Ryloth

[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - ein Quartier - Torryn, Tier, Iouna, Ian, Irasi]


Obwohl Ian erschöpft und ausgelaugt, nahe daran war, im Stehen einzuschlafen, gab es da etwas, was ihm nicht entgehen wollte. Er spürte eine Verbindung von Torryn zu Iouna. Ein Gefühl. Etwas. Was er wahrnahm stank weit mehr als die Luft in der Höhle. Die Art wie er nach ihrer Hand gegriffen hatte, war dem Sith nicht entgangen. Die Nähe, die körperliche war nicht zu übersehen. Kurz fixierte Ian Iouna. So ein schwacher, ungeformter Geist. So leicht einen eisernen Faden in ihn zu leiten. Gedanken ans Licht zu bringen. Da war keine Abschirmung. Nichts. Iouna war so erbärmlich wie Irasi. Doch Ian verschwendete jetzt keine Kraft. Alles würde zu gegebener Zeit geschehen. Noch würde er beobachten. Nichts tun. Nichts sprechen. Ohnehin konnte er kaum an etwas andres als Schlaf denken. Kaum etwas anderes, als Müdigkeit spüren.

Irasi wandte sich dann wieder an das Trio, als sie antwortete. So töricht. Sie sprach von Glück. Glück. Welch pathetischer Ausdruck. Welch von Lüge triefendes Wort. Es gab kein Glück. Am liebsten hätte er genau das dieser elenden Twi’lek entgegen geschleudert. Sie danach vernichtet. Aber Vernichtung würde für sie Befreiung bedeuten. Ihr Tod wäre ein gefallen für sie. Und Ian war kein Wohltäter. Würde ihr kein Glück bereiten. Elendig sollte sie in diesem Sumpf verrecken. Ihre Gehrinzellen mit Ryll zerstören. An etwas glauben, dass es nicht gab. Sich an haltlose Phrasen klammern. Ein jeder, der völlig überzeugt etwas glaubte, ohne auch nur ein einziges Mal Zweifel zu erheben, war schwach. Erbärmlich schwach. Diejenigen die glaubten ohne zu hinterfragen, die klammerten, die Halt suchten, waren verlorene Seelen. Sie ließen sich absichtlich indoktrinieren, damit sie ihrem wertlosen Leben Bedeutung beimessen konnten. Diese nichtdenkende, alles bejahende Wesen waren so verabscheuungswürdig und widerlich in den Augen des Menschen, dass er angewidert das Gesicht verzog. Sie alle wussten nichts vom Leben. Das Leben hatte in oder an ihnen keine Spur hinterlassen. Sie selbst würden niemals etwas lassen, woran man sich erinnern würde. Nein, sie alle würden vergessen werden, als seien sie niemals existent gewesen.

Ein Zeichen an der Stirn also. Ähnliches geschah auch im Ordend er Sith. Die Prüfung zum Warrior. Ein Zeichen an der Hand. Ian erwiderte auf keines der Worte von Irasi etwas. Sein Blick, voll von Missfallen und Abneigung sollte genug sein. Warum sollte er Kraft verschwenden um ihr etwas zu entgegnen, was sie niemals begreifen würde, weil sie sich nicht die Mühe machen würde, darüber nachzudenken? Und weil sie nicht in der Lage war in ihren vernebelten Geist etwas aufzunehmen, was nicht dem entsprach, was man ihr eingetrichtert hatte?

Das Trio setzte den Weg fort. Schlaf und Erschöpfung schrien zu Ian. Sie erreichten ein Quartier, nachdem sie Stufen erklimmen mussten. Hindernisse. Wieder wurde an Ians Kräften gezehrt. Und dann endlich, waren sie angekommen. Iouna und Ian betraten den Raum zuerst. Endral befand sich noch im Treppenhaus. Es wäre so leicht gewesen Iouna jetzt zu vernichten. Eine winzige Bewegung mit der Macht. Als würde er nur den Zeigefinger bewegen. Und für immer würde das Leben aus ihr weichen. Iouna. Steinchenwerferin. Verräterin. Die ihm einen Blick schenkte, aus dem Ian ebenfalls Verachtung lesen konnte. Ausgerechnet sie! Gnade hatte er walten lassen. Bis jetzt. Ständig. Für was? Er starrte sie an.


„Halte mich nicht zum Narren“, sagte er schneidend. „Reize meine Geduld nicht weiter.“ Eine Warnung. Ob sie begriff was er meinte oder nicht, war ihr Problem. Würde sie begreifen, sollte sie tunlichst daran tun, die Warnung ernst zu nehmen. Würde sie nicht begreifen, würde sie bald ihre Lektion erfahren. Ob dies einmalig war oder nicht stand auf einem anderen Blatt.
Torryn trat schließlich zu ihnen ins Quartier. Abermals glitt Ians Blick zu der Telosianerin. Die letzte Warnung. Eine Ermahnung kein Widerwort zu geben. Sie sollte schweigen. Auch Zustimmung war ein Widerwort.

Endral seinerseits glitt an der Wand hinab. Auch er schien erschöpft. Müde. Iouna durchbrach dann die Stille, die aufgekommen war. Zitternd. Schwach. Verwerflich. Und ihre Worte nährten den Zorn des Sith. Nährten seinen Hass. Hatte er nicht eben gesagt, sie solle ihn nicht weiter reizen? Da bot sie an, dass sie an Ians Bett wachen könne. Damit er sich sicherer fühle. Die Augen zu Schlitzen verengt, drehte er sich wieder zu der Telosianerin. Ignorierte Torryn, der sein Trinken anbot. Ignorierte dessen Anwesenheit. Verdrängte ihn völlig aus dem Blickfeld.
An die Wand gelehnt, Iouna nicht aus den Augen lassend, griff er nach der Dunkelheit. Eine Gewitterwolke zog auf. Tiefschwarz. Ein vernichtendes Gewitter. Er sandte ein Gefühl der Angst zu Iouna, in einer Intensität, die jedem Wesen, dass kleiner als diese seltsame Eisratte von vorhin war, das Herz zum Stillstand gebracht hätte. Diese Angst durflutete den Raum. Würde in jede Pore eines Wesens dringen, die sich in unmittelbarer Nähe befand. Sie sollte endlich begreifen. Angst war so viel mächtiger als Schmerz. So viel intensiver.


„Es gibt keine Sicherheit, sprach er, die Stimme mit seltsam furchteinflößendem Klang. Unmenschlich. Tief. „Noch weniger Sicherheit, mit dir an meiner Seite. Du törichtes Nichts! Wie könnte ausgerechnet von dir Sicherheit ausgehen? Eher würde ich all meine Erzfeinde um mein Bett versammeln, als dich nur eine Sekunde vor meinem zu wissen!“ Er trieb die Angst auf den Höhepunkt. Das Unwohlsein stieg, berührte nun auch ihn. Dann ließ er den Sturm, die Wolke aus Angst abrupt verebben. Als wäre sie nie da gewesen.

Endral wollte wissen, was sie tun sollten. Mit einem verständnislosen Blick wurde er betrachtet.
„Ist dies meine Prüfung, oder die deine?“ Er schüttelte den Kopf, als er sich auf das Bett fallen ließ. Sitzend. Die Beine versagten ihm wieder den Dienst.

„Was die andere Frage betrifft: Es ist mir aufgefallen. Wer auch immer dieser Corvan ist. Es scheint, als würde er durch Kalan agieren. Als sei dieser Mann nur ein Werkzeug. Corvan, wer auch immer er ist, scheint einen Teil seiner Macht in diesen Mann zu transferieren.“ Diese Feststellung hingegen klang freundlicher.
„ Wir sollten auf keinen Fall länger an diesem Ort verweilen, als unbedingt nötig. Diese Festlichkeit, die wir von unserem Fenster aus beobachten sollen. Sie schreit und stinkt nach Gefahr.“ Ian seufzte. Sein Kopf wollte nicht mehr klar denken. Schlaf. Ruhe. Erholung. Nichts anderes. Sein Blickfeld verschwamm.
„Wir sollten einen Moment zur Ruhe kommen. Ein trüber Geist ist hinderlich. Wir werden unsere Kräfte brauchen. Eine Antwort, die im Grunde keine war. Doch Ians Lider sanken nach unten. Genau wie sein Kopf. Doch der Mechanismus des Wachwerdens, der kommen sollte, wenn der Kopf nach unten sackte, blieb aus. Sein Körper forderte in aller Deutlichkeit was er benötigte.

