Thustra

[Thustra | Dschungel | irgendwo] – Kruluk, Zelot

Er hob vorsichtig den Kopf.
Durch die riesigen Farne warf er einen Blick auf seine Verfolger. Sie waren nicht einfach zu entdecken, wie sie still durch das Dickicht schlichen, auf der Suche nach ihm. Über seinem Kopf, irgendwo dicht unter den hohen Kronen der gigantischen Bäume, die wie Säulen emporwuchsen und den Himmel zu stützen schienen, zogen seltsame Tropfendrohnen dahin.
Mit seinen Mundtentakeln nahm er den Geschmack seiner Umgebung war, die Wärme, die stickige Luft der Natur hier unten, aber auch die drückende Feuchtigkeit überall. Seine Pranken ruhten auf dem nassen Untergrund, eines kleinen Morasts, an dessen Rand er lag und spähte. Ungerne würde er sich hier in dem brackigen Tümpel verstecken, aber wenn es nicht anders ging, würde er abtauchen.
Nicht, daß es ihm tatsächlich nützen würde. Sie hatten ihn immer wieder aufgespürt, und an Schlaf war kaum zu denken. Seit Tagen jagten sie ihn, sein Magen knurrte, seine Energielanze war ohne Energie und diverse Verletzungen peinigten ihn. Er wurde langsamer und schwächer, und nicht einmal die Aufputschmittel des Zeloten würden ihn noch länger auf den Beinen halten. Es war aussichtslos.
Warum das kleine, unheimliche Ding ihm immer noch folgte, war ihm ein Rätsel. Doch diese fliegende Qualle hatte ihm stets zur Seite gestanden, manchmal eher hinderlich als förderlich, wie just in diesem Augenblick. Ein Blitz zuckte in seine Richtung und traf seinen kleinen Begleiter. Funken sprühten, als einer der kleinen, filigranen Greifer sich in einem hohen Bogen im Tümpel verabschiedete.
Kurz empfand er Mitleid, dieses Ding war nämlich auch nicht mehr in bestem Zustand. Der kleine leuchtende Halsring, so hatte Kruluk herausgefunden, schien eine Art Statusanzeige zu sein, und die dunkle Farbe, die leicht schimmerte, deutete nichts Gutes an. Sein kleiner Kampfbruder ohne Waffen war ebenso angeschlagen wie er, und sie mussten hier weg. Irgendwie hatte sie der Feind in dem Versteck aufspüren können und eröffneten erneut das Feuer.

Der Feind... wer sie waren, wusste Kruluk nicht. Mit ein paar Zügen, die ihm einen Teil seiner Kraft raubten, schwamm er durch den Tümpel auf die andere Seite. Doch auch dort würden sie ihn bald ausfindig gemacht haben. Sie waren augenscheinlich mit großen, schlanken Waffen ausgestattet und seltsamen Panzerungen, die ihn an aufrecht gehende Käfer erinnerten. Nur ungleich gelenkiger und schneller. Sie sahen alle gleich aus mit ihren seltsamen Helmen, und hatten rein gar nichts mit den ihm bekannten Sephi gemein. Wer sie waren, war ihm ein Rätsel. Nachdem er von Blaine und dessen Freunden getrennt worden war, hatten sie ihn verfolgt. Anfänglich war er noch von den freundlichen Gardisten des Hochkönigs begleitet worden, die ebenfalls von dem Angriff auf den Palast überrascht worden waren. Man hatte wohl die königliche Familie evakuieren können, doch sie Neun waren von Blaine und Anhang getrennt worden. Der Trupp wollte sich durch den Dschungel schlagen und einen geheimen Pfad zu einem versteckten Landungshafen nehmen, doch sie alle waren schnell von diesen Schwerstbewaffneten aufgerieben.
Einzig die Hoffnung, daß der Zelot den Weg zu kennen schien, hielt ihm am Leben. Seine alten Reflexe waren wieder erwacht und er war nun im Krieg. Im Widerstand. Es hiess, zu töten und am Leben bleiben, irgendwie...


[Thustra | Dschungel | irgendwo] – Kruluk, Zelot
 
[Thustra | Dschungel | irgendwo] – Kruluk


Aufschrecken.
Unruhiger Schlaf, traumlos...
Aufbäumen.
Orientieren, lauschen, Gefahr einschätzen.
Nichts.
Vorsichtig aufstehen.
Hunger, Müdigkeit.
Leichtes Fieber.

