ein Feld in der Nacht
ein Feuer, das wärmt und schützt
doch der Krieg hält an
NEUGUIERIG STELLTEN SICH alle um Mandura und wollten wissen, was ihn so überrascht hatte. Doch kaum hatten sie den jungen Schamanen angesprochen, schlossen sich flatternd seine Augen. Er kippte zur Seite und fing an, laut zu schnarchen. Unschlüssig sahen sie sich an.
Dann begann Yoshitaro, auf dem Kopf des Vanara herum zu springen und ihm am Ohr zu pieken und auch Kurõ stieß ihn mit seinem Stab des ewigen Himmels, während Kay'tchi'lik bedrohlich einen Spuckefaden zu seinem Gesicht herab ließ.
Erst, als Shiara dazwischen ging und allen sagte, sie sollten den armen Jungen schlafen lassen, legten sie sich wieder murrend hin und schlossen ihre Augen.
Die Sonne war schon am Himmel, als Mandura blinzelnd wach wurde. Er sah in das Gesicht eines Spatzen, der nur einen Fingerbreit von seiner Nase weg saß und ihn anstarrte. Mandura schrie laut auf, dann begriff er, wo er war und was sie alle hier machten. Er roch frischen Grüntee und saftige Mochi. Shige saß am Feuer und bereitete ein Frühstück aus einer der vielen magischen Taschen des Steuereintreibers zu, während Tsumabuki Yôji immer noch in seine Decke eingerollt da lag und grunzende Geräusche machte.
Bald saßen alle außer dem Steuereintreiber beim Essen und neugierig fragte Kay'tchi'lik nach, was Mandura denn in der letzten Nacht in der Schriftrolle der eintausend Namen gefunden hatte. Mit vollem Mund und Mochi-Stückchen versprühend meinte Mandura, dass er nun wüsste, wo Dalong wäre und dass sie nun zu den Drachen und Kame Tono eilen müssten.
Ob Dalong auch bei diesem feurigen Berg wäre, auf dem der Herr der Schildkröten sich eingenistet hatte, wollten die Weggefährten wissen, doch Mandura schüttelte schmatzend den Kopf und erklärte, dass Dalong in Kege wäre und die Armee des Shoguns hinter sich hätte.
Sie starrten ihn entgeistert an. Was meinte er? War Dalong kein Magier aus Shuko? Warum sollte er in Kege sein? Mandura funkelte sie verschmitzt an und schob sich einen weiteren Mochi in den Mund. Er flüsterte, dann Dalong kein einfacher Magier, sondern ein Drache war...
Erschreckt quiekte Kay'tchi'lik auf und fragte, woher der Vanara das denn alles wissen wollte. Mandura seufzte und erklärte, dass der große Drache Hi Ryu nicht auf der Liste stehen würde. Wieder sahen sich alle verwirrt an. Nickend meinte Mandura, dass jeder Bewohner Shushimas auf dieser Liste stehen würde; sogar der Herr der Kappa und Dalong.
Er sah sie erwartungsvoll an, doch alle schüttelten nur den Kopf und Kay'tchi'lik sah ihn herausfordernd an. Mandura schluckte und sagte dann langsam und deutlich, dass Hi Ryu und Dalong ein und dieselbe Person wären...
Panisch starrte ihn Kay'tchi'lik mit zitternden Barthaaren und herabhängenden Ohren an.
Mandura ließ sich durch die Nezumi nicht weiter irritieren: er stand auf, wischte sich die Krümel aus dem Gesichtsfell und meinte dann, dass sie den Krieg vorzeitig beenden könnten. Zuerst mussten sie dazu ins Drachendorf zurück kehren, um den mächtigen Wesen mitzuteilen, dass auch sie dem falschen Spiel ihres "Freundes" aus Kege zum Opfer gefallen waren.
Dann sollten sie zu Kame Tono eilen und ihm verständlich machen, dass er eine Puppe im Schattenspiel des Shuko Drachen war und es nie um die Freiheit der Inseln ging, sondern von Anfang an ein Eroberungsfeldzug eines Drachen aus dem östlichen Reich war.
Immer noch entsetzt saß Kay'tchi'lik da und starrte leer ins prasselnde Feuer, an dem Shige und die anderen stumm saßen. Doch Mandura drängte sie, sofort ihre Sachen zu packen und als der Oni seinen Herren anstubste, drehte sich dieser einfach nur um und schlief weiter. Shiara meinte, Shige sollte Tsumabuki einfach hoch heben und mit sich tragen, was der Oni auch sogleich tat. Tsumabuki quengelte etwas im Schlaf.
Mit den magischen Papierblättern und dem Pinsel zeichnete Shiara einen Kreis und alle traten nach einander in das aufflackernde Portal. Dann standen sie inmitten des morgendlichen Drachendorfes und begrüßten die von ihrer Ankunft erstaunten Bewohner der friedlichen Siedlung.
Schnell rief Mandura den menschlichen, elfischen und nicht verwandelten Drachen zu, dass er ihnen etwas zu sagen hätte und sich alle beim Teich im Zentrum des Dorfes versammeln sollten und mit einem lauten Krächzen verkündete Kurõ, dass sie sich eilen sollten. Sie warteten unter der Morgensonne, Yoshitaro als Spatz am Teich meditierend und den dicken Libellen nachblickend, von denen eine unvorsichtiger Weise von Kurõs scharfen Schnabel geschnappt und verschlungen wurde.
Nach wenigen Minuten waren alle herbei geeilt oder geflogen und die kleine Gruppe Abenteurer von neugierigen Leuten umzingelt. Auch Meister Arvid war unter den Drachen und nur Rajesh, Cheol und Godspeed waren nicht zu sehen...
Mit kräftiger Stimme und voller Energie sprach Mandura nun zu ihnen und er erklärte, dass sie alle von einem der ihrigen hinters Licht geführt worden waren! Hi Ryu war ein Feind der Inseln und ein mächtiger Drache aus Shuko und er hatte die Realität verändert, um hier bekannt und beliebt zu sein. Er hatte den Krieg zwischen Menschen, Geistern und Kappa mit erdacht und mit Magie und üblen Spielchen angefacht und nun sollte er ihr gemeinsamer Gegner im Kampf um die Freiheit des Reiches sein!
Sie mussten nun die Kappa Streitkräfte unter dem gefürchteten Kame Tono, der ebenfalls ein Opfer dieses Theaterstücks geworden war, auf ihre Seite ziehen und konnten dann den Frieden einleiten, den Shushima verdiente.
Aufgeregt murmelten die Drachen durcheinander und mit erhobenem Haupt bestätigte Tsumabuki Yôji die Anklage Manduras: die Schriftrolle der eintausend Namen konnte nicht lügen und übersah keinen Steuerzahler Shushimas. Wenn dort kein Hi Ryu gelistet war, musste der Vorwurf des Schamanen stimmen!