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Ausgerechnet mit Ian sollte Iouna das Quartier betreten. Mit Ian würde sie in einem Raum sein, mit Ian, der sie jetzt auf einmal ständig anstarrte. Alleine. Torryn blieb mit Irasi draußen auf der Treppe. Er würde aber gleich wieder kommen, er würde sie mit Ian nicht lange alleine lassen, hoffte sie. Ein starkes Unwohlsein befiel Iouna. Innere Unruhe. Aber Torryn war doch nicht weg, zumindest nicht ganz weg, nur für den unbedeutenden Augenblick, er war hinter der Tür, höchsten zwei Meter entfernt von ihr. Iouna beobachtete die Türklinke und zählte die Sekunden bis sie hinuntergedrückt werden würde, es tat sich aber nichts. Leise setzte sie den Rucksack ab. Bloß keine Geräusche machen. Nur nicht auffallen, denn Ian schien sie noch zu ignorieren, aber irgendwas stimmte nicht, das spürte sie deutlich. Vorsichtig sah sie sich um. Keine Fluchtwege. Ihre Augen brannten. Das gelblich dreckige Licht, das aus den Flechten herausstrahlte löste in ihr das Gefühl der Unwirklichkeit aus. Derealisation. Verfremdung. Als sie sich zu Ian drehte, wurde ihre erst recht schlecht. Geradezu kotzübel. Das diffuse Kunstlicht tauchte Ian in einen gespenstischen Schleier. In Unschärfe. Sie bemerkte in dem Raum doch noch eine zweite Tür. Die Nasszelle. Gar kein Fluchtort. Ans Flüchten dachte sie, dabei wollte sie doch schon immer Ian wiedersehen, diesen alten Bekannten aus den Kinderjahren. Es war doch Ian. Es war Ian und kein anderer, und nun das alles.

Wo blieb denn Torryn so lange… Und Ian sollte doch schlafen. Endlich sollte er ins Bett gehen, sollte, tat es aber nicht, stattdessen drehte er sich zu Iouna und starrte sie durchdingend an. Eine Emotion ging von ihm aus. Eine Gefahr. Ob er jetzt eine Entschuldigung von ihr erwartete? Oder warum starrte er sie so streng an? Sollte sie jetzt, noch bevor Torryn zurückkommt alles wiedergutmachen? Alles. Wollte Ian etwa dieses ‚Entschuldigung, Ian, verzeih Ian, vergib mir, verzeih mir, dieses Mantra wollte er hören? Erwartete er das jetzt von Iouna, wirklich jetzt und würde das etwas ändern? Würde er sie dann weniger streng anstarren? Es war ein falscher Moment für solche Worte. Oder war der Moment genau richtige, und Ian würde ihr jetzt, gerade jetzt, und zwar hier unter dieser zerlumpten Glühbirne, glauben? Er würde ihr nicht glauben. So viel stand fest. Eine Tatsache, die unerschütterlich war. Welcher anderer Moment wäre aber nicht falsch, sie wusste das nicht, es schien jeder falsch zu sein, denn für alles war doch viel zu spät. Aber er sollte sie trotzdem nicht so ansehen, er, dieser Ian, warum sah er nicht aus dem Fenster, warum ging er nicht fort?

Mit einer unerwartet scharfen Stimme durchschnitt Ians tiefe Stimme die Stille. Abscheulich war ihr Klang und bedrohlich. Sie solle ihn also nicht für einen Narren halten. Sie solle seine Geduld nicht reizen, herrschte er sie an. Iouna hielt inne, verlegen ballte sie ihre eiskalten Hände zu Fäusten. Was würde jetzt nun kommen. Wusste er gar nicht mehr, dass er das alles schon längst hätte sagen müssen, nicht erst jetzt, nach so vielen Jahren und Jahrzehnten, jetzt in Morla’un, unter dieser schwachsinnig flackernden Glühbirne. Es galt jetzt an ganz andere Dinge zu denken, es galt jetzt Kraft zu sammeln, zu schlafen, aber nicht solche Sachen, die eh noch Zeit hätten, eine ganze Ewigkeit. Sie hatte doch seine Geduld nicht gereizt, oder eher, sie wollte ihn nicht reizen, doch nicht Ian, wie kam er denn drauf. Was konnte er eigentlich wissen, er hatte doch nichts gemerkt bisher, er hatte nichts merken wollen, was für ihn Bedeutung haben könnte, warum denn das jetzt auf einmal. Sie wollte ihn ja nicht töten, nicht wirklich, es war nur ein unbedachter Reflex als sie den Blaster hervorholte. Dabei verstand sie sich selber doch gar nicht, was sollte sie darauf erwidern?

Endlich ging die Tür auf und Torryn betrat das Quartier. Ian warf Iouna noch einen, letzten warnenden Blick. Sie spürte, wie etwas in ihr, ganz tief drinnen sich auflöst, zusammenbricht. Schweigen sollte sie also, das wollte er. Ein Dreckstück war sie für Ian, wie passend und schon immer gültig. Doch, den Mund verbieten durfte er ihr nicht mehr. Nicht mehr und auf die gleiche Art wie damals nie wieder. Denn wie er sie damals stumm angestarrt hatte, das kleine arme Kind, das Kind - der stumme Vorwurf, was hätte sie tun sollen, was, was? Warum wehrte er sich nicht, warum sagte er nicht ein einziges mal, hilf mir. Wie hätte sie ihn nun retten können, wie, wenn sonst keiner ihm helfen wollte, kein Erwachsener, niemand, hatte er sie, das kleine Kind mit seinem Leid beworfen, sie Tag für Tag in eine unerträgliche Ohnmacht gestürzt, für immer. Wie klein war Ian damals, aber sie war noch kleiner und er überragte sie mindestens um einen Kopf. Iouna wurde speiübel. Kotzübel. Zum Erbrechen schlecht. All das müsste aufhören, jetzt, sofort. An seinem Bett würde sie wachen, stieß sie ungeduldig hervor. Sie würde auf ihn aufpassen, sie würde ganz sicher dabei nicht mehr versagen, darauf könne er sich verlassen, all das müsste endlich ein Ende nehmen ein für alle mal.

Dann stieg ein Geruch in ihre Nase, sein Hass. Sein bitterer Hass. Er stank. Iouna blickte zu Ian und begegnete seinen zu Schlitzen verengten Augen. Was denn, was, was wollte er jetzt von ihr. Was denn, na was denn, verdammt noch mal?

Bruchteile von Sekunden, geringe Millisekunden, bevor es passierte, wusste sie bereits, dass es passiert, und dass es einfach passieren musste, so war die natürliche Konsequenz und Folge. Und dass sie es nicht verhindern konnte, nicht jetzt und nicht gestern und sonst niemals verhindern können, war ihr irgendwie bewusst. Eine unangenehme Spannung baute sich um sie, ein dunkles Unwetter, eine schleimige Dunkelheit haftete an ihr wie schwarzer Leim, wie ein Dreckskleister, der hartnäckig am Körper klebt und sich mit keiner Kratzbürste abreiben lässt - Ians geronnenes Blut.
Angst.
Angstwellen kamen in Ians Atemfrequenz auf sie zu. Abwehrend streckte sie noch die Hand in Ians Richtung, eine Geste, die ihn eigentlich aufhalten könnte, stoppen könnte, und das noch bevor es zu spät war. Aber als sie den Mund öffnete, war ihr Hals zugeschnürt, die Kehle, ihre Atmungswege verklebt und endgültig erstickt.
Dabei wollte sie nur etwas kleines sagen, nur einen Satz und zwar zu Ian: Ian, es tut mir Leid, wirklich Leid, vergib mir, aber in der Sekunde verdunkelte sich alles in ihr, alle Gedanken wurden schwarz und tausend Steine prallten gegen ihre Brust. Die Luft wurde auf einmal fest und es kam ihr, als ob sie Ziegelsteine einatmen musste.
Kalt, Frost. Innen.
Iouna beugte sich nach vorne, im Augenwinkel sah sie Torryn, er durfte nicht zusehen, er sollte den Kopf abwenden, nicht zusehen wie sie stirbt, denn sie wollte nicht sterben, nicht vor seinen Augen sterben, aber wie sollte sie ihren Tod jetzt verhindern?
Auch der letzte Fluchtweg war versperrt. Mit Torryns Katar. Die Angst stieg und sie begann zu zittern, zu schlottern, die Zähne schlugen gegeneinander, Ian bitte, nicht töten, hör auf damit, hör auf…kann das Herz wirklich zerspringen, wäre das möglich….einhundertsechzig Schläge, einhundertneunzig….