Sein Verstand war mürbe. Wieviele Tage oder Wochen vergangen waren, wusste er nicht mehr. Alles ging ineinander über. Licht, Schatten, Tag, Nacht.
Ebenso sein Umfeld. Grün, braun, grün, grau. Der Dschungel zeigte nur wenig Abwechslung, alles verschwamm zu einer grünen Masse.
Die artenreiche Flora und Fauna konnten hin und wieder für einen Farbtupfer oder ein nicht einschätzbares Geräusch sorgen, jedoch stumpfte man immer weiter ab.
Er rieb sich über sein schmutzverkrustetes Gesicht. Sicher fühlte er sich nicht, jedoch hatte die Verfolgung irgendwann aufgehört. Je dichter der Dschungel geworden war, desto schwieriger schien seine Verfolgung gewesen zu sein, wie er auch insgeheim gehofft hatte. Doch sicher konnte er sich nicht sein.
Weiter. Immer weiter.
Er ging weiter, zügig, soweit ihn seine entkräfteten Beine trugen.
Acht geben.
Sich regelmässig nach Verfolgern umblickend, einen Fuss vor den anderen setzend, auf Steine, Wurzeln oder andere Hindernisse achtend.
Nicht einmal mehr seinen kleinen Freund hatte er noch, niemanden mehr, mit dem er reden konnte. Irgendwann schien der kleine Zelot, sein Begleiter, den er 'Calpa' getauft hatte, seinen Lebensgeist aufgegeben zu haben. Dessen Energie war irgendwann zu Ende gegangen, nachdem das Energieaggregat wohl zerstört worden war. Nicht, daß dieser wirklich jemals hätte ihm antworten können, doch vermisste Kruluk seinen Begleiter sehr. Sich einer Trauer hinzugeben, konnte er sich nicht leisten.
Weiter.
Gerade schalt er sich, wieder einmal mit seinen Gedanken woanders gewesen zu sein, stolperte er auch schon über eine dicke, tief hängende Liane und stürzte schwer einen Abhang hinunter. Als er irgendwo gegen einen Baum schlug, blieb er erst einmal benommen liegen, um zu Kräften zu kommen. Schmerz empfing ihn und vernebelte seinen doch bereits schon betäubten Geist. Auf dem Rücken liegend starrte er auf das riesige, dichte Blätterdach über ihm. Es war so unglaublich hoch und dicht, daß nur wenige Lichtfinger es bis hier unten auf den Boden schafften. Alles wirkte unwirklich, viel zu groß, zu weit weg. Kurz erlag er dem Wunsch, jetzt einfach zu sterben. Gleich hier, unter dem großen, moosumwucherten Holzriesen, der schon Jahrtausende bestehen musste und einen Umfang hatte, der mindestens ein Dutzend Quarren brauchte, um ihn zu umschliessen.
Augenblicke verstrichen.
Plätschern in der Nähe.
Das Rauschen in seinen Ohren wich nicht, und es war nicht sein Blut, das er hörte: es war ein Plätschern wie von schnell fließendem Wasser.
Ein neuer Lebensfunke erglomm in ihm, ächzend streckte er seine Glieder, den stechenden Schmerz wegbeissend. Mühsam versuchte er, sich aufzurichten, doch es gelang ihm nicht. Sich vorwärts schleppend, umrundete er den mächtigen Baumgiganten, zog sich sich halb gebückt von einer Rindenfalte zur Nächsten.
Kaum hatte er den Riesen halb umrundet, öffnete sich seine Sicht, der Dschungel lichtete sich und gab einen Spalt im Blätterdach frei, in den helles Sonnenlicht fiel und einen glitzernden Fluss beleuchtete. Beinahe mystisch lag das grüne Band dort vor ihm, floss windend dahin und erfreute die gebeutelte Quarrenseele.

Ächzend, mit letzter Kraft begab sich Kruluk das kurze Ufer hinab, einige Farne zur Seite schiebend, und stand plötzlich mit den Knien im kühlen Nass.
Wohltuendes, klares, kaltes Wasser umschmeichelte seinen geschundenen Körper, und Kruluk ergab sich seinem Element. Vielleicht war ja dies ein guter Ort, ja, die perfekte Gelegenheit, zu sterben.
Trotz starker Schmerzen lächelte er glückselig, als er nach vorne kippte und mit geschlossenen Augen in die Fluten tauchte; sein Körper brauchte keine Sekunde, um sich an die aquatischen Verhältnisse anzupassen. Sein Geist zog sich zurück, seinen Körper überantwortete er den Wassern dieser Welt.


