Naboo

- Naboo - Theed - Krankenhaus -Intensivstation - Krankenzimmer -

Aufwachen war ein merkwürdiger Prozess des lebendigen Körpers. Man tat etwas, ohne es bewusst zu tun, fast so wie Atmen. In den meisten Fällen, wenn Noa Chanelle Cortina erwachte, wusste sie genau, wo sie sich befand. Sie wusste wo sie war oder warum, wusste welcher Tag es war, was sie erwartete und meist konnte sie zumindest grob abschätzen, wie lange sie geschlafen hatte. Das hatte man einfach im Gefühl. Nur, wenn sie am Abend zuvor zu viel getrunken oder in der Nacht zuviel gefeiert hatte, gingen solche Details manchmal verloren und das Bild, das man selbst von sich hatte, musste sich wieder neu zusammen fügen. Als sich Noas Augen diesmal öffneten, fühlte sie eine Schwere auf ihren Lidern, die ihr ebenso unbekannt war wie der klinische, aufgeräumte Raum, in dem sie sich befand. Müde blinzelte sie und drehte ihren Kopf. Die Wände waren weiss und schmucklos, zu ihrer Linken standen zwei Monitore und neben ihrem Kopf baumelte ein verchromter Haltegriff an einem Gurt von der Decke. Sie war im Krankenhaus, realisierte Noa, als ihr Bewusstsein wieder die Kontrolle erlangt hatte und ihren Verstand willkommen hiess. Sie erinnerte sich, warum.

"Zimmer 223. Noa Chanelle Cortina. Mensch. Weiblich."

Die monotone, computergenerierte Stimme eines Droiden bewegte sich durch den Raum und Noa wandte ihren Kopf in die Richtung, aus der sie kam. Die Bewegung fiel ihr schwerer als sie hätte tun sollen, dauerte länger. War es ihre Reaktion, die langsam war, oder die Muskeln in ihrem Körper, die mit Verzögerung auf die Befehle ihres Gehirns reagierten?

"Wiederbewusstsein erlangt nach 46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden."

"46 Stunden?"

Es war das erste Mal nach zwei Tagen der Bewusstlosigkeit, dass Noa sprach. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein raues Krächzen. Sie räusperte sich und ein unangenehmes Gewirr aus dürren, trockenen Ästen schien sich in ihrem Hals verfangen zu haben.

"Ich war so lange... weg?"

Zu sprechen tat weh, doch die Fragen in ihrem Kopf verlangten nach Antworten. Wie war sie entkommen? Wo war Jules Agathon? Wusste das TPD, dass sie hier war und wie ging es Aldridge? Er musste mit ihr zusammen entkommen sein. Noa konnte sich daran erinnern, was passiert war - an alles - doch nur bis zu dem Punkt, als ihr Körper sie im Stich gelassen hatte. Sie war gestorben, ein kleines bisschen. Fast.

"46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden sind vergangen seit Ihrer Einführung in den Bacta-Tank. Eine Verlegung auf eine andere Station wurde in Erwägung gezogen aber nicht ausgeführt. Anhand der Überwachungsdaten kann ich Ihnen bestätigen, dass Sie die Station zu keinem Zeitpunkt verlassen haben."

Verwirrt starrte Noa den Medi-Droiden an.

"Ich war in einem Bacta-Tank?"

"Die Behandlung begann vor 46 Stunden, 34 Minuten..."

"Ja, okay! Ich hab's begriffen!"

Blaffte sie, doch ihre Worte endeten in einem Hustenanfall.

"Wasser... gib mir was zu trinken."

"Negativ. Bewusst herbeigeführte Veränderungen des Organismus sind erst nach einer abgeschlossenen Erstuntersuchung und auf Geheiss des behandelnden Arztes zulässig."

Zum Teufel mit den Regeln. Noa hustete erneut, versuchte Spucke in ihrem Mund zu sammeln und diese zu schlucken. Ihr Hals musste von innen so rot sein wie ein aufgekratzter Insektenstich, aber einer von der ganz großen Sorte.

"Wer ist mein behandelnder Arzt?"

Wollte sie wissen. Der sich durch einen handtellergroßen Repulsorlift bewegende Medidroide schwebte an die linke Kopfseite ihres Bettes.

"Dr. Tinder Foxx."

Mit einem schmalen Glühstab leuchtete der Droide grelles Licht geradewegs in ihre Pupillen. Noa kniff die Augen zu.

"Au! Wie wär's mit einer Warnung?"

"Verzeihung."

Hätte sie nicht bereits gelegen, sie hätte sich erschöpft in die Kissen zurück fallen lassen. Sie spürte noch immer die Steifheit ihres Körpers. Ihren Arm zu heben und ihre Hand zu bewegen fühlte sich an, als steckte sie irgendwo fest, als hätte sie einen Teig geknetet, der zu klebrig geworden war. Warum ausgerechnet sie einen Teig hätte kneten sollen, wusste Noa nicht. Das wäre eher etwas für Cloé gewesen, die auf Lianna saß und zum Glück nicht ahnen konnte, wie es ihrer Schwester ging. Und sie durfte es auch nie erfahren. Cloé hatte genug mit gemacht, mehr als jemals fair ihr gegenüber gewesen war. Sie hatte um ihre Brüder zittern müssen, hatte ihren Vater angefleht sich vom Widerstand auf Coruscant zu distanzieren, um ein Zeichen für die Familie zu setzen und seine Kinder und Enkelkinder nicht zu gefährden. Sie hatte mit Noa gerungen, immer und immer wieder, ihnen geschworen sich niemals in die Angelegenheiten der Defender verwickeln zu lassen, und doch war am Ende sie diejenige gewesen, die durch das Imperium aus ihrer Heimat vertrieben worden war. Cloé hatte bezahlen müssen für etwas an dem sie niemals beteiligt gewesen war, hatte ihr Leben aufgegeben und gesehen, wie der Krieg gegen das Imperium ihre Schwester beinahe das Leben gekostet hatte. Mehr als jeder andere fühlte Noa sich schuldig - und sie war es auch. Obwohl sie sich ausgesprochen und versöhnt hatten, hatte sie das Gefühl, etwas bei Cloé wieder gut machen zu müssen. Was aber tat sie stattdessen? Sie ließ sich ein zweites Mal übel zurichten und das während eines Jobs, der viel sicherer hätte sein sollen. Dieses Mal war sie dem Tod sogar noch knapper entgangen.

"Eine Lungenembolie ist eine kritische Angelegenheit. Bei Ihnen ging es nur noch um Sekunden. Mr. Aldridge Trineer hat ausgesagt, Sie wiederbelebt und mit Sauerstoff versorgt zu haben. Wäre dies nicht geschehen..."

Dr. Foxx war ein Mann mit einem vertrauenswürdigen, runden Gesicht. Seine Stirn war ein wenig hoch, seine Wangen mit feinen Narben überzogen, doch seine braunen Augen huschten freundlich zwischen Noa und dem Report in seinen Händen hin und her.

"Miss Cortina, ich fürchte Sie werden einige Fragen beantworten müssen, sobald das TPD eintrifft. Wir mussten die zuständige Stelle über Ihr Aufwachen informieren."

"Ich habe keine Zeit für so was."


Der Arzt hatte Noa so viel Wasser erlaubt wie sie trinken konnte. Zu Sprechen fiel ihr jetzt leichter und sie schaffte es sogar, ihr Glas selbst fest zu halten. Mit jeder verstreichenden Minute verdrängte ihr Körper mehr von dem Narkosemittel, das ihr für den Aufenthalt im Bacta-Tank gespritzt worden war, und das ihre Glieder und Muskeln hatte schläfrig werden lassen. Ihre Kraft kehrte zurück, wenn auch so langsam wie ein Frachter, dem man den Hyperantrieb ausgebaut hatte.

"Keine Zeit? Ich bedaure, aber Sie haben keine Wahl. Die Kollegen vom TPD sind an ihre Vorschriften gebunden. Es sei denn..."

"Ja?"

"Es sei denn, Sie fühlen sich noch nicht stark genug für eine Vernehmung. In diesem Falle wäre es meine Pflicht, meine Patientin vor Stress zu schützen, der ihre Genesung behindern würde."

Noa dachte nach. Für das TPD hatte sie nichts mehr übrig. Wo waren die "Kollegen" gewesen, als... als sie... und was hatten sie dagegen unternommen, dass Deanna Trineer... einfach nicht mehr da war? Aldridge und sie hatten sich aus dem Ferienhaus befreit, alleine! Niemand war dort gewesen und niemand hatte jetzt das Recht, ihre Geschichte zu hören, an die Noa krampfhaft versuchte nicht zu denken, seit sie aufgewacht war!

"Im Gegenteil, Doctor."

Sie stellte das Glas auf dem Tisch zu ihrer rechten Seite ab, stützte sich auf die Ellbogen und kämpfte sich in eine aufrechte Position.

"Ich fühle mich blendend. Wann werde ich entlassen?"

Dr. Foxx hätte nicht überraschter aussehen können, hätte sie ihm erzählt, dass sie seine uneheliche Tochter wäre.

"Miss, Sie sind noch nicht in der Lage, das Krankenhaus zu verlassen. Ich sagte bereits, dass Ihre Rückenverletzungen noch Schonung benötigen."

"Sie sagten auch, dass Sie aufgrund der Schwere der Verletzungen hoch konzentriertes Bacta verwendet haben."


Eigentlich hätte Noa noch nicht die Stärke haben sollen, so verbissen zu argumentieren, doch sie musste um jeden Preis verhindern, dass Cloé erfuhr, was ihr zugestoßen war. Sie musste Aldridge sehen und sich bei ihm bedanken, musste von Naboo verschwinden und den Fragen des TPD entgehen, und Cris wiedersehen und ihm sagen, dass sie eine zweite Chance mit ihm wollte. Oder eine dritte. Sie hatte vergessen, wie oft sie es schon vermasselt hatten.

"Das ist richtig und die Ergebnisse sind für dieses frühe Stadium zufriedenstellend. Das bedeutet jedoch nicht..."

"Also halten Sie mich gegen meinen Willen fest, ja?"


Der arme Dr. Foxx wusste kaum, wie ihm geschah. Es tat Noa Leid, ihn so zu überrumpeln, es war ja nichts persönliches. Er verstand nur einfach nicht, konnte nicht verstehen.

"Doctor, haben Sie meine ID gesehen?"


Diese Frage schien völlig aus dem Kontext gerissen, doch dem war nicht so.

"In Ihrer Akte, natürlich."

Der Arzt tippte etwas in sein Datapad ein. Er wirkte jetzt gleichgültiger. Von einem sanften Rauschen begleitet, schwebte der Medi-Droide, der seit Eintreffen von Dr. Foxx unsichtbar geworden war, zurück ins Zimmer.

"Dann wissen Sie, dass ich nicht von diesem Planeten stamme."


Die freundlichen Augen des Arztes richteten sich auf sie und Noa sah ein Lächeln auf seinem Mund.

"Glauben Sie mir, Miss Cortina, dass würde niemand annehmen, der Sie reden hört."

Obwohl er sie mit seiner Antwort aufzog, fiel es Noa schwer, sich über ihn zu ärgern, vielleicht weil sie zu erschöpft war, oder weil sie insgeheim wusste, dass er Recht hatte - in beiden Punkten.

"Ich bin Coruscanti, Dr. Foxx. Sie halten bewusst eine imperiale Bürgerin gegen ihren Willen fest. Fürchten Sie nicht, dass das Konsequenzen für Sie haben wird?"


Es war ein widerliches Argument, das Noa benutzte und sie wusste es. Sie selbst hasste ihre imperiale ID und den Stempel, der ihr damit ungefragt anhaftete. In diesem Moment aber war er zum ersten Mal willkommen, weil sie ihn für sich ausspielen konnte. Schade nur, dass Dr. Foxx leider völlig ungerührt blieb. War Noa nicht deutlich genug geworden?

"Nicht nur für Sie. Für ganz Naboo!"


Trieb sie ihre Behauptungen auf die Spitze. Im schlimmsten Fall hätte man dies als Drohung verstehen können.

"Miss Cortina."

"Die imperiale Verwaltung nimmt solche Vergehen sehr, sehr ernst."

"Miss Cortina, Ihre ID ist nicht länger gültig."

Was? Ausnahmsweise sprachlos starrte Noa ihren Arzt an. Er hatte ihrem einzig verbliebenen Argument den Wind aus den Segeln genommen.

"Coruscant befindet sich nicht länger unter imperialer Besetzung. Ihre ID wird umgeschrieben, sobald Sie sich bei den zuständigen republikanischen Behörden melden."

Ein Schlag in die Magengrube hätte Noa Chanelle Cortina nicht unvorbereiteter treffen können. Tausend Emotionen rollten aus unterschiedlichen Richtungen auf sie zu. Sie drohte, darunter begraben zu werden. Coruscant war frei, Jules schlug sie mit seinem Gürtel, Deanna opferte sich, Cris zeigte ihr Lorraines Bild. Aldridge heulte wie ein Kleinkind, Jules fasste ihr an den Busen, Donnie blutete an der Schläfe, Noa fror in der dunklen Kühlkammer. Sie lebte, doch sie würde Amata nie wieder sehen.

"Coruscant ist... wieder Teil der Republik?"


Noas Augen füllten sich mit Tränen, als die Nachricht bei ihr ankam. Es waren Tränen für ihren Heimatplaneten, für das Leid das erduldet worden war und Tränen für alle, die sie gekannt hatte und die gestorben waren, aber auch Tränen für sich selbst, weil sie so viel verloren, so viel gesehen und so vieles nie vergessen würde.

"Ja."

Eine Nadel stach in ihren Arm. Sie hatte dem Medi-Droiden keine Beachtung mehr geschenkt. Ruhe sank in Noas Kopf und vertrieb die Emotionen. Sie fühlte sich wieder schwer und schläfrig. Sie war ein Stein, der nichts hörte und nichts sagte, sondern einfach nur mit der Zeit dahin glitt. Nach Naboo, nach Coruscant, oder in den Schlaf. Die sich entfernenden Schritte des Arztes hörte sie noch, dann war es still und obwohl sie sicher war, dass gerade noch das Licht in ihrem Zimmer eingeschaltet gewesen war, war es plötzlich stockdunkel. Es war jedoch eine angenehme Finsternis, eine in der es nichts gab als Noa und vielleicht nicht einmal das. Sie fühlte nichts, dachte nichts. Sie war ein Stein, der schlief.

- Naboo - Theed - Krankenhaus -Intensivstation - Krankenzimmer -
 
- Naboo - Theed - Krankenhaus - Unfallstation - Flur - Mit Schwester Agnés -

Das Gefühl, in Bacta-Verbände eingewickelt zu sein, war nichts Neues mehr für Noa. Viel mehr war es, dachte sie mit ironischer Mine, inzwischen ihr Normalzustand. Ihr Rücken war zugepflastert mit der weichen, weissen Polsterung. Von aussen sah man es kaum, doch Noa kam sich trotzdem so vor, als trage sie einen Panzer auf ihrem Rücken. Sie war schwächer auf den Beinen als sie geglaubt hatte, obwohl das zu erwarten gewesen war, doch für jemanden wie sie, die sich immer damit brüstete, wie stark und eigenständig sie war, war die eigene Schwäche in jeder Situation schwer zu akzeptieren. Sie war dabei, sich selbst zu entlassen, auf eigene Verantwortung. Dr. Foxx hatte sich geweigert, es für sie zu tun. Jetzt gerade war die Oberschwester dabei, die Papiere vorzubereiten. Noa musste unterzeichnen, dass sie keine Forderungen an das Krankenhaus geltend machen würde, sollte sich ihr Gesundheitszustand nach der von ihr selbst veranlassten Entlassung verschlechtern. Das würde schon nicht passieren und selbst wenn, wie viel schlechter konnte es schon noch werden? Hauptsache, sie kam hier raus.

"So, dann hätte ich gerne drei Unterschriften. Einmal hier, hier und hier."

Schwester Agnés hatte die Stellen angekreuzt, an denen Noa unterzeichnen sollte. Sie tat es ohne zu zögern.

"Wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte, melden Sie sich sofort."

Noa nickte und ließ sich ihre Medikamente aushändigen, ein Vorrat an Schmerztabletten der für zwei Wochen reichen würde.

"Wie besprochen, die roten nehmen Sie abends vor dem Zubettgehen, die blauen, falls Sie tagsüber Probleme haben sollten. Beachten Sie die Verpackungsbeilage. Unter Einfluss der blauen Tabletten sind Sie nicht fahrtüchtig!"

"Verstanden."

Noa steckte die beiden Dosen ein, die sie erhalten hatte.

"Gut. Dann habe ich hier noch eine Nachricht für Sie von Jedi-Meisterin Cheetah."

Schwester Agnés reichte ihr ein Datapad. Sie musste eine der dienstältesten Schwestern im Krankenhaus sein. Ihre schneeweissen Haare waren zu einem ordentlich Chignon an ihrem Hinterkopf aufgesteckt, eine so perfekt sitzende Frisur, wie Noa sie niemals alleine hin bekommen hätte. Kein einziges Haar wagte es, sich von seinem Platz zu lösen. Wahrscheinlich sagte das etwas über den Charakter von Schwester Agnés aus. Sie war nicht unfreundlich, doch Noa wollte den Patienten sehen, der es wagte ihr zu widersprechen.

"Danke."

Noa gab das Datapad zurück. Cheetah hatte ihr mitgeteilt, dass der Jedi-Rat ihr eine neue Aufgabe zugeteilt hatte. Sie war zu Gesprächen an den Hof der Königin gefahren, erwartete jedoch nicht, dass diese sie lange aufhalten würden. Damit wusste Noa zumindest, wo sich die Jedi befand. Das war mehr als sie von Cris behaupten konnte.

"Ich schätze... ich meine, Sie haben keine weitere Nachricht für mich, oder?"

"Nein, bedaure."

Schwester Agnés hatte begonnen, einen vor sich liegenden Stapel an Dokumenten zu sortieren und Noa kam sich plötzlich dämlich vor. Natürlich hatte Cris ihr keine Genesungswünsche hinterlassen. Warum sollte er auch? Er musste wissen, was passiert war, doch sie war diejenige gewesen, die die Bande zwischen ihnen zerschnitten hatte.

"Obwohl..."

Schwester Agnés hatte aufgehört, ihre Unterlagen in verschiedene Ablagekörbe zu verteilen.

"Da war ein junger Mann, der sich nach Ihnen erkundigt hat, etwa ihr Alter. Ein großer, hübscher junger Mann."

Cris!

"Was hat er gesagt? Wie lange ist das her?"

Noas Herz schlug in doppelter Geschwindigkeit.

"Ah, nicht viel. Er war hier, als Sie sich noch im Bacta-Tank befanden, doch da ich ihm keine vertraulichen Informationen geben durfte, konnte ich ihm nicht helfen. Hmm, er erwähnte allerdings, dass er von Lianna käme und dorthin zurück fliegen würde."

"Oh."

Noa nickte enttäuscht.

"Ja, das macht Sinn. Natürlich."