War es nur ihr Körper, den Ian beherrschte, oder war es nur die Angst in ihrem Körper, die sich durch diese widerlichen Symptomen wie eine Krankheit manifestierte, oder wollte Ian sie wirklich töten. Iouna drückte den Arm gegen den Mund, um die zu schnellen Atemzüge zu unterdrücken, um nicht ohnmächtig zu werden, als sie von einem Drehschwindel erfasst worden war, denn sie auf einmal hyperventillierte.
Torryn sollte sofort herausgehen, er durfte nicht mehr zusehen, nicht all dies hier, er konnte und sollte nichts verhindern wollen, denn alles war nur eine Sache zwischen Ian und ihr, Torryn hatte den Anblick nicht und niemals verdient…
Keuchend schnappte nach Luft, nach dem rettenden Sauerstoff. Dann aber wieder: bitte nicht töten, nicht umbringen, nicht vor Torryns Augen, Ian, Gnade, bitte, bitte…

Wie viel Macht hatte dieser Ian noch, wie viel, verdammt, er war doch so schwach, so krank, so arm, dieses Schwein, dieses arrogante *********, dieser Drecksack, Scheißkerl, der. Du verfluchter Hund, warte mal du ********* du...
Während der Druck in der Blase inzwischen unerträglich wurde und nur noch schmerzte, versuchte sie sich zu konzentrieren, oder wenigsten einen Gedanken zu fassen, den einen - die Erinnerung aufzurufen, eine kleine, das wäre das mindeste.

‚Sieh zu, *********. Hier war dein Schrank. Dein Vater zerrte dich, schleifte dich auf dem Boden und du wimmertest wie ein erbärmlicher Welpe. Der Schrank starrte dich an, wie eine Schlucht. Du hattest Angst, Angst. Der Schrank war dein Abgrund, dorthin würde der Junge hineingeworfen. Angst hattest du, nackte Angst, sonst nichts, du erinnerst dich doch. Und da stand sie, Iouna, das Mädchen, und sah deiner Angst zu. Wie deine Knie schlotterten. Wie du dich krümmtest. In der winzigen Hand hielt sie einen Schlüssel. Es war der Schrankschlüssel. Dein Vater streckte die Hand zu ihr ‚bitte, gibt mir den Schlüssel’, aber mit einem Ruck stopfte sie sich den Schlüssel in den Mund und lächelte ihn unschuldig an. Dein Vater, Jerome wurde wütend, denn sie schluckte eilig und schluckte, der Schlüssel wollte aber nicht herunter, blieb stecken in ihrer kleinen Mundhöhle und beulte ihr die rechte Wange aus. Dein Vater zog ihren Kopf in den Nacken, mit der anderen umfasste er das kleine Gesichtlein, kurz und präzise drückte er seine hässlichen Finger direkt hinter ihre Kiefergelenke, so wie man bei einer Katze tut, damit sie das Mäulchen aufsperrt. Der Mund des Kindes öffnete sich auch prompt, das Kind wollte noch durchaus protestieren, tat es aber nicht, denn dein Vater wühlte schon mit seinen verkeimten Fingern in ihrem Mund und pullte den Schlüssel heraus. Das Kind kriegte Brechreiz und würgte, aber der Vater hielt den Schlüssel hoch und erhaben. Dann schüttelte er missbilligend den Kopf, schnalzte mit der Zunge und zeigte auf ihren Mund: ‚Nicht hier.’, dann auf den Schrank, in dem du stecktest‚ ‚Hier.’ Dann gab er ihr den Schlüssel wieder und fragte: ‚Willst du?’. Das Kind nickte, steckte den Schlüssel ins Loch und schloss ab. Nun Ian, renn, renn doch weg…diese Erinnerungen in den Raum hineindenken – zu Ian hindenken, ihn mit ihnen treffen, damit sie ihm jetzt weht tun, damit er von Iouna ablässt, sie verschont, sie am Leben lässt: ‚na nimm doch diese Erinnerung, war doch deine, sieh was für Angst du hattest, DU’….

Plötzlich gaben ihre Beine nach, und während sie eine erneute Übelkeitswelle übermannte, lief etwas Warmes ihre Beine herunter. Diese verdammte Angst, diese verfluchte Panik. Die nächste Erinnerung gegen Ian würde sie nicht mehr schaffen, das war das Ende. Das Ende. Ein verzweifeltes Schluchzen entwich ihrer Kehle, und was musste der Klang für eine perfekte Befriedigung für Ian gewesen sein – Iounas absolute Niederlage.

Von einer Sekunde auf die andere hörte die Angst jedoch auf. Noch vorsichtig füllte Iouna die Lunge mit der Luft, dann nutzte sie den Augenblick und ohne Ian anzusehen schnappte sie ihren Rucksack, lief an ihm vorbei und verschwand in der Nasszelle.

Stille. Erschöpfung. Resignation. Iouna sank auf die Knie, und kurz verbarg sie ihr Gesicht in den Händen. Ein bitteres Lehrstück, aber sie lebte noch. Sie lebte. Er hatte sie nicht umgebracht. Noch wie betäubt stand auf und zog ihre nasse Hose aus. Ekelhaft. Sie warf sie in den Wäscheschacht, ging zum Waschbecken und wusch sich. Auch den Angstschweiß von ihren Armen. Erst dann zog sie die frische Kleidung an.

Ian schlief als sie den Raum betrat. Es war so still. So friedlich. Torryn saß immer noch an der Tür angelehnt und sah sie an. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen und er schien sich in einem Halbschlaf zu befinden. Iouna seufzte, setzte sich ganz dicht neben ihn hin, nahm zärtlich seine Hand in die ihre und legte das Gesicht in seiner Halsbeuge.
„Mir geht es gut. Verzeih mir, verzeih mir…“, flüsterte sie. Sie pustete ihre warme Atemluft in seine Haut und mit jedem Atemzug kehrte die Wärme zu ihr zurück. Ein intensives Gefühl der Zuneigung befiel sie, und sie glaubte in diesem Moment vor Glück zu sterben.

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Eine Antwort, die einen mehr als ernüchternden Unterton mitschwingen ließ. Seine Prüfung. Natürlich. Hatte Torryn wirklich gehofft, dass sein Meister eine Antwort wissen würde? Wie konnte er nur so dumm sein. Wieder. Zu viel Vertrauen endete nur in Demütigung. Die knappe Antwort seines Meisters war nur eine verbale Version dessen gewesen. Sie schnitt wie eine Klinge in das dünne Geflecht an emotionaler Stabilität, das Torryn bis hierher zu seinem Meister aufgebaut hatte. Eine weitere Verletzung. Er würde sie überleben, aber nicht vergessen. Ian war sein Meister. Trotzdem. Er durfte das. Niemand sonst.
Die Wasserflasche wurde von Torryn wieder im Rucksack verstaut. Sein Meister hatte sie abgelehnt. Eine Geste, die dafür sprach, wie er dachte. Über ihn. Über sie. Über sie beide. Ihn und Iouna. Torryn beschlich das Unsägliche. Latente Angst. Einsamkeit, obwohl er von Menschen umgeben war. Er nahm sie nicht mehr wahr oder sie nicht mehr ihn? Straften sie ihn mit Distanz, wo er doch so viel getan hatte, um sich ihnen zu nähern? Wie früher schon. Innerliche Kälte breitete sich in ihm aus. Es sollte nicht so sein. Nein.