[Thustra | Dschungel | irgendwo, ein Fluss] – Kruluk
 
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][Thustra | Villa des Prinzen Thedric | Terrasse][
Meiva Denderri​

Es war weit nach Mitternacht, als Meiva Denderri in einem langen blassblauen Trägerkleid die große Terrasse auf dem Dach der Villa betrat, die nach einem Regenschauer im Sternenlicht schimmerte und glänzte. Sie war barfuss, doch die Nässe störte sie nicht, und selbst um diese Zeit war es noch warm. Aus den dunklen Gärten drangen vereinzelt die Rufe nachaktiver Vögel, welche sich mit der Musik und dem Gelächter aus dem Festsaal einige Stockwerke weiter unten mischten. Eigentlich sollte sie dort unten sein – das Fest fand zu ihren Ehren statt, denn an diesem Tag hatte sie sich mit Prinz Thedric verlobt, dem Thronfolger des Königs von Thustra. Ein Freudentag für sie, zumindest nahmen es der Prinz, die königliche Familie und das Volk so an, aber Meiva fühlte sich schuldig, dass ihr selbst nicht nach Freude und Heiterkeit war.

Eine silbrige Strähne löste sich aus der hoch aufgetürmten Frisur, die sich in eleganten Spiralen um Kämme und Stäbe aus Jade und Aurodium wanden, von denen kleine Perlen herabhingen und bei jeder Bewegung leise klimperten. Die Sephi steckte die Strähne nicht wieder zurück, sondern lehnte sich seufzend mit beiden Armen auf der breiten, weißen Balustrade, die von Schlingpflanzen umrankt war. Die dunkelroten Blüten sonderten einen schweren, fast betäubend süßen Duft ab, doch die zukünftige Königin von Thustra störte sich nicht daran. Eher im Gegenteil, der Duft lenkte sie von den trüben Gedanken ab, mit denen sie sich seit der Verlobungszeremonie trug.


„Gehen Sie wieder auf Ihren Posten, Soldat“,

befahl sie hart und abweisend, ohne sich umzudrehen, als sie Schritte hinter sich hörte. In Thedrics Villa waren die Wachen verdoppelt worden, seit ein Anschlag auf ihn verübt worden war, nachdem der König ihn zum Thronfolger ernannt hatte.

„Der Fremde ist kein Soldat des Prinzen, deshalb kann sie ihm keine Befehle erteilen“,

erwiderte eine Stimme, die sie nicht kannte. Auch der Akzent war fremd.Meiva drehte sich um und sah in ein blasses, nahezu totenbleiches Gesicht. Viele Sephi waren blass, doch einen solchen leichenhaften Hautton hatte sie noch nie gesehen. Dieser Mann schien kein Sephi zu sein, auch wenn seine Ohren relativ spitz waren – er war einen Kopf größer und war so schlank, dass er fast hager wirkte.Seine Haare waren schwarz und leuchteten im Sternenlicht mit einem dunklen Blau. Trotz der warmen Nacht trug er eine dunkle Jacke mit einem hohen Kragen und seine Hände waren von ebenso dunklen Handschuhen bedeckt.

„Der Name des Fremden lautet Jaqen Ot’tacroide und ist ein Gast der Herzogin Valeic. Warum entflieht die Braut des Prinzen dem Fest zu ihrer Verlobung? Sie wird bald eine Königin sein.“

Der bleiche Mann ging einen Schritt näher, um sich neben sie zu stellen. Dabei blickte er zunächst auf ihre bloßen Füße, was ihr auf einmal peinlich war und dann wanderte sein Blick hoch zu ihrem Gesicht Er sah ernst und traurig aus, und aus den grauen Augen schien Meiva so etwas wie Mitleid zu erkennen.

„Ich weiß, dass ich mich freuen sollte. Welches Mädchen träumt nicht davon, einen Prinzen zu heiraten und dann Königin von Thustra zu werden?“

Meiva anscheinend nicht…“

Der Mann, der sich Jaqen nannte, lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Balustrade und sah sie forschend an. Ihr war nicht entgangen, dass er sie bei ihrem Vornamen genannt hatte – ein fürchterlicher Affront, gerade von einem Fremden. Doch ihr war es lieber als ‚Eure Hoheit’ genannt zu werden – in diesem Augenblick hätte sie auch duzen können, denn sie hatte das Gefühl, dass sie ihm alles anvertrauen könnte. Gewiss, er war ein Fremder, nicht einmal ein Sephi, und er hatte eine seltsame Art zu reden, aber genau das war es, was sie in Sicherheit wog. Unten im Garten vernahm sie irgendwo in den Bäumen das Lied eines schlaftrunkenen Vogels.