Nur kurze Zeit später stand sie draussen auf der Strasse, das Krankenhaus noch in ihrem Rücken. In Theed spielte immer irgendwo Musik. Vögel schwangen sich munter, mit breit gefächerten Flügeln, von Dach zu Dach und tanzten zwischen den Giebeln und Torbögen der Häuser. Weiter die Straße hinunter führte eine Artistengruppe Kunststücke zur Unterhaltung der Passanten vor, zweifellos in der Hoffnung, glänzende Münzen regnen zu sehen. Naboo war kein schlechter Ort um sich zu regenerieren, ging es Noa durch den Kopf. Vielleicht sollte sie noch für eine Woche hier bleiben, oder länger, falls es Cheetah möglich war, ihren Rückflug aufzuschieben. Während ihrer Gefangenschaft hatte es nur einen Gedanken für sie gegeben: sich frei zu kämpfen und zurück zu gehen zu Cris, doch sie hatte nicht daran gedacht, wohin sie sich wenden würde, wenn dieser Plan scheiterte. Wenn Cris sie nicht mehr wollte. Naboos Idylle würde ihr gut tun, und jetzt da sie die Genehmigung des TPD hatte, ein schriftliches Statement abgeben zu können, brauchte sie auch nicht mehr zu fürchten, dass ihr Polizisten auflauern und sie zur Vernehmung ins Revier schleppen würden. Man hatte Noa übermittelt, dass Tionne Sanders sie kontaktieren und alles weitere klären würde. Bis dahin war Noa frei zu tun und dahin zu gehen wohin sie wollte. Frei. Das Wort hatte auf einmal eine noch viel größere Bedeutung als zuvor. Und trotzdem bewegte sie sich nicht von der Stelle. Wem vertraute man sich an, wenn der Schmerz groß, doch die engsten Vertrauten eine halbe Galaxie entfernt waren? Wo ging man hin, wenn man aller Würde beraubt worden war? Wohin, wenn die Beine zu schwach waren für einen Sparziergang, die Erinnerung zu laut für eine Konversation über das Wetter und die Narben zu frisch für einen Neuanfang?

"Mr. Trineer? Hier spricht Noa Cortina."

Sie hatte die Nummer auf ihrem Komlink gefunden. Es war zu ihr ins Krankenhaus gebracht worden, zusammen mit der frischen Kleidung die sie trug, und einem Schlüssel. Viel mehr als das hatte Noa nicht bei sich.

"Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen und meinen Dank."

Die Sonne ging gerade unter, als Noa am Haus der Trineers ankam. Es war nicht das Ferienhaus in dem abgelegenen Waldstück, das Jules Agathon zu seinem Fort gemacht hatte, sondern das Wohnhaus in der Stadt, das noch immer so lebendig wirkte wie an dem Tag, als Deanna Trineer sie zum ersten Mal hierher gebracht hatte. Was die Nachbarn wohl über die Trineers dachten, fragte sich Noa, als sie durch das Gartentor den steinigen Gehweg entlang zur Haustür zurück legte. Sie fühlte unsichtbare Augenpaare auf sich, vielleicht nur Einbildung, oder aber Teil des typischen Vorstadtzirkus, indem einer neugieriger war als der nächste und das eigene Leben nie so spannend war wie das der Nachbarn. Bevor sie die Tür aufschloss, drehte sich Noa einmal um und blickte hinter sich, trotzte den bohrenden Blicken, ob fiktiv oder nicht. Das Haus war still und so lebendig es von aussen noch gewirkt hatte, so tot schien es drinnen. Noa schloss die Tür hinter sich und steckte die Hände in die Hosentaschen. Alle ihre Sachen standen noch oben im Gästezimmer, hatte Graham gesagt. Sie zögerte, weil sie nicht wusste, ob sie sich bemerkbar machen sollte oder nicht. Tat sie es nicht, würde es später um so unangenehmer werden.

"Aldridge?"

Ihr Rufen war ein wenig leiser, so als hoffte sie, dass er sie nicht hören würde. Beim zweiten Mal klappte es besser.

"Aldridge, bist du da?"

Worüber sprach man mit jemandem, mit dem man das eine Erlebnis teilte, das man mehr vergessen wollte als alles andere?

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnraum -
 
- Naboo - Theed - Norden - Wohngebiet - Haus der Trineers - Aldridge -

Seine Haut dampfte, als er aus der Dusche stieg, und Aldridge hatte noch immer das Gefühl dreckig zu sein. Noch immer sah er die dreckige braunrote Brühe, die bei seiner ersten Dusche nach diesem Albtraum zu seinen Füßen in den Abfluss geglitten war. Er hatte seitdem oft geduscht.

Als Aldridge in den Spiegel sah, war es ihm als würde er einem fremden Mann in die Augen blicken. Nicht weil er anders aussah als sonnst, von dem dicken Pflaster, das quer über seine Nase ging, und dem stoppeligen Bart mal abgesehen. Es war zu viel passiert. Der Naboo schüttelte den Kopf, und beschloss das es Zeit für eine weitere Trainingseinheit war. Er wollte müde werden, und Schlaf kriegen, richtigen echten Schlaf. Das was er gestern mit den Pillen aus dem Krankenhaus veranstaltet hatte, das war kein echter Schlaf gewesen, das war auch nicht besser gewesen, als das was im.... Aldridge schüttelte den Kopf, als sich Erinnerungen in den Vordergrund schleichen wollten, nein nicht heute. Er wollte nur einen einzigen Abend haben, nicht mal einen schönen, einfach einen Abend an dem er nicht denken musste. Und als er das Bad, nur mit seiner bequemen grauen Jogginghose, und einem einfachen schwarzen Shirt bekleidet verließ, zerstob die Hoffnung auf süßes Vergessen sofort. Er blickte an die große Wand im Eingangsbereich, an der so viele Familienfotos, und größere Holos hingen. Er sah seine Mutter auf so vielen dieser Bilder, aber eine der Aufnahmen stach ihm besonders ins Auge. Ein uraltes Urlaubsfoto, von seinem Vater aufgenommen, in ungewöhnlicher Perspektive. Er sah die Silouetten eines sehr kleines Mädchens, und eines dürren Jungens mit Segelohren. Die beiden Kinder, hatten der Kamera den Rücken zugekehrt, und liefen neben einer hochgewachsenen jungen Frau her. Die Frau war wie die beiden Kinder barfuß, und sah sich das Meer an, an dessen Strand sie standen. Das Mädchen, das gerade so laufen konnte hielt sich an der Hand ihrer Mutter fest, während diese ihren freien Arm um die schmalen Schultern des Jungen gelegt hatte. Sie war ihr ganzes Leben immer in dieser Pose gewesen, ohne zwingend körperlich anwesend zu sein. Ob sie gerade träumte? Ob sie überhaupt eine Chance ….

Aldridge trat schnell von dem Bild weg, als sich Erinnerungen in seinen Geist schleichen wollten. Boxen! Er würde in die Stadt fahren und irgend einem Sparingspartner die Birne weich klopfen! Ja!..

Eine Stunde später kam er mit müden Knochen, und seinem durchgeschwitzten T-Shirt in der Hand, aus dem Keller, er hatte sich am Boxsack im Trainingsraum ausgelassen. Er hatte es nicht geschafft, sich in die Stadt zu begeben, genau so wie er es nicht geschafft hatte, sein Comlink in die Hand zu nehmen. Er wollte keine Fragen, er wollte kein Mitleid, er wollte gar nichts...außer eine Dusche und Schlaf...
Der Naboo war schon halb in seinem Zimmer, als eine Stimme an sein Ohr klang, die er absolut nicht erwartet hatte. Konnte das? Nein. Vermutlich war sein überstrapazierter Geist einfach überdreht. Nein. Und Aldridge beschloss trotzdem nach zu sehen, und ging auf leisen Sohlen in Richtung Wohnzimmer. Vorsichtig, weil er seinem Verstand einfach nicht mehr traute, schob er nur seinen Kopf durch die Tür.


Noa.“

Kam es ihm über die Lippen, als wenn es selbstverständlich war, das sie hier war, das sie stehen konnte, das sie atmete, das sie lebte. Als wäre es selbstverständlich, das er lebte. Nichts war selbstverständlich, das hatte er zusammen mit ihr lernen müssen. Gar nichts war selbstverständlich.

„Ich.“

Sie stand da vor ihm, einfach so, hatte rosige Haut, und lebte. Sie beide hatten so viel zusammen erlitten, und jetzt standen sie einfach zusammen in einem Wohnzimmer..einfach so.

„Ich denke ich sollte duschen.“

- Naboo - Theed - Norden - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - Aldridge, Noa -
 
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- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnraum - Mit Aldridge -

Sein Auftauchen erinnerte sie an ihre erste Begegnung. Da war er gerade aus dem Bad gekommen, nachdem er seine Brust frisch gewaxt hatte als wäre er Theeds nächstes Supermodel. Was seine Statur anging hatte Aldridge Trineer zwar die richtige Größe, doch sein Gesicht war zu speziell. Zu holprig. Nicht schön genug. Und so wie er vor Noa stand, sah er aus, als hätte er einen Geist gesehen. Dabei konnte er nicht überrascht sein, dass sie noch lebte. Nach allem, was man Noa im Krankenhaus mitgeteilt hatte - und das war nicht viel gewesen - war es Aldridge gewesen, der sie bewusstlos aus dem Ferienhaus geschleppt und ins Krankenhaus gebracht hatte. Er hatte sie wieder belebt und sie beatmet. Sie verdankte ihm ihr Leben.

"Hallo, Aldridge."

Er sah aus, als hätte er gerade Sport getrieben und seine Worte unterstrichen die Beobachtung.

"Ich wollte nicht einfach hier herein platzen."

Sie hielt den Schlüssel hoch und legte ihn auf einer Anrichte ab.

"Ich, ähm, hab' mit deinem Dad gesprochen. Er meinte, es wäre in Ordnung, wenn ich noch ein paar Nächte hier bliebe."

Geprägt von Nervosität wanderten Noas Hände zurück in ihre Hosentaschen.

"Voraus gesetzt, das ist für dich okay."

Schweigend standen sie sich gegenüber. Wenn er Nein sagte, dachte Noa, hatte sie niemanden mehr auf Naboo, zu dem sie gehen konnte. Hätte sie im Krankenhaus bleiben sollen? Es wäre die weisere Entscheidung gewesen, doch in dem Krankenzimmer wäre ihr lediglich die Decke auf den Kopf gefallen, und ihre Wunden wären dort auch nicht schneller geheilt. Hier bei Aldridge bestand hingegen die Gefahr, dass alle diese Gedanken und Erinnerungen zurück kommen würden. Sie brauchte ihn nur anzusehen und schon sah sie wieder Jules Agathon vor sich, sein fieses sardonisches Grinsen und diese kalten, leeren Augen. Was sah Aldridge, wenn er sie anblickte? Verdammte er ihr Auftauchen bereits innerlich? Wenn es Abstand war, den er in seinem Sport gesucht hatte, hatte Noa ihm gerade ganz sicher die Tour vermasselt.

"Dein Dad hat mir außerdem erzählt, wie es um deine Mutter steht. Ich hatte gedacht, sie wäre tot..."

Das hatten sie beide, nachdem Jules sie mitgenommen hatte. Er hatte angekündigt, sie zu töten. Ob es nur ein Versehen gewesen war, dass Deanna Trineer am Leben geblieben war? Die Antwort darauf würden sie wohl nie erfahren. Jules war tot und Deannas Schicksal hing an einem einzelnen seidenen Faden.

"Es gibt noch Hoffnung, Aldridge."

Und obwohl sie es sagte, wusste Noa nicht, ob es stimmte. Sie wusste, dass sie überlebt hatte, und Aldridge, und dass sie für immer diese furchtbare Erfahrung teilen würden, ob sie wollten oder nicht, und dass sie für immer zwischen ihnen stehen würde.

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[Naboo, Theed, Stadtzentrum, Zweigstelle der New Republic Security Force, Verwahrzelle]- Cris

Die Zelle war wenig geräumig, in einem tristen, fast deprimierenden grau gehalten und verfügte an Mobiliar lediglich über eine Pritsche, die sich nach Bedarf entweder zu einer Sitz- oder einer Liegegelegenheit verlängern ließ, und eine Erfrischereinheit ohne Sichtschutz. Allerdings befand sich im Inneren des Raumes keine Überwachungskamera, sondern lediglich ein kleines Sichtfenster in der einzigen Tür, das auf äußerlichen Knopfdruck transparent geschaltet werden konnte und ansonsten undurchsichtig war. Geräusche von außen verrieten allerdings, dass ein schwebender Droide die Gänge abpatrouillierte und die einzelnen Zellen regelmäßigen Scans unterzog, vermutlich primär, um zu verhindern, dass dir darin verwahrten Delinquenten sich aus welchen Gründen auch immer das Leben nahmen. Es ar wohl die harscheste Form der Unterbringung, die man innerhalb der Republik finden konnte – doch natürlich immer noch kein Vergleich mit den Zellen des Imperialen Geheimdienstes oder des Imperialen Sicherheitsbüros. Folter war republikweit geächtet und anders als der Geheimdienst konnte die NRSF sich nicht einmal inoffiziell erlauben, die Regeln des Erlaubten den Bedarfen entsprechend zu dehnen.

Cris saß auf der Pritsche und starrte in der grellen, künstlichen Beleuchtung der Zelle starr ins Leere. Er fühlte sich schmutzig, insbesondere sein Haar, und furchtbar müde, da er aus verschiedenen Gründen kaum hatte schlafen können. Einer dieser Gründe war mit Sicherheit die harte Pritsche, oder das summen der Repulsoren des Droiden, doch tatsächlich waren es seine Gedanken, die ihn nicht hatten zur Ruhe kommen lassen. Und vielleicht die Angst davor, was ihn in seinen Träumen erwartete.

Sein Zeitgefühl hatte er verloren, Es gab kein Chrono in der Zelle, also war durchaus möglich, dass er sich bereits länger als einen Tag im Gewahrsam der NRSF befand, während diese offenkundig darüber brütete, was sie mit ihm anstellen konnte. Er war ein Agent des Geheimdienstes – und damit ungeachtet seiner Verfehlungen prinzipiell unantastbar für die reguläre Strafverfolgung, auch wenn er sich vorstellen konnte, dass man sein bestes tat, um irgendeine Lücke zu finden und seiner schließlich doch habhaft zu werden. Er konnte nicht sagen, dass es ihn wirklich kümmerte – im Moment kümmerte ihn nichts weniger als seine Karriere. Wenn es überhaupt etwas gab, die Lethargie und Verzweiflung zu durchbrechen, in die Noas Tod ihn gestürzt hatte, dann war es das Bedürfnis, die Stimme seiner Tochter zu hören. Lorraine war jetzt wirklich der einzige Grund, aus dem er nichts vollkommen Unüberlegtes und Törichtes tat.

Der ehemalige Sturmtruppler blinzelte überrascht, als ein schnappendes Geräusch von der Entriegelung der Tür kündete und schließlich ein in adrette Zivilkleidung gehüllter Mann den kleinen betrat, den lediglich ein an seiner Brust gehefteter Ausweis als Angehörigen der NRSF auswies – anders als die Eingreiftruppe, die Cris im Zentralkrankenhaus von Theed festgenommen hatte. Der Agent warf ihm einen schwer zu lesenden Blick zu.

„Wenn Sie bitte mit mir kommen würden, Lieutenant Sheldon? Um sich frischzumachen?“

Mechanisch erhob Cris sich. Er hatte keinen Grund, dem Anderen zu gehorchen – doch er hatte auch keinen Grund, Widerstand zu leisten. Fügsam folgte er dem Agenten, vorbei an zwei mit Schockstäben ausgerüsteten Wachmännern, die anscheinend vor der Zelle gewartet hatte, für den Fall dass er – immerhin ein Mann, der auch ohne Waffen mühelos töten konnte – sich dazu entschloss, Widerstand zu leisten. Die Beiden entspannten sich sichtlich, als Cris lediglich mit hängenden Schultern und leerem, gesenktem Blick an ihnen vorbei ging.

Man führte ihn in einen Raum, in dem sich eine Reihe von Nasszellen bot. Auf ein Kopfnicken des Agenten hin warteten die beiden Wachmänner draußen, während er Cris mit einer Geste hinein dirigierte. Dieser brauchte keine weiteren Anweisungen, um zu wissen, was man von ihm erwartete, und entledigte sich seiner Kleidung, trat in eine der Zellen und ließ das Wasser auf seinen Körper herabprasseln.

Wieder im Freien stellte er fest, dass man ihm frische Kleidung zur Verfügung gestellt hatte – keinen Gefangenenoverall, sondern gewöhnlich geschnittene, nicht sonderlich auffällige Zivilkleidung, die wie angegossen passte. Auch der Agent hatte sich zurückgezogen und Cris war alleine im Raum. Erst, als er wieder angezogen vor die Tür trat, nahmen ihn die beiden Wachmänner wieder in die Mitte und bedeuteten ihm, dem Agenten weiter zu folgen.

„Regionaldirektor Sterling wünscht, Sie zu sprechen“, lüftete dieser dann auch endlich das Geheimnis dieses kleinen Ausflugs. Cris reagierte nicht. Wenn es nach ihm ginge hätte es auch die Königin von Naboo sein können, die mit ihm zu sprechen wünschte, und er wäre ähnlich teilnahmslos geblieben.

Beim Büro des Direktors angekommen verließen die Wachmänner Cris und den Agenten, welcher die Tür öffnete und den ehemaligen Sturmtruppler in einen sehr elegant und geschmackvoll eingerichteten Raum führte. Die Möbel der Sitzecke und am Schreibtisch, hinter dem der hochrangige NRSF-Funktionär saß und beim Eintreten seiner beiden Gäste von einem Datenblock aufblickte, wirkten äußerst gemütlich, deutlich komfortabler jedenfalls als die Pritsche in Cris‘ Zelle. Die Augen Sterlings schienen sich zu verdunkeln, als sein Blick Cris erfasste und ihm folgte, bis dieser sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch gesetzt hatte.

„Danke, Agent Bower, das wäre alles.“

Der Mann, der nun hinter Cris stand, nickte leicht.

„Natürlich, Sir.“

Dann waren Cris und Sterling allein. Der Regionaldirektor schob betont langsam den Datenblock von sich weg.

„Wissen Sie, Lieutenant Sheldon, ich hatte bereits das Gefühl, dass Sie mir Probleme machen würden, als Sie mich das erste Mal kontaktiert haben. Und auch, wenn Ihre Warnungen sich schlussendlich als zutreffend herausgestellt haben…“

Die Miene Sterlings verhärtete sich.

„Sie haben sich unbefugt als Angehöriger der NRSF ausgewiesen und im Namen meiner Behörde gehandelt, was an sich bereits ein schwerwiegendes Vergehen darstellt. Doch dann… dann haben Sie einen augenscheinlich wehrlosen Mann getötet. Ermordet! Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass Captain Julian Agathon der gesuchte Täter war… in einer Gesellschaft, die Selbstjustiz und die barbarische Todesstrafe vorsieht, mag das eine Rolle spielen. Aber nicht in der Republik!“

Gegen Ende seiner Tirade hatte Sterling jedes seiner Worte mit seinen Händen unterstrichen.

„Haben Sie irgendetwas dazu zu sagen, Lieutenant Sheldon? Und sehen Sie mich dabei gefälligst an!“

Langsam hob Cris seinen Kopf an und sah dem anderen ins Gesicht.

„Haben Sie Agathons Komplizen gefunden? Seinen Sohn Donald?“

Für einen Moment sprach aus Sterlings Mimik der pure Unglaube.

„Ich werde Sie wohl kaum in die Details einer noch laufenden Ermittlung einweihen, Sheldon, weder der NRSF, noch des TPD. Dieses Recht haben Sie verwirkt, als Sie zum Mörder geworden sind.“

Sterling hieb mit der Faust auf den Tisch.

