So, bin jetzt wieder ausgeruht
Habe ich behauptet, dass einer veralteter wäre als der andere? Glaube nicht.
Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, was du überhaupt mit deinem „schnellen Blick“ auf Wikipedia beabsichtigt hattest und warum du meintest, meinem Hinweis auf die Fundamente des christlichen Glaubens ausgerechnet dieses verstaubte „Loci communes“ entgegenhalten zu müssen.
Ich bezog mich in meinen Argumenten ausschließlich auf den heutigen Stand der christlichen Lehre, und nicht auf Zustände, wie sie vor mehreren Hundert Jahren vorherrschten.
In vielen Ländern z.B. werden aber heute noch "Hexen", vor allem Kinder, von religiösen Menschen umgebracht, unter anderem deswegen, weil Missionare wie Reinhard Bonnke die Menschen dort mit diesen biblischen Ansichten über Hexen indoktriniert haben.
Die hören doch nicht auf damit, weil an europäischen Theologie-Lehrstühlen die historisch-kritische Exegese gefördert wird.
Und du meinst, die hören auf, wenn man Religionen verbietet, Kirchen ihren Sonderstatus nimmt, oder sie sogar ganz abschafft?
Ich finde das alles ganz genau so abscheulich wie du. So sehr, dass ich am liebsten gar nicht darüber nachdenken würde. Ich glaube nur nicht, dass es hauptsächlich an den Religionen liegt, dass so etwas geschieht. Es wird gezielt nach Waffen der Manipulation und Einflussnahme gesucht, um ein krankhaftes Bedürfnis nach Macht ausleben zu können. Und wären es nicht die Religionen, die bereits existieren, dann würde sich solche Menschen wie dieser Reinhard Bonnke eben irgendeine andere Art von Kult ausdenken. Die Religion ist hier nur das Werkzeug, aber nicht die zugrundeliegende Ursache dafür, dass so etwas überhaupt möglich ist.
Die einfachste und effektivste Methode diesen Wahnsinn zu stoppen ist Aufklärung. Es gibt keine Hexen. Das muss man vermitteln.
Und wer soll das vermitteln?
Wohl am besten die Kirchen und religiösen Autoritäten selbst, weil nur sie überhaupt entsprechend großen Einfluss auf ihre Anhänger ausüben können, dass diese wirklich dazu bereit wären, bisherige Überzeugungen einem Umdenken zu unterziehen. Diese Menschen sind ja der Meinung, dass sie im Sinne Gottes handeln. Erst, wenn man ihnen unmissverständlich klarmacht, dass es keinen Gott gibt, der solche Gräueltaten gutheißt, verlieren solche Verbrechen ihre bisherige Legitimation.
Wenn man jedoch die Kirchen abschafft, überlässt man diese Menschen erst recht sich selbst. Und das wird vermutlich fatale Folgen haben, da ihr Glaube oftmals das Einzige ist, das ihnen noch irgendwie Halt gibt.
Aufklärung ist daher dringend nötig, allerdings nicht dahingehend, dass man ihnen die Religion wegnimmt, sondern indem vermittelt wird, wie sie wirklich verstanden und gelebt werden muss, um Gutes bewirken zu können.
Diesen Gedanken missverstehst du leider durchgängig als Ablehnung jeder Auslegung, aber das ist er nicht. Er ist eine Beschreibung ihrer Unzulänglichkeit und ein Anbieten einer besseren Methode, wenn es um reelle Probleme wie "Hexen"morde oder Missbrauch geht. Und dieses notwendige Wachrütteln, kann auch die modernste Auslegung leider nicht leisten meiner Meinung nach.