„Hört Ihr das, Jaqen? Dieser Vogel kann hinfliegen, wohin es ihm beliebt und sich einen Partner suchen, der ihm gefällt. Ich wurde dem Prinzen schon versprochen, bevor ich geboren wurde.…“

Ihre Augen wurden feucht, als sie den Gedanken aussprach, der sie quälte, seit sie sich bewusst war, was es bedeutete eine Rolle zu spielen, die man nicht spielen wollte. Einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte. Sie schämte sich, weil sie sich anhörte wie in einem sehr kitschigen Märchen. Jedoch gab es in solchen Märchen ein glückliches Ende, die in der wirklichen Welt aber so nicht stattfanden.

„Eine Prinzessin darf nicht weinen, denn ihr Prinz will sie lächeln sehen. Ihr Volk will sie lächeln sehen, auch wenn ihr das Herz bricht. Doch ein Fremder versteht sie, und er könnte ihr helfen.“

Der fremde Mann ergriff ihre Hände, und obwohl seine in Handschuhen steckten, spürte sie die Wärme und das Mitgefühl, weshalb sie keinen Widerstand leistete, als er sie nahe an sich zog. Seine bleiche Haut zog sich straff über hohe Wangenknochen und kantige Kiefern, eine steile Falte zog sich zwischen den Augenbrauen die Stirn hoch, während zwei harte Linien von den Nasenflügeln herab einen schmalen Mund umrahmten. Meiva fragte sich, ob seine Haut so kalt und hart war, wie sie aussah. Beinahe hätte sie die Hande gehoben, um sein Gesicht zu berühren, doch ihre Bewegung wurde unterbrochen, als er seinen Kopf näher zu ihr neigte.

„Die Prinzessin könnte all dem entfliehen, wenn sie dem Fremden vertraut.“,

flüsterte er ihr zu und küsste sie mit einer berauschenden Intensität, die sie bei Thedric nie erleben würde. Für einen Augenblick glaubte sie zu sterben, und selbst als sich ihre Lippen lösten, schien sich der Sternenhimmel über ihrem Kopf zu drehen. Wie eine Ertrinkende warf sie ihre Arme um ihn – er durfte nicht ohne sie gehen, er war die Lösung all ihrer Probleme, das wusste sie in diesem Augenblick genau.

„Nehmt mich mit, Jaqen, wo auch immer Ihr mich hinbringt, ich gehe mit Euch. Ich flehe Euch an, Ihr bekommt alles von mir, meinen gesamten Besitz und mich!“

Bei diesen verzweifelten Worten lächelte der bleiche Mann und küsste sie erneut, diesmal kürzer, aber nicht weniger intensiv als beim ersten Mal. Dabei legte er seine behandschuhte Rechte in ihren Nacken, wobei sie sich so sicher und beschützt wie noch nie zuvor fühlte.

„Es tut mir so Leid…“

Das waren die letzten Worte, die Meiva Denderri in ihrem Leben hörte. Sie spürte, wie kalter Stahl durch ihren Hals glitt, wie etwas Warmes ihren Nacken herab lief, doch sie konnte nicht mehr realisieren, dass der Fremde ein Attentäter war, der sie im Auftrag einer Rivalin ermordete, denn sie war nun endgültig frei von allen Sorgen dieser Galaxis.


][Thustra | Villa des Prinzen Thedric |Terrasse][
Jaqen Ot’tacroide, Meiva Denderri​
 
][Thustra | Villa des Prinzen Thedric |Terrasse][

Jaqen Ot’tacroide, (Meiva Denderri)​

Nachdem das Leben der Prinzessin mit ihrem Blut auf den nassen Boden der Terrasse verströmt war und er ihr den Verlobungsring entwendet hatte, wandte sich Jaqen um und verließ mit gemächlichen Schritten das Dach der Villa. Er blickte mit einem bedauernden Lächeln ein letztes Mal auf den leblosen Körper, bevor er die Treppe in die unteren Stockwerke betrat. Das Teh’kla-Messer hatte er bereits mit einem Tuch gereinigt und in das eingearbeitete Holster seiner Jacke gesteckt. Die Herzogin Valeic, Schwester der Toten, hatte dafür gesorgt, dass er als angeblicher Handelsattaché von Boordii diplomatische Immunität genoss und somit von Kontrollen durch das Sicherheitspersonal befreit war. Die gesamte Villa platzte vor Gästen der Verlobungsfeier, ein ständiger Storm von vor allem mit sich selbst beschäftigten Sephi schob sich durch das das gesamte Gebäude. Wegen des kurz vorher niedergegangenen Platzregens wollte es niemand riskieren nach draußen gehen, um sich nicht die edlen Roben und Gewändern beschmutzen oder nass werden zu lassen.

