lange stand er schweigend vor den Überresten seines Hauptmannes und seiner Kameraden. Er schluckte trocken, würgte einige Male, konnte sich aber immer wieder rechtzeitig fangen.



"Was... ist passiert?"



"Die Trollfamilie fühlte sich gegängelt. Sie hat sich schließlich gewehrt." Thuêban legte eine Hand auf die Schulter des Mannes. "Anscheinend sind sie aber nicht für das Verschwinden der Einbrots verantwortlich. Lasst uns später entscheiden, was wir machen."



"Bringen wir sie nach Langwingen?"



Thuêban nickte dem Landbüttel zu.

Zusammen suchten sie einige stabile Äste und banden sie zu einem einfachen Schlitten zusammen, legten die Leichen behutsam auf die breite Ladefläche. Es war schon Nacht, als sie mit ihrer Arbeit fertig waren und nur noch Guikuts leuchtende Lamellen spendeten den müden Menschen Licht, während der Mond erst jetzt langsam über dem leicht im Wind rauschenden Blätterdach aufging.

Die ganze Zeit über fühlten sie sich beobachtet und nicht nur einmal erspähten sie den reflektierenden Schein von Trollaugen, die jede ihrer Bewegungen aus sicherer Entfernung zwischen den Ruinen heraus verfolgten. Schließlich zogen sie los, in Richtung des Waldweges, der sie nach Langwingen bringen sollte.

Mittlerweile hatten Thuêban und Guikut den Namen ihres Begleiters erfahren und nach einer langen Zeit, in der keiner auch nur ein Wort gesagt hatte, sah die Hexenjägerin Gerald von der Seite an.



"Ist hier ein See oder Fluss in der Nähe?"



Der Landbüttel musste nicht überlegen. "Der Wingensee..."



"In dieser Richtung?" Kurz ließ Thuêban einen der Schlittenarme los, um dorthin zu zeigen, wohin auch der Große zuvor gedeutet hatte.


"Ja."



Stumm gingen sie weiter und erreichten endlich den Grat, auf dem sich der Waldweg zwischen den Stämmen hindurch zog. Der kleine Bach gluckste in der Nähe, als wäre nie etwas geschehen.

Thuêban griff an ihren Gürtel und zog ihren Wasserschlauch heraus, reichte ihn Gerald.



"Warte hier bis wir wiederkommen. Dann gehen wir zurück nach Langwingen."



Gerald sah sie mit wachsender Angst in den Augen an, wollte schon etwas sagen. Doch Guikuts Sporen ließen in tief durchatmen und gefasst setzte er sich neben dem Schlitten an den Wegesrand und holte die Haselmaus aus seiner Tasche. Willem, hatten die beiden Hexenjäger gelernt... das Tierchen hieß Willem.



"Bete für Deine gefallenen Kameraden," empfahl Thuêban dem erschöpften Gerald, dann zogen sie und Guikut los.



Nicht lange gingen sie, bis sie zu einer schmalen, überwachsenen Abzweigung gingen, die sie auf ihrer Suche zuvor ausgelassen hatten. Eine weitere Stunde wanderten sie weiter in diese Richtung und kamen dann zu einem kleinen Waldmoorsee, der ruhig unter dem leuchtenden Mond lag.

Den verwilderten Pfad, der am Ufer entlang führte, suchten sie ab und nach einiger Zeit erkannten sie einen verräterischen, fauligen Geruch. Sie sahen alte Radspuren, die im getrockneten Erdreich zwischen den Grasbüscheln hin zu einem breiten Schilfgürtel führten. Wortlos wateten sie ins modrige Wasser, mussten sich auf dem rutschigen und an den Stiefeln und Füßen saugenden Morastboden besonders vorsichtig Schritt für Schritt voran tasten. Nicht allzu tief konnten sie in den See vordringen, bis das Ufer zu steil abfiel.

Doch es genügte, um die Ecke eines beinahe vollständig versunkenen Wagens im Schilf zu entdecken. Ein großes Rad, das halb aus dem Wasser ragte. Daneben trieben im bläulichen Licht der Nacht und Guikuts Lamellen vier aufgedunsene Leichen. Ein Pony, zwei Erwachsene und ein Kind...

Doch warum war der Wagen hier in den See gefahren? Warum hatte er den Pfad verlassen und war direkt in den Schilfgürtel gerast, aus dem es wegen dem ziehenden Boden kein Entrinnen für die Familie und ihr Zugtier mehr gegeben hatte? Hatte ein Mondkitz sie erschreckt? Oder hatten sie eventuell sogar die Trolle im Wald gesehen und Hals über Kopf die Flucht ergriffen, die im nassen Grab des Wingensees geendet hatte? So oder so war es ein schreckliches Unglück, dass den Einbrots hier widerfahren war.