Der Dorfvorstand erhob seine Stimme und fragte Mandura, welche Chance dieser sah, tatsächlich eine Einigung mit den Kappa zu erreichen. Bevor Mandura ihm antworten konnte, rief Kurõ ihm zu, dass hier alle Puppen im Spiel des verdammten Drachen seien. Die Kappa mussten dies erkennen und einsehen, dass sie sich von Dalong abwenden mussten, würden sie wirklich für die Inseln kämpfen, wie sie immer behaupteten.
Doch wie sollten sie gegen ein Wesen bestehen, dass derart einfach die Realität verdrehen und verzerren konnte, wollten die erschütterten Drachen nun wissen und während sich die Gefährten unsicher anschauten, schob sich Meister Arvid still durch die raunende Menge und flüsterte seiner ehemaligen Schülerin und Mandura zu, dass die Drachen einige Zeit benötigten, um das Gehörte zu verarbeiten. Die Diskussion sollte am besten an einem anderen Ort und unter wenigen Augen abgehalten werden.
Immer noch mit hängenden Schnurrbarthaaren und müdem Gang folgte Kay'tchi'lik den anderen und als sie in der großen Hütte im Dorfzentrum ankamen, nahmen Mandura und Yoshitaro die verstörte Nezumi zur Seite. Leise fragten sie sie, warum Kay'tchi'lik von der Offenbarung über den Drachen derart entsetzt war und ob sie eine Spionin Dalongs sei. Entsetzt schüttelte sie den Kopf und schwor, dass sie niemals eine Verräterin an Shushima oder gar ein Handlanger von "Shuko Abschaum" war.
Was war dann ihr Problem, wollte Mandura mit Druck in seiner sanften Stimme wissen. Kay'tchi'lik schluckte. Dann murmelte sie, dass der Lik Clan Drachen als Götter verehrte. Sie hatten alle gedacht, dass Hi Ryu ein Held der Inseln war.
Mandura sah Yoshitaro still an und der Spatz plusterte nur sein Federkleid auf. Meister Arvid hatte vor einigen Tagen so etwas schon gesagt und so war es keine große Überraschung mehr. Dennoch: hier war mehr im Gange und alle spürten es... sie würden die Nezumi nicht so leicht vom Haken lassen.
Von der Mitte des Raumes drang auffordernd Shiaras Stimme zu ihnen herüber: welche Möglichkeiten hatten sie nun wirklich, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und Dalongs Macht ins Wanken zu bringen? Meister Arvid sah sie neugierig an, stellte sich dann aber wachsam neben Kay'tchi'lik. Doch die stand nur regungslos da und wirkte wie ein Häufchen Elend.
Mandura trat mit Yoshitaro zu den anderen und überlegte dann laut, dass sie mit einer Kappa Armee in Kege aufmarschieren sollten. Dies sollte Dalong mehr als alles andere zeigen, dass er jegliche Unterstützung im Volk der Inseln verloren hatte... zuerst hatten ihn die Geister im Stich gelassen und nun hoffentlich auch die Schildkröten. Auch sollten sie den Shogun und den Lik Clan aufklären, damit sie sich vom falschen Heilsbringer lösen könnten.
Shiara sah ihn lange an und fragte dann, ob der Shogun eine solche Aktion nicht als Angriff auf das Reich sehen würde. Natürlich, meinte Mandura und Kurõ schlug vor, dass man Armee und Behörden eventuell vorher warnen sollte. Der Vanara nickte.
Shiara, immer noch nicht zufrieden mit allen Informationen, die sie erhalten hatten, stellte die Frage, was Dalong mit all dem überhaupt erreichen hatte wollen. Arvid meinte, dass er vor allem die Ansammlung von Macht als Motiv des Drachen sah. Mandura sah ihn unsicher an. Warum hatte er dann immer so wenig verändert? Sich nie mit einer weiteren Veränderung direkt an die Spitze des Shogunats gesetzt?
Arvid zuckte mit den Schultern und meinte, dass er viele Möglichkeiten dafür sehen würde: die Veränderung war zu schwer zu bewerkstelligen, Dalong würde sich auf dem Thron zu schutzlos fühlen oder der Drache würde einfach nur ein geschmackloses, morbides Spiel mit den Völkern des Reiches spielen... vielleicht erfreute ihn das Hin und Her mit den Verschiebungen?
Shiara seufzte tief. Shinji wäre nützlich, flüsterte sie und Mandura legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Seitdem der Samurai aufgebrochen war, um dem Shogun Kunde von der Front zu bringen, hatte sich die Priesterin den Entscheidungen des jungen Schamanen gebeugt und war ihm gefolgt, so wie alle anderen Abenteurer der kleinen Gruppe auch. Niemand hatte auch wirklich verstanden, dass die neu erlangte Sicherheit des Vanara aus der Verschmelzung mit dem mächtigen Geist Daritha herrührte und nur Yoshitaro vermutete dies, spürte er doch die Veränderung im Gedankenbund. Daritha und Mandura waren eine Person geworden...
Der Schamane meinte, dass Shinji selbst ein einflussreicher Gefolgsmann des Drachen war, auch wenn er natürlich nichts vom falschen Spiel Hi Ryus wusste. Shiara sah ihn entmutigt an.
Wann wollten sie aufbrechen, fragte Meister Arvid die Abenteurer nun, schließlich wussten sie nicht, wann die nächste Realitätsveränderung ihr Vorhaben nur noch mehr erschweren würde. Yoshitaro flatterte aufgeregt und die anderen meinten, dass sie so schnell wie möglich aufbrechen wollten, um Kame Tono zu suchen.
Arvid nickte und griff in seine Kutte. Hervor holte er eine kleine Nachricht, die er entfaltete und Shiara hinhielt: es war die Nachricht eines militärischen Spähers an General Daito Shinji selbst. Der Späher hatte den Aufenthaltsort des Herren der Schildkröten gefunden und war in dieser Nacht durch das Dorf der Drachen geritten. Meister Arvid hatte die Informationen über den Kappa Anführer dem jungen Boten entlocken können und nun gab er sie den erstaunten Abenteurern weiter.
Im Südosten der großen Insel Daishima lag in der Bucht einer Halbinsel die alte Feste der Wellen, die Shiro no nami. Sie war in den erkalteten Gestein eines alten Vulkans gearbeitet worden und hörte nun auf den Namen Kame Iwa - der Schildkrötenfelsen, da Kame Tono sie bereits in den ersten Wochen des Krieges erobert hatte.
Zu dieser Feuerinsel, der Kaji Shima, mussten sie reisen und sich dort dem Kriegsherren stellen. Yoshitaro und Mandura sahen sich mit großen Augen an. Sowohl die Vision als auch die Worte der Kappa Geister hatten eine Feuerinsel umspült vom Meer prophezeit und während sie schon zur Türe und nach draußen eilten, rief ihnen Meister Arvid hinterher, dass er auch Godspeed und die anderen losschicken wollte, um die Kunde vom falschen Spiel des Drachen zu verbreiten, sollten sie von ihrer Suche nach Will Brass zurück kommen.