Torryn wich eventuellen Blicken von Ian oder Iouna aus und starrte auf den kalten, matten Boden des Raumes, der ihr Quartier sein sollte und ihn eher an den Raum erinnerte, der einmal sein zu Hause gewesen war. Unweigerlich zog er die Beine enger an seinen Körper, als er bemerkte, wie das Adrenalin aus seinem Körper wich, das ihn so weit angetrieben hatte. Beklemmung. Sie begann ihn einzuschnüren. Die Ruhe schuf keine Erholung, im Gegenteil. Sie waren nun hier angekommen. Irgendwo in einem Felsen, umgeben von geistlosen Sektierern. Die mentale Stärke, die ihm seine eigene Biochemie vermittelte, begann sich aufzulösen und die situativen Eindrücke gewannen mehr und mehr an unheimlicher Dominanz. Hitze nicht Kälte. Schweiß bildete sich auf Torryns Stirn. Es war keine reale Begebenheit, sondern die Reaktion seines Unterbewusstseins auf das Unfassbare, das dieser Ort repräsentierte. Sein Verstand driftete davon, getragen von aufwühlenden Informationen, die sein erschöpftes Gehirn verzweifelt versuchte zu interpretieren, einzuordnen.

Wärme. Hitze. Feuer. Verkohlte Körper. Dieser Geruch als der Brandbeschleuniger die zerstümmelten Reste auflodern ließ. Aschefetzen wirbelten in dem Luftstrom, der durch die Hitze erzeugt wurde. Erst als die Flammen seinen eigenen Körper umtanzten, setzten die automatischen Löschsysteme ein. Der feine Regen überzog den Boden sekundenschnell und verwandelte alles in einen stinken Morast aus Asche, Blut und sonstigem Unrat, der an diesem Ort wucherte. Aber das Feuer brannte weiter. Torryn hatte vorgesorgt. Das Löschsystem versagte irgendwann. Verdrängte Erinnerungen, die ihn aufsogen. Eine andere Zeit.

Der Raum war weg. Finsternis. Er konnte nichts mehr sehen. Torryns Augen waren geöffnet, aber er sah nichts. Überall diese Schwärze. Er schnappte nach Luft. Etwas drückte gegen seinen ganzen Körper, umhüllte ihn. Wieder dieser Geruch. Er konnte nicht atmen, es setzte sich in seinen Lungen fest, verschloss seinen Mund mit einer klebrigen Substanz, die nach verkohltem Fleisch schmeckte. Eine dunkle Transparenz zeigte Torryn die Abbilder, die er verdrängen wollte. Sie streckten ihre toten Hände nach ihm aus. Jemand rief seinen Namen, kreischend, anklagend, lähmend. Sie waren es. Sie brachten das Feuer mit. Die aufsteigende Panik unterdrückte den Ekel. Schlief er? Vielleicht. Er war dort. Dort unten, wo er nie wieder sein wollte, dort unten, wo er ihn hin verbannt hatte. Den Morast, den Unrat, das Namenlose, die Reste seiner Kindheit. Sie griffen wieder nach ihm, wie früher. Die Masse schob sich zur Seite, als Torryn begann, sich hindurch zu kämpfen. Mit den Händen schaufelte er sich Freiräume, Platz zum Atmen. Warum jetzt? Die Masse begann sich zu wieder zu verfestigen. Seine Hände rutschten ab. Es waren Wände. Überzogen mit Aschefetzen. Die Wände an denen er mit seinen Fingernägeln gekratzt hatte, bis er keine mehr hatte. Bis seine Fingerkuppen Blasen gebildet hatten, die aufscheuerten, platzten, bluteten. Aber der Schmerz war eine Wohltat gewesen, im Nichts.

Er war nicht mehr dort. Nur die Aschefetzen, die Hitze. Etwas bohrte sich schmerzhaft in seinen Rücken. Spitz und hart. Eine pyramidale Struktur, deren Spitze seine Wirbelsäule malträtierte. Der Druck war stark genug, um den flexiblen Schutz seiner Haut irgendwann zu durchbrechen. Er war nackt. Seine Hände und Füße waren fixiert an den unteren Ecken des Gebildes. Sein überdehnter Körper war gezwungen, eine unwürdige Haltung einzunehmen. Er musste an die Decke einer Höhle starren. Sein Körper schien voller Blasen und eingerissene Haut, löste sich sich bereits, um wie Pergament in der heißen Luft nach oben zu steigen. Wie Papier im Wind. So leicht. So unbeschwert. Hören konnte er etwas. Stimmen. Gesang. Monoton. Schwingungen, die etwas bewirkten. Der Schmerz war Freude. Er hatte gar keine Angst. Er war glücklich. Er war eine sie. Lord Corvans Gabe.

Ein grollendes Brüllen zerriss den Schleier, der sich in mehreren Schichten über ihn gelegt hatte, um sein Bewusstsein mit alptraumhaften Schrecknissen zu verhüllen, die nur eine Aufgabe hatten, ihn jeglicher Kraft zu berauben, die seinen Verstand noch zu schützen vermochte. Die Höhle verschwand. Sie verschwanden ebenso und mit ihnen das Feuer und der Geruch. Er war auf der Lichtung. Es war seine Lichtung. Sein Refugium. Es war hier. Torryn war nicht mehr allein. Er lag zusammengekauert am Boden. Er war wieder er. Tier lag neben ihm.


„Du bist hier?“

„Ich war nie weg. Warum zweifelst du wieder?“

„Ich fühlte mich so leer.“

„Du hast versucht, mich zu verdrängen. Deine Angst. Deine Angst, dass man mich finden würde. Aber ich bin immer da. Man kann mich nicht verdrängen, auch du nicht. Ich entscheide selbst, wann es Zeit ist, mich zu zeigen.“

„Ich will dich doch nicht verlieren. Du gibst mir Kraft. Du hilfst mir mit diesem Fluch umzugehen.“

„Fluch? Er gehört zu deinem Leben. Nur dein Tod kann uns trennen.“

„Ich hatte daran gedacht, aber du hast sie wieder vertrieben. Da war noch etwas anderes. Hast du es auch gesehen?“

„Ja.“

„Es war keine Erinnerung. Sie waren es nicht und sie machen so etwas nicht.“

„Die dunkle Seite eröffnet andere Möglichkeiten der Sicht der Dinge, das weißt du doch.“

„Die Höhle. Es war diese Höhle. Das Becken.“

Torryns Herz raste. Endlich schossen genug Hormone in seinen Blutkreislauf, damit er sich besser fühlte. Und das tat er. Tier war da. Nie war es weg gewesen, hatte es gesagt. Zuversicht entstand, wie aus Trümmern, die ein neues Bauwerk formen sollten. Zaghaft. Zuversicht in die eigene Kraft, um das Kommende zu meistern. Die Prüfung.
Tier drehte seinen Kopf in eine andere Richtung und schnaubte. Ein wohliges Schnauben, das sich auch auf Torryn übertrug, als er dem Blick folgte. Ein Bogen aus Licht inmitten der Einöde. Inmitten dieser illusionären Sicherheit. Eine Gestalt stand in diesem Bogen, makellos. Sie war es. Er rieb sich müde die Augen.

Seine Augen lieferten wieder die kühlen Fakten seiner Umwelt. Korrodierter Durastahl eines nicht näher bestimmbaren Alters, überwuchert mit merkwürdigen, plflanzenartigen Organismen. Auf einem alten Feldbett lag Meister Ian. Er schien zu schlafen. Wo war Iouna? Torryn schaute hoch. Sie stand in einer kleinen Tür, umgeben von einem Lichtschein. Sie stand in der Nasszelle. Ein Lächeln formte sich auf Torryns Gesicht, das nicht wich, als er sich an den Traum erinnerte.
Es würde passieren. Vielleicht sogar so, wie er es gesehen hatte. Aber in diesem Moment zählte nicht der Schrecken. Nicht das Dunkel. Nur ihr Licht. Vor wenigen Augenblicken hatte Torryn nicht daran gedacht, dass er sich hätte befreien können aus dem trüben Sumpf, der seinen Verstand und damit ihn, zu versenken drohte.
Eine Änderung war da. Es war ein bleibender Eindruck, den er immer wieder hervorrufen wollte, wenn er ihn brauchte. Und solche Eindrücke waren wertvoll, wie die Person, die sie vermittelte. Mit diesem Gedanken kam er zur Ruhe, entspannte sich und spürte, wie sein Kopf langsam schwerer wurde und nach vorne auf seine Knie sackte. Er schlief ein, hoffend auf einen besonderen Traum. Es war kein Traum, als er ihre Nähe spürte. Torryn brauchte auf keinen besonderen Traum mehr zu hoffen, denn er war in diesem Augenblick zu einer Gewissheit geworden. Als sie etwas zum ihm flüsterte, wurde es eine erfüllende Wahrhaftigkeit, die ihn in den Schlaf versinken ließ.