...dürfen das wohl jetzt Tante Emita beibringen...



"Ja."



...helfen erst einmal Landbüttel tote Kameraden nach Langwingen zu schleppen...?



"Und dann helfen wir beim Bergen der Einbrots."



Zusammen gingen sie in die Nacht hinein und ließen das dunkle Wasser des Wingensees hinter sich...

Und dann habe ich noch einige Gruppenbilder von vergangenen Kampagnen fertig geschafft. In dem Stil will ich jetzt alle von mir und meinen Freunden gespielten Gruppen zu Papier bringen...

Splitter der Zeit.jpg


Unsere aller erste DnD Kampagne, lange bevor wir die Welt überhaupt Emmergens nannten... wurde dann später unter dem Namen "Splitter der Zeit" gesammelt.
v.l.n.r.: Gwybeth, eine depressive Klerikerin... Nimor Ech'dra, ein zynischer Nekromant... Chiron Woodman, ein wortkarger Halbork Zauberer... Killik Pargon, ein Gnomen Druide... Hillios, ein elfischer Bogenschütze... Lia Ehtelithil, eine elfische Waldläuferin... Khora Khaladam, eine Barbarin aus der Großen Weite... Sandor Clearwater, ein psychopatischer Halbling Dieb... Jaice, eine Tiefling Abenteurerin... Agorfea, eine rachsüchtige Elfin...
War alles eher klassisch, aber eben auch unser Einstieg in dieses System (damals noch 3.0), DnD Multiverse und Co.

Land der Inseln.jpg


Unsere asiatisch angehauchte Shushima Kampagne "Land der Inseln" war von der Geschichte her kein allzu großer Erfolg, ich denke aber dennoch immer wieder gerne an die Abenteuer zurück...
v.l.n.r.: Sian Woha, eine Naga Dienerin eines großen Drachen... Uallas Godspeed, ein Paladin aus den westlichen Reichen... Rajesh, ein Tapira Priester aus Yamashu... Noh Hu Cheol, ein wandernder Abenteurer aus Araishu... Kurō, ein Tengu Tempelwächter... Deito Shinji, ein beim Shogun in Ungnade gefallener Fürst... Mashita Shiara, eine Magierin des Westens, die in einem Shushima Tempel unterrichtet wurde... Mandura Vaki Kinlara, ein Vanara Mönch aus Yamashu... Suzumura Yoshitaro, ein Spatzgestaltwandler und Magier... Khami, ein Vanara Mönch aus Yamashu... Kay'tchi'lik, eine Nezumi Spionin eines großen Drachen... Willard Brass, ein Klerikerschüler aus den westlichen Reichen...

Sonnenfeuer.jpg


Und letztendlich meine kleine End-of-all-Times-Kampagne, die ich vorletztes Weihnachten gemeistert habe, davon sind aber nur zwei Figuren wirklich Spielercharaktere ^^
v.l.n.r.: RK-EHP41, ein Reinigungskonstrukt aus dem Emeralder Händlerplex, das als Zeuge für einen Mord diente... Mücke, ein alter und verfluchter Vampir, der den Ermittlern half... Sin, ein Engel des Gottes St. Piad, die den Ermittlern den Auftrag gab... Sira Tanova, Ermittlerin der Internen Sicherheit (Spielercharakter)... Poika Erikulfgarsonson (gesprochen Ergarson), Ermittler der Internen Sicherheit... Gorgon Zerkappur, Zwergen Sicherheitschef des Emeralder Händlerplexes... Siemahr Wilten, Ork Beamter des Megaplex-Sicherheitsdienstes... Jannis Trien, Beamter des Megaplex-Sicherheitsdienstes... Darklight, Gentleman und letzter in dieser Realität verbleibender Drache...

Dann muss ich ja nur noch 10 weitere Gruppenbilder zeichnen... yeay?
 
Zuletzt bearbeitet:
Und Kapitel 9 unserer kleinen Hexenjäger-Kampagne mit @Conquistador und @Dyesce

DIE DUNKLE HERBSTNACHT umhüllte sie, während Thuêban und Guikut mit dem Bauern Harm Jossu am hohen Weidezaun standen. Sie hatten endlich Langwingen hinter sich gelassen und waren weiter gezogen, aber nur zwei Reisetage später hatte sie ihr Ruf wieder eingeholt. Irgendetwas tötete den Viehbestand von Jossu und im Schein von Guikuts Lamellen und der Öllaterne des Bauern sahen sie den immer noch dampfenden Kadaver einer Kuh liegen.