Mandura nickte zustimmend, sah den Steuereintreiber, der immer noch mit dem Oni Shige am Teich wartete und lief auf ihn zu. Der Mann verbeugte sich vor dem Schamanen und grinste ihn an und sein Gesicht strahlte, als Mandura erklärte, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, dass Tsumabuki selbst ein Held der Insel werden könnte. Doch das Lächeln verschwand langsam, als der Vanara beschrieb, was er für eine Aufgabe für Tsumabuki hatte und dass er nun von Truppe zu Truppe eilen musste, um über Hi Ryus Verrat zu berichten.
Doch er senkte unterwürfig seinen Kopf und fragte dann kleinlaut, ob er seine Schriftrolle der eintausend Namen wieder haben könnte. Kurõ schüttelte seinen schwarzen Kopf, wollte er die Rolle doch für weitere Nachforschungen nutzen und gönnte er dem nervigen Steuereintreiber sein Werkzeug nicht, mit dem er weiterhin die Bewohner der Inseln schikanieren würde. Doch Mandura überreichte Tsumabuki die magische Liste und während der Tengu Tempelwächter den Schamanen nur mit einem wütenden Auge betrachtete, las der Steuereintreiber schon eifrig in den Zeilen.
Doch bevor er etwas zu den ausstehenden Steuerzahlungen sagen konnte, überlegte er es sich anders und schüttelte nur lächelnd den Kopf. Die Steuern sollten ein andere mal beglichen werden, dieses mal sollte Nachsicht gezeigt werden.
Ungläubig funkelte Shiara ihn an, als er sich mit Shige verabschiedete und einem kleinen Weg folgend hinter einer Hütte verschwand.
Sie versprachen Meister Arvid und dem Anführer des Drachendorfes, in Kontakt zu bleiben und ihr Bestes zu geben und flogen dann auf der Wolke Jiarei los. Sie eilten durch die Luft und während Mandura nicht anhielt, um zu essen oder zu schlafen und seine Geister um die bedrückte Kay'tchi'lik schwirrten, um sie von ihren trüben Gedanken abzulenken, tat sich unter ihnen ein Bild des Schreckens auf: das Land war verbrannt und geschunden und wie offene Wunden und breite Narben waren zerstörte Städte, gerodete Wälder und vergiftete Flüsse zu sehen.
Der Krieg hatte Shushima innerhalb weniger Monate in ein krankes Reich verwandelt und immer noch sahen sie große Heere, vereinzelte Soldatengruppen und flüchtende Landbewohner über die Asche der letzten Kämpfe ziehen. Nach drei Tagen erblickten sie die steile Küste vor sich zum Meer abfallen. Um sich vor der bevorstehenden Konfrontation doch noch einige Stunden auszuruhen, landete Mandura die Wolke in einem kleinen Tal und gemeinsam schlugen die Reisenden einen Lagerplatz auf, aßen ein wenig und ließen dem Schamanen Zeit, sich vom langen Flug zu erholen.
Doch immer noch war Kay'tchi'lik deprimiert und so entschloss sich Mandura, die Nezumi in einem Gespräch unter vier Augen mit Jiarei hoch in den Himmel zu nehmen. Er setzte sein freundlichstes Lächeln auf und zeigte der Rattendame sein volles Verständnis, meinte dass sie es doch eh schon schwer genug in dieser Welt hatten und die Gruppe Kay'tchi'lik brauchen würde und die Tiervölker, die zusammen den Tag des Schwanzes feiern würden, doch zusammen halten müssten.
Nun brach es aus Kay'tchi'lik heraus: wer hätte denken können, dass ihr Clan für Abschaum aus Shuko arbeiten würde!
"Da kommt mal ein Drache tschu einem und schagt: hier, bewach diesche Gruppe und schau, dasch schie nicht tschuviel Schaden anrichten und dann... dann..."
Sie schluchzte.
Manduras Gesicht verzog sich mit Entsetzen und im Lager bekam Yoshitaro die Schwingungen der Überraschung mit, die Mandura tief zu begraben versuchte.
Kay'tchi'lik fuhr fort: "Du hascht esch ja mitbekommen, wie schwer dasch allesch war! Shinji davon tschu übertscheugen, dasch ich überhaupt mitkommen darf... aber all diesche Erschwernische hätte ich nie auf mich genommen, wenn ich gewuscht hätte, dasch er ausch Shuko kommt! Ich meine, verschtehscht du? Ausch Shuko! Da kommen doch nur Geschindel und Huren her!!"
Mandura rang nach Luft.
"Da denkt man, man tut etwasch für schein Land, beschpitschelt eine Gruppe und verschucht mit all scheinen Kräften aufopfernd tschu schabotieren, zu bewachen und zu belügen und wie wird esch einem gedankt? Mit Shuko Worten! Verschtehscht du dasch nicht?!
Yoshitaro bekam das Gefühl übermittelt, Kay'tchi'lik auf unzählige verschiedene Arten töten zu wollen und besorgt schaute er zu der kleinen Wolke hinauf, die über ihnen schwebte. Er ließ sich zu Boden fallen und blieb dort zwischen den erstaunten Abenteurern liegen.
Auf Jiarei schluckte Mandura all seinen Zorn hinunter und lächelte Kay'tchi'lik an. War sie tatsächlich die ganze Zeit die Spionin Hi Ryus gewesen? War nur mit ihnen gereist, um sie zu überwachen? Um alles an den Drachen weiter zu geben, was sie erreicht hatten? Aber wenigstens hatte sie nicht gewusst, dass Hi Ryu der Feind war und hatte gedacht, dass sie für das Wohl des Landes arbeitete...
"Ich verstehe deine Gefühle und bin sehr dankbar, dass du uns für bei unserem Unterfangen unterstützt." Die Worte des Vanara waren abgehakt und emotionslos. Im Lager begann Yoshitaro zu weinen, hatte er durch den Bund mit Mandura doch das Gefühl von Beschmutzung und dass er sich nie genügend waschen könnte, um diesen Flecken wieder los zu werden.
Kay'tchi'lik sah Mandura mit Tränen in den Augen an und breitete dann ihre Arme aus, bereit für eine Umarmung und ein glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Rattenmund aus. Sich überwindend erwiderte der Schamane die Geste und beide Lagen sich in den Armen, während etliche Flöhe ihre Heimat wechselten und sich Mandura wünschte, heute gar nicht erst aufgestanden zu sein. Dann lenkte er die Wolke wieder zu den anderen und legte sich dann in zusammengerollt unter einen Busch und wimmerte sich in den Schlaf, während die anderen ihn nur besorgt ansahen und Kay'tchi'lik endlich wieder fröhlich ein Liedchen trällerte und sich um das Feuer kümmerte.
Einige Stunden später waren alle zum Weiterreisen bereit und Jiarei erhob sich in die Lüfte. Schnell flogen sie auf die Küste zu und im Abendlicht tauchte vor ihnen eine weite Bucht auf, in der ein erloschener Vulkan lag, der nur an manchen Stellen heiße Dämpfe ins Freie ließ. Wehranlagen und kleine Öffnungen waren in den Fels geschlagen worden und am steinigen Strand des Feuerinsel waren unzählige Boote zu sehen, in denen Kappa geschäftig Kriegsmaterial ein- und ausluden.