Jaqen setzte eine gelangweilt-blasierte Miene auf, als er den Festsaal betrat und ergriff zwei Kelche mit einem einheimischen Perlwein von dem Tablett eines der zahllosen Bediensteten, die beflissen die hochadligen Gäste mit dem Getränk versorgten. Das falsche Gelächter, das Rascheln der prächtigen Kleidung und das Summen der scheinbar geistreichen Gespräche, die feierlich-euphorische Musik, die die Klangkulisse dieser Festivität bildeten, verführten den Attentäter, für den jedes Detail wichtig sein konnte, sich darin zu versenken und davontragen zu lassen. Es waren jedoch nur glitzernde, hohle Hüllen ohne jede Bedeutung für das, was er zu tun hatte. Der Nagai arbeitete sich bis zu einer Gruppe aus mehreren Personen vor, zu der eine Sephi in einem hochgeschlossenen roten Kleid gehörte, die ihre schwarzen Haare ähnlich wie die meisten Gäste in einer spiraligen Hochsteckfrisur trug, was seiner Ansicht nach nur mit Minirepulsoren möglich sein konnte.


„Herzogin Valeic, endlich finde ich Euch. Darf ich Euch kurz auf ein Wort Eurer Runde entreißen?“

Er zwang sich zu einem höflichen Lächeln und hielt mit einem Zwinkern die beiden Kelche hoch. Die Herzogin, die ihrer jüngeren Schwester nur wenig ähnelte, wechselte einige entschuldigenden Worte und löste sich von ihren Gesprächspartnern.

„Natürlich, Attaché K’thriss. Lassen Sie uns an einen etwas ruhigeren Ort gehen.“ ,

säuselte sie unter den süffisanten Blicken der anderen Sephi in der Nähe, wobei sie den Kelch entgegen nahm und geleitete Jaqen aus dem Festsaal zu einem der kleineren Salons im ersten Stock, wohin sich auch andere Gäste zurückgezogen hatten, um sich in ruhigerer Atmosphäre zu unterhalten. Die Herzogin ließ sich auf einer Recamiére nieder und bedeutete dem vorgeblichen Attaché sich neben ihr niederzulassen.

„Herr Attaché, wie hat Ihnen die Verlobungsfeier meiner Schwester mit Prinz Thedric gefallen? ” ,

„Sie war sehr bewegend, Eure Schwester wird bestimmt eine wunderbare Königin – sie schien sehr glücklich zu sein. Aber ich muss Euch leider mit Geschäftlichem belästigen – ich muss gleich morgen Mittag nach Boordii zurückfliegen und Ihr hattet mir einen Termin im Handelsministerium versprochen.“

Die dunkelhaarige Sephi blickte in den opaken Kelch und lehnte sich zufrieden zurück, nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hatte. Ihre hellgrünen Augen blitzten, die einzige Regung auf die Nachricht, dass ihre Schwester nicht mehr lebte.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Sie bekommen Ihren Termin.“

Die Herzogin ließ den Wein in ihrem Kelch träge hin- und herschwappen, während sie den Attentäter musterte. Jener hatte den Eindruck, dass sie mit ihm flirten wollte, doch sie interessierte ihn nicht. Er zog ein kleines Datapad aus seiner Jackentasche und schien den Termin überprüfen zu wollen, doch was er betrachtete, war eine Bestätigung, dass die vereinbarte Summe für den Auftrag auf sein Konto eingegangen war. Prompte Bezahlungen schätzte der Nagai sehr, doch ihm war nicht aufgefallen, wie sie die Transaktion so schnell angewiesen haben konnte.

„Ich bin Euch sehr verbunden, Herzogin. Verzeiht mir, wenn ich dieses wundervolle Fest schon so früh verlassen muss, ich bedanke mich für die Einladung.“

Mit einem entschlossenen Ruck stand Jaqen auf, ohne sein Gegenüber aus den Augen zu lassen. Auf ihrem puppenhaften Gesicht war ein erstaunter Ausdruck zu sehen und sie presste ihren Mund zusammen. Er verbeugte sich knapp und lief zügig, aber ohne Hast Richtung Ausgang, wo auf einem Vorplatz andere Gäste, die die Feierlichkeiten früh verlassen wollten, darauf warteten, dass ihre Speeder vorgefahren wurden.