Jossu, gekleidet in einen langen Mantel und mit einem breiten Schlapphut auf dem Kopf, kaute unglücklich dreinblickend auf unausgesprochenen Worten herum. Die Laterne in seiner Hand schaukelte mit jedem schweren, aufgebrachten Atemzug.

Als Guikut seine langen Gliedmaßen ausstreckte, um über den Weidezaun zu klettern, zuckte die Hand des Bauern schon in Richtung des Mycnoiden, um ihm zu helfen. Dann ließ er sie aber wieder sinken, beinahe so, als wollte er Guikut nicht berühren.



"Seid's vorsichtig," fauchte Harm Jossu scharf.



Guikut nickte nur, schwang sich auf die Weide und ging dann mit langen Schritten zum Kadaver. Vorsichtig folgte ihm Thuêban auf die Weide und zusammen beugten sie sich über den noch warmen Körper.

Zähne. Dutzende Zähne. Sie hatten sich tief ins Fleisch gegraben, Innereien und Knochen herausgebissen. Eine einzige, große Wunde gerissen, die in ihrer Vorstellung ein Maul zeichnete, das groß war wie Guikuts Pilzschirm.



...Neunauge...?



Thuêban schüttelte nur nachdenklich den Kopf, dann wehte das laut herausgepresste Flüstern von Jossu vom Weidezaun zu ihnen.



"Des is' seit zwei Tagen. Immer wieder Viechzeug." Er deutete quer über die Weide. "Drüben beim Wald da sind auch andere Tiere, die ich immer wieder aus'm Gebüsch raus ziehe. Seit zwei Tagen!"



Guikuts Sporen brauchten etwas länger, um den Weg zum Bauern zurückzulegen.



...wie viele...?



Mit gerunzelter Stirn und sich ständig bewegenden Lippen begann Jossu, an seiner freien Hand abzuzählen, kam immer wieder sichtlich durcheinander und schüttelte den Kopf. Dies machte er ein paar Mal.



Dann: "...viele!"



Thuêban sah ihren Kameraden herausfordernd an. "Zum Wald?"



...zum Wald...



Als sich die beiden langsam vom Zaun entfernten und sich Guikuts Lamellenschein nun vollends vom Lichtkreis der Laterne trennte, folgte ihnen die Stimme des Bauern.



"Mei... seid's vorsichtig." Danach ein leiseres, unsicheres: "Bist Du sicher, dass Du dem Pilz vertrauen kannst...?"



Sich nicht beirren lassend, wanderten sie weiter über die dunkle Wiese, Guikuts Schein wie ein Schild um sie herum gezogen. Bis zu einer Böschung kamen sie und sahen weiter unten einige dicke Äste, die über den Weidezaun ragten. Einen Hochstand.

Ein pelziger Körper lag unter dem Holz des Hochstandes und während Thuêban in diese Richtung ging, erkannte Guikut zur anderen Seite hin einen weiteren, großen Kadaver. Wusste der Bauer, dass hier eine weitere seiner Kühe lag? Vermutlich nicht, dampfte auch dieser Körper noch in der Frische der Nachtluft.

Thuêban zog Arra aus ihrem Gürtel und berührte den kleinen Tierkörper mit dem Axtblatt, drehte ihn vorsichtig um. Es waren die Überreste eines auseinander gebissenen, beinahe vollends verschlungenen Kieselhörnchens.



Guikut sah Thuêban kurz aus einiger Entfernung bei ihrer Untersuchung zu, dann blickte er noch einmal zum Kuhkadaver. Schon wollte er sich abwenden, als er einen sich bewegenden Schatten in der Nacht wahrnahm. Hinter der Kuh. Schnell und durch sein Sichtfeld huschend. Kurz blickte er zu der Hexenjägerin, dann stakste er zur Kuh.

Neben dem ebenfalls übel zugerichteten Tier war ein kleines Loch zu sehen, in dem einige Eingeweide der Kuh hineingerutscht waren. Auch erkannte Guikut dort Organe einiger anderer Tiere, dazwischen ein vor Erschöpfung zitterndes Schaf, das kurz vor dem Lichtschein der Mycnoidenlamellen zurückschreckte. Es war blutig und eines seiner Vorderläufe schien seltsam abgeknickt. Kläglich begann das unglückliche Tier zu blöken.