Doch unweit des Schildkrötenfelsens, an der Steilklippe der Halbinsel, war ein gewaltiges Lager errichtet worden und, in dem sich mehr und mehr Truppen sammelten. Was hatte Kame Tono vor?
Doch Kay'tchi'lik beugte sich über den Rand von Jiarei und fragte die anderen, warum am Rand des Lagers kleine Kämpfe stattfinden würden und als sie genauer hinsahen und die Wolke an Höhe verlor, erkannten sie, dass es kein Lager der Kappa war, das sie unter sich sahen, sondern ein Lager des Shoguns: immer mehr Truppen des Fujiwara no Yoshitomo marschierten an der Küste auf, während Magier in bunten Gewändern weiter blau leuchtende Portale mit weiten Gesten beschworen, durch die zusätzliche Soldaten in schwarzen Rüstungen schritten.
Immer wieder wurden sie von vereinzelten Kappa Einheiten angegriffen, die mitunter große Schnappschildkröten oder Düsterotter mit sich führten, doch schlugen die Truppen des Shogunats die Angreifer erfolgreich zurück.
Schon wollte Mandura hinunter zu den Zelten sinken, als ein Falke mit einem grellen Schrei von unten her durch den vorderen Teil der Wolke raste und sich wirbelnde Nebelfetzen auflösten. Erschocken verlor Mandura die Konzentration und schnell fiel die Wolke gen Boden, während sie dünner und dünner wurde. Gerade noch rechtzeitig konnte der Schamane Jiarei auf einen kleinen Platz im Lager lenken, bevor sie im freien Fall endeten. Taumelnd kamen sie vor zwei großen Männern zu stehen, die sie mit orkischen Gesichtszügen angrinsten.
Es waren Zhīzhū, der Orksöldner aus Shuko und der halborkische Schamane Gǔ, der ihnen mit seinem Falken bei der Verteidigung des Klosters der singenden Steine geholfen hatte. Also war es Gǔs Falke gewesen, der Manduras Konzentration gebrochen hatte und während Shiara und Yoshitaro sie freudig begrüßten, schaute Kay'tchi'lik die Söldner nur vernichtend an. Gerade war sie noch schlechter auf Leute aus Shuko zu sprechen.
Zhīzhū fragte, was sie so tief im Kriegsgebiet machen würden und erklärte, dass auch Wǔ zhě, Yáchǐ, Chuī dí und die anderen mit den Truppen des Shoguns gekommen waren. Doch noch bevor Shiara von ihren Abenteuern erzählen oder Kurõ, der die beiden Männer noch nicht kannte, vorstellen konnte, trat ein Hauptmann der Armee zu ihnen und schrie sie an, was sie hier zu suchen hatten.
Mandura meinte ruhig, dass sie Gesandte des Shoguns seien, doch wollte der Hauptmann die nötigen Papiere dafür sehen. Mandura verbeugte sich und erklärte, dass Daito Shinji alle nötigen Beweise für diese Behauptung bei sich trug und der leider nicht mehr mit ihnen reisen würde. Überrascht sah der Hauptmann ihn an und meinte dann, dass es General Daito wäre, der die Truppen hier anführen würde.
Er rief einige Wachen herbei, die sich um die Abenteurer stellte und schaute sich dann um.
Nun entdeckten auch die Reisenden zwischen den Zelten einen gerüsteten Samurai, der in Richtung der Klippe eilte und dem einige bekannte Gestalten folgten, die sie aus Kege kannten: der alte aber drahtige Mitsuo und die starke Kämpferin Kira Kira schritten neben dem hochgewachsenen Mann, dahinter liefen der junge Kira Taru, der Waschbärgestaltwandler Kegawa und dahinter ein Zwerg, den sie noch nie gesehen hatten und der Kegawa nach einem Happen des Kuchens fragte, den der Barde schmatzend in die Backen stopfte.
Kurz war das Gesicht des Samurai zu sehen und tatsächlich war es Shinji, der in voller Rüstung und mit dunkler Miene die Führung dieser Soldaten übernommen hatte. Doch sein Gesicht wirkte müde und ausgezehrt und die wenigen Haarsträhnen, die unter dem Helm hervor lugten, waren weiß wie Schnee geworden. Was hatte er in den letzten Tagen alles gesehen, dass ihn so mitgenommen hatte? Welche Schrecken hatte er erlebt?
Mandura deutete auf Shinji und rief, dass der Hauptmann doch einfach den General fragen sollte, doch der schüttelte nur seinen Kopf und fuhr den Vanara an, dass General Daito keine Zeit für einen solchen Unsinn hatte. Sie würden in Sicherheitsgewahrsam genommen und später genauer befragt werden.
Ungläubig sahen Zhīzhū und Gǔ sie an und redeten dann auf den Hauptmann ein, dass er sich dies noch einmal überlegen sollte. Doch der Offizier wollte nichts davon hören und rief nach mehr Wachen, die bereits herbei eilten, während Kurõ und Kay'tchi'lik schon nach ihren Waffen griffen.
Mandura reichte es. Er beschwor die Wolke Jiarei, die sich vom Angriff des Falken erholt hatte und mit atemberaubender Geschwindigkeit wurden die Abenteurer hoch in die Luft gerissen, während die Geister des Schamanen und helle Lichtblitze aus Shiaras Zauberrollen die alarmierten Soldaten zurück warfen. Sie flogen in Richtung der Vulkaninsel, während die Orksöldner aus Shuko immer noch mit dem schreienden Hauptmann stritten...
Was sollten sie noch machen? Shinji Bescheid sagen oder zu Kame Tono gehen, um ihren ursprünglichen Plan durchzuführen? Sie blickten hinunter ins Lager uns sahen, wie Shinji bereits schnellen Schrittes zum Hauptmann unterwegs war, der sich wütend von Zhīzhū abgewandt hatte.
Nein, eine Konfrontation mit dem General könnte die Sache vorerst noch weiter erschweren. Kame Tono zu überzeugen war ihr wichtigstes Ziel. So eilten sie auf Jiarei zum Rand des Vulkankraters davon und nun erkannte Mandura in seiner Geistersicht einige gewaltige Astralgestalten, die an den Hängen des Berges klammerten. Sie wirkten wie riesige Echsen mit zu vielen Beinen und plumpen Köpfen. Ansonsten hatten anscheinend alle Geister des Landes diese Region verlassen und nur wenige kleine Astralkörper lagen in tiefen Erdspalten verkrochen und warteten auf bessere Zeiten für Shushima.
In der Sprache des Geisterpfades sang er zu den großen Bestien und bat sie, Stellung an den Seiten des Lagers aufzuschlagen und mit aller Macht zu verhindern, dass Soldaten des Shoguns und Kappa in den nächsten Stunden aufeinander treffen würden. Enttäuscht folgten die Geister dem Befehl ihres Herren und wieder wurde Mandura klar, welche Rolle er mittlerweile eingenommen hatte: er war Lord Daritha...