„Es wird Sie nicht überraschen, dass man auf Lianna nichts von Ihrer Mission hier auf Naboo wissen wollte. Doch selbst, als der Geheimdienst einräumen musste, einen Agenten zur Untersuchung der Ermordung Yacob Astors entsandt zu haben, wurde mir gesagt, dass Ihr Mandat niemals darin bestanden hat, in eine laufende Ermittlung einzugreifen! Sie sollten eine Verwicklung imperialer Agenten oder der Sith ausschließen – nichts weiter!“

Der Regionaldirektor hatte sichtliche Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, was wohl auch mit dem Fehlen einer jedweden Reaktion von Cris aus zu tun hatte.

„Die NRSF und der Geheimdienst sind sich noch nicht ganz einig darüber, wie nun mit Ihnen verfahren werden soll. Die wollen sich wohl auf ihre Art um Sie kümmern… doch glauben Sie mir, wenn es nach mir ginge, würde man Sie vor ein ordentliches Gericht stellen und wegen Mordes verurteilen! Aber bis diese Details geklärt sind… bleiben Sie unser Gast.“

Feindselig starrte Sterling Cris an.

„Haben Sie dazu etwas zu sagen, Lieutenant?

Cris schluckte schwer. Die Erkenntnis, was der Andere ihm soeben alles an den Kopf geworfen und angedroht hatte, wollte indes immer noch nicht einsetzen.

„Ich… ich möchte mit meiner Tochter sprechen…“

[Naboo, Theed, Stadtzentrum, Zweigstelle der New Republic Security Force, Büro des Regionaldirektors]- Cris, Regionaldirektor Sterling
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Zentralkrankenhaus - Intensivstation - mit Deanna, Lusandra -

Graham fahr nach Hause, ich kann bei ihr bleiben.“

Lusandra war eigentlich eine sehr laute Frau, die trotz ihrer geringen Größe immer alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Graham wusste nicht, ob es seine eigene Müdigkeit war, oder ihre blose Rücksichtname auf die Situation im Krankenzimmer, aber er hatte sie erst bemerkt als sich ihre Hand auf seine Schulter gelegt hatte.

Lucy.“

Er kniete seit, er wusste nicht mehr wie lange schon, vor Deannas Bett, und geriet so in die ungewohnte Position, zu seiner Schwägerin auf zu sehen. Sie sah abgekämpft aus, ihre Augen verrieten das sie viel geweint hatte. Graham schämte sich, weil er über sein eigene Situation vergessen hatte, das er nicht der einzige war, der im Mark und in der Seele, von allem getroffen worden war.

Geh nach Hause Grames.“

Sein Blick hob sich von Lusandra, und legte sich auf Deanna. Der dicke weiße Verband, mit dem ihr Kopf umwickelt war, bildete einen starken Kontrast, zu ihrer schönen bronzenen Haut. Das Tapeband, das den einzigen Grund an Ort und Stelle hielt, wegen dem sie noch lebte, diesen hässlichen Schlauch, bedeckte ihre Lippen vollständig. Es war nicht mehr viel von ihr übrig geblieben. Graham würde nirgendwo hin gehen.

Ich kann nicht.“

„Graham, dein Sohn braucht dich auch.“

„ Ich kann noch nicht zu ihm.“

„Willst du ihn denn nicht in die Arme schließen? Nach allem was passiert ist?“

„ Mehr als alles andere Lucy, ich bin so dankbar, das er noch lebt.“

„ Warum gehst du dann nicht heim? Nur für ein paar Stunden?“

„ Ich kann nicht. Ich werd sie nicht mehr allein lassen, das geht nicht mehr.“

Und dann wurden die normalen Größenverhältnisse wieder hergestellt, als sich Lusandra neben ihm an ihr Bett kniete. Sie legte genau wie er, ihren Kopf an die Bettkante, und sah ihn an. Der kurze Arm, der zuckersüßen untersetzten Frau legte sich auf seine Schulter, als sie flüsterte.

„ Graham, wie steht es um meine Schwester?“

Und es zeriss ihm das Herz, als er sah wie ihr die Augen feucht wurden. Er hatte es doch keinem verraten wollen, nicht einmal seinen Kindern, nicht bis er sich eine zwei, und dritte, und verdammt noch mal vierzigste Meinung eingeholt hatte. Ärzte machten schließlich Fehler, und zudem gab es schließlich hier und da immer noch Wunder.

„ Sie haben mir geraten, die Geräte abstellen zu lassen.“

Ein lauter Schluchzer entfloh seiner Kehle, als bei ihm alle Dämme brachen. Graham zwang seine Stimme zu einem Flüstern herunter. Deanna hatte Ruhe verdient, auch wenn es der Logik der Mediziner nach, keinen Unterschied mehr machte.

„Sie ist tief gestürzt, und fast im Fluss ertrunken. Ihr Gehirn hat massiven Schaden erlitten, sie haben es für unmöglich erklärt, das sie je wieder aufwacht.“

Graham steckte seinen Kopf aus, und küsste seiner Frau die Hand. Lusandra hielt sich die Hände vors Gesicht.

„Ich weis nicht was ich machen soll! Ich kann sie doch nicht so einfach aufgeben! Ich hab mir zwei Experten aus Kadaara herbestellt. Zwei Professoren der Neurochirugie, Koryphäen auf ihrem Gebiet. Die sollen die Lage noch einmal beurteilen, vielleicht.“

Graham.“

Lusandra rückte näher an ihn heran, und nahm ihn fest in den Arm, sie weinte, und er gestattete sich das gleiche zu tun, aber nur für einen Moment, er musste jetzt stark sein.

Schau sie dir an. Schau genau hin. Du kennst Deanna. Wenn diese Professoren keine Behandlung anbieten können, weist du was du zu tun hast.“

Er kannte Deannas Meinung zum Thema "lebenserhaltende Maßnahmen", mehr als gut. Sie war viel zu stolz, um als lebende Tote weiter zu existieren.

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- Naboo - Theed - Norden - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnzimmer - Aldridge, Noa -

Ein Fakt stand dick und fett, wie ein übergewichtiges Shaak zwischen ihnen. Sie kannten sich nicht, eigentlich, nein ganz sicher waren sie beide sogar Menschen, die sich im normalen Leben niemals näher kennen lernen würden. Oder war es doch dieser andere Fakt, dieser Horror, den sie beide zusammen erlebt hatten, der es bewirkte, das sie beide sich jetzt so unbehaglich und unbeholfen gegenüber standen. Aldridge kam zum Schluss, das es eine Mischung aus beidem war, und zumindest in seinem Fall gewürzt mit der Überraschung, sie so bald wieder zu sehen. Es wäre so einfach gewesen sie weg zu schicken, wieder ins Krankenhaus, oder in ein Hotel. Aldridge hätte seinen hirnfreien Abend bekommen, hätte sich den ***** zugesoffen, und wäre für ein paar Stunden zur Ruhe gekommen. Er war froh das es nicht soweit gekommen war.


Meine Mutter ist stark, wir werden sehen, wie es weiter geht.“

Aldridge kanzelte Noas Hinweis auf das Gespräch mit seinem Vater mit einem einzigen Satz ab, nicht böse oder ungehalten, aber mit einer Bestimmtheit in seiner Stimme, die er von sich nicht kannte. Er wollte nicht daran denken, sonnst würde es ihn sofort zereissen. Er wollte auch nicht darüber reden. Und auf Floskeln konnte er verzichten, auch wenn sie noch so gut gemeint waren, auch wenn sie von IHR ausgesprochen worden waren.

Du bist mir herzlich willkommen Noa, und du kannst selbstverständlich so lange bleiben, wie du möchtest.“

Sprach Aldridge nach einer weiteren quälenden Sprechpause, und meinte es so. Sie war ihm willkommen, und er war sogar froh das sie hier war. Er fühlte sich nicht wohl, ganz allein im Haus, und Noa hatte aus irgend einem Grund dieses Haus einer Genesung im Krankenhaus vorgezogen. Der Werftarbeiter warf sich sein feuchtes T-Shirt um seinen Hals, und hielt sich unbeholfen mit den Händen an beiden Enden fest. Nervös tänzelte er mit den Füßen auf der Stelle, bevor er ein paar Schritte auf sie zu machte. Sie sah so fürchterlich erschöpft aus, sie hatte keine Familie hier, und war allein mit sich. Der Name Cris kam ihm in den Sinn, er wusste nicht wo der Mann war, aber sie hätte vermutlich alles gegeben, um ihn bei sich zu haben. Er konnte ihr die Arme und Geborgenheit dieses Mannes nicht ersetzen. Eines hatte er über Noa Chanelle Cortina dann doch gelernt, in ihrer gemeinsamen Gefangenschaft, auch wenn sie jetzt gerade vielleicht schwach, verletzt und müde und traumatisiert war, sie würde es niemals zugeben. Er hatte sein Versprechen nicht vergessen, und beschloss alles dafür zu tun, das sie sich gut fühlte. Er hatte nicht vergessen, wer ihm das Leben gerettet, und fast seines dafür verloren hatte.


Ich war eben nur überrascht. Ich habe nicht erwartet, dich so zeitig zu sehen.“

Das sie überhaupt stehen konnte, grenzte für ihn an ein Wunder. Hätte er noch irgendetwas, auf Mirandas heisgeliebte Schöpfer gegeben, er hätte ihnen dafür gedankt, das sie noch lebte. Seit ein paar Tagen wusste er aber, das es diese gütigen Wesen nicht gab. Noa hatte ihr Leben keinen mächtigen Wesen zu verdanken, nur ihrer eigenen unglaublichen Stärke.

Du hast das letzte mal, als ich dich gesehen habe ganz schön ****** ausgesehen.“

Er fragte sich wieviel von ihrem Blut, zusammen mit seinem im Abfluss gelandet war, bei dieser aller ersten Dusche vor drei Tagen. Aldridge machte einen Schritt auf sie zu, um direkt einen zurück zu machen. Auf seiner glänzenden, nackten Haut bildete sich langsam Gänsehaut, er war ausgekühlt.

Ich ähm..ich stinke gleich wie ein Schwein, wenn ich nicht duschen gehe..also..mach es dir bequem ja? Ich komm gleich wieder.“

Der Naboo flüchtete regelrecht aus dem Zimmer, weil er sich in ihrer Nähe so unbehaglich und unsicher fühlte. In langen Schritten näherte er sich seinem Schlafzimmer, der Privatsphäre, der Sicherheit.

Das ist doch albern.“

Flüsterte er sich selbst zu, bevor er kehrt machte, und direkten Kurs zurück aufs Wohnzimmer nahm. Noa stand noch immer an Ort und Stelle. Sie war hier fremd, und ganz allein, und hatte so schreckliche Dinge erlebt. Sie war seine Verbündete gewesen! Und Aldridge beschloss, das es jetzt Schluss war, mit dem albernen Unbehagen. Sie beide hatten es verdient, sich wohl zu fühlen.

Also ich bin dafür, das wir beide das lassen, das mit der Steifheit. Ich denke wir haben unser Kontingent an Unwohlsein verbraucht. Wie wäre es, wenn wir mal damit beginnen, uns beieinander wohl zu fühlen? Willst du gleich ein Bier? Ein Ale? Willst du rauchen? Hast du Hunger? Willst du...“

Er lächelte sie an, und stoppte sich in seiner Fürsorge, bevor er sie völlig nervte.

Ich bin mehr als froh, das du noch lebst Noa Chanelle Cortina. Ich hab dir mein Leben zu verdanken. Ich danke dir dafür. Sag mir einfach was du möchtest, oder nicht möchtest.“

Jetzt und in Zukunft. Und wenn sie von ihm verlangte, der Königin jetzt und hier ihren liebsten Pullover zu klauen. Er würde los ziehen, und ihn ihr besorgen.

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- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnraum - Mit Aldridge -

In ihrem Gefängnis waren Noa und Aldridge ein Team gewesen. Sie hatten auf einer Seite gestanden, vereint durch Schmerz und Leid und Hilflosigkeit. Nur wegen ihm war sie zurück gekommen, nachdem sie aus dem Fenster geklettert war. Noa hätte weglaufen können. Sie hatte die dichten Bäume vor sich gesehen. Nichts wäre einfacher gewesen als sich dort zu verstecken, doch sie hatte es Deanna versprochen. "Ich verspreche es, Captain Trineer.", hatte sie gesagt, "Ihr Sohn wird leben." Und hier stand er vor ihr. Die Prellungen in seinem Gesicht konnten gut von irgendeinem Boxkampf stammen, von einem Match gegen seine Kumpel im Fitnessstudio. Man sah ihm nicht unbedingt an, was passiert war, ebenso wenig wie ihr. Die Wunden, die zurück geblieben waren, gingen tiefer und dennoch waren es nicht dieselben. Etwas hilflos stand Noa im Wohnzimmer seiner Eltern, als Aldrigde ihr versicherte, dass sie willkommen war zu bleiben, sich aber genau so schnell wieder von ihr abwandte, als wollte er ihr Gesicht nicht sehen. Sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, was ein Wiedersehen für ihn bedeuten würde, realisierte Noa. Hierher zu kommen war vollkommen selbstsüchtig gewesen, sah sie jetzt ein und fragte sich ob es vielleicht nicht doch besser war, wenn sie sich ein Hotelzimmer nahm. Auf diesen weisen Gedanken war sie zuvor nicht gekommen, doch noch war es nicht zu spät. Sie suchte nach etwas das sie sagen konnte um das Eis zu brechen, irgendetwas, und war kurz davor aufzugeben, als Aldridge eine Axt nahm und die glitzernde Mauer zwischen ihnen mit brutaler Gewalt einriss. Das letzte Mal, als sie sich gesehen hatten, hätte sie furchtbar ausgesehen, behauptete er, und Noa wollte es nicht bezweifeln. Sie wusste, wie sie unter ihren Kleidern aussah. Es war ein Wissen, das sie nicht gerne teilte. Dass Aldridge ihr Geheimnis kannte, zeigte wie nah er ihr gekommen war, ob sie es wollte oder nicht.

"Ich hätte gerne was zu trinken."

Erwiderte sie auf seine Frage. Ein Bier wäre nicht schlecht. Hatte er ihr nicht sogar eines versprochen, als sie...? Sie erinnerte sich an etwas und ihre Mundwinkel verzogen sich enttäuscht nach unten.

"Oh, Mist. Ich darf keinen Alkohol."

Nicht, so lange sie Schmerzmittel einnahm. Also konnte sie sich noch nicht einmal betrinken.

"Hast du was zu rauchen da?"

Fragte sie, da Aldridge es schon angeboten hatte. Dagegen hatte niemand etwas gesagt. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Der Abstand zwischen ihnen erschien ihr noch immer lächerlich groß. Sie wollte ihm den Abend nicht verderben oder seine Pläne durchkreuzen und sie wollte sich ihm nicht aufdrängen, wenn es seiner Mutter so schlecht ging und er Zeit benötigte, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten... zu trauern... oder die Situation zu verarbeiten, aus der er gerade erst kam. Noa hatte bis jetzt noch immer jeden Gedanken daran verdrängt. Was gab es schon großartig für sie zu verarbeiten? Sie hatte nichts erlebt, womit sie nicht klar kam. Rückschläge gab es im Leben, das war nun mal so. Besser man lernte damit klar zu kommen. Sie war hier, weil sie Gesellschaft gesucht hatte und weil sie es nicht ertragen konnte wie eine Invalide im Krankenhaus zu liegen. Das hatte nichts mit dem zu tun, was in dem Ferienhaus passiert war. Oder machte sie sich damit nur etwas vor?

"Ich, ähm..."

Plötzlich überraschend offen, hatte Aldridge ihr dafür gedankt, dass sie ihm das Leben gerettet hatte. Und Noa war alles andere als vorbereitet. Ihr Blick driftete durch den Raum. Sie sah wieder Donnie vor sich und das imaginäre Fadenkreuz auf seiner Stirn. Danach war einiges passiert, von dem sie nichts mitbekommen hatte. Aldridge konnte ihr davon erzählen. Aber wollte sie das überhaupt hören? War sie nicht eigentlich sogar froh, dass irgendwann alle Lichter ausgegangen waren und der Albtraum für sie beendet gewesen war? Sie fixierte sich auf Aldridge. Er hatte sie genau so gerettet wie sie ihn. Wäre er nicht gewesen, sie wäre niemals wieder aufgewacht. Doch wie sagte sie ihm das? Wo waren die ganzen vielen Wörter hin, mit denen sie sonst so gut umgehen konnte? Wenn sie sauer oder wütend war, wusste sie eine Million Dinge zu sagen. Bei Aldridge hatte das so einfach geklungen. "Ich hab dir mein Leben zu verdanken. Ich danke dir dafür.", hatte er gesagt. Noa warf ihre Haare zurück und betrachtete ihre Fingernägel.

"Ebenso."

Antwortete sie cool. Besser konnte sie es nicht ausdrücken. Sie räusperte sich.

"Du wolltest also duschen gehen?"

Es war eine dämliche Frage, die keiner Antwort bedurfte. Aldridge hatte es schon mindestens zweimal gesagt, aber trotzdem stand er noch immer vor ihr. Ein unangemessener, irrationaler Lachanfall überkam Noa.

"Du willst doch nicht etwa, dass ich mit dir komme, oder? Hahaha!"

Das wäre der Knaller, die beste Art sich abzulenken und auf andere Gedanken zu kommen. Wie nannte man so etwas, eine Schnapsidee? Noa lachte Aldridge an, noch immer amüsiert über ihren eigenen doofen Scherz, bis sie plötzlich genau so schnell, wie sie zu lachen begonnen hatte, wieder ernst wurde, denn Aldridge hatte nicht mitgelacht.

"Oh Gott, du willst es wirklich."

Stellte sie fest, obwohl es total unsinnig war. Natürlich wollte Aldridge es nicht und eigentlich wusste Noa das auch.

"Weisst du was, du machst jetzt das was du möchtest - duschen - und ich ziehe mich zurück und... dabei belassen wir es, OK?"

Noa versuchte zu lächeln. Es war nicht einfach mit Aldridge, aber das war auch, weil sie dauernd Blut und Dreck sah, wenn sie ihn anschaute, obwohl da nichts mehr war.

"Nur wenn du etwas zu rauchen hättest, egal was, das wäre toll. Dann könnte ich mich etwas ausruhen, und mich danach vielleicht hin legen."

Mehr wollte sie gar nicht, wirklich. Wer brauchte schon Gesellschaft? Eines Tages musste jeder lernen, alleine zurecht zu kommen, und Noa war bekanntlich eine Meisterin darin.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Wohnraum - Mit Aldridge -
 
[Naboo, Theed, Stadtzentrum, Zweigstelle der New Republic Security Force, Comeinheit]- Cris

Schweigend saß Cris vor der Comeinheit, deren Benutzung man ihm schließlich doch zugestanden hatte, und wartete darauf, dass die von ihm angeforderte Holonetzverbindung nach Lianna zustande kam. Der Agent, den man zu seinem persönlichen Aufpasser gemacht hatte – Agent Bower – hielt sich dankenswerterweise in diskretem Abstand auf, wenngleich er Cris dabei nach wie vor im Auge behielt. Er wusste nicht, was die NRSF genau von ihm erwartete – vielleicht, dass er durchdrehte und sie alle umbrachte. So wie er Agathon umgebracht hatte. Einen Wehrlosen.

Nach einer schier endlos langen Zeit erschien plötzlich Selbys Gesicht vor ihm auf dem Bildschirm. Der andere Mann schien recht überrascht, Cris zu sehen.

„Oh, Lieutenant… was für eine Überraschung.“

Dann verengten sich Selbys Augen zu misstrauischen Schlitzen.

„Sie sehen furchtbar aus.“

Cris blinzelte unbehaglich. Wann hatte er das letzte Mal in einen Spiegel gesehen? In seiner Zelle war keiner gewesen und selbst nach dem Duschen hatte er sich darauf beschränkt, schnell und methodisch die Kleidung überzuwerfen, die man ihm angereicht hatte. Sah er so erschöpft, so niedergeschlagen aus, wie er sich fühlte?

