Aviendha
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[Doornik-881, Kutag, Landefeld der zentralen Kolonie, Barrikaden]- Aviendha, Captain Shepard, 15t88
„Es geht los.“
Shepards Worte lenkten Aviendhas Aufmerksamkeit weg vom trostlosen Anblick der Teils resigniert, teils verzweifelt wartenden Arbeitern und Kolonisten von Kutag hin zum Himmel des Planeten, den der Armeeoffizier in diesem Moment mit seinem Makrofernglas beobachtete. Auch mit bloßem Auge war mittlerweile zu erkennen, dass sich die Volcanic dem ihr zugedachten Landefeld näherte – und dass der Eintritt in die Atmosphäre Kutags seinen Tribut zollte. Die Legatin zuckte leicht zusammen, als sich ein kleinerer Gegenstand vom Rumpf des Dreadnaughts zu lösen schien und eine Alternativroute, zum Glück weg von den wartenden Männern, Frauen und Kindern, einschlug. Shepard ließ sein Fernglas langsam sinken.
„Das muss die Astute gewesen sein.“
Ein wenig meinte Aviendha, so etwas wie Wehmut in der Stimme des Mannes zu erkennen, was sie darauf zurückführte, dass es eben dieser kleine Transporter gewesen war, auf dem er eine kleine Gruppe Flüchtlinge – unter ihnen Präfekt Ellis – von N’zoth hatte evakuieren können. Das Gefecht bei New Brigia hatte dem kleineren Raumschiff schließlich den Rest gegeben und nun war ihm vom atmosphärischen Druck Kutags der sprichwörtliche Rest gegeben worden. Mit einem Schlucken fragte die Legatin sich, ob die Volcanic selbst die Strapazen der Landung und der Rückkehr ins All wohl besser überstehen würde.
„Keine Sorge, Legatin, ein Dreadnaught ist auf andere Belastungen hin ausgelegt als ein CR25…“
Der Armeeveteran musste ihre Gedanken erraten haben und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, ehe er einem seiner Untergebenen zu Füßen des binären Lastenhebers per Handzeichen zu verstehen hab, die Hebeplattform des Droiden zu senken, die sie beide als erhöhten Aussichtspunkt genutzt hatten. Noch bevor sie ganz am Boden hinter den provisorischen Barrikaden angekommen waren, schnallte er sich zu Aviendhas Überraschung sein Holster mitsamt seiner Sekundärwaffe ab und reichte es ihr.
„BlasTech SE-14r. Nichts Besonderes, aber vermutlich ein größeres Kaliber, als Sie es gewohnt sind.“
Er zuckte mit den Schultern, während die Legatin ihre Hand zögernd nach der Waffe ausstreckte. Shepard wusste natürlich, dass sie es sich schon auf Bothawui zur Gewohnheit gemacht hatte, eine kleinere Waffe mit sich zu führen, um im Falle von Angriffen durch Partisanen auf dem damals noch imperial besetzten Planeten nicht vollkommen hilflos zu sein, und er hatte ihr nach ihrer Ankunft auf N’zoth so manche Stunde im Schießstand seiner Einheit eingeräumt, in deren Rahmen sie ihre Vertrautheit mit Faustfeuerwaffen hatte steigern können. Die SE-14r allerdings, die sie sich nun leicht unsicher mit ihrem Holster um ihre Hüften schnallte, war die ausgewachsene Sekundärwaffe eines imperialen Soldaten, kein winziger Holdout-Blaster, den man im Ärmel oder in einem Schulterholster hätte verbergen können. Zögernd zog sie die Pistole und überprüfte Sicherung und Ladung, was Shepard zu einem zufriedenen Nicken motivierte.