Meiva Denderri hatte die Sicherheitskräfte, die auf dem Dach platziert worden waren, weggeschickt, um alleine zu sein, so dass es noch seine Weile dauern würde, bis man ihre Leiche fand. Dennoch wartete Jaqen mit einer gewissen Unruhe, bis sein Speeder an die Reihe kam. Es war ein Ausdruck in den Augen der Herzogin, der sein Misstrauen ihr gegenüber vertiefte. Seine Passage nach Wayland war jederzeit startbereit, so dass sein erster Impuls darin bestand, sofort in Richtung Raumhafen zu fahren. Sobald er das Anwesen verlassen hatte, und anscheinend immer noch niemand ihn verfolgte, änderte er die Richtung, wodurch er anstatt zum Raumhafen in Richtung des Hotels fuhr, in dem auf seine gefälschte Identität ein Zimmer gebucht war. Den Speeder parkte er auf einer der Halteebenen des Hotels, aber anstatt das Gebäude zu betreten, ließ er sich in einem Lift nach unten auf die Straße bringen, wo einige Taxispeeder warteten. Jaqen sprang in das nächstbeste Fahrzeug und nannte dem Fahrer eine Adresse, die ihn das Zentrum der Hauptstadt brachte. Nachdem er einige Straßen zu Fuß weiter gegangen war, nahm er ein weiteres Taxi, das ihn zum Raumhafen brachte.
Für seinen Geschmack war es noch viel zu ruhig - seit er die Verlobte des Prinzen von ihren Sorgen befreit hatte, war etwas mehr als eine halbe Stunde vergangen. Spätestens jetzt musste man sie gefunden haben. Inwiefern man ihn mit der Tat in Verbindung bringen würde, konnte er nicht abschätzen – seine Auftraggeberin hatte den Verlobungsring ihrer Schwester erhalten und ihren Teil der Abmachung erfüllt. Sie beide waren sich nichts mehr schuldig. Der Raumhafen war nicht besonders groß, doch die Präsenz des Sicherheitspersonals war auch hier unübersehbar. Dennoch deutete nichts auf eine erhöhte Alarmbereitschaft hin, als der Attentäter das Taxi verließ und in Richtung des Landeplatzes des Eta-Shuttles ‚Starjumper’ ging. Selbst als Larrik, der menschliche Shuttlepilot den Einstieg öffnete, geschah nichts, um ihn aufzuhalten, und das fand Jaqen umso verdächtiger.

„Warum wollen Sie uns schon früh verlassen, Herr Attaché?“

Aus dem Cockpit erklang eine vertraute Stimme – es war die Herzogin, diesmal in einen schlichten Pilotenoverall gekleidet und die Haare zu einem einfachen Zopf zusammen gebunden. Larrik saß mit gefesselten Händen auf dem Copilotensitz, während die Sephi einen eleganten Holdoutblaster auf den Nagai gerichtet hielt.

„Ich habe meinen Kontrakt erfüllt, Herzogin, es gibt nichts, was mich noch hierhält.“

„Sie haben die Verlobte des Prinzen ermordet und die Herzogin entführt. In wenigen Minuten wird es eine Nachricht von mir geben, wie viel Sie verlangen.“

erklärte sie maliziös lächelnd und kam einige Schritte näher, bis der Lauf des Blasters auf seine Brust drückte. Jaqen schüttelte mit einem bedauernden Blick den Kopf.

„Es tut mir so Leid“,

flüsterte er ihr zu, wonach er ihr mit einer fließenden Bewegung den Blaster aus der Hand drückte, drehte den Arm auf den Rücken und schnitt ihr die Kehle durch. Schnell entfesselte er den überraschten Piloten und schleuderte den Körper der Herzogin aus dem Shuttle. Bei dem Aufprall fiel mit einem hellen Klimpern ein Ring von ihrem Finger, und rollte ein Stück weiter, bis er auf dem nassen Permacret liegen blieb.


„Larrik, starte die Triebwerke und Kurs auf Wayland setzen..“


][Thustra | Raumhafen |Shuttle ‘Starjumper’][

Jaqen Ot’tacroide
 
][Thustra |Raumhafen |Shuttle ‘Starjumper’][

Jaqen Ot’tacroide, Larrik

Das Zeitfenster der Starterlaubnis, die Larrik eingeholt hatte, bevor die Herzogin ihn überwältigte, war beinahe abgelaufen und die Raumhafenkontrolle drängte förmlich auf einen Start des Shuttles. Jaqen war es nur recht, doch Erleichterung wollte sich nicht bei ihm einstellen – es gab zwei tote Angehörige des Hochadels und immer noch war kein Großalarm ausgelöst worden. Der Attentäter setzte sich auf den Sessel des Co-Piloten und sah den routinierten Handgriffen Larriks zu. Was der fahlhaarige Mensch an Unterstützung brauchte, erledigte eine verdellte R2-Einheit an einem Interface neben den Steuerkontrollen.

