[Korriban – In einer Ruinenanlage – In einem Tunnel - Torryn, (Tier)]
Blutige Reste von zerstückelten Wesen lagen verstreut in dem merkwürdigen Raum. Torryn drehte sich zur Tür aus der er gekommen war. Sie war verschlossen. Kein Türschloss. Kein Mechanismus erkennbar. Kein Geräusch von außerhalb zu hören. War sein Meister noch da? War das so geplant, dass er nun abgeschnitten von ihm, alleine handeln musste, um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. War das Teil der Prüfung?
Alles Fragen, die nicht halfen, sondern vom Wesentlichen ablenkten, der Suche nach einem Ausweg.
Die Flugwesen mussten irgendwo hergekommen sein und er hatte den Raum noch gar nicht genau untersuchen können. Torryn schritt die einzelnen Wände ab und fand hinter dem Baum einen weiteren Durchgang, der versteckt hinter dem verzweigten Wurzelwerk lag, das durch die durchbrochenen Decke wuchs. Die fahle Biolumineszenz der Blätter reichte nicht aus, um das Dunkel in dem überwucherten Gang zu durchbrechen.
Torryn drückte die Wurzeln zur Seite, um Platz für sich zu schaffen und um etwas mehr Licht in die vor ihm liegende Düsternis zu bekommen. Nichts war zu sehen. Nur Finsternis. Ihm war unwohl. Tier schickte ihm auch dieses Gefühl, dass er beobachtet würde. Jemand oder etwas war hier, eine unbekannte Präsenz und sie war böse. Vorsichtig tastete Torryn sich an den Rand des Durchgangs und aktivierte nun seine Lichtwaffe im Klingenmodus. Zischend und summend, stabilisierte sich die rote Lichtklinge und schuf eine Lichtquelle, die nur ausreichendes Licht für ein paar Meter Sicht schuf. Der Adept dachte an die Lektion mit dem Helm. Die Macht ermöglichte ein anderes Sehen, nicht nur visuell, nicht nur abhängig von den Augen. Schattenhafte Umrisse des Ganges wurden sichtbar. Grau, wie im Nebel. Diffus. Ein Tunnel?
Undurchdringlich war die Dunkelheit, Finster und kalt. Die Luft war muffig, alt, stand seit Äonen in den Gängen, ungestört, bis er gekommen war, der versuchte, sich auf die Umrisse zu konzentrieren, die er erkennen konnte, die ihm einen Weg wiesen. Dann überschritt er die Schwelle. Einen anderen Weg gab es nicht. Kein Weg zurück.
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Er war nicht unachtsam, aber auch nicht wachsam genug. Ich war es, der ihm die Sinne gab, die ihm das Sehen im Dunkel ermöglichten, das Fühlen von Präsenzen und das Erspüren der Umgebung. Diese Umgebung hier war feindlich, boshaft. Es war keine Tempelanlage oder vielleicht war es eine gewesen, aber dieser Weg war ein Pfad nach unten in unnennbare Abgründe. Ich musste ihn gehen, mit ihm, denn wir waren eins und ohne ihn, gab es mich nicht. Ich drängte mich in sein Bewusstsein, befahl ihm, mir Platz zu machen. Hier war nicht seine Welt. Er war zu menschlich, um zu begreifen, was vor sich ging. Der Tod lauerte hier und wartete auf uns, lockte uns zu sich, die, die wir keinen anderen Ausweg hatten, als dem Ruf zu folgen, dem Flüstern, das in unserem Kopf war, das nicht aufhörte und dessen Worte ich nicht verstand, nur das Böse in ihnen.
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Torryn war froh über Tiers Anwesenheit, seiner Nähe in seinem Geist. Tier hatte andere Instinkte, die es ihm lieh, die die Macht waren und je näher es war, desto näher war auch die Macht. Jetzt war es so nahe, weil sich etwas geändert hatte. Beide, die sie ein Organismus waren, mussten bestehen, mussten überleben. Wie viele Meter er bereits im Tunnel war, konnte Torryn kaum abschätzen. Hinter ihm und vor ihm war nur diese undurchdringliche Schwärze, die nur durch den roten Schimmer seiner Waffe etwas erhellt wurde.