Doch warum hatten sie sich die Geister hier versammelt? Was hielt sie an der Feste der Wellen? Mandura hoffte, auch dieses Rätsel zu lösen.
Dennoch wollte er nun sicher stellen, dass Shinji von ihrem Plan wusste und nun nicht die astralen Wächter angriff und somit den Frieden mit dem Geisterpfad gefährdete. Yoshitaro erklärte sich bereit, in seiner Spatzenform zum General der Armee zu fliegen, auch wenn nun die Frage laut wurde, ob dies wirklich noch der Shinji war, den sie kennen gelernt hatten. Oder war er mittlerweile von den Realitätsveränderungen Dalongs auf die Seite des Chaos gezogen worden?
Yoshitaro stürzte hinab zum Lager, seine großen Augen auf die wütende Versammlung im Lager gerichtet und vollends übersehend, dass sich ein dunkler Schatten aus Richtung des Vulkans näherte. Erst, als der Habicht an Jiarei vorbei schoss, erkannten die Abenteurer den Raubvogel, der sie schon vor Tagen zu ihrer Verwunderung derart penetrant als Spatzen verfolgt hatte und warnend riefen sie zu Yoshitaro.
Doch nur die Angst von Mandura drang über den Wind zum Spatzen vor und während er an Geschwindigkeit gewann, formten Shiara und Kurõ mächtige Zauber und der Sturm des Tengu verschmolz mit der Feuersäule der Priesterin. Ein Orkan aus Flammen stob auf den Habicht zu und umhüllte den panisch aufkreischenden Jäger.
Dann kam ein Falke auf Yoshitaro zu, direkt aus dem Lager aufsteigend und am verängstigten Spatzen vorbei eilend, den kleinen Vogel um ein Haares Breite verfehlend und sich in das verkohlte Fleisch des Habichts einkrallend. Der geschundene Körper des größeren Raubvogels fiel leblos ins schäumende Meer.
Der Kappa Magier, der neben Kame Tono stand und mit glasigen Augen den Flug seines Vertrauten verfolgt hatte, schrie schmerzerfüllt auf und kippte dann zitternd zur Seite. Der Herr der Schildkröten sah seinen Diener nur hasserfüllt an und befehligte dann mit einer Geste seiner riesigen Hand, den ausgebrannten Magier hinweg zu schaffen. Die Kappe Soldaten in der großen Halle zogen das ächzende Reptil in die Dunkelheit.
Grübelnd blieb Kame Tono aus seinem Thron aus Schlamm und Stein sitzen und wartete auf die kleine Gruppe, die sich ihm entgegen stellen wollte...
zwischen Moos und Fels
in den Hallen aus Feuer
sitzt Kame Tono
Yoshitaro landete zwischen den aufgebrachten Soldaten, die das Schauspiel am Himmel verfolgt hatten und verwandelte sich in seine Hybridgestalt, wendete sich dann Shinji zu, der ihn mit überraschtem Gesichtsausdruck betrachtete. Er begrüßte den General und meinte dann, dass Shiara, Mandura und die anderen auch in der Nähe wären.
Zhīzhū nickte nur stolz und meinte, dass er dies General Daito bereits gesagt hatte und während der zufriedene Falke auf dem ausgestreckten Arm von Gǔ landete und sich Asche vom Schnabel putzte.
Aber Shinji wollte dies so schnell nicht akzeptieren. Wer garantierte ihm, dass dies wirklich die Gefährten seiner Reisen waren? Dass sie nicht Truggestalten der verdammten Kappa oder anderer Hexerei waren?
Yoshitaro versicherte ihm, dass sie wirklich die waren, die lange an seiner Seite gekämpft hatten und Shinji sah ihn lange prüfend an. Doch waren nun auch die anderen Abenteurer aus dem Lager zu ihnen gestoßen und freudig begrüßte Kira Kira den Hengeyokai. Der lächelte die Frau breit an und erklärte dann, welchen Plan sie verfolgten: sie wollten mit Kame Tono reden und ihn davon überzeugen, die Seite zu wechseln. Schließlich war auch er betrogen woren.
Erstaunt sahen ihn alle an und so holte er weiter aus und berichtete von dem falschen Spiel Hi Ryus, den Veränderungen im Drachendorf und dem verratenen Shogun. Shinji meinte, dass er hier war, um die Feste der Wellen zu schleifen und dies auch weiterhin durchführen würde. Als Yoshitaro ihn bat, ihnen etwas Zeit zu geben, überlegte er kurz und seufzte dann tief. Zwei Stunden würde er ihnen geben, bis er den Angriff begann. Solange konnten sie ihren Versuch durchführen, diesen Konflikt ohne Gewalt zu lösen.
Yoshitaro bedankte sich und verwandelte sich zurück in einen Spatzen und der Waschbär Hengeyokai Kegawa rief ihm noch einen Gruß in ihrer Sprache nach, bevor er sich an den Zwergen Gewa wendete und ihm sagte, dass sie unbedingt Sin'sis'lik sagen mussten, dass sie einen alten Freund wieder getroffen hätten. Gemeinsam zogen die beiden los, um die Nezumi im Lager zu suchen, während Shinji nur kopfschüttelnd dem Hauptmann zuflüsterte, dass er keinen Erfolg im naiven Plan seiner früheren Begleiter sah...
Zurück auf der Wolke erklärte Yoshitaro, dass es wirklich "ihr Shinji" wäre, er verhielte sich sturköpfig wie immer. Mandura atmete nur tief ein, zog sich seine Geistermaske über das Gesicht und steuerte Jiarei dann zum Vulkan. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, bevor die Armee des Shoguns unter ihrem alten Freund ihren Plan ein für allemal zerstören würde.
Einmal kreisten sie um die Feste und entdeckten dabei einen nicht wirklich gut bewachten Balkon, der in den Felsen gemeißelt worden war und auf dem nur zwei Kappa Wache hielten. Doch als sie ihn direkt anflogen, gaben die aufmerksamen Schildkröten schon Alarm und die Gefährten sahen, wie sich ein Teil der Wand hob, um ein großes Speerkatapult ins Freie zu befördern.
Bevor ein Schuss aus den Feuerstöcken der Kappa fallen konnte, rief Mandura ihnen zu, dass sie Frieden und mit Kame Tono sprechen wollten. Erstaunt sahen sich die Wachen an und als herbei eilende Verstärkung die gelandeten Abenteurer umstellte, warf Mandura seinen Stab auf den Boden und streckte seine Hände zur Seite. Er war nicht gewillt, gegen die Kappa zu kämpfen.
Doch immer noch waren viele Feuerstöcke auf sie gerichtet und erst als Kay'tchi'lik einige schnelle Klick- und Fieplaute sprach, senkten die Schildkröten ihre Waffen. Erstaunt sahen ihre Gefährten die Nezumi an und Mandura wollte wissen, was sie den gepanzerten Soldaten gesagt hätte. Das Passwort, dass ihr freies Geleit durch Kappagebiet erlaubte, meinte Kay'tchi'lik leise; sie kannte es durch Hi Ryu. Mandura grinste sie an und wendete sich dann wieder an die Kappa.