Die anlaufenden Triebwerke der ‚Starjumper’ ließen das Schiff zittern und vibrieren – für einen Augenblick befürchtete der Nagai, dass die Herzogin es sabotiert haben könnte, doch dann hob das Shuttle ab und schoss in den Orbit. Larrik wusste, dass er nicht zu schnell beschleunigen durfte, um keinen Verdacht zu erregen. Schon öfter hatte Jaqen Larriks Dienste in Anspruch genommen, um schnell nach einem erledigten Auftrag von Ort des Geschehens verschwinden. Die Schiffe, die der Pilot flog, benutzte er nie zweimal, ob sie ihm gehörten oder sie anderweitig beschaffte, war dem Attentäter gleichgültig – Larrik schien alles fliegen zu können, was Triebwerke hatte und er hatte sich bislang als verlässlich erwiesen, obgleich er ihm nicht besonders vertraute. Das Shuttle erreichte den Orbit Thustras keine Sekunde zu früh, als Wachschiffe und Raumjäger sich zusammenzogen und alle Schiffe, die im Begriff waren, den Planeten zu verlassen, aufgefordert wurden, zurückzukehren. Das Flöten der R2-Einheit wirkte weder hektisch oder nervös, und auch Larrik blieb die Ruhe selbst, als die Sensorik sich stetig nähernde Schiffe meldete.

„Wayland können wir bei dem Aufruhr vergessen. Wir sollten nach Myrkr fliegen.“

stellte Larrik lakonisch fest, worauf Jaqen zustimmend nickte. Die Sensoranzeigen stellten umbarmherzig dar, welch großes Aufgebot sich daran machte, die ‚Starjumper’ wieder zurück zum Planeten zu geleiteten. Endlich hatten die Thustraner begriffen, was geschehen war und reagierten – eine solche Situation war Jaqen lieber, als in ständiger Ungewissheit zu verbleiben. Larrik hielt unbeirrt von den Aufforderungen der Wachschiffe an dem Kurs fest, den die Raumkontrolle vorgegeben hatte. Es hatte schon öfter Situationen gegeben, in denen der totenbleiche Attentäter sich durch eine schnelle Flucht vor Verfolgern retten musste, doch noch nie in einer solchen Dimension, wie sie sich über dem Orbit zusammenzog.

„ Wann können wir springen?“ “,

fragte er mit gepresster Stimme – es konnte sich nur noch um Augenblicke handeln, bis die Wachschiffe und Raumjäger das Feuer eröffneten.

„Ich muss den Kurs neu berechnen – bis dahin sollen sie glauben, dass wir nur ein bisschen schwer von Begriff sind“,

erwiderte Pilot scheinbar unberührt, doch Jaqen konnte erkennen, wie die Nasenflügel des Mannes zitterten, um die sich winzige Schweißperlen gebildet hatten. Für einen Augenblick glaubte er, dass Larrik ihn ausliefern wollte, doch dann erhielten sie schon den ersten Schuss vor den Bug. Unwillkürlich klammerte er sich an die abgewetzten Lehnen, als ein Ruck durch das Shuttle ging und sich ein Knirschen in der Schiffshülle vernehmen ließ, das vermutlich nichts Gutes bedeutete.

Wie hypnotisiert starrte der Nagai auf die Hände des Piloten, die über die Steuerkontrollen huschten, auf blinkende Lichter in verschiedenen Farben, Zahlen und Grafiken der Displays, die ihm sagten, dass sie es mit fast der kompletten thustranischen Raumsicherheit zu hatten. Über den offenen Comkanal drohte eine harte Stimme, dass das Feuer auf sie eröffnet würde, wenn sie nicht beidrehten und zum Raumhafen zurückkehrten. Larrik schnaufte nervös, was der Astromech mit einer von Folge von kurzen Trillern kommentierte. Die Kuppel des Droiden drehte dabei sich ächzend hin und her. Als sie völlig abrupt stillstand, war sich Jaqen sicher, dass die R2-Einheit ihren Geist aufgegeben hatte.