Immer noch das tote Kieselhörnchen betrachtend, hörte die Hexenjägerin das Klagelaut des Tieres und erhob sich, ging schnellen Schrittes auf Guikut zu. Sie sah, wie der Pilzmann nach unten griff, um das Schaf aus der Kuhle zu heben, sich gebückt streckte.

Das Schaf öffnete den Mund weit und hunderte gekrümmter Reisszähne klappten sich aus. Der rechte Arm von Guikut wurde knapp unter dem Schirm abgebissen und kleine Fetzen aus Pilzgewebe flogen in alle Richtungen davon. Erschrocken fiel Guikut zurück, während die Zähne nun ineinander verkeilt im viel zu breiten Maul nach oben und unten zeigten.

Die Augen der Kreatur, das gerade noch ein Schaf gewesen war, waren nur noch kleine, leere Löcher, dunkel im mit der Veränderung des Mauls länger gewordenen Schädel. Schon schob es sich weiter an Guikut heran, der sich wieder auf die Beine zog.



Mit voller Kraft schleuderte Thuêban ihre Axt, traf das Wesen Zwischen Hals und Schulter. Doch außer dem kurzen Ruck, der durch das blutlüsterne Schaf ging, reagierte es nicht. Sie schnaubte, presste mit einer schnellen Bewegung einen Säurestrahl zwischen ihren Fingern hervor. Doch auch als sich die magische Flüssigkeit durch Fell, Haut und Fleisch fraß, zeigte die Kreatur keine wirkliche Reaktion.

Stattdessen schwang es beide Vorderbeine auf den Rand des Loches, knickte sie in einem unnatürlichen Winkel ab und öffnete erneut seinen Schlund. Doch kein Versuch, nach den Hexenjägern zu schnappen folgte. Ein seltsamer, quäkender Laut quoll aus der Kehle des Tieres, lang und bis in jeden Nerv fahrend.

Guikut taumelte zurück, kämpfte ums Gleichgewicht, während Thuêban sich wie in einem Krampf an die Schläfe fasste. Ein gleißender Schmerz durchzuckte ihren Kopf, wo Slithik Spaltohrs Geschoss sie vor zwei Jahren getroffen hatte. Kurz sah sie nichts mehr außer Weiß. Sie schüttelte ihren Kopf, versuchte sich zu fangen.



Mittlerweile hatte Guikut eine Wolke aus Sporen freigesetzt, die sich auf das Schaf legte und in die sich blähenden Nüstern gezogen wurde. Doch auch diese zeigten keinerlei Wirkung auf die Kreatur, die immer noch ihren übelkeitserregenden Schrei ausstieß.

Mit einer schwungvollen Bewegung löste Thuêban Banirr aus der Trageschlaufe, warf sie in Richtung des weit geöffneten Maules. Doch das Schaf war schon nicht mehr an dieser Stelle, hatte sich mit einem unglaublichen Satz aus der Kuhle katapultiert und prallte so gegen Thuêban. Zusammen fielen sie ins Gras der Weide und die Bestie versenkte seine Dolchzähne im Arm der vor Schmerz aufgrunzenden Hexenjägerin. Geifernd versuchte es, die Kehle der Frau zu zerfetzen, Schultern und Brust aufzureißen.



Wankend trat Guikut an Thuêbans Seite. Er senkte seinen Schirm, spannte zitternd seinen Körper an. Dann durchzuckte eine Welle die Lamellen und den breiten Pilzhut und ein kräftiger Luftstoß drückte das wild um sich schlagende Wesen vom Körper der sich mit aller Kraft wehrenden Frau. Nur wenige Handbreit von Thuêban entfernt fiel es ins Gras und wollte sich schon aufrappeln, als eine im hohen Bogen fliegende Laterne es in der Seite traf. Der Ölbehälter brach und mit einem grauenhaften Kreischen fing das Schaf an zu brennen.

Thuêban und Guikut sahen auf und dort stand Harm Jossu, die Augen weit vor Entsetzen, die breite Krempe seines Hutes mit seiner Angst auf und ab flatternd.



"Beim guten Paragon..."



Thuêban stemmte sich auf ihre Beine, schritt zum zuckenden Schaf und zog ihre treue Axt aus dem verkohlenden Fleisch. Dann holte sie weit aus und schlug mit der Waffe auf den Schädel der Kreatur ein. Blut spritzte. Zähne und Knochen splitterten.



"Was..." begann Jossu. "Was ist das?"



...ein Monster...



Guikut sah den Bauern regungslos an, während Thuêban einen weiteren Schlag ansetzte. Das Quietschen des Untieres verstummte, als das Axtblatt sein Ziel fand. Dann standen sie in der Nacht und sahen dem Schaf beim Brennen zu...
 
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