***
Ich lag zusammengerollt neben dem knorrigen Baum, der das Zentrum in Torryns Refugium bildete. Er lag vor mir, wie das Kind, das uns einst entdeckte. Mein Blick wanderte über den staubigen Boden und zu den Nebelschwaden, die über dem fernen Sumpf hervorquollen. Ihre Schemen waren immer noch zu erkennen. Heute würden sie nicht mehr kommen. Es war knapp gewesen. Zu viele Dinge aufeinmal drangen auf ihn ein. Ihre Präsenz hatte geholfen, das Schrecknis einzudämmen. Er musste reifen, seine mentalen Kräfte verbessern, um nicht zu zerbrechen. Dazu musste er schlafen. Auch der Meister. Ich würde wachen. Uns konnte man nicht ausschalten. Wir waren da, immer. Immer anders. Immer im Wandel. Wir waren in dem Meister und auch in ihr. Nicht in Kalan. Ich spürte sie und wartete, bald würde sie hier sein.
***


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Sicherheit ausgehend von Iouna? Sicherheit für Ian durch die Steinchenwerferin? Diese Bemerkung mangelte nicht allein an Respekt, sondern beinhaltete Hohn und Zynismus. Zu viel von beidem. Als würde man einem Schlachter sein Tier geben, damit er darauf aufpasste.
Was war das Ziel der Teolsianerin? Hatte er sie nicht am Leben gelassen, Gnade walten lasssen, sie vor Sekunden noch gewarnt? Doch Iouna ignorierte alles. Ian war sicher, dass sie verstanden hatte, was Ian verlangt hatte. Aber sie missachtete ihn. Verhöhnte ihn. Behandelte ihn aufs neue Respektlos. Sie die Jüngerin. Die keine Macht mehr über Ian hatte, versuchte ständig sich über ihn zu stellen. Führte Ian immer wieder aufs Neue vor Augen, dass er schwach, gar jämmerlich war. Sie quälte ihn. Als wären die Erinnerungen an die Vergangenheit nicht Qual genug. Sie verhöhnte ihn, als sei ihre Anwesenheit nicht Hohn genug. Ihr vor Stolz und Missachtung triefendes Gesicht, wenn sie ihm entgegenblickte. Angst hätte in ihren Augen aufblitzen müssen. Respekt. Ehrfurcht und Dankbarkeit. Sie hatte gesehen, wie es all jenen ergangen war die ihn seiner Kindheit, die ihn seines Glückes beraubt hatten. Iouna hingegen war der Inbegriff von Undank. Sie strapazierte die Geduld des Menschen auf ein gefährliches Maß. Sie forderte nicht nur Ian den Mann hinaus, sondern auch Ian den Sith. Wenn sie nicht endlich aufhören würde, würde er die letzten Züge seiner Güte vergessen. Gnadenlos würde er sie bestrafen, so wie es ein Sith tat. Nicht ein normaler Mensch.

So formte er speziell für sie das Gefühl der Angst. Sie sollte leiden. Die letzte Chance, damit sie begriff. Angst. Leid. Schmerz.

***
„Ich sagte komm mit!“ Der Vater schrie laut, so böse. Keine Milde im Ton. Nicht eine Spur. Mit William sprach er nie so. Mit keinem. Nur Ian. Als sei diese Tonlage speziell nur für ihn. Wütend packte eine Hand den Oberarm des Kindes. Der junge wimmerte leise. Nicht zeigen, dass es weh tat. Das machte es nur schlimmer! Aber es tat so weh. Wie sich die Finger in das Fleisch bohrten. In die blauen Flecke. Ian wehrte sich. Er musste Widerstand zeigen. Er hatte nichts gemacht! Nicht wieder in den Schrank. Nicht wieder in diese Dunkelheit. Die stickige Luft. Kein Platz, kein Raum. Lieber sollte der Vater ihn schlagen. Aber bitte, bitte nicht in den Schrank. Ian wandte sich, aber der Griff um seinen Arm wurde nur unbarmherziger. Das Kind wusste, dass es besser war sich zu ergeben, aber an diesem Tag hatte sich Trotz und Widerwille in ihn geschlichen. Wenn er geschafft hatte, dass sein Papa einmal Schmerz gespürt hatte, vielleicht schaffte er es auch, ihn davon abzuhalten, ihn in den Schrank zu sperren? Er hatte doch damals gezaubert! Hatte gesehen, dass der Vater das Gesicht verzogen hatte. Schmerzvoll. Vielleicht konnte er so was auch heute machen?
Aber es funktionierte nicht. Der kleine Ian konnte sich nicht auf den Beinen halten, was den Vater nicht daran hinderte, weiter an ihm zu zerren. Gefährlich nahe in den Raum mit dem Schrank.
Der Schrank stand dort. Wartete. Bedrohlich. So groß, so riesig. Und innen so winzig. Nicht allein der Schrank wartete. Da war noch jemand. Das Mädchen!

Der Vater drehte sich zu ihr. Wollte den Schlüssel. Ian guckte zu ihr herüber. Ein Flehen in den Augen. Bitte, bitte geb Papa den Schlüssel nicht! Steinchen sollte sie werfen. Aber nicht den Schlüssel geben. Bitte! Dann steckte Iouna den Schlüssel in den Mund. Dankbarkeit blitze auf. Hatte er sie verzaubert? So sehr hatte Ian sich gewünscht, dass sie den Schlüssel nicht geben würde. Und da hatte sie ihn in den Mund gesteckt. Dankbarkeit breitete sich in dem kleinen Jungen aus. Er würde nicht in den Schrank müssen. Nein, heute nicht, weil der Schlüssel war ja nicht mehr da. Papa konnte den Schrank also nicht öffnen.

Doch der Vater wandte sich an das Mädchen. Öffnete ihren Mund. Der Schlüssel blitze auf. Wieder zerrte der Vater an dem Arm des Kindes. Ein schlimmer Schmerz breitete sich aus. Das Wimmern wurde nun lauter. Der Arm, er tat so weh! Jetzt an der Schulter. Er konnte ihn nicht bewegen. Als würde etwas zerreißen. Das Schultergelenk. Ausgekugelt.

***
Diese Erinnerung. Diese Angst. Dieser Schmerz. Iouna sollte zumindest an einer dieser Sachen teilhaben. Niemals würde sie so viel Leid ertragen müssen, wie Ian es einst getan hatte. Selbst dann nicht, wenn er sie für den Rest ihres erbärmlichen Lebens quälte. Sie war erwachsen. Kein Kind mehr. Keine kleine, zarte Seele. Hatte sie diese je besessen?