Selby… ich möchte mit Lorraine sprechen.“

„Ah, Ihre Mission ist dann also beendet? Gut, diese Verbindung scheint mir nämlich nicht verschlüsselt.“

Der Andere lachte, doch es klang seltsam gezwungen, ehe seine Miene wieder ernst wurde.

„Hören Sie, Lorraine ist gerade nicht hier… sie hat Unterricht. Ich fürchte, es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis sie damit fertig ist.“

Cris nickte langsam.

„Verstehe.“

„Hören Sie, geht es Ihnen wirklich gut…? Ich habe erfahren, dass Miss Cortina ebenfalls nach Naboo geschickt wurde, mit einer Jedi zusammen…“

Der ehemalige Sturmtruppler musste sich zusammenreißen, um eine neutrale Miene beizubehalten. Es gelang ihm nicht, da Selby abrupt verstummte.

„Entschuldigen Sie. Es lief ja nicht so gut… aber, wissen Sie schon das Neueste?“

Jetzt bemühte der Pilot sich um einen aufmunternden Gesichtsausdruck.

„Es ist schon überall in den Medien. Im Zuge des Vertrags von Umbara musste das Imperium einige Zugeständnisse an die Republik machen. Unter anderem die Übergabe Coruscants!“

Das Abbild Selbys breitete seine Arme aus.

„Verstehen Sie? Coruscant ist frei! Das dürfte die Laune doch etwas heben, oder nicht?“

Immer noch starrte Cris Selby an, doch seine Augen sahen nichts mehr. Coruscant. Frei. Kurz nachdem Noa, die sich nichts mehr gewünscht hatte, als ihre Heimat vom Imperium befreit zu sehen, durch die Hand eines psychopathischen Serienmörders – eines republikanischen Staatsbürgers! – einen qualvollen Tod erfahren hatte, erfuhr er davon, dass das Imperium Coruscant an die Republik angegeben hatte. Noa hatte ihnen allen getrotzt – der gefährlichen Unterwelt des Planeten, den imperialen Besatzern, der faschistischen CSF… und war jetzt Naboo, dem Idyll Naboo zum Opfer gefallen. Nur, weil er, der ach so gefährliche Agent des Geheimdienstes, nicht in der Lage gewesen war, Agathon als das zu erkennen, was unter seiner Polizistenoberfläche die ganze Zeit über geschlummert hatte. Wie ein Unbeteiligter registrierte Cris, dass seine Hände sich zu Fäusten ballten und die Sorge in Selbys Gesicht offenkundig wurde.

„Lieutenant…? Ist... ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Sie ist tot, Selby.“

Während er die Nässe einiger seine Wangen herunterlaufenden Tränen spüren konnte, schlug Cris mit einer Faust leicht auf die Anrichte vor ihm.

„Sie ist tot!!! TOT!!!“

Er sah nicht mehr den Schock in Selbys Augen, nur durch einen Schleier nahm er seine Umgebung war, während er jetzt begann, immer wilder auf die Anrichte und die Comeinheit einzuprügeln. Der Schmerz in seinen Händen war fast ein Geschenk im Vergleich dazu, was in seinem Herzen lauerte.

„Lieutenant, beruhigen Sie sich!“

Dann merkte er, wie plötzlich Bower hinter ihm auftauchte. Irgendetwas stach in seinen Nacken… und gnädige Dunkelheit umfing ihn…

[Naboo, Theed, Stadtzentrum, Zweigstelle der New Republic Security Force, Comeinheit]- Cris
 
- Naboo – Theed – Norden – Haus der Trineers – Bad – allein -

Das Kratzen des Rasiermessers, war ein so herrlich triviales Geräusch, so beruhigend gewöhnlich. Aldridge, der mit den Füßen auf seinem alten Badetuch vom Morgen stand, und sich ein schneeweißes neues Handtuch um die Hüften geschlungen hatte, hatte beschlossen sich nicht von seinem Bart zu trennen. Hätte er ihn abgenommen, hätte er wie vor all den Dingen, die passiert waren ausgesehen. Er fühlte sich aber nicht mehr, wie der, der er vorher gewesen war. Er war allerdings nach wie vor ein wenig eitel, weswegen er dem Bart, der schon weit über den „dreitage Status“ hinaus war in Form brachte. Stoppeln wurden am Hals entfernt, die Ränder wurden gesäubert und zu einer ordentlichen Linie modeliert. Aldridge beschloss das „Projekt“ ab zu schließen, indem er den Bart mit seinem Rasierer insgesammt ein wenig ausdünnte.

Ja genau, Noa.“

Entwich es ihm auf einmal, als er endlich über ihren schrägen Kommentar lachen konnte. Er wolle sie mit sich in die Dusche nehmen? Sie hatte keine Ahnung welch mächtige Dinge sie da erwartet hätten! Der Naboo grunzte, und verlor das Grinsen sofort wieder, der Anflug von Humor war ihm doch zu bizarr geworden. Es gab nichts zu lachen. Zudem brachte ihn ihr unangebrachter Kommentar auf dumme Gedanken. Für einen Herzschlag lang, sah er sich wieder auf Lianna, in Lola Curich, und er stand mit Nicky auf dem Bürgersteig, und küsste sie..das allerste Mal. Dann hielt er sie fest in seinen Armen, später in seinem Schlafzimmer..Nicky hatte sich nicht gemeldet, selbst jetzt nicht. Er wusste, das sie sich selten bis gar nicht, die Holonews der Heimat ansah, im fernen Lianna. Seine Schwester interessierte sich aber ungebrochen, für noch so kleinen Gossip aus Theed. Miranda hatte diverse Kanäle Naboos gebucht, und sie hatte Nicole ganz sicher Bescheid gegeben. Und Miranda war auf dem langen Weg nach Naboo, seine Schwester war schon bevor Noa und er sich befreit hatten, auf dem Weg gewesen.. Nicole hatte sich nicht gemeldet, nichts.. Wie dumm war es von ihm, das er sich trotzdem nach ihr sehnte? Er liebte sie. Es wurde Zeit für Hochprozentiges..

Betont laut, tapste Aldridge in Richtung des Wohnzimmers, um Noa, die potentiell noch darin saß und sich vielleicht noch einen Spaßmacher zusammen baute, nicht zu erschrecken. Er hatte sich in diesen grauen Designer Pyjama geworfen, den er sich irgendwann mal in einem Anflug von finanziellem Irrsinn gekauft hatte, um ihr nicht wieder halb nackt in seinem Elternhaus zu begegnen. Doch als er ins Wohnzimmer trat, war da niemand mehr, auch nicht dieser dieser sehr interesannte Duft, der früher so oft aus Mirandas Zimmer gewabert war, wenn die Eltern nicht im Haus gewesen waren. Vermutlich war sie im Bett, und Aldridge, kam das nicht ungelegen, noch ein schwer erzwungenes Gespräch, mit dieser Frau wäre zu viel für heute gewesen. Sie hatte sich nicht auf seine ehrlich gemeinten Versuche eingelassen, die Mauer der Beklommenheit zwischen ihnen einzureissen. Ein Fakt, der ihn irritierte, und auch nicht. Da wäre der Fakt gewesen, das sie sich noch immer nicht kannten, nicht wirklich, von dem Fakt, das ihr ein irrer Mörder vor ein paar Tagen die..... Aldridge schüttelte den Kopf, um die bösen Gedanken los zu werden, und nahm einen ersten kräftigen Schluck von der Flasche Firebird Whisky, die genau wie Mirandas Rauchwerk, in der aufwändig manipulierten Druckausgabe von „ Gunganische Spezialitäten, eine Exkursion in Theeds spezielste Spezialrestaurants“ versteckt gewesen war. Ein weiterer kräftiger Schluck folgte, als er sich schließlich auf sein Bett warf, der nächste Schwall brennender Flüssigkeit, rann seine Kehle herunter, als er seinen Holoprojektor einschaltete.

„Ladys und Gentlemen! Ich darf Sie alle herzlich zu den Playoffs der Theed Conference einladen..“

Aldridge lies eines seiner alten Spiele laufen, als er sich in die Laken schmiegte, und die Flasche um einen weiteren Finger breit leerte. Gute Zeiten, er brauchte dringend Erinnerungen an gute Zeiten, damit er nicht an all das andere denken musste. Gute Zeiten...

Prost du Holzkopf!“

schmetterte er seinem sehr viel jüngeren Ich, das gerade einen frühen Pass der Gegner abfing zu. Dieser dumme Kerl hatte keine Ahnung, was noch auf ihn zu kam..


- Naboo – Theed – Norden – Haus der Trineers – Schlafzimmer – allein -
 
[Naboo, Theed, Stadtzentrum, Zweigstelle der New Republic Security Force, Zelle]- Cris

Als Cris wieder zu sich kam, fühlte er sich furchtbar. Der Raum – er befand sich, wie er trotz seines schmerzenden Kopfes feststellen konnte, wieder in der Zelle – um ihn herum schien sich zu drehen und ihn ereilte eine so furchtbare Übelkeit, dass sein erster Impuls war, sich von der harten Pritsche aufzuraffen und schleunigst den Erfrischer aufzusuchen. Ein Plan, den sein Körper nur halb mitmachte… als plötzlich die Muskulatur seiner Beine versagte, stürzte der ehemalige Sturmtruppler schmerzhaft auf den harten Zellenboden und war dann gezwungen, auf sehr jämmerliche Art und Weise in Richtung seines Ziels zu kriechen, in das er sich dann geräuschvoll erbrach. Seine Augen tränten, jeder Atemzug fühlte sich an, als würde seine Brust zerbersten, und die tausend Dolche, die sich scheinbar in seine Stirnhöhle bohrten, ließen ihn für einen Moment wünschen, einfach nur liegenbleiben zu dürfen. Natürlich war ihm dies vom Schicksal nicht vergönnt.

Als die Tür der Zelle sich öffnete, war es Agent Bower, der in Begleitung von zwei Sicherheitsleuten in Cris‘ verschleiertem Sichtfeld erschien, in der einen Hand einen metallenen Koffer, in der anderen einen durchsichtigen Beutel. Der NRSF-Agent wartete, bis Cris sich wieder unbeholfen auf die Pritsche gewuchtet hatte, bevor er das Wort ergriff.

„Eine bedauerliche Nebenwirkung des Sedativums, das wir Ihnen verabreichen mussten, Lieutenant“, erläuterte er dann mit einer Stimme, die deutlich machte, dass er das alles so bedauerlich nicht finden konnte, Cris‘ Zustand.

„Ich bin mir sicher, dass Sie verstehen, wenn wir nicht tatenlos zusehen, wie Sie unsere Zweigstelle auseinandernehmen.“

Cris presste seine Lippen aufeinander. Der Raum hörte langsam auf, sich zu drehen, und mit seinem Orientierungssinn kehrte sein Erinnerungsvermögen zurück. Das Gespräch mit Selby, der unbedingt über Noa hatte sprechen müssen. Oh Noa

„Wie dem auch sei“, fuhr Bower ungerührt fort.

„Vielleicht hat Ihnen Ihr kleiner Zusammenbruch sogar geholfen. Auf Lieutenant Selbys Betreiben ist man beim Geheimdienst offenbar zu dem Schluss gelangt, Ihre Überführung nach Lianna schnellstmöglich zu forcieren. Deshalb bin ich hier.“

Der Agent stellte den Aktenkoffer und den Beutel ab, öffnete den Koffer und holte etwas daraus hervor, das wie eine Art Arm- oder Halsband wirkte, allerdings angereichert um für Cris nicht zu identifizierende Elektronik. Mit diesem Gerät ausgerüstet trat Bower auf Cris zu, zögerte dann jedoch.

„Bitte sehen Sie jetzt von plötzlichen Bewegungen ab, ja?“

Mit einem humorlosen Lächeln bückte er sich, schob Cris‘ linkes Hosenbein leicht hoch und ließ das Gerät mit einem deutlichen Klicken um Cris‘ Bein schnappen. Ein leiser Pfeifton ertönte und Bower, offenbar zufrieden, erhob sich wieder.

„Das, Lieutenant, ist ein Peilsender. Mit seiner Hilfe können wir Ihren Aufenthaltsort bestimmen, was die Bedingung war, um Sie aus unserem Gewahrsam zu entlassen. Machen Sie sich keine Mühe… jeder Versuch, ihn zu entfernen, sorgt für einen kräftigen Stromschlag und alarmiert die nächstgelegene Einheit der NRSF. Auf Lianna wird man ihn Ihnen entfernen.“

Der Agent verschränkte die Arme vor der Brust.

„Außerdem haben wir Ihnen ein Ticket zurück nach Lianna verschafft. Es dauert allerdings noch ein wenig, bis das Raumschiff aufbricht… bis dahin sind Sie verpflichtet, den Raum Theed nicht zu verlassen. Und jetzt wissen Sie ja, dass wir Sie im Auge behalten.“

Bower nickte gewichtig in Richtung von Cris‘ linkem Bein, ehe er sich wieder bückte und ihm den durchsichtigen Beutel reichte.

„Hier haben Sie Ihre Habseligkeiten. Ohne Ihre Waffe und den gefälschten NRSF-Ausweis, natürlich.“

Er winkte den beiden Sicherheitsleuten zu.

„Diese beiden Männer werden Sie hinausgeleiten.“

Gehorsam griff Cris nach dem Beutel und fischte sein Comlink, seine ID, einen Creditstick und andere Kleinigkeiten daraus hervor, die er zum Zeitpunkt seiner Verhaftung bei sich getragen hatte, und erhob sich dann, um den beiden Sicherheitsleuten zu folgen. Bower verschwendete keine Zeit mit einer Verabschiedung, sondern wählte die entgegengesetzte Richtung des Ganges hinter der Zellentür.

Die beiden Wachmänner schwiegen, während sie Cris zum Ausgang begleiteten, der meinte, den Blick einer jeden Person auf sich lasten zu spüren, der sie begegneten. Bestimmt hatte es sich hier bereits herumgesprochen, dass man einen Agenten des Geheimdienstes hochgenommen hatte, als dieser gerade dabei gewesen war, das Gesetz zu brechen. Dass man ihn – einen Mörder – nun laufenlassen musste trug ihm gewiss keinerlei zusätzlichen Sympathiepunkte ein. Cris schluckte schwer. Eigentlich hätte er sich wohl Sorgen um seine Zukunft beim Geheimdienst machen müssen, doch es waren andere Dinge, die seine Gedanken beherrschten, so sehr er auch versuchte, sie zu verdrängen…

Die Zweigstelle der NRSF befand sich im malerischen Zentrum Theeds, in einem Gebäude, dessen fast kitschige Architektur so gar nicht zur nüchternen Institution passen wollte, die es beherbergte. Vermutlich war der Großteil der Anlage in unterirdischen Geschossen untergebracht – einen Wolkenkratzer im Zentrum der Hauptstadt Naboos hochzuziehen war jedenfalls ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Unschlüssig sah Cris sich um. Zu den Dingen im Beutel hatte auch das von Bower erwähnte Ticket – in der billigsten Klasse eines Massentransporters – gehört, doch der Zeitpunkt lag noch in weiter Ferne, so weit sogar, dass Cris vermutlich eine Bleibe zum Übernachten finden musste. Zunächst allerdings empfand er höllischen Durst. Seine Kehle war wie ausgetrocknet, vermutlich eine weitere Nebenwirkung des Mittels, das man ihm injiziert hatte.

Ehe er sich versah, war Cris in Richtung eines nahegelegenen Parks mehr gestolpert als gegangen, was ihm den einen oder anderen mitleidigen bis feindseligen Blick vorbeiziehender Passanten eingefangen hatte. An einem kleinen Stand hatte er sich eine große Flasche Wasser besorgt, um den Durst zu stillen, und eine etwas kleinere Flasche ebenso klarer, aber in ihrer Wirkung vollkommen anderer Flüssigkeit, um den Schmerz zu stillen.

Als er sich nach einer Sitzgelegenheit umschaute, traf es ihn wie der Schlag. Er kannte diesen Park. Und plötzlich schien es ihm, als würde neben ihm eine liebliche Stimme ertönen:

„Entschuldigen Sie? Können Sie mir helfen? Ich bekomme sie nicht auf.“

Und da stand sie, fast so jung wie Lorraine jetzt war, lächelte ihn aus ihrem wie gemalt wirkenden Gesicht an und hielt ihm eine Flasche entgegen. Akemi.

Cris‘ Kehle war wie zugeschnürt, als er sich zwang, den Blick von dieser Illusion zu reißen und blind auf eine in der Nähe stehende Bank zu hastete, auf der er dann zusammensank. Die Wasserflasche kullerte vergessen beiseite, als er ihren teuflischen Zwilling öffnete und für eine Reihe unbeherrschter, hektischer Schlucke ansetzte. Warum hatte er von allen Parks in Theed ausgerechnet in diesem erscheinen müssen? Wollte ihn irgendeine grausame Macht im Universum endgültig verhöhnen, indem sie ihm all das in Erinnerung rief, das er unwiederbringlich verloren hatte? Akemi, die glücklich mit einem anderen war? Noa, die sich der Tod geholt hatte, auf die schlimmste und grausamste Weise, die er sich vorstellen konnte?

Der Alkohol sorgte sofort dafür, dass er sich benommen fühlte. Wie unterschiedlich sie beide waren, Noa und AkemiNoa hätte ihn nie darum gebeten, eine Flasche zu öffnen. Oder auf irgendeine Art Schwäche eingestanden. Sie hätte geflucht, ihren Frust womöglich an ihm ausgelassen, eine Vase nach ihm geworfen – und dieses Mal getroffen – doch sie hätte sich niemals die Blöße gegeben, anzuerkennen, dass sie ihn für irgendetwas brauchte. Sie war stark. Unabhängig. Ungezähmt. Und jetzt war sie tot.

Cris merkte kaum, wie ihm die Hälfte der Flüssigkeit an seinem Kinn herunterlief, ehe ein Hustenanfall ihn zwang, die Flasche zu senken.

Er hatte sie beide geliebt… und er hatte sie beide enttäuscht. Doch während Akemi ohne ihn glücklicher war als jemals zu vor, bot sich die einzige Hoffnung, die für Noa noch blieb, in den abstrusen Theorien einiger Religionen über das Leben nach dem Tod… oder vielleicht in der Macht, wie die Jedi es ausdrücken könnten…

Cris wehrte sich nicht, als die Tränen kamen und heftige Schluchzer seinen Körper packten. Er ließ es geschehen, während das Leben Theeds um ihn herum weiterging, als wäre nicht erst vor kurzem der großartigste Mensch gestorben, den das Schicksal dieser Galaxis geschenkt hatte…

[Naboo, Theed, Park]- Cris
 
- Naboo – Theed – Atelier von Suchodio Rued – Salon – Mit Kim, Farlone, Tabea, Bex –

Immer wenn Akemi etwas dringend benötigte, war es verschwunden. Gestern Abend war es ihr Komlink gewesen, wegen dem sie ihre ganze Wohnung auf den Kopf gestellt hatte und das sie (wie sich später heraus gestellt hatte), bei Farlone vergessen hatte, heute morgen war es ein Lippenstift gewesen, der aus den Untiefen ihrer Handtasche einfach nicht hatte auftauchen wollen und jetzt war es ihr linker Socken. Es war wie verhext. Ihr rechter Fuß war bereits bestrumpft, doch links war sie barfuß. Ihre grell pink lackierten Fußnägel leuchteten im starken Kontrast zu dem schneeweißen Kleid, das sie trug, als sie unter dem Saum des bauschigen Rockes hervor blitzten. Vor zwei Tagen hatten Akemi und ihre kleine Schwester gemeinsam einen Beauty Tag eingelegt und sich gegenseitig die Fußnägel lackiert. Das war das Resultat.