„ Wie lange noch?“ “

„Die Berechnungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich will hier nicht entkommen, um auf Myrkr als ein rauchender Haufen Schlacke zu landen…“

Für Larriks Verhältnisse war das eine lange Ansage und verdeutlichte, wie groß die Ansprannung des Piloten war. Also musste sich Jaqen in sein Schicksal fügen und warten, während ein thustranischer Offizier seine Drohungen bellte. Wahrscheinlich wollten sie ihn lebend haben – ansonsten hätten sie schon lange das Shuttle zu Schrott schießen können und noch hatte sich keines der thustranischen Schiffe soweit genähert, als dass er sie vom Cockpit aus sehen konnte.

Der Astromech erwachte wieder so plötzlich zu Aktivität, wie er sie beendet hatte. Zwei Raumjäger thustranischer Bauart schossen am Cockpit vorbei, was Larrik zu einem erstickten Fluch und einigen hektischen Handbewegungen auf den Kontrollen veranlasste. Das Shuttle schien nach vorne zu kippen, der Piloten fluchte noch mehr, begleitet von den Pfeifgeräuschen des Droiden. Jaqen klammerte sich noch fester an die Armlehnen des Co-Pilotensitzes – sie hätte schon längst in den Hyperraum eintreten müssen, um ihren Verfolgern zu entkommen. Tief durchatmend begann er, sich mit seinem Schicksal abzufinden, doch dann, nach einem weiteren Ruck, zogen sich die hellen Streifen über das kugelförmige Cockpit, die ihm verrieten, dass sie den Sprung geschafft hatten.


][Thustra |Orbit |Shuttle ‘Starjumper’][

Jaqen Ot’tacroide, Larrik
 
[Thustra] / Raumhafen / Abflughalle] Eriu und sein Vater




Wütend warf er dem Offizier der königlichen Palastgarde die Credits vor die Füße, die sich auf dem Boden der Abflughalle verteilten. Einige Passanten blickten kurz zu dem streitenden Paar, ließen sie aber in Ruhe. Der junge Sephie funkelte seinen Vater wütend an. Wie konnte der Mann nur so ruhig bleiben.

„Behalte dein verfluchtes Blutgeld….ich komme auch ohne hervorragend klar!“

Er wusste, dass er seinem Vater wehtat, aber der stolze Soldat konnte genauso wenig aus seiner Haut, wie es sein Sohn konnte. Zu groß war der Spalt, den das Leben zwischen sie getrieben hatte.

„Wie du meinst Eriu. Dann wünsche ich Dir viel Glück und das du deinen Frieden…“

„Frieden? Du sprichst von Frieden? Wegen Personen wie Dir, Vater, entstehen Kriege!“

„Ich rede vom Frieden mit Dir…in Dir… Ich habe hier noch ein Schreiben für den Jedi Orden. Es würde mich freuen, wenn sie dich aufnehmen und du deinem Meister den Brief geben würdest.“

Eriu nahm den Brief mit einem misstrauischen Blick entgegen und stopfte ihn in seine Jacke.

„Ich weiß, ich war nicht der beste Vater und es tut mir leid, dass ich dir für deine Mutter kein Ersatz sein konnte. Wenn ich könnte, hätte ich damals den Platz mit ihr getauscht.“

Damit drehte sich der Ältere um und ging. Soweit seinen Sohn sehen zu lassen wie die Trauer ihn übermannte sollte es nicht kommen. Er hatte immer versucht ihm Halt und Stärke mitzugeben, aber selbst das hatte er nicht geschafft. Er wusste, dass es vielleicht nicht die beste Wahl war, Eriu zu den Jedi zu schicken. Aber hier auf Thustra würde der Junge niemals seine Ruhe und seinen Frieden finden.


……


Eriu sah aus dem Fenster des Shuttles als sie seine Heimat immer weiter entfernte. Sie durchstießen bald das Minenfeld und dann würde er im Hyperraum in Richtung der Kernwelten unterwegs sein. Die Mitreisenden, meist Besucher, die wieder in ihre Heimat reisten, saßen um ihn herum und unterhielten sich aufgeregt über die Wunder von Thustra, was auch immer das sein sollte. Sah es nicht überall so aus? Den kleiner werdenden Planeten zu sehen gab ihm schon einen Stich. Aber so war er seinen Vater los, endlich. Er hasste die Streitigkeiten zwischen ihnen, aber der alte Mann verstand ihn einfach nicht. Es war vielleicht wirklich das Beste so. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, die Reise dauerte lange…


[Weltraum / Orbit um Thustra / Shuttle Freebird] Eriu, Mitreisende
 
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