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Vrin und Brückencrew
Vrin D’Grees stand auf der Brücke seines neuen Schiffes und ignorierte den Kommandosessel, der für republikanisches Schiffsdesigns so typisch war. Der Zygerrianer tat dies nicht, weil er als ehemaliger Commodore der imperialen Flotte etwa eine tiefe Abneigung gegen die Republik verspürte, sondern aus einem ganz praktischen Grund: Er war es einfach nicht gewohnt sein Schiff im Sitzen zu befehligen. Imperiale Konstruktionen bevorzugten ihre Kommandanten stehend und dazu noch über den Köpfen der Brückencrew. Und eine langjährige Gewohnheit ließ sich nicht so einfach abschütteln. Zumal Vrin zum ersten Mal seit längerem wieder so etwas wie Aufregung verspürte. Seit seiner Desertation vom Imperium hatte Vrin nun wieder die Möglichkeit, Teil eines größeren Ganzen zu werden. Und was noch wichtiger war, er konnte dies als Kommandant eines Schiffes sein. Dies war der für Vrin wichtigste Punkt überhaupt. Der Zygerrianer hatte vor einiger Zeit erkannt, dass er Zeit seines Lebens von größeren Mächten lediglich benutzt worden war. Sein Volk hatte sich nicht getraut, die „alten Wege“ ihrer Vorfahren wieder neu zu beschreiten. Dort war er ein Ausgestoßener. Die Republik hatte dafür gesorgt, indem sie die liberaleren Fraktionen auf Zygerria verdeckt unterstützt hatte. Aber auch die Republik war nur benutzt worden. Das Kartell der Hutten hatte die Republik auf Zygerrias drohenden Bürgerkrieg aufmerksam gemacht und diese benutzt, um sich mögliche Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Und vor kurzem erst hatte er erfahren, dass das Imperium dies alles stillschweigend beobachtet hatte. Sein Dienst in der Flotte, ständig geprägt davon sich als Zygerrianer doppelt und dreifach beweisen zu müssen, war ihm schlussendlich wie eine Farce vorgekommen. Dem hatte er ein Ende gesetzt. Sein Anschluss an das Syndikat der Schwarzen Sonne war ihm sehr leicht gefallen. Die Organisation war verblüffend offen und direkt darüber, was ihre Existenz ausmachte. Mehr noch, es gab keine Verheimlichung darüber, dass die Organisation ihre Mitglieder zu einem gewissen Grad benutzte. Im Gegenzug aber waren die Aussagen über die Zusammenarbeit und den gegenseitigen Schutz keine holen Phrasen. Normalerweise konnte sich ein Mitglied auf das andere verlassen, wenn es darauf ankam. De Schwur sorgte dafür. Und schließlich bekam Vrin durch die Black Sun auch wieder das Kommando über ein Schiff. Danach hatte er sich am meisten gesehnt. Denn nur hier, in der Tiefe des Alls, fühlte er sich wirklich frei.
Der zygerrianische Kommandant beobachtete, wie der Hyperraum abrupt den Sternen des Helska-Systems wich und die »Cruel Moon« mit den beiden anderen Fregatten wieder in den Normalraum wechselte. Aufgrund der hohen Eintrittsgeschwindigkeit, aber auch wegen der höheren Leistungsfähigkeit des Schiffsantriebs, waren sie ein gutes Stück schneller, als ihre beiden Begleiter. Sein Navigator und Zweiter Offizier, Toth Mallix, ließ die Fregatte eine Ehrenrunde um die beiden anderen Schiffe drehen und drosselte so die Austrittsgeschwindigkeit.
Vrin warf dem Harch ein schmales, kaltes Lächeln zu. Er hatte den Navigator und Steuermann vor dem Hyperraumeintritt gewarnt, nicht zu schnell in diesen einzutreten. Mallix quittierte den Blick seines Kommandanten mit einem nervösen Klicken seiner Kieferklauen und senkte seine sechs Augen schnell auf das Display vor ihm. Der Zygerrianer wollte vor seinem neuen Arbeitgeber einen professionellen Eindruck machen. Und mit seinem Manöver hatte der Harch buchstäblich noch einmal die Kurve bekommen.