Ein alter, einäugiger Krieger des alten Schildkrötenvolkes war aus der Feste getreten und zwischen seinen Narben im Gesicht blitzte blanker Knochen hervor. Er zischte ihnen zu, dass er sie zu seinem Herren führen würde, die Eindringlinge aber ihre Waffen zurück lassen mussten, wollten sie wirklich in die Feste.
Zögerlich entwaffneten sich auch die anderen und so folgten sie dem alten Reptil, umgeben von einer ganzen Traube aus Kappa, durch hohe Gänge, über gewundene Treppen und durch große Hallen, die von magischen Leuchtkugeln, Fackeln und fahl leuchtendem Moos erhellt waren.
Immer wieder kamen sie an kleinen Tümpeln vorbei, in denen sich normale Schildkröten, kleine Fische und Frösche tummelten und je tiefer sie in den Vulkan schritten, umso natürlicher und beruhigender wirkte die Umgebung. Hier war die Natur lebendig und gesund. Die alte Menschenfestung hatte eine neue Schicht aus Moos und Flechten erhalten.
Vor einer gewaltigen Türe blieben sie stehen und nur ein kleiner Pfad führte über einen moorigen See, aus dem hohe Säulen bis zur Decke ragten. Der alte, einäugige Kappa befahl ihnen, zu warten und verschwand hinter der Tür, während die Gefährten sich angespannt ansahen. Nach ihrer Schätzung war bereits eine halbe Stunde vergangen. Sollten sie noch mehr Zeit verlieren, würde die ganze Verhandlung wirklich gefährdet werden.
Leise fragte Kurõ seine Priesterin, ob sie noch das Amulett der Drachen hatte. Sie nickte und sagte, dass sie auch die Sternenkugeln nicht abgelegt hatte. Sie würde sich im Notfall wehren können. Der Tengu blinzelte zufrieden.
Sie warteten weitere Minuten und wurden immer unruhiger. Dann öffnete sich die große Türe und sie wurden in eine gewaltige Halle geführt, die von riesigen, mit Moosen und Kletterpflanzen umhüllten Säulen getragen wurde. Kleine Teiche und Bächlein glucksten im feinen Licht abertausender Glühwürmchen, die durch die Höhle flogen, während an einigen Stellen dampfende Geysire die ursprüngliche Natur des Vulkans verrieten. Kleine Schildkröten flohen vor ihren Schritten und warfen sich in die Tümpel am Rande des Weges.
Vor einem riesigen Thron aus Schlamm und Stein blieben sie stehen und hoch über ihnen war der Kopf des Kriegsherren zu sehen. Kame Tono war ein beeindruckendes Wesen, sein scharfer Hornschnabel breit und zackig, sein mit Algen überwachsener Panzer mit armlangen Dornen besetzt und von unzähligen kleinen Schildkröten belebt. Kleine, intelligente Augen funkelten die Abenteurer an, während sich die Krallen der Pranken tief in die Seiten des Throns gruben.
Tief verbeugte sich Yoshitaro vor dem Herren der Schildkröten und während es ihm die anderen gleich taten, begrüßte er Kame Tono in der Sprache des Geisterpfades. Mit einem Zischen wie der Brandung des Meeres öffnete sich der Schnabel des Kame Tono und er grollte die Frage, was die Dienerin des großen Drachen wollte...
Kay'tchi'lik starrte der riesigen Schildkröte entgegen und wirkte wie versteinert und erst, als ihre Begleiter sie nach vorne schoben, fiel sie zitternd auf ihre Knie. Kame Tono beäugte sie neugierig und wollte von ihr wissen, warum sie die Abenteurer hier her geführt hatte? Warum hatte sie zugelassen, dass sie ihn finden konnten?
Mandura trat vor die schluchzende Nezumi und sprach mit fester Stimme, dass Kay'tchi'lik nicht mehr dem Drachen dienen würde. Kame Tonos Hals zog sich erschrocken zurück und er fauchte, dass sie doch eine Ratte aus dem Lik Clan wäre. Oder würde er sich hier täuschen?
Mandura nickte, änderte aber dann das Thema: zum Wohl des Reiches und des Geisterpfades mussten sich alle Kämpfenden vereinen und gegen den Drachen Hi Ryu ziehen, denn er war Dalong und der Feind dieser Welten. Verwirrt blinzelte Kame Tono und meinte, dass er keinen Dalong kennen würde.
Geduldig erklärte der Schamane dem großen Reptil, dass Hi Ryu die Realität soweit manipuliert hatte, dass nun sogar der Shogun ihm glaubte, dass er auf seiner Seite stände. Zufrieden öffnete Kame Tono seinen scharfen Schnabel und raunte ihnen zu, dass Hi Ryu ein Heiliger sei. Er half Shushima, wieder zurück zu den alten Werten zu finden. Half den Inseln, die alten Wälder wachsen zu lassen und frisches Wasser in den Seen und Flüssen fließen zu lassen. Er wüsste all dies, denn er arbeitete für den Drachen. Genauso wie die Ratten des Lik Clans für ihn arbeiteten.
Kame Tono erhob sich in einer kräftigen Bewegung aus seinem Thron und die kleinen Schildkröten purzelten von seinem Panzer. Sein Hals trug den gewaltigen Kopf bis wenige Meter vor Mandura und der Vanara roch den moosigen Atem des Kriegsherren.
Nein, erklärte Mandura, immer noch mit ruhiger Stimme. Hi Ryu war der Drache Dalong, ein Feind des Lebens und ein Magier aus Shuko. Langsam ließ er die Macht Darithas in seine Worte fließen und auch wenn er kein Problem mit dem östlichen Reich Shuko hatte, wollte er die Inseln nicht in einem sinnlosen Krieg untergehen sehen, der nur von Machthunger genährt wurde. Er musste Kame Tono üerzeugen!
Immer noch redete er auf den Herren der Schildkröten ein. Dalong hatte alle verraten: den Shogun, die Kappa und auch Kay'tchi'lik...
Wie etwas abwerfen wollend, schüttelte der Kriegsherr sein Haupt und wandte sich dann die schluchzende Nezumi. Ob dies alles stimmte, wollte er wissen und Kay'tchi'lik nickte schnell. "Ja, Herr," presste sie schmerzhaft hervor und in diesem Moment erkannte Mandura, dass seine Gefährtin diese Worte wie zu einem Vorgesetzten sprach, nicht wie zu einem übermächtigen Feind.
Entsetzt sah Mandura zu Kay'tchi'lik. Sie war mehr in die Sache verstrickt, als er zuvor gemerkt und als selbst Daritha zuvor gewusst hatte: die Nezumi des Lik Clans spielten ein doppeltes Spiel und wussten von Anfang an von dem Bündnis zwischen dem Drachen und den Kappa unter Kame Tono und desshalb zogen so viele Lik Nezumi mit reisenden Gruppen... um im Notfall einschreiten zu können, würden die Abenteurern dem Drachen und seinen Plänen gefährlich werden. Die Abenteurer waren von Beginn an getäuscht worden und das Geständnis der Rattenfrau machte nun einen ganz anderen Sinn.