„Das klappt schon.“
Hinter ihnen war aus dem unterschwelligen Summen, das von der Ankunft der Volcanic kündete, ein fast ohrenbetäubendes Grollen geworden, obwohl zwischen den Barrikaden und dem designierten Landeplatz des Kreuzers natürlich noch ein gewisser Sicherheitsabstand einkalkuliert worden war. Die Augen Aviendhas und wohl aller Kolonisten waren erwartungsvoll auf das Raumschiff gerichtet, nur die die Barrikaden bewachenden Soldaten hatten ihr Hauptaugenmerk weiterhin auf die wartenden Zivilisten gerichtet, sich wohl der Tatsache allzu bewusst, dass ein kleiner Funken ausreichte, um die Situation zum Kippen zu bringen. Im selben Moment erwachte das Comlink in Aviendhas Ohr zum Leben, immer noch verbunden mit der Funkanlage, die ihr es ihr ermöglichte, Aaronsons Kommunikation zu empfangen, und die Stimme des Commanders sprach zu ihr. Sie konnte sich vorstellen, dass sie merklich blasser im Gesicht wurde, als ihr Blick nach Empfang des Funkspruchs wieder Shepards Gesicht suchte.
„Die Yevethaner sind im System…“
Bevor der Captain auf diese Hiobsbotschaft reagieren konnte, geschahen mehrere Dinge. Plötzlich war Aaronsons Stimme für alle zu hören, wohl verstärkt durch eine Art Lautsprecheranlage an Bord des Dreadnaughts, und begann damit, die Kolonisten über das Nahen der Yevethaner aufzuklären – wenngleich er den Namen der Spezies nicht in den Mund nahm. Fast gleichzeitig setzte sich Ellis – der zuvor mit Nylar einen der Kontrollposten überwacht hatte – in Bewegung und spurtete mit einer für einen Mann seiner Gewichtsklasse beachtlichen Geschwindigkeit auf die ausgefahrenen Einstiegsrampen des gelandeten Kriegsschiffes zu, sodass man im bleiernen Schweigen, das auf Aaronsons Durchsage folgte, fast das Geräusch seiner sich hastig entfernenden Schritte hätte hören können. Als ihr klar wurde, welchen Eindruck das Bild des einsam fliehenden Präfekten wohl auf die wartenden Zivilisten machen musste, war es, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Sie fliehen! Sie wollen uns zurücklassen!“
„Sie wollen nur ihre eigene Haut retten! Zmits hatte Recht!
„Lasst uns durch!“
Aus den einzelnen Rufen wurden wütende Proteste, als sich die Erkenntnis wie ein Lauffeuer in die hinteren Reihen verbreitete, wo die niedriger priorisierten Kolonisten – zumeist kräftige Männer, die auf sich selbst achten konnten – angesiedelt waren. Der Überzeugung, dass die imperialen Funktionäre wohl doch zumindest einen Teil der Kolonie zurücklassen und den unbekannten Aggressoren ausliefern wollten, sorgte dafür, dass sie versuchten, sich von hinten nach vorne zu drängeln. Die Menge geriet in Bewegung – schon waren die ersten panischen Rufe zu hören und das Geschrei von Kindern. Die Soldaten an den Durchlasspunkten warfen sich nervöse Blicke zu und mehr als ein Finger war bereits panisch um den Abzug einer Waffe gekrümmt. Rasch schaltete Aviendha ihr Comlink auf das taktische Funknetz des Restes der lokalen Sicherheitskräfte.