***
„Willst du?“, fragte der Vater das Mädchen, hielt ihr den Schlüssel hin. Ian sah es genau vom Schrank aus. Bitte tu das nicht! Er sah Iouna an, wieder das Flehen in den Augen. Bitte, bitte nicht abschließen! Tu das nicht. Werfe Steinchen! Das Kind hatte Angst vor der Dunkelheit. Vor dem engen Raum. Panik breitete sich aus. Er sah das nicken von Iouna. Wie sie näher kam. Nein, bitte, bitte tu das nicht! Warum machte sie das? Hatte Ian das wirklich verdient? Er war böse. Er war schlecht. Aber in den Schrank wollte er nicht. Die Tür des Schranks ging zu. Ian hörte den Schlüssel. Das schreckliche „Klick“, als das Schloss einrastete. Und dann spürte er, etwas warmes an seinen Beinen.
***

Der Geruch von Urin breitete sich aus und erinnerte Ian so sehr an ein vergangenes Ereignis, dass er abrupt damit aufhörte den Raum weiter mit Angst auszufüllen. Genug. Er hörte ihr Schluchzen. Sie lag auf dem Boden, in ihrem eigenen Urin. So wie Ian damals im Schrank. Ein Bild, dass Ekel in ihm auslöste. Keine Befriedigung. Jetzt begriff sie vielleicht was es bedeutete, wenn man jeglicher Würde beraubt wurde. Aber da war keine Befriedigung. Nicht einmal Genugtuung. Es änderte nichts an dem was geschehen war. Zu sehen, dass sie nun alles andere als Stärke gezeigt hatte, ließ ihn sich keinen Deut besser fühlen. Vernichten hätte er sie sollen! Ihre Niederlage hätte sein Sieg sein sollen. Aber das war es nicht. Kein Sieg. Keine gewonnene Schlacht. Kein gewonnener Krieg. Es war, als wäre es nichts. Völlig bedeutungslos. Er wandte die Augen von ihr ab. Die Steinchenwerferin griff tonlos nach ihrem Rucksack. Schritt in die Nasszelle. Ihr Sieg. Nicht seiner. Schon wieder. Sie verschwand einfach. Ohne zu fragen, konnte die Schmach von sich waschen. Als Ians Vater den Sohn einst aus dem Schrank gelassen hatte, war die Nässe getrocknet gewesen. Nur der Geruch hatte noch im Schrank gehaftet. Ihn verraten. Ihm die nächste Strafe gebracht.

Als dann noch Torryn den Raum betrat um zu fragen, wie es weiter gehen sollte, machte sich abermals Unmut in dem Sith breit. Wer hatte Ian eien Antwort gegeben? Wer hatte ihm geholfen? Torryn wusste, dass Ian am Ende war. Der Adept war Zeuge davon geworden. Weshalb demütigte er nun, wie Iouna, den Meister, stellte ihm diese Frage? Unmerklich schüttelte Ian Kopf. Resignation machte sich breit. Und dann endlich, übermannte ihn der Schlaf. Traumlos. Tief. Erholsam.

Zeit verging, bis Ian erwachte. Sein Schüler schlief noch immer. Iouna war nahe bei ihm. Iouna und Torryn. Kurz wurde die Telosianerin beäugt, die etwas aussandte. Ein Gefühl. Von Glückseligkeit? War da nicht ein zufriedener, gar glücklicher Ausdruck auf ihrem Gesicht? Unbekümmert. Frei von Sorge? War sie Torryn nicht zu nahe?
Der Sith presste die Zähne aufeinander, so dass die Kiefergelenke weiß hervor traten. Ein Verdacht breitete sich in ihm aus. Wieder. Er hoffte, dass er sich irrte. Er würde sie beobachten. Im Auge behalten. Beide. Würde sich bestätigen, was er vermutete…

Ian setzte sich schließlich auf. Er spürte seine Glieder wieder! Beinahe hätte er zufrieden gelächelt.
Langsam stand er auf, es gelang ohne Probleme. Endlich. Er konzentrierte sich auf seinen Körper, auf den letzten Rest des Giftes. Jetzt war es viel leichter zu lokalisieren. Zu beheben. Zu heilen. Er konnte das Gift zwar nicht neutralisieren, es aber von seinem Wirkungsort verdrängen. Die Arbeit mancher Zellen musste beschleunigt werden. Hormone und Neurotransmitter. Ihre Arbeit konnte beschleunigt werden. Beinahe wie das Heilen. Als Agonisten tätig, konnten sie das Gift verdrängen. Und Ian konnte sich endlich wieder richtig bewegen.

Er lief zu dem großen Fenster hinüber, von dem aus die Festlichkeit beobachtet werden konnte, die im Laufe des Tages stattfinden sollte.
Ein großer Behälter stand dort. Stahl und Stein. Geformt zu einem Ofenähnlichen Gebilde. Dem Sith schwante böses, wenn er an die Worte von Irasi dachte. Und doch ginge eine besondere Anziehungskraft von diesem Gebilde aus. Schwarze Zeichen, die Ian nicht zu deuten vermochte, waren erkennbar. Der Deckel des Behälters war zur Seite geschoben und ließ das Innere erkennen. In der Mitte befand sich eins chwarzer Kristall. Dem Aussehen nach, ähnelte er jenem, den Kalan gehalten hatte. Aber er war viel größer und mächtiger. In den Ecken des Behälters waren Halterungen zu erkennen. Dieses Objekt verhieß nichts Gutes, so viel stand fest.
Ians Aufmerksamkeit sollte jedoch umgelenkt werden, als er zwei Präsenzen spürte. Seine Hand griff automatisch nach dem Lichtschwert, als er mit der Macht an seinem Schüler rüttelte und dann zur Tür schritt. Leise, vorsichtig und die Türe dann, in einem Moment der Überraschung aufzureißen.
Das dort jemand war spürte er. Jemand der vielleicht nach seinem Leben trachtete? Jemand wie Jerome. Wie Iouna? Nein, diesmal war der Sith gefasst. Dieses Mal würde er aufpassen. Feinde lauerten überall. Diese jedenfalls hatten ihre Chance, ihn zu überraschen verwirkt.

[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - ein Quartier - Torryn, Tier, Iouna, Ian]
 
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Als Iouna sich an Torryns Schulter angelehnt hatte, übertrug sich ein unbestimmtes Gefühl auf sie. Ein sanftes und behagliches. Eine zarte Einwirkung - nicht nur seiner Körperwärme. Auch nicht nur seines angenehmen Geruchs, alleine das war es nicht. Während ihr Kopf an seiner Schulter lehnte, die rechte unermüdlich seine Wirbelgelenke abzählte, auf und ab, die linke aber ruhig auf dem Bauch lag, schlief sie mit ihm. Sie wollte einfach einschlafen und schlief. Genau so, was es sagt. Einfach – schlief. Mit dem Kopf in seine Schulter eingegraben, den Arm um seine Rechte und weiter nichts. Und doch wusste sie bis in den tiefsten Alptraum, dass er es ist. Ian schlief ganz woanders. Bei Torryn war sie sicher. Auch wenn ihre Augen offen waren und auf Ian, der aus seinem eigenem seltsamen Traum jederzeit herausfallen konnte, gerichtet. Und dann würde er sie entdecken. Sie beide. Und würde das furchtbare Glücksgefühl sehen, das ihnen unerwartet zustieß, fern von ihm, wenn er es in ihren Gesichtzügen erblickt.
Torryns Arm um sie geschlossen, unbeirrt, ausschließlich ihr geltend, sonst niemandem. Dann ein inniges Zittern, Herzklopfen, ein schwerer Druck auf die Augen, aufblitzende Bilder. Ein sanftes Ziehen im Brustkorb, ein warmer Gefühlsknoten, viel zu groß für sie und drückend auf die Magengrube. Und umso näher sie ihm körperlich war - denn sie schmiegte sich noch enger an ihn, nur um ihn ganz zu spüren, um ihn nicht zu verlieren, desto klarer die aufblitzenden Bilder sich formten.

Und umso näher sie an Torryn rückte, desto ferner war Ians schlafendes Gesicht, seine ganze Präsenz. Und als sie dann schließlich die Bilder klar sah, sah sie sich selbst darin, sie war es, lag ganz alleine, und alleine hieß ohne Ian, und es tat alles noch weh von Ian, und sie fror immer noch, aber da kam er endlich, er wusste, dass sie nur auf ihn wartete, und er legte sich neben ihr mit einer Selbstverständlichkeit. Seine Arme eng um sie geschlossen. Er berührte sie. Er nahm den Schmerz von ihr, und bald konnte sie wieder atmen. Sie drehte sie sich zu ihm in dem Traum, schlang ihre Arme um seinen Körper und auch Tier war bei ihnen, er beschützte sie und war stark und wachte über sie beide. Sie atmeten gleichmäßig ein und aus als ob sie aneinander gewachsen wären und nur eine Lunge hätten und nur einen Körper.