Ein greller Lichtblitz kam aus dem Nichts. Torryn stolperte geblendet zurück. Da war nichts mehr. Er war blind. Er hörte das Summen seiner Waffe, sah sie aber nicht mehr. Bevor Torryn reagieren konnte, gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Das Summen der Waffe war nicht mehr. Er war taub. Torryn blieb stehen, wie gelähmt, atmete hektisch. Angst beschlich ihn, zog durch seinen Körper. Mit der Angst lösten sich die Schatten aus seiner Seele, Erinnerungen, Emotionen, lange Verdrängtes. Er verkrampfte, zog sich innerlich zusammen und spürte seine Unfähigkeit, zu handeln. Hilflos. Desorientiert.
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Der Lichtblitz und der Knall kamen auch für mich überraschend. Aber ich wäre nicht Teil dessen, was diesen Ort einst prägte und immer noch durchströmte, wenn ich so beeindruckt von dieser Überraschung gewesen wäre, wie meine Hülle, Torryn. Ich übernahm die Kontrolle über den Körper und den Geist. Ein erschrecktes Kind dankte es mir, ein Kind, das aus Erinnerungen geboren war, den eigenen, die sich in diesem Schockmoment manifestiert hatten. Im Dunkeln hatte ich ihn gefunden. In der Stille hatte ich zu ihm gesprochen. Nun hatte dieser Zustand ihn wieder übernommen. Aber es gab mich, den, der sich ihm gezeigt, hatte und der Teil von ihm geworden war. Ich war sein Überleben und meines dazu.
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Mit Erleichterung fühlte Torryn, wie Tier ihn in die andere Ecke seines eigenen Bewusstseins drängte, nicht aus Boshaftigkeit, sondern zum Schutz, nicht nur für ihn, sondern auch für sich selbst. Er war nun Beobachter in seinem eignen Körper. Er war nicht Torryn. Er war nun ganz Tier und Tier war er. Wie lange dieser Bewusstseinszustand stabil sein konnte, wusste er nicht. Im Moment war er das verängstigte Kind, gefangen in der Dunkelheit. Er musste sich befreien.
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Ich sah sie, wie sie wie eine wabernde Masse zu uns krabbelten. Myriaden von Käfern auf der Suche nach lebendigem Fleisch. Unser Fleisch. Sie klebten an den Wänden, klickten mit ihren Mandibeln, die geifernd nach Beute schnappten und bauten sich wie eine Welle auf, die bald auf uns einstürzen würde. Wie sie sich aufbauten, wie sie sich bewegten, erinnerte mich an uns, nicht Torryn und mich, an uns, die vielen. Das Kollektiv aus Käfern war eine Einheit, wurde beherrscht von dem Flüstern, der Präsenz, die hier ihren Ursprung hatte und auf uns wirkte. Wenn die Welle auf uns brandete, war ihre tödliche Umarmung für uns das Ende. Ich musste handeln, und zwar schnell, meinen Instinkten folgen, denn er kämpfte mit sich, um seine eigene Existenz, um seinen Platz als Individuum. Er musste gewinnen, sonst gab es mich nicht mehr und ich musste ihn führen, musste er sein und uns retten.
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Torryn destabilisierte seine Lichtklinge und ließ so die Lichtpeitsche entstehen. Der Schwarm näherte sich. Das Klacken der Käferbeine hallte auf dem Stein. Jeder Zentimeter der Wände und des Bodens wurde von ihnen bedeckt, wenn sie auf ihn stürzten, war es zu spät und die Prüfung beendet. Nur der Weg durch sie hindurch war möglich. Ein Zurück gab es nicht. Sie kamen näher und es gab nicht viele Möglichkeiten zu agieren. Die dunkle Seite aber war so mächtig an diesem Ort, dass sie Torryns Bewegungen unterstützen würde, ihn antreiben zu Dingen, die außerhalb der menschlichen Vorstellung lagen. Eine Klingenbarriere war die erste Option. Eine Kampftechnik, die von einigen von Kämpfern mit zwei Waffen benutzt wurde und von Machtnutzern durch die Kraft der Levitation zur Vollendung gebracht worden war, barg eine temporäre Lösung des Käferproblems. Bei den Flugwesen hatte diese Form funktioniert. Hier waren die Gegebenheiten anders, aber verlangten auch nach einer defensiven Maßnahme, um sich zu schützen. Ein Kampf auf Dauer war aussichtslos. Es gab nur die weitere Option der Flucht. Eine Flucht durch die sich wiegende Masse aus Käfern mit einer Lichtfaser, die die Form einer runden Spirale angenommen hatte und fortwährend rotierte, neben ihm, vor ihm, über ihn, abwechselnd ohne Muster, immer in Bewegung, so wie Torryn, der mit einem Schrei die Kraft entfesselte und einfach in die Käferflut hineinrannte.