„Lasst sie durch! Keine Kontrollen – sorgt nur dafür, dass sie sich nicht gegenseitig tottrampeln!“
Sie wusste natürlich, dass bereits dieser Befehl mehr war, als sie Soldaten würden leisten können, doch neben ihr nickte Shepard nur und machte keinerlei Anstalten, ihren Befehl zu widerrufen. Stattdessen zog er sie leicht bei Seite, als die ersten Soldaten an den Barrikaden den Weg freigaben und die ersten Flüchtlinge sich durch die Nadelöhre auf das Landefeld ergossen – zumeist Frauen, die kleine Kinder an sich drückten, und die ebenso sehr rannten, um den relativen Schutz der Volcanic zu erreichen, als auch, um dem Druck der nachfolgenden Massen zu entkommen. Dann nahm er von Nylar eine Megafonscheibe an sich und erklomm halb die Barrikaden, bevor seine elektronisch verstärkte Stimme den einsetzenden Tumult übertönte:
„Bürger von Kutag! Niemand wird zurückgelassen! Nähern Sie sich den Durchlasspunkten in Ruhe und geordnet und niemandem wird etwas geschehen!“
Aviendha konnte nicht erkennen, ob seine Worte irgendeine Auswirkungen auf die panischen Flüchtlinge hatten. Immer mehr durchströmten die Durchlasspunkte, rannten, strauchelten, doch niemand fiel und wurde durch die nachfolgenden Personen zu Boden gerissen. Doch das war auf ihrer Seite der Barrikaden – wie es auf der anderen Seite aussah, darüber konnte die Legatin nur mutmaßen.
„Captain! Da versuchen welche, die Barrikaden zu stürmen!“
Alarmiert blickte Aviendha sich in Richtung des Soldaten um, der gesprochen hatte, und erkannte. wie sich mehrere männliche Kolonisten daran versuchten, die Barrikaden zu überwinden, unter den Augen – und Blasterläufen – zweier sichtlich panischer Soldaten.
„Zurück! Zurück oder wir eröffnen das Feuer!“
Und dann war es schon zu spät. Der erste Schuss fiel und einer der Arbeiter stürzte mit einem rauchenden Krater in der Brust rückwärts die Barrikade, während seine Kumpane in Wutgeschrei ausbrachen und jedwede Vorsicht vergaßen. Wie betäubt beobachtete Aviendha, wie sich nun insgesamt vier Männer über die Barrikaden geschwungen hatten und sich auf die beiden jungen Soldaten stürzten, denen es in ihrer Panik nicht gelang, mehr als ein paar ungezielte und wirkungslose Schüsse abzugeben. Die gellenden Todesschreie der Uniformierten gingen im allgemeinen Lärm unter, mit bloßen Händen niedergemacht von vier Männern, an denen nichts menschliches mehr zu sein schien und aus deren Augen der pure Blutdurst sprach, als sie nun die Anwesenheit der Legatin bemerkte, durch die Ströme an panisch Fliehenden abgeschnitten von Shepard, Nylar oder dem nächsten Posten. Die vier setzten sich in Bewegung – und Aviendha reagierte automatisch. Die Routine des Schießstandes gewann Überhand, als sie ihre Pistole anhob, zielte – und feuerte. Einmal, zweimal, viermal… bis der letzte der Männer mit ungläubigem Blick langsam in die Knie ging und schließlich vollends zusammenbrach.
Überdeutlich konnte die Legatin ihren Herzschlag vernehmen, als sie einen Schritt zurückwich, noch einen… und plötzlich von einem kräftigen Körper erfasst und zu Boden geschleudert wurde. Die Waffe entglitt ihren betäubten Fingern, während er Aufprall auf dem Durabetonboden ihr die Luft aus den Lungen trieb und sie für einen gnädigen Moment nicht spüren konnte, wie die Fußspitze des nächsten Flüchtlings sich in ihre Magengrube bohrte, ehe eine allumfassende Dunkelheit jede Empfindung verschlang…
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Als sie wieder zu sich kam, war es Nylar, die sie sah, über ihren anscheinend liegenden Körper gebeugt und damit beschäftigt, ihr eine klebrige Flüssigkeit – Blut? – vom Mund abzutupfen. Neben der im schummrigen, auf künstliche Beleuchtung hindeutenden Licht seltsam fremd wirkenden blauen Haut der Chiss hatten die glühenden Fotorezeptoren von 15t88, dessen totenkopfähnlicher Schädel sich mit einem leichten Surren ebenfalls zu ihr vorbeugte, fast etwas beruhigendes.