Und dann sah Iouna wieder zu Ian, prüfend, er schlief noch, er war in einem anderen Traum. Dann rückte sie noch näher an Torryn, legte das Gesicht in seine Schulter und atmete ihn ein. Und noch einmal. Festhalten. Sie wollte zurück in den Traum, zurück…bitte Torryn, zieh mich wieder herüber bevor es zu spät ist...
Dann aber wieder und wieder Ian. Und seine winzigen Äderchen auf den geschlossenen Augenliedern, sein Mund noch so friedlich. Bald würde er wach sein. Iouna drückte die Stirn an Torryns Brust. Aufflackernde Angst. Die Ohnmacht kehrte zurück.
Alleine für das Gefühl, das nur Torryn galt, hätte er sie töten müssen. Für dieses ausschließliche, und ihm gar nicht geltende Gefühl. Warum konnte sie ihm dieses Gefühl nicht nur ein Mal geben? Wenigstens für einen kurzen Moment. Oder wenigstens ein Bruchteil davon, hätte es irgendetwas wieder gut gemacht? Wenn sie ihm ein kleines Stück von diesem Liebeskuchen abgegeben hätte, hätte da etwas verändert? Wenn sie für Ian ähnliches empfinden könnte. Das konnte sie aber nicht. Denn niemand konnte Ian lieben. Nicht ein bisschen, nicht beschützend, und tröstlich gar nicht. Und niemals ausschließlich. Niemals. Warum, warum. Es war so ungerecht.
Auch sie mochte ihn lieben, nicht damals und erst nicht jetzt, denn jetzt gehörte sie Torryn ganz und niemandem anderen und irgendetwas zu teilen war nicht mehr möglich. Zurück, zurück zu dir, rückwärts in deinen Traum, in deinen Schutz, in Torryns Schutz…nur zu dir, sonst nichts und auch nirgends.

Und nicht weil Ian sie quälte, nicht wegen dieser Angst und den Schmerzen, nur alleine sein Blick, sein Angstgeruch, sein Atem, nahmen ihr die Luft. Der Luftentzieher. Und weil er sie mit jedem einzelnen Wort erstickte, mit jeder seiner Geste und jedem Blick. Ihr Gefühl für Torryn erstickte er, kontinuierlich.
Nun bemerkte Iouna eine klitzekleine Bewegung im Raum wie am Rande ihres Bewusstseins, eine minimale Veränderung in der Atemfrequenz von Ian, physisch schien er noch zu schlafen, aber sie spürte, wie sein Inneres nach oben schlug.
Prompt setzte sie sich aufrecht, löste sich von Torryn. Unerwartet tat es weh. Kälte kroch ihre Beine hoch. Ians Raum. Fern von Torryn. Unerträglich. Sie schlug mit dem Rücken gegen die Tür, und streckte ihre Fußspitze zum Torryns Stiefel. Rein zufällig sollte der Kontakt aussehen für Ian.

Aber als Ians Blick sie dann traf, zuckte sie und rollte sich zusammen. Durch den Wimpernschleier erschien Ian ihr wie ein schemenhaftes Schattenbild, unwirklich und entfremdet, ungefährlich, denn gehüllt in einem traumähnlichen Rauchschwaden. Er beäugte sie, lugte zu ihr, dies war aber kein Traum mehr. Nun endlich ließ er von ihr ab, erhob sich von seinem Bett, ging zum Fenster und sah hinaus.
Innere Kälte. Nichts mehr stimmte auf einmal. Unerträglich war der Moment, in Ians Augen geblickt zu haben. Jeder einzelne dieser Momente war schlimm, und es würde für immer so bleiben. Erstarrt in ihrer gekrümmten Körperhaltung verzerrte sie das Gesicht, was hätte sie damals noch tun sollen. Was könnte sie jetzt noch tun für Ian. Sie hätte den Schlüssel einfach schlucken müssen. Sie hätte es tun müssen. Sie schaffte es nicht. Sie hatte Ian verraten. Sie hatte ihn in Stich gelassen, das war so schrecklich.
Iouna erhob sich und wollte einen Schritt zu Ian zu machen, sie versuchte sich in Bewegung zu setzen, aber die Beine schwer wie Blei.

Ian bat sie um Hilfe, jetzt wusste sie es wieder, erinnerte sich an sein schmales Gesicht, diesen flehenden Blick. Ihren schrecklichen Ausdruck. Nur sie, das Kind Iouna starrte er an, teilte seine Todesangst nur mit ihr. Nur das Mädchen flehte er an, sonst niemanden, weil es niemanden außer ihr gab, den er anflehen konnte. Und sie half ihm nicht. Und dann hatte sie noch diesen Blick vergessen. Sie wollte sich nicht erinnern. Sie vergaß diese Erinnerung an die zwei schwarze Knopfaugen, die sie anflehten, sie hatte sie aus dem Gedächtnis gelöscht. Für Jahre. Bis jetzt. Alleine dafür sollte sie sich ins Nichts auflösen, denn nichts hatte sie verdient. Keine Gnade. Kein Glück. Und Torryn schon gar nicht.
Wie ein Schlachttier schaute der kleine Ian damals zu ihr hoch, wie ein kleines Fohlen mit den langen, viel zu dünnen Fesseln und zu großen Augen. Er sah nur zu ihr, er flehte sie an. Sie verstand, alles vertsand das Kind Iouna, starrte ihn aber nur stumm an, erstaunt und gelähmt. Als sein Vater ihn dann an der Schulter packte, hörte sie das dumpfe Knirschen, immer noch hörte sie es, wie er Ians Schulter kaputt machte, starr, unfähig etwas dagegen zu tun. Nur dachte sie, dieses vom Schmerz verzerrtes Gesicht würde sie niemals vergessen. Und gleich doch vergaß sie es, bis jetzt.

Aber doch spätestens als der Vater, Jerome, ihr den Schlüssel gereicht hatte, damit sie den Schrank abschließt, hätte sie ihn ins Bein treten müssen. Sie hätte ihm ins Gesicht spucken müssen, sie hätte ‚nein’ sagen müssen, anfangen müssen zu schreien, als Warnung, als Protest. Nichts hatte sie getan, als nur zustimmend zunicken, gehorchen und nicht nur das. Mit ihrem Nicken stimmte all dem zu, was er tat. Obwohl sie die Panik sah, die Todesangst in Ians Augen, nickte sie, nahm den Schlüssel, trat an den Schrank und schloss ihn einfach ab. Obwohl Ian darin war. Alles wusste sie und was für Angst er hatte und schloss den Schrank trotzdem ab, denn ihre Angst ihr wichtiger war. Diese lächerliche Angst eines kleinen Mädchens, Angst davor, dass Jerome böse werden könnte. Dass er sie mit Ian einsperren könnte. Oder noch schlimmer, er hätte ihrer Mutter verraten, dass sie Ian mit Steinchen beworfen hatte. Vor ihrer Mutter hatte sie Angst, die harmlos war. Vor James, der ihr niemals weh tun würde, zumindest nicht so wie er Ian getan hätte, das hätte er sich bei ihr niemals getraut. Wie lächerlich das Kind war und wie erbärmlich.

Ihr Blick fiel auf den inzwischen vertrockneten Tropfen von ihrem Urin auf dem Boden. Der Geruch blieb noch, wenn auch ganz schwach. Ian im Schrank. Der Geruch. Der Schlüssel.
Später noch schlich sie sich damals wieder in den Raum, in dem der Schrank stand, in dem Ian begraben war. Der Raum war schwarz, weil Jerome das Licht ausgemacht hatte, damit bloß kein Lichtstahl durch die spalten zu Ian vordringt. Angst hatte sie vor der Dunkelheit, tastete sich aber zum Schrank, kleine Hände gestreckt zum Schloss, der Schlüssel war aber nicht drin, den hatte der Vater mitgenommen. Dann kratzte sie an dem Türrahmen, zog und rüttelte, aber das Schloss gab nicht nach, war fest verriegelt. Dann plötzlich erreichte sie ein Geruch, ein widerlicher, ein Geruch von Angst und Urin, abstoßend, sie würgte, drehte sich um und ohnmächtig flennend lief sie weg, nach Hause zu ihrer Mutter.