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Wir funktionierten und ich spürte, dass er wieder bei mir war. Sein Wille zum Überleben hatte gesiegt und ich wusste, dass sie es war, die Gedanken an sie, die ihm so schnell aus dem dunklen Loch in seiner Seele geholfen hatten. Auch das hatten wir ihr zu verdanken. Er hatte ein neues Ziel gefunden und ich damit eine mentale Stabilisierung für ihn. Jetzt waren wir wieder vereint und ich steigerte uns in den Rausch, in die Wut, in den Drang zu Zerstörung. Sein Wissen über die Kampftechniken und meine Essenz trieben uns an. Er der Körper und ich die Macht, die in ihn floss, sich in ihm ausbreitete und sich mit ihm verband.
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Ohne Rücksicht auf sich selbst durchdrang Torryn die Welle. Der bestialische Geruch nach verbranntem Chitin war ekelhaft, wie auch das Krabbeln auf seinem Körper. Er ignorierte den Schmerz der Bissmale, die von den Käfern verursacht worden waren, die ihn mittlerweile an einigen Stellen bedeckten. Es war ein leichtes für die scharfen Mandibeln, Kleidungsfasern zu durchtrennen und das darunter liegende, lebende Fleisch offen zu legen, um sich Teile davon zu holen.
Nicht nur die Lichtfaser rotierte schneller, Torryns Schritte beschleunigten noch weiter, zerrten an seinen Sehnen und Muskeln, die kaum die Leistung bringen konnten, die Torryn von ihnen abrief. Aber der Wille zum Überleben, der Rausch der Macht und die Aussicht auf ein Gangende, waren die Faktoren, die Torryns Körper an jener Leistungsgrenze hielt, die er nötig brauchte, um nicht von den Käfern bei lebendigem Leib gefressen und ausgeweidet zu werden.
Ein Licht. Ein Ende des Ganges. Ein Licht dessen Konturen langsam kleiner wurden. Eine Tür, die sich langsam, wie eine Schleuse senkte. Torryn schätzte die Entfernung ab und sprang, zog die Lichtfaser hinter sich her, die ihm willig folgte und seinen Körper zerteilen würde, wenn er sich bei dem Sprung geirrt hatte. Mit den Beinen voran, rutschte er über den steinigen Boden, scheuerte seine Kleidung auf, zerschrammte seine Haut. Die Lichtwaffe entglitt ihm aus der Hand. Aber er kam durch den schmalen Spalt, den die Tür noch bot, bevor sie sich ganz schloss.
Wie durch ein Wunder hatte er es geschafft. Er war den Käfern entkommen. Immer noch war er mit Tier so eng verbunden, nutzte seine Sinne, schärfer also vorher und erst jetzt, wo er einen Augenblick hatte, um sich zu orientieren, um die Taubheit und die Blindheit von sich zu nehmen, erkannte Torryn, dass die Kabelfaser seiner Lichtpeitsche durch das Gewicht der Tür zerquetscht worden war. Die Waffe ließ sich ohne funktionierenden Führungsstrang für das Eindämmungsfeld nicht benutzen. Torryn steckte die Reste seiner Waffe ein. Erschöpft setzte sich der Adept auf den Boden, drückte seinen schmerzenden Rücken an die Tür und hoffte, dass sie geschlossen blieb, denn nun hatte er nichts mehr, das er gegen die Käfer einsetzen konnte. Er zitterte.
Ein anderer Raum tat sich vor ihm auf.
[Korriban – In einer Ruinenanlage – In einem Raum - Torryn, (Tier)]