„Sieh es positiv, vielleicht startest du einen neuen Trend.“

Farlone lümmelte in einem tiefen Sessel, einem gigantischen Teil bezogen mit Stoff aus feinster in Bordeaux gefärbter Wolle, die handgesponnen aus einer der traditionsreichsten Spinnereien Naboos kam. Alles an dem Salon, in dem Akemi und ihre Freundinnen saßen, war exklusiv und luxuriös. Seit rund zwei Stunden probierte sie hier Hochzeitskleider an. Sie waren zu Besuch im Atelier von Suchodio Rued, einer Designerin, die nicht ausschließlich, aber vor allem für ihre Brautmoden bekannt war und die Akemi in ihr Studio geladen hatte. Vor ihrem eigentlichen Gespräch hatte Akemi die Gelegenheit bekommen, die aktuelle Kollektion, sowie einige ausgesuchte Vintage Stücke zur Inspiration anzuprobieren.

“Die Trendsetterin hier bist doch wohl eher du.“

Antwortete Akemi, während sie kräftig ihre Hose ausschüttelte, doch die Hoffnung, dass ihr Socken beim Ausziehen im Hosenbein stecken geblieben war, war vergebens. Mit zwei Fingern zog Farlone lässig ihr Kaugummi in die Länge und wickelte es um ihren Zeigefinger.

„Stimmt. Ich bin immer super hip.“

Ihre kurzen gefransten Haare bestätigten diese Behauptung. Farlone war ein Chamäleon, blieb nie lange bei einem Look und probierte ständig Neues aus. Ihre neue Frisur hatte sie sich erst vor ein paar Tagen verpassen lassen, nachdem sie zuvor einen gut gepflegten Bob getragen hatte, und kaum hatte sie die Haare noch kürzer geschnitten, druckten die Modemagazine bereits Tutorials, wie ihr neuer Look ganz einfach nachzustylen war. Farlone tat im Grunde nichts, außer die Tochter eines Rockstars zu sein und dessen Geld auszugeben, doch jeder wollte so sein wie sie. Sie war das typische It-Girl.

„Farlone, hör bitte damit auf.“

„Womit?“

„Mit dem Kaugummi.“

Wenn es eine Person in ihrer Gruppe gab, die das alles anders sah, dann war das Kim. Sie und Farlone waren wie zwei gegensätzliche Elemente, und hätte Akemi es benennen müssen, sie hätte genau gewusst, wer von den beiden Feuer und wer Wasser war. Kim, ihre Stylistin, war alles das, was Farlone nicht war: ordentlich, ruhig, fleißig und in sich gekehrt. Farlone war alles andere: spontan, vorlaut, ein bisschen verrückt und extrovertiert.

„Wenn du so weiter machst, bleibt es irgendwo kleben und den Schaden kannst dann DU bezahlen.“

„Ich? Ich war nie hier! Das fällt alles auf Akemi zurück.“

Farlone griff nach einem Kissen und warf es - nicht auf Kim, das hätte sie sich nicht getraut, sondern auf Akemi.

“Hey! Hilf mir lieber, meinen Socken zu suchen!“

Lachend warf sie zurück.

„Mädels, passt auf die Gläser auf!“

Farlone und Akemi sahen sich an. In einer Komödie wäre es lustig gewesen, eine Kissenschlacht zu starten, sorglos mit allem zu werfen, das ihnen zwischen die Hände kam und sich nicht darum zu kümmern, ob Getränke verschütteten oder nicht, doch für die Realität war dieser Gedanke nichts, das Akemi ausprobieren wollte.

„Trink lieber noch was.“

Bex reichte Akemi ihr Glas. Sie waren zu fünft: Akemi, Farlone, Kim, Bex und Tabea, und seit sie hier waren, hatten sie schon mindestens dreimal auf die verschiedensten Anlässe angestoßen. Bex Wangen waren bereits leicht gerötet. Ihr Kleid auszusuchen war für Akemi einer der spaßigeren Parts, eine Hochzeit zu organisieren, jedenfalls bisher, und vor allem war es eine weise Entscheidung gewesen, ihre Freundinnen daran teilhaben zu lassen. Sie hatten zu jedem Kleid, das Akemi anprobiert und ihnen vorgeführt hatte, etwas zu sagen gehabt. Manchmal waren sie begeistert gewesen, manchmal hatten sie die noch so kleinsten Details kritisiert und manchmal hatten sie alle zusammen über die absurdesten Designs gelacht.

„Ich bin immer noch dafür, dass du das mit dem Spitzencape nimmst.“

Tabea konnte nicht an das Kleid denken, ohne zu lachen.

„Nein, nimm das Durchsichtige! Und du weißt ja, ohne Unterwäsche…“

Kichernd und zum wiederholten Male über diesen Scherz errötend, hob Akemi ihr Glas.

“Auf eine Hochzeitsnacht, in der die Braut sich nicht zu entkleiden braucht!“

Sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was Richard zu einem Kleid sagen würde, das so wenig der Vorstellungskraft überließ - er war nun einmal ein Mann. Ernsthaft in Betracht kam so etwas natürlich nicht, doch es war lustig, sich vorzustellen, wie andere reagieren würden, wenn sie in einem Hauch von Nichts vor den Altar träte. Ihre Familie wäre schockiert, allen voran ihre Mutter, und Salomés Eltern würden vermutlich in Ohnmacht fallen, wenn sie Akemi so sähen. Die Naboo waren nicht prüde, aber doch um einiges zugeknöpfter als es auf anderen Planeten üblich war. Auf Coruscant zum Beispiel würde selbst das kürzeste Kleid kein Aufsehen erregen. Dort war einfach alles möglich, wohingegen es in Theed nicht schwer war, einen Skandal auszulösen. Akemi nippte an ihrem Sekt. Um einen klaren Kopf zu bewahren trank sie deutlich weniger als ihre Freundinnen, abgesehen von Kim, die aus Prinzip keinen Alkohol zu sich nahm. Sie hätte im Vorhinein nicht für möglich gehalten, wie anstrengend es war, eine Hochzeitsfeier zu organisieren, und das obwohl sie noch nicht einmal den Höhepunkt oder den wirklichen stressigen Zeitpunkt der Planungen erreicht hatten. Es gab immer und überall etwas zu tun: eine Gästeliste musste erarbeitet, Einladungskarten ausgesucht und ein Text erdacht werden, sie mussten sich für eine Location entscheiden, die Sitzordnung festlegen, sich um Live-Musik kümmern, Menüvorschläge durchgehen und schließlich mehrere Termine zum Probeessen wahrnehmen, um diverse Cateringservices zu testen. Es war ein Luxus, dass Akemi eine Assistentin hatte, die ihr bei den meisten der organisatorischen Aufgaben half und Termine für sie verwaltete, doch das bedeutete nicht, dass Venecia alles alleine erledigte. Akemi war entschlossen, sich um so viel wie möglich selbst zu kümmern, damit ihre Hochzeit ein wirklich persönliches Ereignis wurde. Sie wälzte Kataloge und notierte Ideen, die sie dann mit Venecia, ihren Brautjungfern, ihrer Mutter und natürlich vor allem mit Richard besprach. Der ließ ihr in den meisten Dingen freie Hand. Bisher waren sie sich nur in einem Punkt wirklich uneinig gewesen: Richard hatte sich strikt geweigert, seine Familie einzuladen. Ihm wäre von Anfang an ohnehin eine kleine, intime Hochzeitszeremonie am liebsten gewesen, auch wenn er gewusst hatte, dass er das niemals würde durchsetzen können. „Wenn man ein Mädchen wie dich heiratet, muss man wohl mit einer großen Feier rechnen.“, hatte er sich widerwillig, aber gutmütig schmunzelnd, in sein Schicksal ergeben. Erst als sie begonnen hatten, sich konkrete Gedanken über die Gästeliste zu machen, war er ins Schwitzen geraten. „200 Leute? Ich kenne nicht mal die Hälfte davon!“, hörte sie ihn noch jetzt protestieren. Sie hatten lange über einzelne Personen debattiert, insbesondere über Leute aus dem Showbusiness, die sie zwar kannten, die Richard aber nicht unbedingt als Freunde bezeichnet hätte. Das sah Akemi in den meisten Fällen jedoch anders, auch wenn sie zugab, dass sie manche Gäste schlicht aus dem Grund einladen mussten „weil sie uns auch eingeladen haben“, wie sie argumentierte. Die Höflichkeit gebot, sich an solche banalen Regeln zu halten. Als sie dann jedoch Richards Vater, seine Schwester und deren Familie auf die Liste setzte, legte Richard ein deutliches Veto ein. „Auf keinen Fall. Damit tun wir uns keinen Gefallen.“, hatte er erklärt, worauf Akemi ihn gefragt hatte, ob es nicht langsam an der Zeit für eine Versöhnung war. Richard hatte nur den Kopf geschüttelt und versucht, die Situation herunter zu spielen. „Wieso versöhnen? Wir haben keinen Streit, wir sprechen bloß nicht miteinander.“ Akemi wusste, dass es mehr war als das. Richard war seinem Vater nie besonders nahe gewesen, das hatte er ihr erzählt, doch die Trennung von Mirande vor mehr als fünfzehn Jahren hatte einen weiteren Keil zwischen die beiden getrieben. Sein Vater hatte ihm schwere Vorwürfe gemacht, nicht ganz zu Unrecht, jedoch zum völlig falschen Zeitpunkt und noch dazu in einer Angelegenheit, in der Richard keine Einmischung von ihm geduldet hatte. Danach war der Kontakt zwischen ihnen nie ganz abgebrochen, hatte sich jedoch auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Manchmal sprachen sie Monate lang nicht miteinander. „Aber meinst du nicht, dass es schön wäre, den Anlass zu nutzen, um noch einmal von vorne anzufangen?“ So schnell hatte Akemi nicht aufgeben wollen. „Ihr seid beide stur.“ Sie fand, dass es eine schöne Vorstellung war, die komplette Familie beider Seiten unter einem Dach zu haben und so eine Gelegenheit wie jetzt würde nicht wieder kommen, jedenfalls nicht so schnell. „Wenn du meinen alten Herrn kennen würdest, wüsstest du, dass es bei ihm so etwas wie Neubeginn nicht gibt. Er ist verbohrt und nachtragend, ein unfreundlicher Mensch. Es gibt wirklich keinen Grund, mit ihm auskommen zu wollen.“ „Und was ist mit Susan?“ Richard verdrehte die Augen. „Meine dusselige Schwester weiß nicht mal, wo Naboo liegt. Alles andere würde mich jedenfalls sehr wundern.“ Richards Schwester lebte nach wie vor auf Coruscant, doch auch mit ihr kommunizierte er nur gelegentlich. Sie hatte ihre eigene Familie, war verheiratet und hatte zwei fast erwachsene Söhne. Akemi wollte sie alle gerne kennen lernen. Bis jetzt hatte sich nie eine Gelegenheit ergeben und weil der Kontakt ohnehin nur so spärlich war, war es ihr auch nie als so wichtig erschienen. Wenn sie aber verheiratet waren, wollte sie alles über Richard wissen und jeden Teil von ihm kennen. Dazu gehörte auch seine Familie. Trotzdem hatte sie an dieser Stelle ihre Überredungsversuche vorerst aufgegeben, um ihn nicht weiter zu nerven, bis sich zwei Tage später eine neue Möglichkeit aufgetan hatte, das Thema zur Sprache zu bringen. Die Termine für die Promo-Tour des ersten Deirdre-Films waren gesetzt und „Sanex Entertainment“ hatte sich die Wiedereingliederung Coruscants in die Republik zu nutze gemacht, um die Galaxis-Premiere des Films dort stattfinden zu lassen, wo auch die fiktive Geschichte spielte. Das bedeutete für Akemi, die als die weibliche Hauptdarstellerin ohnehin vertraglich gebunden war, an allen offiziellen Veranstaltungen teilzunehmen, sowie für Richard, der zugesagt hatte, bei der Galaxis-Premiere, sowie bei der Premiere in seiner Wahlheimat Naboo zugegen zu sein, dass sie schon bald nach Coruscant reisen würden - die perfekte Gelegenheit also, um Akemi schon dort mit Richards Familie bekannt zu machen und das (angeblich nicht vorhandene) Kriegsbeil mit seinem Vater zu begraben. „Wenn es gut läuft, können wir sie anschließend zu unserer Hochzeit einladen. Du entscheidest das.“, versuchte sich Akemi auf einem sehr diplomatischen Weg. „Aber gib ihnen wenigstens diese Chance.“

Im privaten Atelier der Chefdesignerin türmten sich Berge von Stoffen, Körbe mit Bordüren und Bändern jeglicher Art, kleine und große Gefäße mit tausenden von Knöpfen, Reisverschlüssen, Schnüren und natürlich dutzende und dutzende von Broschüren und Katalogen, die einen Schreibtisch so zupflasterten, dass keine einzige freie Ecke von der granitpolierten Fläche mehr zu sehen war. Akemi stand aufrecht auf einem mit einem roten Samtkissen bezogenen Hocker, während eine faustgroße Sonde sie umkreiste und ihre Maße nahm. Im Konferenzraum nebenan war bereits alles für die Präsentation der ersten Entwürfe der Designerin vorbereitet. Es roch bereits nach frisch aufgesetztem Kaf.


„Kleinere Änderungen können wir später immer noch vornehmen, selbst beim finalen Fitting.“

Informierte sie eine von Suchodio Rueds Assistentinnen und Akemi hatte das Gefühl, dass der Blick der anderen Frau flüchtig über ihren Bauch glitt, nicht ganz unauffällig genug. Natürlich, wenn eine junge Frau heiratete, entstanden die Babygerüchte ganz von selbst. Die Sonde neben Akemis Kopf leuchtete rot auf und ein Signalton bestätigte den Abschluss der Bestandsaufnahme. Suchodios Assistentin reichte ihr einen Morgenmantel. Kim wartete bereits im Konferenzraum, zusammen mit einer Handvoll anderer wichtiger Personen aus Rueds Kreativteam. Die Chefdesignerin persönlich führte sie durch ihre Designvorschläge, die von einem Holoprojektor in Lebensgröße in die Mitte des Raums geworfen wurden.

“Corsagen werden diese Saison ganz neue Maßstäbe setzen. Wir haben sie auf den Laufstegen hier in Theed und in Kaadara gesehen, aber auch in Aldera und sogar auf Coruscant.“

Suchodio Rueds Stimme hatte den Charme eine Säge, die widerspenstiges Holz zum Bersten brachte, doch ihr Akzent, der sie eindeutig als Naboo auswies, war weich und schwingend. Ihre rostroten Haare waren zu einem Beehive aufgetürmt, ihrem Markenzeichen, wenn man so wollte. Die wenigen Male, die die Designerin in den letzten 15 Jahren mit einer anderen Frisur gesichtet worden war, ließen sich an einer Hand abzählen.

„Ich bin kein Fan von Corsagen.“

Lehnte Kim sogleich ab.

„Akemi ist kein Unterwäschemodel.“

„Aber Corsagen sind doch schon längst nicht mehr nur auf den Wäschemarkt beschränkt. Was trug Etienne Sulfur bei den Lavera-Awards? Ein rubin-rotes Corsagenkleid von Jill Takei. Und Mimi Starflake vor zwei Wochen auf der Prestige Coral Bühne? Eine Corsage, Vintage Van Lurilou. Vintage!“

Suchodio Rueds hatte ihre Hausaufgaben gemacht, keine Frage. Akemi vermutete, sie hätte der Designerin irgendein Event und einen beliebigen Namen an den Kopf werfen können und sie hätte sofort gewusst, welches Kleid aus welchem Hause die prominente Person getragen hätte. Es gehörte schon einiges dazu, sich das alles zu merken.

„Das sind Shows mit entsprechendem Glamour Faktor. Eine Hochzeit ist konservativer.“

Gab Kim zu bedenken. Die Designerin lachte.

„Nur, wenn das Brautpaar sie konservativ plant.“

„Corsagen machen einen tollen Busen.“

Eine der anwesenden jungen Designerinnen zuckte mit den Schultern, als wäre das für sie das ausschlaggebende Argument. Der Kollege zu ihrer Rechten schüttelte den Kopf.

“Verspielt und sexy, ja. Vielleicht sogar romantisch. Elegant und zeitlos? Nein.“

Lautete sein Urteil. Akemi bat darum, einen der vorherigen Entwürfe noch einmal zu sehen.

“Mir gefiel der zweite Entwurf ganz gut.“

Warf sie ein. Das Design, auf das sie sich bezog, basierte ebenfalls auf einer Corsage. Suchodio hatte dieses Kleidungsstück zum Zentrum all ihrer Vorschläge gemacht, wie es schien. Im Grunde war Akemi jedoch einer Meinung mit Kim. Sie hatte nichts gegen Corsagen, doch sie wusste nicht, ob sie eine auf ihrer Hochzeit tragen wollte – unten drunter vielleicht, ja, doch nicht für jedermann sichtbar. Zwei Stunden später hatte das gemeinsame Brainstorming sie weiter gebracht. Man hatte eine mögliche Richtung gefunden und einige Ideen gesammelt, an denen gearbeitet werden sollte. Suchodio Rueds Assistentin würde Venecia kontaktieren, zwecks Abstimmung eines neuen Termins.

„Bist du zufrieden mit den ersten Entwürfen?“

Wollte Kim wissen, als sie das Studio der Designerin verließen und in den Gleiter stiegen, der vor den Türen des Gebäudes auf sie gewartet hatte. Akemi kletterte als erste auf die Rückbank. Ihre Füße steckten in bequemen Halbschuhen und glücklicherweise war auch ihr verlorener Socken tatsächlich wieder aufgetaucht.

“Ich weiß nicht. Es wäre einfacher, wenn ich wüsste, was genau ich eigentlich möchte.“

Gab sie zu. Das eine perfekte Kleid auszusuchen war eine ziemliche Mammutsaufgabe. Die Bilder, die von ihr an ihrem Hochzeitstag entstehen würden, würde sich Akemi für den Rest ihres Lebens ansehen und sie wollte auch in zwanzig Jahren noch zufrieden sein mit der Wahl, die sie mit ihrem Kleid getroffen hatte. Kim schien das zu verstehen, wusste aber auch, dass es dauern konnte, bis alle Details erarbeitet waren. Sie befanden sich in der allerersten Phase und hatten noch genügend Zeit, das Konzept mehrmals umzuschmeißen, wenn nötig. Das beruhigte Akemi etwas. Wenn sie eines vermeiden wollte, dann war das, sich zu früh für etwas zu entscheiden und hinterher unzufrieden zu sein.

“Männer haben es leicht.“

Seufzte sie, als Richards Name auf ihrem Komlink aufleuchtete. Das brauchte Kim, die bereits eifrig auf ihrem eigenen Komlink herum tippte, zum Schmunzeln.

„Ach komm, ernsthaft tauschen würdest du auch nicht wollen.“

“Nein,“

Gab Akemi zu.

“Dazu macht es zu viel Spaß. Was gibt’s Neues?“

Sie lehnte sich zurück und schielte auf Kims Display.

„Nachrichten…“

Murmelte diese.

„Sie haben diesen Serienkiller gefasst.“

“Oh, endlich! Wie haben sie das gemacht?“

Kim überflog den Bericht.