Seine neue Crew hatte schon früh gelernt, seinen etwas strengeren Führungsstil zu akzeptieren. Vrin gab sich keinen Illusionen hin. Jahrelanges Training einer imperialen Crew konnte er hier nicht erwarten. Doch er würde die nötigen Standards durchsetzen, die er für unabdingbar und auch machbar hielt. Am Anfang hatten sich einige Crewmitglieder dagegen gesträubt, ja sogar offen aufgelehnt. Die linke Hand des Zygerrianers legte sich kurz auf den Griff seiner Schockpeitsche, die er neben seinem Blaster immer bei sich trug. Er hatte die unwilligen Crewmitglieder doch recht schnell motivieren können. Aber abgesehen davon würde er sich um die Belange der Mannschaft kümmern. Vrin wusste, wie wichtig eine gut funktionierende und motivierte Besatzung war. Und neben der Peitsche kannte er auch das Zuckerbrot: Für gute Leistungen würde er entsprechend belohnen und überhaupt dafür Sorgen, dass die Crew ihren gerechten Anteil an allem erhielt.
Sein Blick fiel auf Aeroth Verasx, seinen Ersten Offizier und Stellvertreter. Der Nikto erwiderte den Blick ohne Furcht. Im Gegenteil. Verasx war von Beginn an ein Befürworter von mehr Disziplin an Bord gewesen. Und die Kompetenz des Mannes war unbestreitbar. Wie auch immer dessen Hintergrund aussah, er hatte sein Handwerk gut gelernt. Vrin war froh, dass sein Stellvertreter über entsprechende Fähigkeiten verfügte. Gleichzeitig warf dies natürlich Fragen auf, die Vrin nur zu gerne beantwortet bekommen würde. Vorerst musste das allerdings zurückstehen.
Pateessa Lydia Rhys meldete sich von der Kommstation. »Ad’ika Uwa Too möchte mit ihnen sprechen, Captain.«
»Danke, Ms. Rhys«, nickte der Zygerrianer und ging zum Holoprojektor. Eine seiner ersten Maßnahmen war gewesen, die Anrede Sir oder Captain für sich zu beanspruchen. Im Gegenzug ließ er seinen Crewmitgliedern ebenfalls eine höfliche Anrede zukommen.
Der Holoprojektor erwachte zum Leben, als er ihn aktivierte und sich zwei Gestalten formten. Ad’ika Uwa Too war ihm bereits bekannt, doch der Kommandant des zweiten Piratenschiffs bisher nicht. Natürlich hatte er gehört, dass Reef Rapture ein Karkarodon war. Und spätestens seit er den Anführer seines eigenen Enterkommandos kennen gelernt hatte, wusste er, welche rein physische Präsenz diese Spezies an den Tag legen konnte. Doch Reef schien diese Maßstäbe noch weiter hochzuschrauben. Er schien besonders groß, muskelbepackt und düster. Vrin war davon bisher nicht allzu sehr beeindruckt. Er hatte zu viele Muskelpakete kennen gelernt, denen es an anderer Stelle mangelte. Allerdings war er auch nicht bereit, den Karkarodon zu unterschätzen. Immerhin hatte dieser wie er eine Offizierslaufbahn absolviert. Vrin war nicht wenig erstaunt gewesen, als er erfahren hatte, dass der Karkarodon wie er ein Deserteur war; allerdings ein republikanischer. Diese Tatsache störte ihn jedoch nicht. Der Zygerrianer war Profi und für ihn waren sie weder Ex-Imperialer noch Ex-Republikaner, sondern alle Mitglieder des Syndikats. Weder das Imperium noch die Republik bedeuteten Vrin noch irgendetwas. Er hatte sich geschworen, wenn irgendwie möglich, nie auch nur wieder einen Fuß auf einen Planeten zu setzen. Der schwarze Ozean des Weltraumes war seine Heimat und die Black Sun seine neue Familie.
Mit einem kurzen Nicken hatte er seine beiden Gesprächspartner gegrüßt und dann den Ausführungen Uwa Toos aufmerksam zugehört. Die Hutten! Von allen Prüfungen hatte das Schicksal ihn zu einem Schlag gegen die Hutten geführt. Der Zygerrianer deutete dies als ein neckisches Augenzwinkern der Schicksalsgöttin. Ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen, als er antwortete.
»Nein, ich habe keine weiteren Fragen, Ad’ika Too.«
Wie Uwa Too ja bereits ausgeführt hatte, gab es keine weiteren Informationen zur Verteidigung dieser Station. Alles Weitere würde sich erst beim Angriff selbst zeigen. Vrin verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu Reef, ob dieser etwaige Fragen hatte.
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Vrin, Reef (Holo), Uwa Too (Holo)