„Legatin, geht es Ihnen gut…?“
Fast sprach so etwas wie Sorge aus der elektronischen Stimme des Droiden.
„Ich befürchte, Sie waren für eine geraume Zeit außer Funktion.“
„So lange dann auch wieder nicht…“, korrigierte Nylar den Droiden trocken, nachdem sie ihre Arbeit an Aviendhas Gesicht augenscheinlich zu ihrer Zufriedenheit abgeschlossen hatte.
„Die Volcanic hat vor zehn Standardminuten mit dem Start aus der Atmosphäre begonnen. Alle Kolonisten von Kutag sind an Bord.“
Etwas betreten sah die Chiss zur Seite.
„Zumindest alle, die überlebt haben.“
Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Die Barrikaden. Die Arbeiter. Die jungen Soldaten… Erst jetzt fiel ihr die Waffe auf, die neben dem provisorischen Feldbett, auf das man sie gelegt hatte, auf einer Anrichte lag. Es war die SE-14r… mit ein paar Kratzern.
„Captain Shepard meinte, Sie sollen sie behalten“, erläuterte Nylar, als ihr der Blick ihrer Vorgesetzten auffiel.
„Schließlich hat sie Ihnen wohl das Leben gerettet. Sie, und der Captain, natürlich.“
Die Chiss lächelte, doch die Erschöpfung war ihr dann doch deutlich anzusehen.
„Ich bin mit Präfekt Stant noch dabei, eine Übersicht der auf die Volcanic evakuierten Kolonisten und überlebenden Soldaten anzufertigen. Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass das auch bis zu unserem Hyperraumsprung warten kann…“
Ein humorloses Lachen entfuhr der Präfektin.
„Wozu sich die ganze Arbeit machen, wenn die Flotte der Yevethaner uns doch noch zusammenschießt…?“
[Doornik-881-System, nahe Kutag, DRD Volcanic, Frachtraum]- Aviendha, Nylar, 15t88, Flüchtlinge
„Es geht los.“
Shepards Worte lenkten Aviendhas Aufmerksamkeit weg vom trostlosen Anblick der Teils resigniert, teils verzweifelt wartenden Arbeitern und Kolonisten von Kutag hin zum Himmel des Planeten, den der Armeeoffizier in diesem Moment mit seinem Makrofernglas beobachtete. Auch mit bloßem Auge war mittlerweile zu erkennen, dass sich die Volcanic dem ihr zugedachten Landefeld näherte – und dass der Eintritt in die Atmosphäre Kutags seinen Tribut zollte. Die Legatin zuckte leicht zusammen, als sich ein kleinerer Gegenstand vom Rumpf des Dreadnaughts zu lösen schien und eine Alternativroute, zum Glück weg von den wartenden Männern, Frauen und Kindern, einschlug. Shepard ließ sein Fernglas langsam sinken.
„Das muss die Astute gewesen sein.“
Ein wenig meinte Aviendha, so etwas wie Wehmut in der Stimme des Mannes zu erkennen, was sie darauf zurückführte, dass es eben dieser kleine Transporter gewesen war, auf dem er eine kleine Gruppe Flüchtlinge – unter ihnen Präfekt Ellis – von N’zoth hatte evakuieren können. Das Gefecht bei New Brigia hatte dem kleineren Raumschiff schließlich den Rest gegeben und nun war ihm vom atmosphärischen Druck Kutags der sprichwörtliche Rest gegeben worden. Mit einem Schlucken fragte die Legatin sich, ob die Volcanic selbst die Strapazen der Landung und der Rückkehr ins All wohl besser überstehen würde.