„Großer Showdown im Krankenhaus, der Typ hat ein Baby als Geisel genommen… ah, und am Ende ist er von Polizisten getötet worden. Gut so. Er erlag seinen Verletzungen noch an Ort und Stelle.“

Kim machte ein finsteres Gesicht, während sie den Artikel las. In den vergangenen Wochen hatte eine Mordserie ganz Theed in Atem gehalten. Akemi war nicht konstant auf dem aktuellen Stand gewesen, aber wann immer sie etwas davon mitbekommen hatte, war irgendetwas neues fürchterliches passiert. Es war gut, wenn das jetzt vorbei war.

“Und das Baby? Ist dem was passiert?“

Wollte sie wissen. Kim durchforstete den Artikel.

„Nein, hier steht, es ist wohlauf. Und die letzten beiden Geiseln, die in einem Ferienhaus am Stadtrand gefangen gehalten worden sind, haben auch überlebt. Oh, aber weißt du was?“

“Nein, was?“

„Tyga und Lara Ederrie haben sich getrennt. Offizielles Statement ihrer Sprecherin.“

"Lies vor!"

Und Kim las den kurzen Report. Wirklich langweilig war es in Theed nie, dachte Akemi. Auf ihrem eigenen Display wartete noch Richards ungelesene Nachricht auf sie. Sie rief sie auf. „Ich vermisse dich.“, hatte er geschrieben und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Richard war in Kadaara. Sie würde ihn morgen wieder sehen. Er fragte außerdem, wie ihre Anprobe gewesen war, obwohl er genau wusste, dass Akemi ihm nicht zu viel verraten konnte. Das Kleid sollte für ihn schließlich eine Überraschung werden. Sie schrieb ihm zurück, dass sie vorsichtig sein musste, nichts auszusuchen, das einen Ohnmachtsanfall bei ihrer Mutter auslösen würde. Seine Antwort kam prompt zurück. „Oder bei meinem alten Herrn. Falls er sich die Mühe macht zu kommen.“ Akemi stockte, als sie diese Worte las. Sollte das heißen, dass Richard bereit war, seine Familie einzuladen? Sie wollte es genau wissen. „Du hast nicht Unrecht.“ erklärte er seinen Sinneswandel, „So eine Gelegenheit wird nicht wieder kommen. Und wenn nicht jetzt, wann dann?“ Akemi lächelte, als sie ihm zurück schrieb. Sie freute sich auf morgen. „Ich vermisse dich auch.“, ließ sie ihn wissen.

- Naboo – Theed – Gleiter – Mit Kim –
 
- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Gästezimmer -

Bei den Nachbarn brannte Licht. Noa konnte durch deren Fenster sehen. Im Obergeschoss war eine ältere Dame in ihrer Küche beschäftigt. Sie trug ein Nachthemd, ihre Haare waren auf Lockenwicklern aufgedreht und wurden durch ein Netz gehalten, und ihre Füße steckten in Pantoffeln aus Fell, die ungemein bequem aussahen, ihr jedoch mindestens eine Nummer zu groß sein mussten. Die Frau goss sich ein Glas Wasser ein und sortierte im Schein der Küchenlampe ihre Medikamente. Die Uhr an ihrer Wand schlug die nächste volle Stunde. Zeit war für Noa zur Nebensache geworden. Als sie sich zuerst in das offene Fenster des Gästezimmers gesetzt hatte, war es noch hell draussen gewesen. Sie hatte die letzten wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht gespürt und den letzten, immer leiser werdenden Geräuschen eines zu Ende gehenden Tages gelauscht, bis die Sonne unter gegangen war und alles um sich herum mit sich genommen hatte. Alleine empfing Noa Chanelle Cortina die Dunkelheit. Sie war eine Überlebende, Opfer und Kämpferin. Der Joint, den sie gedreht hatte, lag inzwischen vergessen neben ihren Füßen auf dem Fenstersims. Sie hatte nur zwei Züge genommen; süß und erdig war der Geruch des Rauchs gewesen, mit einer Note von Lösungsmitteln und getrocknetem Salbei, und für ein paar Momente hatte sich Noa in die Tiefen von Belanglosigkeit und Leichtigkeit fallen lassen. Die Wirkung von Drogen war nichts Neues für sie. Auf Parties heizten sie die Stimmung an, vertrieben Müdigkeit aus Geist und Körper oder ließen Hemmschwellen schwinden, wenn man mit jemandem zusammen war, den man nicht kannte. Drogen machten Mut und gute Laune. Sie vertrieben sogar Ängste und Sorgen, für eine Weile. Irgendwann jedoch ließ ihre Wirkung nach, die Realität kehrte zurück und Erinnerungen, die man zuvor schon hatte, waren noch immer da.

Die ältere Dame hatte ihre Tabletten für den Abend genommen. Sie trank ihr Glas Wasser leer, verließ das Zimmer durch die einzige Tür und schloss diese hinter sich. Es dauerte zwei Minuten oder drei, bis der Bewegungsmelder im Raum keine Bewegungen mehr verzeichnete und das Licht automatisch abschaltete. Das Haus lag wieder in Stille, unten in der Wiese zirpten Insekten und Noa war wieder alleine in der Dunkelheit. Sie war eine Geisel, Tochter und Schwester. Sie schwamm in den Fluten, die sie erstickten. Es war schwer, bestimmte Gedanken auszublenden. Denken ohne zu denken funktionierte nur bedingt, vor allem wenn der Schmerz noch frisch war. Man konnte ihn betäuben. Für die Schmerzen in ihrem Rücken hatte Noa Tabletten bekommen und den Schmerz in ihrem Inneren vertrieben die Drogen. Bereits ein einziger Zug an dem Joint hatte Wirkung gezeigt, sie wie auf Wolken schweben lassen und ihre Gefühle verblassen lassen, doch das war genau der Punkt: Noa wollte fühlen. Jules Agathon hatte ihr Schlimmes angetan. Er hatte sie misshandelt und sie gefoltert und sie wollte die Schmerzen, die er ihr zugefügt hatte, spüren, damit sie nie vergessen würde ihn zu hassen. Sie war eine Frau, allein unter Fremden. Sie war der Tod, der sich Rache nannte.

Voller Gedanken ließ Noa die Zeit vergehen. Sie hatte nicht gehört, ob Graham Trineer nach Hause gekommen war, doch wahrscheinlicher war, dass er im Krankenhaus schlief, bei seiner Frau. Deanna war nicht tot, trotz allem. Das war etwas, für das Noa dankbar war. Es gab noch Hoffnung für sie, musste sie geben. Sie musste aufwachen und sehen, dass es ihrem Sohn gut ging, dass er atmete und lebte... und dass Noa ihr Versprechen gehalten hatte. Eine Frau wie Deanna gab nicht einfach auf, sagte sich Noa, nicht jetzt und nicht irgendwann. Sie ließ das Fenster geöffnet, als sie endlich von dem Sims herunter kletterte und in das Bett stieg, in dem sie schon geschlafen hatte, bevor Jules sie in seine Gewalt gebracht hatte. Hier hatte sie gelegen, als er sich in das Haus geschlichen hatte, vermutlich in der Annahme, dass ihn niemand sehen würde, bis Noa als unbequeme Zeugin aufgetaucht war. Es wäre alles anders gekommen, wenn sie länger geschlafen hätte und nicht hinunter gegangen wäre. Er hätte sie niemals bemerkt. Ihr Blick führte Noa durch das Fenster hinaus. Naboos Monde wachten am dunklen Nachthimmel wie weisse Riesen. Angst hatte sie keine. Sie wusste, dass Jules tot war - die Behörden hatten ihn überführt und im Gefecht getötet - und sie selbst hatte Donnie erschossen. Es war vorbei, zumindest in Wirklichkeit, nur in ihren Erinnerungen noch nicht. Noch ein paar Stunden, bis es wieder hell würde. Noa schloss die Augen. Sie war die Schlafende, die die Realität träumte. Sie war die Rebellin, die nicht schlief.

Zum wiederholten Male wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Jedes Mal, wenn sie dachte, sie könnte einschlafen, sah sie sein Gesicht vor sich. Jules. Es war das letzte, das sie gesehen hatte, bevor er sie in die Kühleinheit im Boden gesteckt hatte. Dunkel war es dort gewesen, und kalt. Sie hätte dort erfrieren können. Frustriert setzte sich Noa auf und schaltete die Nachttischlampe ein. Ihr Chrono sagte ihr, dass es nach Mitternacht war. Warum war es so schwierig zu schlafen? Im Zimmer war es kühl, doch die frische Luft half ihr, sich zu erinnern, dass sie in Freiheit war. Das war ihr wichtig. Sie konnte gehen wann immer sie wollte, sie musste nur aus dem Fenster springen, so wie in dem Ferienhaus im Wald. Noa rieb sich die Augen, völlig übermüdet. Was machte das für einen Sinn? Das Haus hatten Türen und keine davon war für sie verschlossen. Sie fragte sich, ob Aldridge schlafen konnte. Ging es ihm besser als ihr, ausgerechnet ihm, der geflennt hatte wie ein kleines Kind, weil er Angst gehabt hatte zu sterben? Oder sollte er genau so Probleme haben wie sie? Es gefiel ihr nicht, zuzugeben, dass sie überhaupt ein Problem haben könnte. So war es auch nicht. Sie hatte sich Gedanken gemacht, den ganzen Abend lang, viel zu viele, und jetzt konnte sie nichts anderes mehr tun. Sie schaltete das Licht aus, legte sich wieder hin, doch sobald sie die Augen schloss, war sie wieder zurück in der Kühlkammer und die Luke über ihr war geschlossen. Fluchend schlug Noa schließlich die Decke zurück, wütend auf alles und jeden, auf Donnie und Aldridge, Deanna und Jules, aber vor allem auf sich selbst. Auf Strümpfen schlich sie zur Tür hinaus und die Treppe hinunter um zu lauschen, ob Aldridge noch wach war. Sie hörte das Holo-Fernsehen hinter der Tür zu seinem Zimmer. Leise klopfte sie an.


"Aldridge?"

Sie wartete.

"Bist du wach?"

Der Ton des Fernsehers verschwand. Noa öffnete die Tür. Aldridge lag auf seinem Bett, doch es sah nicht so aus, als hätte er bereits geschlafen. Dabei war es schon so spät. So würdevoll wie möglich, in ihrem Unterhemd und der weiten Hose mit den viel zu langen Beinen, auf die sie bei jedem Schritt trat, stand Noa vor ihm und sah sich im Zimmer um.

"Ich wollte nur sehen, ob bei dir alles in Ordnung ist."

Sagte sie in geschäftsmäßigem Tonfall. Bewusst vermied sie es, ihn direkt anzusehen. Sie wusste, dass er ihrem Gesicht ansehen würde, dass sie log.

"Ich war in der Küche und habe Stimmen gehört. Fernsehstimmen."

Sie deutete auf den Holo-Projektor.

"Also, alles OK bei dir?"

Und dann sah sie ihn doch an und es war das Schlimmste, das sie hätte tun können. In dem Moment, in dem ihre Blicke sich trafen, wusste Noa, warum sie zu ihm gegangen war. Ihre Familie war Lichtjahre von ihr entfernt. Coruscant und Lianna schienen ein halbes Leben weit von hier weg zu liegen. Sie suchte Pablo in ihren Gedanken, der immer, selbst ohne Worte, zu wissen schien, wie es ihr ging. Sie sehnte sich nach der Schulter ihres Vaters, wollte sich von ihm trösten lassen, als wäre sie wieder sein kleines Mädchen und wünschte sich zu ihrer Schwester, die ein Teil von ihr war und sie ergänzte, die immer dann stark war, wenn Noa schwach war. Keiner von ihnen war bei ihr. Sie hatte hier niemanden, nicht einmal Cris, von dem sie gehofft hatte... sie hatte nur Aldridge und sie brauchte jemanden zum Reden. Noa kam näher, setzte sich auf sein Bett.

"Ich bin nicht okay, Aldridge."

Sie starrte auf ihre Hände, als Symbol ihrer Seele, ihre Hände die immer so stark waren und die alles schafften was sie sich vornahm.

"Ich kann nicht schlafen. Immer wenn ich die Augen schließe, muss ich daran denken, als ich in diesem Schacht war."

Noa schüttelte den Kopf. Der Ton war deaktiviert, doch die Bilder im Holo-TV liefen weiter. Aldridge hatte sich eine Sportsendung angesehen.

"Geht es dir auch so?"

Sie sah ihn wieder an und suchte in seinem Gesicht nach Bestätigung. Es musste ihm genau so gehen. Sie konnte nicht die einzige von ihnen sein, die litt. Obwohl es in seinem Zimmer deutlich wärmer war als in ihrem, legte sich Gänsehaut auf Noas bloße Arme. Unter ihrem Hemd war deutlich der Verband um ihren Rücken zu erkennen. Sie war die Hauptdarstellerin der Geschichte, deren Ausgang auf ihren Körper geschrieben war. Sie war Noa und sie war verletzt - innen wie aussen.

- Naboo - Theed - Wohngebiet - Haus der Trineers - Aldridges Zimmer - Mit Aldridge -
 
- Naboo - Theed - Zentrum - Hauptgebäude der staatlichen Gerichtsmedizin - Leichenhalle - mit Captain Andrews (NPC) -

„Kaum zu glauben, wirklich kaum zu glauben, der Scheißkerl gehörte zu unseren besten Männern.“


Captain Andrews, der Trineer bis zu ihrer Genesung vertreten sollte, besah sich Jules Agathons Leiche. Trotzdem sich das NRSF um speziell diesen Fall gekümmert hatte, war der Leichnam des Mörders, im Hauptgebäude der Gerichtsmedizin eingelagert worden. Tionne, mit einer dampfenden Tasse Kaff bewaffnet, hielt Abstand zu dem Tisch, als könnte bösartige Aura, von der Leiche des Monsters auf sie über gehen. Ganz klar, Agathon war die abstoßenste Leiche in diesem Raum, und das obwohl hinter ihr ein junger Mann auf einem der kühlen Stahltische lag, der Selbstmord begangen hatte, indem er sich in seinem Atelier mit Farblöser übergossen, und angezündet hatte. Agathon war im Gegensatz zu dem Brikett hinter ihr körperlich, bis auf seinen Schädel, ein paar Blessuren und sein rechtes Knie intakt. Die bloße Tatsache, das er eben er war, machte ihn aber zu einem schlimmeren Ablick, als den verbrannten mimosen Möchtegern Künstler, der nicht mit seinem Leben klar gekommen war.

„Deswegen hat er auch so lange unberührt agieren können, Sir. Er war ein Taktiker, und kannte natürlich alle Prozesse der Ermittlungsarbeit.“

Ein abschätziges Schnauben entwich der Kehle ihres neuen Vorgesetzten. Der neutrale Captain vom Kadaara Police Department sah sie dann an, als hätte sie ihm erzählt, das der Himmel grün sei.

„Bei allem Respekt Detective Sanders, das war wohl nicht der einzige Grund. Captain Trineer hat einige Fehler gemacht....grobe Fehler.“

Und Tionne merkte, wie sie zischend Luft durch ihre Zähne einsog. Und sie wollte protestieren, und diesem Pfau fragen, was ihm einfiel. Aber die Wahrheit war, das die Captain grobe Fehler gemacht hatte. Sie hatte ja selbst ihre Ermittlungsarbeit in Frage gestellt, und sogar hinter ihrem Rücken ermittelt. Dennoch, die Quote ihrer größten Unterstützerin im TPD, die war tadellos gewesen, genau wie ihr Instinkt. Sie hatte einmal falsch gelegen, und wirklich teuer dafür bezahlt.

„Wie gesagt Sir, die Umstände waren eigen.“

Mehr als das, der Mörder hatte ihnen die ganze Zeit über die Schulter gesehen, hatte sich hinter der Maske des vertrauten Beamten verborgen. Agathon hatte eine wahnwitzige Nummer durchgezogen, und nicht nur Trineer hatte dafür teuer bezahlt. Vor ihrem inneren Auge tauchte für eine Sekunde Aldridge Trineer auf, dieser dreckige blutige kahlköpfige Mann, der sie auf den Graßebenen anstarrte, während der Platzregen über sie beide hereinbrach.

„Wie auch immer, das Ergebnis können wir nicht mehr ändern. Jetzt bleibt es uns nur, die Reste zusammen zu fegen, uns den Staub von den Schultern zu klopfen und weiter zu gehen.“

Er tippte dem toten Agathon gegen die Stirn, und rieb sich danach die Hände.

„Die Ermittlungen übernehmen zum Glück, die von der NRSF. Es ist gar nicht schlecht, das dieser blonde Kerl..“

Sheldon Sir, Cris Sheldon“.

„Ja genau der, dem Bastard den Schädel zerschlagen hat. Das erspart uns ein langwieriges Verfahren, und niemand muss ihm mehr zuhören.“

Cris Sheldon, Tionne fragte sich seit Tagen, wie es dem Mann wohl ging. Sie hatte direkt, nachdem sie Noa Cortina und Aldridge Trineer aufgelesen hatte, versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sie hatte ihn nicht mehr erreicht, und später erfahren, wieso. Sie hoffte, das das, was er da unten im Krankenhaus Keller getan hatte, ihm nicht das Leben ruinierte.

„Gibt es Familie? Will jemand den Scheißkerl beerdigen?“

Tionne fischte ihr Comlink aus ihrer Hosentasche, und rief ihre Notizen auf. Sie wusste das Elise Edwardson ihren Sohn bestatten wollte, trotz allem, aber ob sie für ihren Exmann aufkommen wollte..

„Nein Sir, niemand will das tun.“

Captain Andrews Stirn legte sich in Falten, und dann schwieg er. Tionne fröstelte es, und nicht nur, weil sie in einem kühlen Raum voller Leichen war. Dieses „Aufräumen“, all das war so nüchtern, und dieser Mann war so distanziert. Der rationale Teil in ihr, der sagte ihr, das es richtig war, das Chief Portman einen neutralen Mann eingesetzt hatte. Captain Andrews war ein Mann von bestem Ruf, mit tadelloser Akte, der gerade wirklich jeden Prozess, um den Fall abzuwickeln, sicher in den Händen hielt. Er war aber auch nicht dabei gewesen, bei den vielen erfolglosen Zugriffen und Einsätzen, er hatte Captain Trineer nicht gesehen, wie sie all ihre Erfahrung, und all ihre Leidenschaft beigesteuert hatte, und trotzdem zu keinem Ergebnis gekommen war. Er hatte den viel zu jungen Archer nicht gekannt, der für gar nichts, im Keller der Dyson Schule gestorben war. Er hatte Dean Gram nicht gekannt, der jetzt Wittwe und zwei kleine Kinder zurück lies...für gar nichts. Er urteilte, ohne sich um die Details zu scheren, und Tionne verachtete ihn dafür.

„Okay, kümmern Sie sich darum, das der Kerl rasch ins Krematorium kommt. Und dann ab in ein anonymes Grab.“

Tionne nickte den Befehl ab, und notierte sich die Aufgabe im Comlink. Jetzt musste sie noch dafür sorgen, das dieser Mörder ein Grab bekam. Herrlich.

„Was ist mit dem Sohn?“

Andrews, bedeutete ihr ihm zu folgen, und Tionne tat es brav. Und während sie sich mit ihrem Vorgesetzten, an ein paar weiteren belegten Tischen vorbei bewegte, bediente sie sich eines Tricks, aus der Ausbildungszeit, und fixierte dir ihr gegenüberliegende Wand. Nicht das sie keine Leichen sehen konnte, das konnte sie, und musste sie nicht erst seit Agathons Mordreihe. Es waren einfach viel zu viele gewesen, in letzter Zeit. Wer wollte eine Leichen Flatrate? So gab es für die Ermittlerin, bis sie endlich am Tisch vom kleinen Agathon angekommen waren, nur den Geruch von Kaff, der sich mit dem penetranten Geruch von Desinfektionsmittel, und einem Hauch Tod durch Barbeque, der ihr noch von dem verbrannten Aktionskünstler in der Nase lag.