Ich hab eigentlich immer darauf hingewiesen, dass die moderne Auslegung nur der erste Schritt sein kann. Auf ihr aufbauend kann sich aber auch die „Gottesrede“ reformieren und den sozialen Errungenschaften moderner Gesellschaften Rechnung tragen. Und wenn sich eine solche moderne Predigt erstmal durchgesetzt hat, kann sie gerade auch in solchen Ländern, in denen sich Menschen im Namen Gottes gegenseitig abschlachten, möglicherweise eine Überzeugungskraft entfalten, die positive Veränderung anstößt. Die immense Einflussfähigkeit, die der Religion innewohnt, kann ja nicht nur für Schlechtes missbraucht, sondern ebenso für Gutes eingesetzt werden.
Eben. Oben hattest du noch suggeriert, das zu sagen würde in Richtung Bevormundung gehen. Jetzt sind wir glaub ich auf dem gleichen Blatt..
Du verkehrst hier auch gerade was. Ich hab nie suggeriert, dass es bevormundend sei, jemanden auf einen faktischen Irrtum hinzuweisen, wie etwa den, dass die Erde keine Scheibe sein kann.
Ein Gläubiger hingegen kann sich dafür entscheiden, an einen Gott zu glauben, ohne dabei die objektive Wahrheit ignorieren zu müssen. Darüber hatten wir zuvor doch schon lang und breit gesprochen: wir wissen nicht, ob es einen Gott gibt.
Ihm diese Entscheidung als Geistesschwäche auszulegen, die überwunden werden muss, DAS finde ich im Kern bevormundend.
Wenn eine Sicht auf die Welt nichts mit der Realität zu tun hat, dann ist sie schwachsinnig.
Es ist dabei qualitativ unerheblich, ob diese Sicht aus einer Verschwörungstheorie, aus der Bibel oder aus einer persönlichen Meinung entsteht.
Ich finde nicht, dass es qualitativ unerheblich ist. Es macht einen Unterschied, ob ich glaube, dass die Erde eine Scheibe ist, obwohl es zig Beweise gibt, die dem widersprechen. Oder ob ich an einen Gott glaube, der weder beweisbar, noch unbeweisbar ist.
Die Antworten die sie auf diese Sinnfragen anbietet, stehen aber sehr häufig in direktem Widerspruch zu den Kausalzusammenhängen, die wir mit der Wissenschaft in der Zwischenzeit erschlossen haben. Früher warf Zeus in Wut Blitze, heute wissen wir um die naturwissenschaftliche Erklärung, die keinen Raum für Zeus mehr zulässt
Diese Entwicklung, dass die Kirche nicht mehr in direktem Wettstreit mit den Naturwissenschaften trifft, ist ja auch noch relativ jung. Das hat sich erst im 20.Jahrhundert, durch den allgemeinen Fortschritt, so richtig durchgesetzt.
Der Vorteil der Wissenschaft gegenüber Religion ist also gerade der, dass sie keinen Sinn anbietet, sondern nur nackte Daten.
Manchen Menschen sind nackte Daten aber möglicherweise zu wenig, um gut durchs Leben zu kommen. Und Sinnfragen werden häufig auch dann interessant, sobald die Naturwissenschaften mit ihren empirischen Erklärungsmodellen an Grenzen stoßen, was noch oft genug der Fall ist.
Von Werner Heisenberg stammt z.B. dieses bekannte Zitat: "Der erste Trank aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."
Wie bewertest du eigentlich philosophisch-ethische Fragestellungen, die ebenso wie die Religion einem symbolischen Weltbild zuzuordnen sind?
Findest du es auch überflüssig, sich Gedanken darüber zu machen, ob es z.B. moralisch vertretbar ist, Lebewesen genetisch zu verändern, oder Designer-Babys herzustellen, nur deshalb, weil wir biologisch mittlerweile die Möglichkeit dazu haben?
Sinnfragen können auch dazu dienen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Möglichkeiten in moralisch-ethischer Hinsicht kritisch zu hinterfragen.
Ich würde in keiner Welt leben wollen, in der über "nackte Daten" nicht mehr hinausgeblickt wird. Die Vorstellung find ich gruselig.