„Keine Sorge, Legatin, ein Dreadnaught ist auf andere Belastungen hin ausgelegt als ein CR25…“
Der Armeeveteran musste ihre Gedanken erraten haben und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, ehe er einem seiner Untergebenen zu Füßen des binären Lastenhebers per Handzeichen zu verstehen hab, die Hebeplattform des Droiden zu senken, die sie beide als erhöhten Aussichtspunkt genutzt hatten. Noch bevor sie ganz am Boden hinter den provisorischen Barrikaden angekommen waren, schnallte er sich zu Aviendhas Überraschung sein Holster mitsamt seiner Sekundärwaffe ab und reichte es ihr.
„BlasTech SE-14r. Nichts Besonderes, aber vermutlich ein größeres Kaliber, als Sie es gewohnt sind.“
Er zuckte mit den Schultern, während die Legatin ihre Hand zögernd nach der Waffe ausstreckte. Shepard wusste natürlich, dass sie es sich schon auf Bothawui zur Gewohnheit gemacht hatte, eine kleinere Waffe mit sich zu führen, um im Falle von Angriffen durch Partisanen auf dem damals noch imperial besetzten Planeten nicht vollkommen hilflos zu sein, und er hatte ihr nach ihrer Ankunft auf N’zoth so manche Stunde im Schießstand seiner Einheit eingeräumt, in deren Rahmen sie ihre Vertrautheit mit Faustfeuerwaffen hatte steigern können. Die SE-14r allerdings, die sie sich nun leicht unsicher mit ihrem Holster um ihre Hüften schnallte, war die ausgewachsene Sekundärwaffe eines imperialen Soldaten, kein winziger Holdout-Blaster, den man im Ärmel oder in einem Schulterholster hätte verbergen können. Zögernd zog sie die Pistole und überprüfte Sicherung und Ladung, was Shepard zu einem zufriedenen Nicken motivierte.
„Das klappt schon.“
Hinter ihnen war aus dem unterschwelligen Summen, das von der Ankunft der Volcanic kündete, ein fast ohrenbetäubendes Grollen geworden, obwohl zwischen den Barrikaden und dem designierten Landeplatz des Kreuzers natürlich noch ein gewisser Sicherheitsabstand einkalkuliert worden war. Die Augen Aviendhas und wohl aller Kolonisten waren erwartungsvoll auf das Raumschiff gerichtet, nur die die Barrikaden bewachenden Soldaten hatten ihr Hauptaugenmerk weiterhin auf die wartenden Zivilisten gerichtet, sich wohl der Tatsache allzu bewusst, dass ein kleiner Funken ausreichte, um die Situation zum Kippen zu bringen. Im selben Moment erwachte das Comlink in Aviendhas Ohr zum Leben, immer noch verbunden mit der Funkanlage, die ihr es ihr ermöglichte, Aaronsons Kommunikation zu empfangen, und die Stimme des Commanders sprach zu ihr. Sie konnte sich vorstellen, dass sie merklich blasser im Gesicht wurde, als ihr Blick nach Empfang des Funkspruchs wieder Shepards Gesicht suchte.
„Die Yevethaner sind im System…“
Bevor der Captain auf diese Hiobsbotschaft reagieren konnte, geschahen mehrere Dinge. Plötzlich war Aaronsons Stimme für alle zu hören, wohl verstärkt durch eine Art Lautsprecheranlage an Bord des Dreadnaughts, und begann damit, die Kolonisten über das Nahen der Yevethaner aufzuklären – wenngleich er den Namen der Spezies nicht in den Mund nahm. Fast gleichzeitig setzte sich Ellis – der zuvor mit Nylar einen der Kontrollposten überwacht hatte – in Bewegung und spurtete mit einer für einen Mann seiner Gewichtsklasse beachtlichen Geschwindigkeit auf die ausgefahrenen Einstiegsrampen des gelandeten Kriegsschiffes zu, sodass man im bleiernen Schweigen, das auf Aaronsons Durchsage folgte, fast das Geräusch seiner sich hastig entfernenden Schritte hätte hören können. Als ihr klar wurde, welchen Eindruck das Bild des einsam fliehenden Präfekten wohl auf die wartenden Zivilisten machen musste, war es, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Sie fliehen! Sie wollen uns zurücklassen!“
„Sie wollen nur ihre eigene Haut retten! Zmits hatte Recht!