„Haben Sie ENDLICH die Aussage von Miss Cortina aufgenommen?“

Nein, hatte sie nicht, und sie würde es nicht, bis Aldridge Trineer „versehentlich“ die Gelegenheit bekam, mit der verletzten Journalistin zu sprechen. Sie sollten sich absprechen! Spätestens die Comlink Nachricht, die Tionne ihr noch vor dem Treffen mit Captain Andrews hatte auf offizellem Weg zukommen lassen, musste diese Frau wach werden lassen. Tionne war bei der Besichtigung des Tatorts, und der Leichenschau sofort aufgefallen, das Donald Agathon nicht in Notwehr erschossen worden war. Schleifspuren, Blutspuren, der Winkel in dem der heiße Blasterstrahl, in den Schädel des debilen kleinen Mistkerls eingedrungen war, die merkwürdige Position des Blasters... Die Polizistin konnte eine Liste mit Details führen, die Aldridge Trineers Aussage in Frage stellte....plus die Aussage selbst. Aldridge Trineer war für Tionne kein offenes Buch gewesen, er war eine offene gigantische riesen Holo Projektion gewesen. Sie hatte ihm jedes Details seiner Aussage abgekauft, von seiner Entführung, über die Misshandlungen, und der Erörterung und zeitlichen Abfolge der Ereignisse. Sie hatten dank seiner Aussage sogar den genauen Ort gefunden, an dem Deanna Trineer mit Jules Agathon gekämpft..und leider verloren hatte. Seine Mimik war die ganze Zeit über angestrengt gewesen, er hatte gewirkt, als wollte er sich an wirklich jedes kleinste Detail erinnern. Und er hatte es in eindrucksvoller Form geschafft, indem er sogar ganze Gespräche der Agathons wieder gegeben hatte. Gespräche in denen Vater und Sohn Details genannt hatten, die Einzelheiten über ein paar andere Morde offen gelegt hatten, Details die Trineer nicht kennen konnte. Seine Gestik war genau wie seine Mimik stimmig gewesen, er hatte verspannt gewirkt, aber nicht nervös. Als sie aber nachgehakt, und ihn nach Details über Donald Agathons Ableben gefragt hatte war all seine Glaubwürdigkeit aus dem Fenster geflogen. Tionne machte ihm keinen Vorwurf, sie machte auch Noa Cortina keinen Vorwurf. Gerade letztere hatte so viel abbekommen, Trineers Aussage, und die Spuren am Tatort sprachen Bände. An Agathons Waffengürtel war so viel DNA von Noa Cortina gewesen, man hätte sich vermutlich 20 Clone daraus erschaffen können. Blut auf dem Bett, Blut auf den Laken, Blut auf dem Tepich, Blut auf dem Fenstersims des Schlafzimmers, Blut an Aldridge Trineer.

„Wie schon in meinem Bericht erwähnt, wird sie die Aussage schriftlich abgeben, wenn sie körperlich dazu in der Lage ist, Sir. Die Frau wurde schwer verletzt.“

„Okay, aber spätestens Morgen Abend, muss ihre Aussage eingegangen sein! Sonnst müssen wir die Frau abholen, und ins Revier bringen. Kontaktieren Sie sie, wenn sie sich nicht meldet.“

Tionne war dabei gewesen, als Noa Cortina in die Notaufnahme gebracht, und erst mal mit vielen Infusionen, und Sauerstoff stabilisiert worden war, bevor die eigentliche Behandlung überhaupt möglich wurde. Sie hatte selbst die Kleidung der Journalistin entgegen genommen, und für die Spurensicherung eingetütet und versiegelt. Tionne hatte all ihre Verletzungen gesehen, und war schon da zum Entschluss gekommen, das man eine Frau nicht schlimmer misshandeln konnte. Hingegen ihrer inneren Wette, war sie nicht vergewaltigt worden, nicht das die schlimmen Verletzungen nicht genug gewesen waren.. Und wenn sie den kleinen Drecksack Chips vom Sofa aus abgeknallt während einer Pediküre abgeknallt hätte, für Tionne blieb es Notwehr, Rache war ein so böses Wort. Donald Agathon hatte dieses Ende verdient, genau wie sein Vater. Die Ermittlerin musste an die ermordeten Kinder der Fatanys denken, die Familie mit der alles begonnen hatte. Nein die Gedanken die sie gerade hegte, waren einer Offizierin der Theed Police ganz sicher nicht würdig. Tionne pfiff drauf, Noa Chanelle Cortina hatte es nicht verdient gehabt so sehr entwürdigt, verletzt und entblöst zu werden. Captain Trineer hatte es nicht verdient gehabt, so schwer verletzt zu werden, Gram und Archie hatten es nicht verdient gehabt zu sterben, wie all die anderen. Der Blasterschuss war Gerechtigkeit gewesen, und Tionnes Gewissen war rein.

„Das war kein Glückstreffer..“

Tionne räusperte sich, nahm einen Schluck halbkalten Kaff, und sah sich die Stirn vom komplett kalten Donald Agathon an.

„Sanders, ich wette man könnte ein Lineal auf seine Stirn legen, und würde rausfinden, das der Schuss genau mittig zwischen seinen Augen sitzt. GENAU mittig.“

Tionne, die im Gegensatz zu Andrews durch den forensischen Bericht wusste, das dieser Schuss bis auf zwei Milimeter tatsächlich genau die Mitte getroffen hatte, zog die Schultern hoch.

„Bestimmt ein Glückstreffer, wer kann schon eine Waffe exakt bedienen, während er mit einer anderen Person kämpft? Ich bitte Sie Sir, das war eine Journalistin, keine Kollegin von den Snipern“.

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- Naboo – Theed – Norden – Haus der Trineers – Schlafzimmer – mit Noa -

Sie hätte ihren Zustand gar nicht benennen müssen. Aldridge war es doch schon klar. Allein die Tatsache, das seine Leidensgenossin ihn mitten in der Nacht aufsuchte, sprach Bände. Das war Noa Chanelle Cortina, die Frau die ihn gar nicht kannte, die ihn wie ein ekelhaftes Insekt angestarrt hatte, als sie sich das erste mal begegnet waren. Sie suchte seine Nähe, und Aldridge fand das mehr als nachvollziehbar. Sie war ganz allein, und hatte niemanden hier, und sie war verdammt nochmal ein Mensch. Natürlich war Noa nicht okay. Wie hätte sie denn okay sein können? Das was ihr wiederfahren war, war so unausprechlich gewesen, so traumatisch.
Aldridge wäre gerne für einen Moment ihr Bruder gewesen, nur um sie trösten zu dürfen. Er wäre jetzt gerne gerade alles für Noa gewesen, Bruder, Freund, egal was, nur um sie zu trösten. Zumindest im Bruder sein, war er gut. Der Werftarbeiter entgegnete ihr erstmal nichts, und raffte sich stattdessen, in einer einzigen fließenden Bewegung auf, um sich zu ihr auf die Bettkannte zu setzten. Aldridge blickte zu Boden, um all die Verletzung in ihren Augen nicht sehen zu müssen, und starrte auf ihrer beider Füße. Noas Füße waren winzig, im direkten Vergleich zu seinen fast doppelt zu langen Pedanten. Diese zarte, kleine Frau hatte ihren ganzen gemeinsamen Leidensweg so übermenschlich groß gewirkt. Man hätte zwischenzeitlich meinen können, das Noa stets einen Plan B in der Tasche gehabt hatte, so sicher und optimisch hatte sie gewirkt. Er hatte sich emotional zusammen gerollt, und geflennt.


„Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich nur jede Menge Chancen, die ich vertan habe, weil ich viel zu viel Angst hatte. Ich habe nichts getan, das die Situation irgendwie verbessert hätte. Im Gegenteil. Ich wünschte ich..“

Aldridge zog geräuschvoll Luft in die Lungen, und unterdrückte alles, was in ihm hochkam. Kurz sah er seine Mutter vor Augen, die die ganze Zeit gewusst hatte, das Jules sie am nächsten Morgen töten wollte. Sie hatte sich trotzdem um ihn gekümmert, ihn getröstet, ihn den verängstigten Weichling. Und er hatte sich bei ihr ausgeheult, wegen Nicky... Nicky.. er hätte seinen Arm dafür gegeben, sie bei sich zu haben. Einen Arm... Bilder von Agathon knallten plötzlich auf, wie Feuerwerkskörper. Jules, wie er ihn immer wieder schlug, wie er Donnie dabei zusah, wie er wiederum auf ihn einprügelte. Sie hatten vorgehabt, ihm den Finger ab zu schneiden, und dann die Hand..

„Alles andere ist noch nicht richtig bei mir angekommen.“

Er war sich sicher, das Noa dachte, das er Absolution wollte, aber dem war nicht so. Die hatte er nicht verdient, noch konnte irgendwer ihm die erteilen.. Zudem, er war jetzt nicht wichtig, ihm war sehr viel weniger passiert als ihr. Aldridge hob endlich den Kopf, und sah Noa über seine Schulter aus an. Sie wich seinem Blick nicht aus, und ihm zeriss es das Herz noch ein Stückchen mehr, sie wirkte auf ihn, als würde sie gerade versuchen...nein, als würde sie sich gerade mit aller Kraft regelrecht gegen die Emotionen stemmen, die in ihr lauerten. Sie hatte ja keine Ahnung, sie wusste nicht, das sie bei ihm weinen durfte, oder toben, oder was immer sie wollte. Sie kannte ihn eben nicht.

„Ich bin so froh, das du noch lebst. Ich dachte ich hätte dich verloren, weil du einfach nicht wieder zurück gekommen bist, trotz all meiner Bemühungen.“

Um ein Haar, wäre sie eine weitere Leiche gewesen, sie wusste nicht wie knapp es gewesen war. Aldridge würde es ihr nicht sagen, genau so wenig, was passiert war als sie bewusstlos gewesen, und Donnie sie angefasst hatte. Was sollte ihr das bringen, ausser noch mehr Trauma. Aldridge schüttelte den Kopf, als er sich an sein Versprechen erinnerte, und beschloss es in die Tat umzusetzen. Er wollte alles für sie tun? Jetzt war es erstmal an der Zeit, ihr zumindest ein bisschen ihrer Last von den Schultern zu nehmen. Und wenn es gerade nur Frost war, der sich gerade auf ihren physischen Schultern breit machte. Aldridge stand auf, und tigerte zu der dunklen Kommode auf der anderen Seite des Raumes. Der Alkohol, der ihm durch die Adern floss, lies seine Gliedmaßen heiß kribbeln. Zum Glück war er noch nicht so weit, und lallte. Er war noch Herr seiner Sinne. Das stumme Bild des Holoprojektors, zeigte gerade sein verschwitztes jüngeres Ich, das mit Rylo„the Crayt“, diesem riesigen Gungan um den glänzenden Diskus rang. Der Werftarbeiter fühlte nichts, als er die altbekannten Aufnahmen sah, das war zu lange her, das war viel zu trivial, viel zu unwichtig. Die warme selbst gehekelte Decke, die er mittlerweile in seinen Händen hielt, war wichtiger. Noa fror, und das war inakzeptabel.

„Das erste, und letzte Handarbeitsprojekt meiner Mutter. Sie hat bei der Herstellung mehr geflucht, als ein Gammoreaner im Fitnesstudio.“

Seine Mutter hatte es gehasst, diese Decke herzustellen, aber nachdem sie ihr Projekt angefangen hatte, war sie einfach nicht bereit gewesen aufzugeben. Das war sie nie gewesen, wie zuletzt...

„Hier.“

Sprach er, und reichte Noa die Decke, um sich wieder in seine alte Sitzposition zu bringen.

„Noa?“

Er suchte wieder ihren Blick, und wurde wieder getroffen, von ihren unterdrückten Emotionen. Und als er ihr noch tiefer in die Augen sah, verstand er es. Er war doch im Grunde auch allein, war verletzt und einsam wie sie.

„Natürlich bist du nicht okay, wie könntest du das sein?“

Er streckte seine Hand aus, und legte sie über ihre kleinen Hände, ganz oberflächlich.

„Ich bin auch nicht okay.“

Seine Hand zog sich wieder zurück, als er sich dazu zwang für sie zu lächeln.

„Du siehst übrigens verdammt hübsch aus, so mit Farbe im Gesicht.“

Das ernst gemeinte Kompliment, würde in jedem Fall sein Ziel erreichen, entweder fühlte sie sich geschmeichelt, oder sie sprang auf, und machte ihn zu ihrem Sparingspartner. Sollte sie ihn schlagen, wenn es ihr gut tat, wenn es ihr dadurch besser ging, war das völlig okay für ihn.

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Sie war hübsch, mit etwas Farbe im Gesicht, hatte er gesagt. Aldridge hatte Noa in einem ihrer schlechtesten Momente erlebt, dem wohl schlimmsten Zustand in dem sie sich jemals befunden hatte. Er hatte sie nackt gesehen als Jules sie halb tot geschlagen hatte und er kannte die Brandwunden auf ihrem Körper, die bittere, sie für alle Zeit zeichnende Berührung des Imperiums, die sie niemals freiwillig offen gelegt hätte. Er wusste mehr über sie, als ihr lieb war, mehr als sie ihm jemals über sich erzählt hätte. Wenn Aldridge ihr sagte, dass sie besser aussah als zuvor, dann musste er zweifellos an die Noa aus dem Keller denken, an die Noa auf dem Bett oder an die Noa auf dem Holzboden des Wohnzimmers, Donnies Blaster zu ihren Füßen. Sie hatte ihn erschossen. Aldridge hatte es gesehen. War es das, woran er dachte? Noa wusste nicht, was sie aus seinem Kompliment machen sollte, daher sah sie ihn nur an und erwiderte nichts. Wäre er nicht er gewesen, sie hätte ihn angefahren um sich selbst der Situation zu entwinden oder vielleicht auch, um ihn einzuschüchtern. Um ihm zu zeigen, dass sie stark war, obwohl er sie so schwach gesehen hatte. Sie hatte ihn schließlich nicht um seine Meinung gebeten. Was sie zurück hielt war, wer er war. Er war Aldridge, Deannas Sohn, Gefangener in Handschellen. Er hatte geweint, war geschlagen worden, dem Tod nahe gewesen – alles Dinge, die er nicht kannte, die er nie vermutlich so erlebt hatte in seinem behüteten Aufwachsen im harmonischen Theed. Noa fühlte sich ihm gegenüber verantwortlich. Sie hatte ihm sein verdammtes Leben gerettet. Sie würde ihn jetzt nicht anschnauzen.

Sie hatte sich die Decke um die Schultern geworfen, ein steifes, nicht besonders wärmendes Teil, das Deanna Trineer selbst gemacht hatte. Es war schwer, sich einen vernünftigen Grund vorzustellen, warum diese toughe Polizistin, die Job und Familie klar unter ihrer Kontrolle gehabt zu haben schien, mit Handarbeit hätte anfangen sollen. Noa kannte die Frau nicht besser als sie Aldridge kannte, aber Stricken und Häkeln schien ihr nicht zu einer Berufstätigen zu passen, die Großeinsätze bei der Polizei leitete. Auf der anderen Seite, dachte sie, hatte jeder seine versteckten Seiten.


"Die Decke ist scheußlich.“

Noa musste schmunzeln, als sie es sagte. Sie hatte das Gefühl, dass Deanna genau das gleiche gedacht hatte und dass sie die Decke trotzdem angefertigt hatte, nur um zu beweisen, dass sie es konnte. Genau so hätte Noa es gemacht. Sie erinnerte sich an ihr letztes Gespräch mit Aldrigdes Mutter. Deanna Trineer war eine Frau, die man sich zum Vorbild nehmen konnte. Ohne sie wäre es noch schwieriger in der Gefangenschaft gewesen.

"Sie ist stark, Aldridge."

Sagte Noa.

"Ich bin mir sicher, sie wird kämpfen und es schaffen."

Und was, wenn nicht? Noa wollte nicht daran denken. Es wäre nicht ihr Verlust, sie war nur eine flüchtige Bekannte, doch für Aldridge würde es schmerzhaft sein, schlimmer vielleicht als alles, was er die vergangenen Tage erlebt hatte. Noa konnte das bestätigen. Sie schaute auf das Bild des Holo-TV-Projektors, wo Sportler in nass geschwitzten Trikots um die Oberhand in einem Spiel kämpften, das von aussen wie reines Chaos wirkte, wenn man die Regeln nicht kannte. Damit hatte Aldridge sich abgelenkt, mit Bier und einem guten Spiel. Verständlich. Noa sah ihn an.

"Du machst dir keine Vorwürfe, oder?"

Wollte sie wissen. Er hatte angedeutet, dass er mehr hätte tun können, wenn er nur den Mut dazu gehabt hätte. Das... stimmte. Es hätte Möglichkeiten gegeben und vielleicht wäre dann dies oder jenes anders gelaufen. Doch machte es Sinn, darüber zu lamentieren? Nein. Was geschehen war, war geschehen.

"Wenn du es tust, hör auf damit."

Aus Noas Tonfall war jedes Verständnis gewichen.

"Jeder von uns hat getan was er konnte. Du, ich, deine Mutter. Schau mich an, Aldridge."

Befahl sie ihm streng.

"Du bist nicht dafür verantwortlich, was Jules mit mir gemacht hat, ist das klar? Das war mein Ding."

Sie sah ihm in die Augen. Wenn er es jetzt wagte, ihr Widerworte zu geben, würde sie ihn vielleicht doch anschnauzen, oder ihn ohrfeigen, wenn er die Sprache besser verstand. Sie meinte es nur gut mit ihm, wollte nur dass er es begriff: er war Schuld an nichts und es war nicht seine Aufgabe gewesen, Noa vor Jules' Zorn zu retten. Er hatte ihr das Leben gerettet, als alles vorbei gewesen war. Das war mehr als genug gewesen. Sie brach den Blickkontakt ab. Auf dem Bildschirm vor ihnen hatte das Match einen neuen Höhepunkt erreicht, als sich zwei Spieler ohne Rücksicht um Verluste um den Besitz der Diskusscheibe rauften. Da ging es um vollen Körpereinsatz. Bei diesen durchtrainierten Typen war das gar nicht mal uninteressant. Noa kniff die Augen zusammen. Einer von denen sah aus wie...

"Sag mal, bist du das oder was?"

Die Decke rutschte von ihrer Schulter, als sie sich vorbeugte. Ihr Blick wanderte zu Aldridge.

"Das bist du."

Sie hatte ja gewusst, dass er früher Sport gemacht hatte, aber nicht, dass er SO erfolgreich gewesen war. Jetzt saß er hier, versuchte zu vergessen, ertränkte seine Gefühle in Alkohol und trauerte seiner verlorenen Karriere nach, indem er sich aufgezeichnete Spiele von sich selbst ansah. Ein bisschen konnte sie ihn verstehen. Sie hatte ja selbst an dem Joint gezogen.