Sie hatte wirklich versucht, die Gruppe in ihren möglichen Untergang zu führen, hatte nebenher immer wieder Kappa getötet, aber immer für das Chaos im Reich gearbeitet. Nicht für einen Hi Ryu, der Gutes bewirken wollte. Die Ratten hatten den Untergang der Zivilisation herbei gesehnt und bewusst unter einem dunklen Wesen gearbeitet, um alles brennen zu sehen. Sie war kein Opfer der Täuschung, sie war ein williges Werkzeug des Chaos.
Und nur, weil der Drache aus Shuko kam und nicht aus Shushima, hatte sich Kay'tchi'lik in ihrem Fremdenhass nun gegen ihren Herren gestellt.
Mandura schluckte all den Zorn hinunter, der in ihm wie Galle hochstieg und während sich Kame Tono wieder zurück auf den Thron sinken ließ. Kleine Schildkröten schlitterten um ihr Leben und ließen sich ins Wasser neben dem Thron fallen.
Mandura wartete eine Herzschläge, dann erklärte er leise, dass es für Shushima nur eine Zukunft ohne Hi Ryu gäbe. Daritha und der Geisterpfad würden auf der Seite der Inseln stehen... würden die Kappa diesem Weg nun auch folgen?
Müde schloss Kame Tono seine kleinen Augen. Er zischte, dass er nicht mit der Zivilisation leben wollen würde, dass ihn die Menschen und die anderen Völker krank machten.
Nun machte Yoshitaro einen Schritt nach vorne. Als einer der ursprünglichen Einwohner dieser Lande plusterte er sich zu seiner vollen Größe seiner Hybridgestalt auf und drängte, dass Hi Ryu die Realität verändern würde und bald nichts mehr von Shushima übrig wäre. Die Inseln würden im Chaos des Drachen untergehen und auch für die Kappa wäre dann kein Platz mehr hier.
Shiara, die neben den Hengeyokai trat, senkte ihren Blick und bat den Kriegsherren, sich für die Seite des Friedens zu entscheiden. Kappa und Menschen, Elfen und Zwerge und all die anderen Völker dieses Reiches hatten es verdient, in einer Welt ohne Krieg zu leben.
Und auch Kurõ krächzte laut, dass der Verrat des Drachen bestraft werden musste. Es ging um die Freiheit der Inseln. Der Feind aller Völker des Inselreiches musste bestraft werden! Wenn die Kappa danach immer noch ein Problem mit den Menschen und den anderen Völkern hatten, konnten sie sich immer noch damit beschäftigen. Nun galt es, das Chaos zu stoppen!
Einige Augenblicke hörte man nur das Tropfen des Wassers in der weiten Höhle und die Gefährten erkannten, dass aus dem Zwielicht der Halle hunderte Kappa getreten waren und sie mit offenen Schnäbeln anstarrten. Und die Zeit war immer noch gegen sie. Weniger als eine Stunde blieb ihnen nun bis zum Angriff Shinjis Truppen, erkannten sie betrübt.
Mandura trat auf Kame Tono zu und sagte mit leiser Stimme, dass die Geister den Frieden herbei sehnten.
Schweigend blieb der Herr der Schildkröten auf seinem Thron sitzen, seine Augen zuckten in Gedanken von Seite zu Seite und keiner wagte es, zu sprechen.
Ein Zischen. Eine Bewegung in der Menge der Kappa.
Dann traf ein silberner, dicker Pfeil den Rücken Yoshitaros und mit großen Spatzenaugen nach vorne gerichtet ächzte er auf. Schon wollten seine Freunde zu ihm eilen, als sie sahen, dass nicht Yoshitaros Rücken durchbohrt war, sondern der Pfeil knapp vor dem Stoff seines Hemdes in der Luft hing. Dann wurde eine geisterhafte Form sichtbar, die sich aus dem Amulett der Kette um Yoshitaros Hals wie ein fest gewordener Wassertropfen bis zu seinem Rücken zog. Die Gestalt hatte die Form einer fleischigen Schnecke und sie erkannten, dass das Amulett das kleine Schneckenhaus war, das Sian aus dem Fluss auf dem Geisterpfad gefischt hatte. Sie hatte Yoshitaro daraus eine Kette gefertigt und sie ihm geschenkt, bevor sie den Kampf bei der Fabrik geführt hatten.
Und nun hatte der Geist Yoshitaros Leben gerettet.
Die Kappa waren auf den Angreifer in ihrer Mitte zu gestürmt und hatten einige der ihren umzingelt, die immer noch ähnliche Pfeile mit roten Quasten an ihren Enden in den Krallen trugen und wütend brüllte Kame Tono seinen Soldaten zu, dass die Attentäter zu ihm gebracht werden sollten. Kurõ hob die silberne Waffe, die sich aus dem Geist löste, der sich wieder in das kleine Schneckenhaus zurück zog, vom Boden auf und betrachtete ihn neugierig, während Mandura seinem Freund auf die Beine half.
Alarmiert blickte Shiara in die Magie, entdeckte den starken Spruch, der auf dem Pfeil und auch den verräterischen Kappa lag und erblickte dann über dem Thron des Kame Tono ein weiteres Leuchtfeuer der Zauberei. Ein weiterer Kappa ließ sich über dem Kriegsherren fallen und entfesselte einen Spruch in dem von ihm geführten Pfeil und bevor Kame Tono reagieren konnte, sprang die Priesterin an den Fuß des Thrones und berührte die schuppige Haut zwischen den Krallen.
Ein magisches Schild flammte um den Herren der Schildkröten auf und der Pfeil wurde davon geschleudert, blieb im Schlamm des Throns stecken und überzog die Steine mit einer dünnen Schicht magischem Eis.
Kame Tono streckte seinen Hals zur vollen Länge aus und biss den unglücklichen Kappa mit einem feuchten Knacken in zwei Hälften, während seine treuen Soldaten nun begannen, die gefangenen Attentäter zu zerhacken. Auch sie hatten wieder einen mutigen Angriff begonnen, fielen nun aber unter den Schlägen ihrer ehemaligen Kameraden.
Zusätzlich zu Shiaras Schutz webte Mandura noch einen Zauber um den Kriegsherren, der weitere Angriffe ablenken würde und sprach dann mit lauter Stimme: "Seht Ihr? Dies ist das Werk des Hi Ryu! Dies ist es, was jeder von Dalong erwarten kann!"
Entsetzt sah Kame Tono von seinen Untergebenen hin zu den Abenteurern und ein lauter Schrei entfuhr seiner faltigen Kehle, als er seine Wut gen Decke schleuderte. Frost vom missglücktem magischen Angriff bedeckte die Algen auf seinem Panzer.