„Lasst uns durch!“
Aus den einzelnen Rufen wurden wütende Proteste, als sich die Erkenntnis wie ein Lauffeuer in die hinteren Reihen verbreitete, wo die niedriger priorisierten Kolonisten – zumeist kräftige Männer, die auf sich selbst achten konnten – angesiedelt waren. Der Überzeugung, dass die imperialen Funktionäre wohl doch zumindest einen Teil der Kolonie zurücklassen und den unbekannten Aggressoren ausliefern wollten, sorgte dafür, dass sie versuchten, sich von hinten nach vorne zu drängeln. Die Menge geriet in Bewegung – schon waren die ersten panischen Rufe zu hören und das Geschrei von Kindern. Die Soldaten an den Durchlasspunkten warfen sich nervöse Blicke zu und mehr als ein Finger war bereits panisch um den Abzug einer Waffe gekrümmt. Rasch schaltete Aviendha ihr Comlink auf das taktische Funknetz des Restes der lokalen Sicherheitskräfte.
„Lasst sie durch! Keine Kontrollen – sorgt nur dafür, dass sie sich nicht gegenseitig tottrampeln!“
Sie wusste natürlich, dass bereits dieser Befehl mehr war, als sie Soldaten würden leisten können, doch neben ihr nickte Shepard nur und machte keinerlei Anstalten, ihren Befehl zu widerrufen. Stattdessen zog er sie leicht bei Seite, als die ersten Soldaten an den Barrikaden den Weg freigaben und die ersten Flüchtlinge sich durch die Nadelöhre auf das Landefeld ergossen – zumeist Frauen, die kleine Kinder an sich drückten, und die ebenso sehr rannten, um den relativen Schutz der Volcanic zu erreichen, als auch, um dem Druck der nachfolgenden Massen zu entkommen. Dann nahm er von Nylar eine Megafonscheibe an sich und erklomm halb die Barrikaden, bevor seine elektronisch verstärkte Stimme den einsetzenden Tumult übertönte:
„Bürger von Kutag! Niemand wird zurückgelassen! Nähern Sie sich den Durchlasspunkten in Ruhe und geordnet und niemandem wird etwas geschehen!“
Aviendha konnte nicht erkennen, ob seine Worte irgendeine Auswirkungen auf die panischen Flüchtlinge hatten. Immer mehr durchströmten die Durchlasspunkte, rannten, strauchelten, doch niemand fiel und wurde durch die nachfolgenden Personen zu Boden gerissen. Doch das war auf ihrer Seite der Barrikaden – wie es auf der anderen Seite aussah, darüber konnte die Legatin nur mutmaßen.
„Captain! Da versuchen welche, die Barrikaden zu stürmen!“
Alarmiert blickte Aviendha sich in Richtung des Soldaten um, der gesprochen hatte, und erkannte. wie sich mehrere männliche Kolonisten daran versuchten, die Barrikaden zu überwinden, unter den Augen – und Blasterläufen – zweier sichtlich panischer Soldaten.