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Der Firebird Whisky brannte, als Aldridge einen kräftigen Schluck nahm. Es war schon wieder passiert, wieder war ihm eine Frau aufs Dach gestiegen, und musste ihn wie einen kleinen Jungen zurecht weisen. Aldridge war überrascht darüber, das er sich gerade über Noa ärgern konnte. Sie hatte ihn regelrecht angefahren, nur um ihm zu befehlen, was er zu tun hatte, was er zu denken hatte. Hatte sie es gut gemeint? Möglich, aber es war absolut nicht nötig, ihn anzufahren. „Das war mein Ding.“, hatte sie gesagt, was für ein völliger Blödsinn. Was wollte sie eigentlich von ihm? Er hatte diverse Versuche gemacht, die Stimmung zwischen ihnen auf zu lockern, hatte versucht auf sie zu zu gehen, wollte das es ihr gut ging. Und Noa hatte nichts anderes zu tun, sich in sein Zimmer zu begeben, sein privates Besäufnis zu unterbechen, um ihm dann zu sagen, was er zu denken hatte. Diese Floskeln über seine Mutter, die konnte sie sich sowieso sparen. Und obwohl er gerade sehr große Lust hatte, ihr zu sagen, das sie verschwinden, und ihn hier in Ruhe lassen sollte, tat er es nicht. Weil es Noa war, und weil er versprochen hatte, das er alles für sie tun würde. Wenn sie gerade eine Zicke sein... Aldridges Gedanken zerstoben, als ihr die Decke von der Schulter rutschte, und Aldridge nur noch starren konnte. Die Haut ihrer nackten Schulter war pure Seide, genau wie die ihrer Arme, ihres Dekolletés... Noa war eine sehr schöne Frau. Noa war eine dieser selbstbewussten, unabhängigen Frauen, die einen mit ihrer Attraktivität umhauten, für die man sich in Pfützen warf, eine die man mit Geschenken und Gesten beeindrucken wollte. Noa war ganz sicher eine dieser Frauen, die um ihre Attraktivität wusste, aber er fragte sich, ob sie es nach dem, was ihr passiert war noch so sah. Alles was sie gerade ausstrahlte, war Verletzlichkeit, die mit Stacheldraht aus Abweisung umwickelt war. Der Blick des Werftarbeiters blieb an ihrer Schulter kleben, und er musste sich an eine Schulter erinnern, die sehr viel heller gewesen war, aber nicht minder seidig. Der Unterschied zwischen Nicky und Noa war allerdings, das erstere nicht kapierte, das sie verteufelt attraktiv war.


„Noa.“

Aldridge nahm noch einen Schluck Whisky, als er sich ein Herz fassen, und sie in ihr Zimmer schicken wollte. Freundlich, nicht voller Ärger, denn der war ihm schon wieder entglitten. Zum einen, weil er sein Versprechen weiter halten wollte, und er ganz sicher viel zu sensibel auf ihre Worte reagiert hatte, weil er betrunken und müde war. Auf der anderen Seite war er eben so, er war Aldridge, der Mann der zu jeder Frau nett war, auch wenn sie ihn wie Abschaum behandelten. Er hatte seine Eier wohl direkt bei seiner Geburt abgegeben, und geriet immer an Frauen, die die Eier anderer Männer in ihren Handtaschen als Trophäen mit sich spazieren führten. Aldridge hatte in seinem Kopf schon eine Entschuldigung formuliert, als ihn Noa auf die Holobilder ansprach, die sie sich angesehen hatte, während er in Selbstmittleid versunken war. Und gegen jede Logik musste er lächeln, als sie ihn wirklich erstaunt ansah.

„Das bin ich, ja.“

Der Naboo spannte den Bizeps seines linken Arms direkt vor Noas Nase an, und durch den feinen grauen Stoff seines Schlafanzugs, zeichnete sich jeder Muskel seines Wurfarms ab. Eine dämliche Geste, aber hey, er hatte noch einen blöden Witz bei ihr gut.

„Planetarer Meister, Püppchen!“

Er lachte auf, und knippste Noa ein Auge zu, bevor er schnell wieder ernst wurde. Es gab einfach nichts zu lachen.

„Das ist sehr lange her, das sind zehn Jahre alte Aufnahmen.“

Er deutete auf sein junges Ich, das diesen albernen Haarschnitt trug, und sich für sehr männlich gehalten hatte, mit diesem lächerlichen Kinnbart. Sein junges Ich fing sich gerade eine Verwarnung vom Referee ein...

„Siehst du?“

Er deutete auf die völlig gerade Nase des jungen, bulligen Kerls.

„Da hab ich noch meine hübsche Nase.“

Aldridge grinste, zuckte die Schultern, und suchte Noas Blick. Sie hatte sich die Decke wieder über die Schultern gezogen, und Aldridge musste ihr recht geben. Die Decke war grauenvoll, und seine Mutter hatte zig mal versucht sie weg zu werfen.

„Ich wollte mich einfach ablenken weist du? Ich wollte mir einen einzigen Abend gönnen, an dem ich meinen Kopf abschalten kann. Ich mache mir so große Sorgen.“

Er dachte an seine Mutter, die so entsetzlich verletzt war. Jules hatte ihr das angetan, einfach so, weil er es gewollt hatte. Es hatte keinen Groll gegeben, seine Mutter hatte ihm niemals böses angetan, es gab kein bescheuertes religiöses oder politisches Motiv. Es gab keine Erklärung, warum er ihr das angetan hatte. Es war alles einfach so passiert, weil Jules Agathon es gewollt hatte.

„Weist du, nachdem ich dich in Donnies Gleiter getragen habe, und losgefahren bin, ist mir auf halben Weg Tionne Sanders entgegen gekommen, und ihr folgte eine Polizeieinheit auf dem Fuße. Und warum? Weil meine Mutter sich, nachdem Jules....“

Aldridge schüttelte es, als er an den Moment dachte, als seine Mutter in völlig anderer Kleidung wieder zu ihnen gestoßen war..

„Sie hatte sich ein Hemd gewählt, das mein Vater direkt wieder erkannt hat, und dem TPD mitgeteilt hat, das es sich im Kleiderschrank, im Ferienhaus befunden hatte. Verstehst du? Sie hat sich sogar darüber Gedanken gemacht, ihm selbst als potentielle Leiche, seinen Plan zu ruinieren. Und sie hat trotzdem verloren.“

Aldridge schüttelte den Kopf, als könne er damit die schlechten Gedanken loswerden.

„Und Jules? Dieser Hund hat sich schweigend in sein Grab begeben. Weist du ich hätte gerne einen VERDAMMTEN Grund gehabt, für das war er getan hat. Warum hat er das diesen Familien angetan, meiner Mutter? Und dir? Ich hab ihn selbst gefragt, warum er das alles tut, da oben im Schlafzimmer. Und weist du was er gesagt hat? Es musste soweit kommen Junge! Was für ein Schweinehund!“

Er nahm einen Schluck vom Whiskey, und wunderte sich über seine strukturlosen Gedanken, um Noa die Flasche hin zu halten.

„Willst du was? Nur ein Schlückchen? Um die Füße warm zu kriegen?“

Sie fror, und das war nicht akzeptabel. Ihr ging es schlecht, das war noch weniger akzeptabel.

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Aus Gewohnheit nahm Noa die Flasche Whiskey entgegen und in jeder anderen Nacht hätte sie einen kräftigen Schluck getrunken; weil es schmeckte, weil sie Spaß haben wollte oder weil es einfach dazu gehörte. Heute war alles anders. Sie fühlte sich anders. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie in einer schwierigen Situation gewesen war, doch nichts was sie zuvor erlebt hatte war so schlimm gewesen wie Jules Agathons Folter. Nichts hatte sie auch später noch so sehr beachäftigt wie das hier. Es hieß, Menschen die mit ihrem eigenen Tod konfrontiert wurden, neigten dazu ihr Leben zu verändern, neu anzufangen oder die Dinge zu tun, die sie schon immer tun wollten. Was für Klischees. In diesem Licht sah Noa sich nicht. Und trotzdem, sie konnte nicht leugnen, dass es die Angst gewesen war, ihn nie wieder zu sehen, die ihr vor Augen geführt hatte, wie sehr sie sich Cris zurück wünschte. Sie reichte die Flasche an Aldridge zurück. Nach Trinken war ihr nicht.

"Mir ist egal, ob er einen Grund hatte oder nicht. Ändert ja doch nichts."

Antwortete sie, obwohl sie Aldridges Gefühle gut verstehen konnte. Seine Mutter schwebte in Lebensgefahr, natürlich suchte er nach einem Sinn. Er hatte es deutlich schwerer als sie. Noa war nur froh, dass Jules nicht mehr lebte und dass sie ihn nie wieder in einem Gerichtssaal oder in der Zeitung würde sehen müssen.

"Der Sack ist tot. Nur das zählt."

Es war keine Gerechtigkeit, dafür bestand viel zu viel Ungleichgewicht zwischen seinem vermutlich schnellen Tod und den qualvollen, schmerzhaften Stunden die seine Opfer erleiden mussten, doch es war das Beste das hatte passieren können. Jules war tot. Er würde nie mehr jemandem weh tun. Hätte sie gewusst, wer Jules den tödlichen Schuss verpasst hätte, Noa hätte ihm - oder ihr - eine Goldmedaille verliehen. So sehr wie Jules hatte sie noch nie zuvor jemanden gehasst, nicht mal als trotziger Teenager. Unter dem viel zu langen Saum ihrer Stoffhose bewegte Noa ihre Zehen. Sie war froh, dass sie das noch tun konnte, dass sie hier sitzen und mit Aldridge sprechen konnte, so furchtbar es auch gewesen war. Es bedeutete, dass sie noch eine Chance hatte. Zum Teufel, vielleicht würde sie sogar das Klischee erfüllen und ihr Leben neu ordnen! Sie könnte zu Cris gehen, mit ihm sprechen und ihn endlich um Verzeihung bitten... wenn er denn noch hier wäre. Auf dem Bildschirm vor ihr rammte Aldridge mit der schönen Nase gerade seinen Kopf in die Seite seines Gegenspielers. Wie ein Stier mit gesenkten Hörnern war er auf ihn zu gestürmt, 90 kg pure Muskelmasse. Der echte Aldridge neben ihr war zehn Jahre älter, hatte er gesagt, doch er hatte nichts von seiner damaligen Fitness eingebüßt. Ohne zu fragen ob sie durfte, streckte Noa eine Hand aus und fühlte seinen Oberarm.

"Hmm, gar nicht schlecht."

Urteilte sie grinsend. Die Genugtuung, seine Muckis anzuhimmeln als wäre sie eine einfältige Trulla, wollte sie ihm nicht geben. Darauf wartete er wahrscheinlich nur.

"Machst du in deiner Freizeit auch noch was anderes als trainieren?"

Sie nahm ihre zweite Hand dazu, testete ob sie seinen Bizeps mit beiden Händen umfassen konnte.

"Und dann auch noch Planetarer Meister... na, wenn die Frauen da nicht Schlange stehen!"

Lachend schaute Noa auf. Es war komisch, doch für einen Augenblick hatte sie ganz vergessen, was gewesen war. Für ein paar Sekunden hatte sie nicht an Jules gedacht, oder Deanna oder an den Blaster in ihrer Hand, der ihre Rettung gewesen war. Erst jetzt, wo sie Aldridge in die Augen ansah, erinnerte sie sich wieder. Er war glatt rasiert, nicht wie der Profisportler in der alten Holo-Aufnahme und nicht wie der gefangene Sohn der Ermittlerin, der in Handschellen neben ihr gesessen hatte. In diesem Moment war er vielleicht nicht der, der er sein wollte, sondern der einzige, der er sein konnte. Wie sich das anfühlte, wusste Noa nur zu gut. Sie zog ihre Hände zurück und betrachtete eingehend ihre Fingerspitzen, sich plötzlich der unangemessenen Intimität bewusst werdend. Wäre Cris jetzt in ihrer Reichweite, würde sie wirklich zu ihm gehen? Hätte sie so viel Mut? Sie wünschte es sich, auch wenn es keine Rolle spielte. Er war längst auf dem Rückweg nach Lianna und vielleicht dachte er schon gar nicht mehr an sie. Das war das Leben. Das waren die Entscheidungen die man traf und die man dann verantworten musste. Sie hob den Kopf und begegnete wieder Aldridges Blick. Für Noa galt das gleiche wie für ihn, sie tat das einzige, das sie tun konnte: sie beugte sich vor und küsste ihn. Seine Lippen waren weicher als sie gedacht hätte. Er küsste nicht wie Cris. Aldridge war ganz anders, in allen Aspekten. Er war er selbst und doch wieder nicht. In Noas Kopf sagte ihr eine Stimme, dass er Cris war, dass sie wollte dass er es war. Sie schob sich ein Stück näher an ihn heran, weiter auf das Bett und mehr zu ihm.

"Wenn du möchtest, kannst du die Augen schließen und dir vorstellen, ich wäre Nicky."

Noa ließ ihre Hand dorthin gleiten, wo es warm war. Sie küsste Aldridge mit einem Gefühl der Dringlichkeit, als hinge alles von diesem einen Moment ab, nicht weil sie es wollte, oder sie ihn begehrte, sondern weil sie ihn brauchte. Jetzt.

"Es würde mir nichts aus machen."

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Er war nicht an ihr interessiert, er wollte Noa nicht auf diese Weise. Sein Körper, fand allerdings, das er sie sehr wohl wollte, jetzt, so schnell wie möglich. Aldridge spürte ihren Atem auf seinen Lippen, als er es schaffte sich von ihr zu lösen. Der Naboo blickte kurz an sich herab, und etwas in ihm sagte ihm, das er das alles stoppen sollte. Seine Hand schaffte es sogar, sich über ihre zu legen, um sie weg...... Aldridge lies sie wo sie war. Denn der Abstand, diese wenigen Zentimeter zwischen ihrem und seinem Gesicht, schmerzte so sehr. Sie hatte mit ihrem Kuss für Sekunden alles aus seinem Kopf vertrieben. Die schlechten Gedanken waren verschwunden, und die Traurigkeit darüber, das Nicky sich nicht gemeldet hatte, hatte sich kurz aufgelöst. Aldridge schmiegte sich an ihre Wange, und genoss die Wärme ihrer Haut, bevor er sie mit der gleichen Hingabe küsste, mit der sie eben das wärmende Feuer entfacht hatte. Seine Hand fuhr durch ihr schönes Haar, und in seinem Kopf war es sehr viel heller, als das was gerade wirklich, durch seine Finger glitt. Aldridge war sich sicher, das er sterben musste, wenn er sich von ihren warmen, köstlichen Lippen trennen würde. Denn das waren Nickys Lippen, und sie war das Leben für ihn. Im Raum wurde es ganz still, genau wie in seinem Kopf. Da saßen keine zwei erbärmlichen traumatisierten Gestalten, die mit der durchschlagenden Kraft der Verzweiflung Nähe, Wärme und Kurzweil suchten. Nein nein, da waren nur er und Nicky, und sie hatte endlich kapiert, das sie beide das ganz große Ding sein konnten. Es war ganz leicht gewesen, sie hatte sich nur überwinden müssen, um ihn, den Versager, zu lieben. Geld hatte er keines mehr, auch keinen Erfolg, und seine Würde hatte er auch verloren. Aldridge hatte nur noch sein Herz, und das gehörte ihr, ganz allein. Er kniff seine Augen zusammen, als er kurz, versehentlich die Realität gesehen hatte. Da saß Nicky, nicht Noa, und ihre Augen waren blau, nicht braun. Aldridge holte hastig Luft, als er sich von Nicky löste, um ihren Hals zu küssen. Es musste ihr gefallen, das er sie jetzt mit beiden Armen umschlang, und ihr mit sanften Küssen zeigte, wie sehr er sie liebte. Nicky war verschmust, das wusste er, die Frau, in die Nicky so lange verliebt gewesen war, hatte ihr dieses Bedürfnis nie erfüllt. Er tat es mit Hingabe. Denn er liebte Nicky, und er war mit ihr hier. Er saß hier mit Nicky, und alles war gut, hier saßen nicht diese geschlagenen einsamen Gestalten. Nein, alles war gut.

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Es fühlte sich anders an, oder vielleicht war es auch einfach schon zu lange her, als dass sie sich richtig erinnerte. Dass letzte Mal, dass Cris ihren Hals geküsst hatte, war auf Mon Calamari gewesen, am Morgen nach dem Ball. Sie waren zusammen aufgewacht, hatten im Bett gesessen und heissen Kaf getrunken und irgendwann hatte Cris ihr den Becher aus der Hand genommen und sie verführt. Und jetzt tat er es wieder, fast genau so wie damals, nur dass die Umstände anders waren. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und forderte, dass er ihre Lippen küsste statt ihren Hals. Sie wollte mehr davon: mehr von ihm, mehr Körperkontakt und mehr Intensität statt zärtliche Liebkosungen. Eigentlich hätte er das wissen sollen. Mit einen Kuss, der jedem Sturm auf offener See getrotzt hätte, legte Noa einen Arm um seinen Hals, hob ein Bein hoch und dann quer über ihn und zog sich auf seinen Schoß. Sie thronte über ihm, spürte ihn unter sich. Hungrig tasteten ihre Hände seinen Körper ab und rissen nach seinem Shirt, bis er ihr half es über seinen Kopf zu ziehen. Seine Haut war warm, seine Brust glatt. Für eine Sekunde irritierte Noa die weiche Haut unter ihren Fingerspitzen, dort wo sich eigentlich Cris' Brusthaare hätten kräuseln sollen. Um den Gedanken zu betäuben, presste sie sich nur stärker in seinen Schoß und spürte stattdessen den direkten Griff seiner Lust, unter sich und in Form seiner Hände.

"Was tust du, wenn du etwas nicht haben kannst, weil es zu weit weg ist? Wartest du, übst dich in Akzeptanz, oder begnügst du dich mit der zweitbesten Lösung, die sich dir bietet? Verspürst du Reue?" Noa Chanelle Cortina war nie gut darin gewesen sich zu gedulden. Warten bedeutete, untätig zu sein. Ihre Schwester hatte die Trennung von Cris kommen sehen. Cloé hatte von Anfang an geahnt, dass es mit ihnen nicht gut gehen würde, doch Noa hatte nicht hören wollen. Sie hatte Cris gewollt, auch wenn sie ihn von sich gestoßen hatte. Die ganze Zeit über hatte sie ihn gewollt. Das hätte ihm eigentlich klar sein müssen. Warum um alles in der Galaxis hatte er nicht stärker um sie gekämpft? Warum nicht?! Ein paar sinnlose Worte von ihr und er hatte alles akzeptiert, was sie gesagt hatte. So hätte es nicht enden müssen! Er hätte sie einfach an den Handgelenken packen sollen um sie zu zwingen, ihm zuzuhören, um ihr zu sagen, dass sie sich irrational verhielt! Er hätte sie nehmen und sie küssen sollen, hart und bestimmend, so wie sie ihn jetzt küsste. "Diese Sprache, Cris," dachte Noa, "die hätte ich verstanden. Warum zum Teufel hast du es nicht getan?" Es war alles seine verdammte Schuld.

Wut trieb sie an, und Verzweiflung. Noa bohrte Aldridge ihre Fingernägel in die Schulter. Jeden einzelnen seiner sexy, gottverdammten Muskeln wollte sie um sich spüren. Sie hasste ihn dafür, dass er nicht Cris war, hasste Cris dafür, dass er nicht bei ihr war und hasste Jules, weil er sie angefasst hatte. Weil sie verletzlich gewesen war und nichts gegen ihn hatte unternehmen können. Vielleicht war das der Grund, warum sie jetzt so verbissen kämpfte - gegen ihre eigene Schwäche, gegen ihr Versagen Cris' gegenüber und gegen ihren Verstand, der ihr sagte dass es falsch war, was sie tat. Es war Noa egal. Sie wollte, dass es ihr egal war. Sie wollte nur endlich wieder etwas tun können um wieder die Kontrolle über ihr Leben zu erlangen. Donnie zu töten hatte nicht gereicht. Es war rein gar nichts wert gewesen, wenn sie Cris nicht zurück haben konnte.


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