Dann senkte er seinen schweren Körper zu Boden und mit einer tiefen, ruhigen Stimme schwor er Daritha seine Treue. Zufrieden standen die Abenteuerer neben dem überwältigten Mandura, während Kurõ zufrieden den silbernen Pfeil in seiner Hand jonglierte.
Doch hatten sie nicht mehr viel Zeit zu verlieren, Shinjis Soldaten bereiteten vermutlich in diesem Moment den Angriff auf den Schildkrötenfelsen vor. Mandura bat um einen Unterhändler, den Kame Tono ihnen mit auf den Weg schicken würde, doch meinte der Kriegsherr nur, dass doch schon Kay'tchi'lik bei ihnen war und sie für die Kappa sprechen konnte. Mandura, der der Nezumi das falsche Spiel immer noch nicht verziehen hatte, schüttelte nur den Kopf. Er wollte einen Vertreter des Schildkrötenvolkes, um für seinen Herren zu sprechen.
Schließlich sandte Kame Tono den Kappa Hira mit den Abenteurern, um ihre Waffen am Balkon abzuholen und anschließend mit General Daito zu verhandeln. Mittlerweile war es Nacht geworden. Auf der Wolke Jiarei flogen sie zum Lager, wo sich einige Magier, Katapulte und unzählige Soldaten bereits an der steilen Klippe versammelt hatten. Doch als sie die Wolke heran eilen sahen, hörten sie mit ihren Portalbeschwörungen auf, die sie ins Innere der Feste geführt hätten und schon eilte Shinji herbei.
Sie landeten und stellten sich schützend vor Hira, als Shinji schon seine Klinge ziehen wollte und zwischen zusammen gebissenen Zähnen fragte er seine früheren Wegbegleiter, ob er nun endlich die Feste angreifen könnte. Als Mandura nur mit dem Kopf schüttelte, steckte Shinji verärgert sein Katana wieder feste in die Scheide und führte sie dann wortlos zu einem großen Zelt.
Einem seiner Schreiber flüsterte er noch fast unhörbar zu, dass die Gruppe unter Kira Kira sofort informiert werden sollte und sie sich von der Vulkaninsel zurück ziehen mussten. Ein heimlicher Angriff auf den Herren der Schildkröten war gerade ausgeschlossen, dafür hatten die Priesterin und der Schamane wohl gesorgt. Von den Abenteurern hörte nur Kurõ die Worte, doch schwieg der Tempelwächter und sah den General nur enttäuscht an, während der Schreiber schnell in Richtung Klippe davon eilte. Shinji stapfte zornig über den schlammigen Lagerboden.
Im Zelt setzten sie sich auf Feldstühle und während auch die Hauptmänner der Armee und der Ork Zhīzhū eintrafen, wurde ihnen heißer Tee gereicht. Was war also der Grund für diese Verzögerung, wollte Shinji wissen. Hatten sich der Herr der Schildkröten doch noch ergeben?
Nein, meinte Mandura, es wäre zu einem Bündnis gekommen und zusammen wollte man nun gegen Dalong ziehen. Ungläubig starrte Shinji den Vanara an und keuchte dann, dass dies Irrsinn sei. Was war, wenn dies alles gar nicht stimmte? Welche Beweise hatten sie denn für einen solchen Verrat seitens Hi Ryus?
Mandura erwähnte die Schriftrolle der eintausend Namen, doch wollte Shinji davon nichts hören. Und auch in den Augen Shiaras sahen die Gefährten ein leichtes Zweifeln, war ihr dieser Hinweis doch zu dünn. Doch hatte sich die Priesterin entschieden, Mandura und dem Geisterführer Daritha zu folgen...
Lange starrte Shinji die Abenteurer an und suchte in ihren Augen nach einem Funken, den er interpretieren konnte. Dann fragte er leise, was der nächste Schritt in ihrem Plan wäre. Mandura erklärte, dass sie den Shogun warnen und dann Dalong in Kege konfrontieren wollten. Shinji nickte. Wenn dies alles wirklich stimmte, wollte er sie unterstützen. Aber falls sie sich täuschten, würde er an der Seite des Shoguns und Hi Ryus alles in seiner Macht unternehmen, um sie aufzuhalten.
Mandura schloss kurz dankend die Augen und bat Shinji dann, seine Truppen auszusenden. Sie sollten mit der Unterstützung der Magier in Richtung Kege aufbrechen, während sie selbst mit Hilfe von magischen Kreisen zum Drachendorf eilen und dann zur Hauptstadt Shiakura weiterreisen würden. Dort wollten sie mit Fujiwara no Yoshitomo reden.
Hira fragte, ob er dies alles seinem Herren berichten sollte und nur zögerlich nickte Shinji. Dann meinte er, dass noch nicht alle Soldaten des Shoguns über den neu erlangten Frieden bescheid wüssten und immer noch Kappa auf fernen Schlachtfeldern sterben würden. Nur halbherzig unterdrückte er ein zufriedenes Lächeln. Der Kappa und die Abenteurer versuchten dies zu ignorieren.
Dann meinte Hira, dass er Mandura von seinem Herren noch ausrichten sollte, dass er Meister Koi auch frei lassen würde, sobald es möglich war. Anscheinend wollte sich der Kriegsherr weiter gut mit dem Geisterpfad stellen und nun erkannte Mandura auch, warum die großen Geister zuvor den Vulkan belagert hatten: sie hatten einen der großen Anführer der ihren gespürt, den Kame Tono anscheinend in seiner Gewalt gehabt hatte, nachdem der geisterhafte Fisch im See des Schloss von Lord Baishô eingefroren worden war. Dann ging er los, um die Nachricht des Friedens zu den Kappa zu tragen.
Sie verabschiedeten sich von den Soldaten im Zelt und zusammen mit Shinji schritten sie zum Rand des Lagers, wo Mandura nach den Geistern rief, die er hier her geschickt hatte. Sie materialisierten sich im Dunkeln unter den Sternen und zufrieden sang der Schamane ihnen die Worte von der Befreiung Meister Kois. Doch nun sollten sie die Truppen des Shoguns beschützen, bat er sie und auf ihrem Weg sollten sie alle Geister bitten, sich ihrem Kampf gegen Dalong anzuschließen. Mit einem tiefen Brummen versprachen sie ihrem Herren, dass sie dies tun wollten.
Während die Armee mit dem Abbau des Lagers begann und Kira Kira und ihre Begleiter von ihrer Mission zur Vulkaninsel zurückkehrten, gab Shinji noch einige Befehle an seine Stellvertreter und schloss sich dann den Gefährten an, die bereits mit den magischen Blättern und dem Pinsel der Drachen auf ihn warteten.
Kay'tchi'lik sah nervös zum Samurai, der mit strengem Blick die Pinselstriche Shiaras beobachtete. Die Nezumi betete zu allen Höllendrachen, dass er nie herausfinden würde, was für eine Rolle sie und ihr Clan im Krieg gespielt hatte. Sie konnte sich gut vorstellen, was er mit ihr machen würde...
Wellen und der Wind
und nur die Möwen schreien
am Strand des Friedens