„Zurück! Zurück oder wir eröffnen das Feuer!“
Und dann war es schon zu spät. Der erste Schuss fiel und einer der Arbeiter stürzte mit einem rauchenden Krater in der Brust rückwärts die Barrikade, während seine Kumpane in Wutgeschrei ausbrachen und jedwede Vorsicht vergaßen. Wie betäubt beobachtete Aviendha, wie sich nun insgesamt vier Männer über die Barrikaden geschwungen hatten und sich auf die beiden jungen Soldaten stürzten, denen es in ihrer Panik nicht gelang, mehr als ein paar ungezielte und wirkungslose Schüsse abzugeben. Die gellenden Todesschreie der Uniformierten gingen im allgemeinen Lärm unter, mit bloßen Händen niedergemacht von vier Männern, an denen nichts menschliches mehr zu sein schien und aus deren Augen der pure Blutdurst sprach, als sie nun die Anwesenheit der Legatin bemerkte, durch die Ströme an panisch Fliehenden abgeschnitten von Shepard, Nylar oder dem nächsten Posten. Die vier setzten sich in Bewegung – und Aviendha reagierte automatisch. Die Routine des Schießstandes gewann Überhand, als sie ihre Pistole anhob, zielte – und feuerte. Einmal, zweimal, viermal… bis der letzte der Männer mit ungläubigem Blick langsam in die Knie ging und schließlich vollends zusammenbrach.
Überdeutlich konnte die Legatin ihren Herzschlag vernehmen, als sie einen Schritt zurückwich, noch einen… und plötzlich von einem kräftigen Körper erfasst und zu Boden geschleudert wurde. Die Waffe entglitt ihren betäubten Fingern, während er Aufprall auf dem Durabetonboden ihr die Luft aus den Lungen trieb und sie für einen gnädigen Moment nicht spüren konnte, wie die Fußspitze des nächsten Flüchtlings sich in ihre Magengrube bohrte, ehe eine allumfassende Dunkelheit jede Empfindung verschlang…
<<||>>
Als sie wieder zu sich kam, war es Nylar, die sie sah, über ihren anscheinend liegenden Körper gebeugt und damit beschäftigt, ihr eine klebrige Flüssigkeit – Blut? – vom Mund abzutupfen. Neben der im schummrigen, auf künstliche Beleuchtung hindeutenden Licht seltsam fremd wirkenden blauen Haut der Chiss hatten die glühenden Fotorezeptoren von 15t88, dessen totenkopfähnlicher Schädel sich mit einem leichten Surren ebenfalls zu ihr vorbeugte, fast etwas beruhigendes.
„Legatin, geht es Ihnen gut…?“
Fast sprach so etwas wie Sorge aus der elektronischen Stimme des Droiden.
„Ich befürchte, Sie waren für eine geraume Zeit außer Funktion.“
„So lange dann auch wieder nicht…“, korrigierte Nylar den Droiden trocken, nachdem sie ihre Arbeit an Aviendhas Gesicht augenscheinlich zu ihrer Zufriedenheit abgeschlossen hatte.
„Die Volcanic hat vor zehn Standardminuten mit dem Start aus der Atmosphäre begonnen. Alle Kolonisten von Kutag sind an Bord.“
Etwas betreten sah die Chiss zur Seite.
„Zumindest alle, die überlebt haben.“
Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Die Barrikaden. Die Arbeiter. Die jungen Soldaten… Erst jetzt fiel ihr die Waffe auf, die neben dem provisorischen Feldbett, auf das man sie gelegt hatte, auf einer Anrichte lag. Es war die SE-14r… mit ein paar Kratzern.
„Captain Shepard meinte, Sie sollen sie behalten“, erläuterte Nylar, als ihr der Blick ihrer Vorgesetzten auffiel.
„Schließlich hat sie Ihnen wohl das Leben gerettet. Sie, und der Captain, natürlich.“
Die Chiss lächelte, doch die Erschöpfung war ihr dann doch deutlich anzusehen.
„Ich bin mit Präfekt Stant noch dabei, eine Übersicht der auf die Volcanic evakuierten Kolonisten und überlebenden Soldaten anzufertigen. Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass das auch bis zu unserem Hyperraumsprung warten kann…“
Ein humorloses Lachen entfuhr der Präfektin.
„Wozu sich die ganze Arbeit machen, wenn die Flotte der Yevethaner uns doch noch zusammenschießt…?“
[Doornik-881-System, nahe Kutag, DRD Volcanic, Frachtraum]- Aviendha, Nylar, 15t88, Flüchtlinge