Jetzt, jetzt, jetzt würde sie zu Ian gehen, zu diesem Mann, der am Fenster stand und hinausschaute. Jetzt würde sie ihm all das sagen, dann noch ‚verzeih mir’, und sie wollte wirklich zu ihm, obwohl ihre Beine immer noch wie aus Stein waren.
Nur zwei kleine Schritte und dann wäre sie bei Ian, aber würde Ian nicht Torryns Geruch auf ihrer Haut spüren? Ihre Haare, ihre Haut, ihr Mund war von Torryn durchtränkt. Sie roch es selber. Sie zögerte, dann hob sie den Blick, und wusste, Ian ahnte nichts von all dem.

Verlegen räusperte sie sich, nur um den Rachen frei zu machen, frei von dem metallischen Kloß, der festsaß, so als ob der Schlüssel gegen ihren Rachen immer noch, nach all den Jahren drücken würde. Wenn sie ihn nur geschluckt hätte, wenn es ihr nur gelungen wäre…das eine Mal. Sie hätte das eine Mal, das einzige mal geschafft, Ian zu helfen. Seinen Schmerz gelindert, nur ein Mal, das hätte alles verändert, alles. Sie würde ihm nun sagen, wie sehr es ihr leid tat, jetzt, sie musste es tun. Nun ging sie diese zwei Schritte vor.


„Ian…“, sagte sie erstickt. Dann brach sie abrupt ab, denn Ian drehte sich plötzlich zu ihr und griff nach seinem Lichtschwert. Aber sein Blick galt nicht ihr. Und auf einmal spürte auch sie Präsenzen, draußen, direkt hinter der Tür. Aufgeregte Stimmen. Auch Torryn war erwacht zog schon das Katar aus der Schiene der Tür. Alle drei stellten sich vor der Tür.
Iouna blickte zu Torryn. Eine der Stimmen gehörte eindeutig Irasi.


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Schlaf. Eine Wohltat. Endlich. Auch die alptraumhafen Szenen waren verschwunden. Torryn war eingesunken in die Welt der Träume, seiner Träume und hatte seine Bindung zu Tier wieder gefunden. Ein Grund zum glücklich sein? In diesem Moment? Vielleicht. Um ihn herum geschahen Dinge, die er nicht bewusst wahrnahm oder wahrnehmen konnte. Zu tief hatte er in den Abgrund geblickt. Sie hatten nach ihm gegriffen. Wieder. Sie ließen sich nicht verdrängen. Sie waren der Fluch, als Preis für sein jetziges Leben, das er doch begonnen hatte, als wertvoll zu erachten.
Er saß dort, irgendwo, angelehnt an den grauen, knorrigen Baum mit seinen verkrüppelten Ästen und empfand diesen Ort als schön. Torryn fühlte sich sicher. Tier saß majestätisch hinter ihm. Sein schwarzes Fell glänzte matt. Die rötlichen Töne der zuckenden Blitze, spiegelten sich zackenartig auf dieser metallisch wirkenden, aber trotzdem weichen, Oberfläche, die Tiers Fell bildete. Tier schien gewachsen zu sein. Torryn strich ihm über die lange, schwarze Schnauze und bekam ein leises, vertrautes Knurren zur Antwort.
Ein Hauch von Licht begann sich auf dem staubigen Boden, dessen Beschaffenheit an dunklen, feinen Vulkansand erinnerte, zu formen. Die Makellosigkeit, die dieses Licht mit sich führte war eindeutig. Iouna kam. Die Bindung zwischen ihnen war immer stärker geworden, um dies zu ermöglichen. War dies Glück? Torryn fühlte dunkle Schwingungen, die von ihr ausgingen. Dunkle Flecken waren im Licht. Schmutz. Unglück. Was war passiert?


Iouna ist nah. Aber etwas stimmt nicht mit ihr.“

„Der Meister hat ihr eine Lektion erteilt.“

„Davon weiß ich nichts. Warum?“

„Du hattest genug mit dir selbst zu tun. Und ich auch. Um zu deiner Frage zu kommen. Er und sie haben eine Vergangenheit vergiss das nicht. Sie muss ihren Platz noch finden.“

„Es ist Angst. Sie hatte Angst, große Angst.“

„Angst verleiht Stärke, wenn man sie richtig nutzt. Wir lernen von ihm.“

„Es verwirrt mich. Alles.“

„Gut. Dann bist du gezwungen zu lernen und zu akzeptieren, was der Meister macht. Lerne, damit wir auch lernen. Lerne die Kontrolle über deine Emotionen, über alle. Auch die neuen. Es wird dir helfen zu verstehen.“

„Das ist nicht gerade sehr präzise.“

„Ich weiß nur die Dinge, die du weißt, allerdings auch die Unbewussten. Ich erinnere mich an alles, im Gegensatz zu dir.“

Weiter materialisierte sich der Schemen im Licht. Dann war der Übergang vollbracht. Iouna war jetzt ganz da, sie lag eingerollt, wie ein Embryo mit angezogenen Beinen vor Torryn auf dem Boden. Sie wirkte so schutzlos, so hilflos, so allein. Ihre dunklen Augen waren offen und blickten ihn mit Verwunderung an. Es schien ihr unwirklich zu sein, aber vertraut. War es das nicht auch? Sie war wieder in dem Abbild seines Geistes, dass sich über Jahre in seinem Bewusstsein geformt hatte, um sich vor dem zu schützen, was außen passierte. Er hatte sich losgelöst, nur sein Körper litt, aber nicht mehr sein Geist. Die Erschütterungen und Qualen, der er durchlitt, prallten auf die Hülle, aber sein Refugium blieb unberührt. Torryn legte ihr sanft den Zeigefinger auf die Lippen und legte sich einfach zu ihr. Die dunklen Flecken auf ihrer Haut verrieten nichts Gutes. Torryn kannte diese Flecken. Selbst hatte er sie mitgenommen, als er noch nicht verstand, welche Regeln hier galten. Er wusste, das Tier seinen Teil dazu beitrug, aber das war unwichtig. Wichtig war das jetzt und hier. Der Moment. Torryn legte sich zu ihr und zog sie behutsam an sich. Dort, wo er sie berührte verschwanden die Flecken. Schmutz hatte hier nichts zu suchen. Iouna erwiderte die Geste und wandte sich zu ihm. Auch sie schlang ihre Arme um ihn, drückte ihn an sich. Nicht gierig, sondern schutzsuchend, zärtlich. Es war anders. Es ging nicht um Trieb. Nicht in diesem Augenblick, den Torryn wie eine kleine Ewigkeit empfand. Er drückte sie fester an sich heran. Sie wirkte so zerbrechlich, aber auch zäh, stark, unerschrocken. Was für eine Mischung. Ihr Atem drang an sein Ohr, regelmäßig, schön. Er küsste sie auf den Mund. Sie begannen, zu verschmelzen. Etwas entstand. Etwas wuchs. Und damit verschwand die innere Niedergeschlagenheit, der Fluch, der ihn so sehr lähmte und mit Angst erfüllte. Sie waren eine Einheit, geschaffen füreinander, um ein gemeinsames Schicksal zu erfüllen. Die Macht ging seltsame Wege, auch die dunkle Seite.

***
Ich saß dort und thronte nahezu über ihnen. Mein Schatten überdeckte sie, wie ein dunkler Schutzwall. Ich sah die Einheit, die sie bildeten. Eine Einheit, die ihnen beiden Halt gab. Endlich kam Torryn aus seinem Kokon und erlebte nie gekannte Emotionen. Emotionen, die auch ich lernen wollte, verstehen wollte. Stabilität war die Basis auf der ich aufbauen konnte. Es sicherte mein Überleben. Ich beobachtete sie beide, wie sie da lagen. Ihre regelmäßigen Atemzüge. Die Flecken waren verschwunden. Dinge wiederholten sich. Irgendwann. Immer.
***


Die Ruhe, die Sicherheit waren nur Blitzlichter im Vergleich zu dem, was um sie herum geschah. Torryn war so fest eingeschlafen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Iouna entschwand. Ein befehlender Order übertragen durch die Macht, ließ ihn aus dem Schlaf hochschrecken. Meister Ian war wach. Blut schoss durch Torryns Körper er fühlte sich wie ertappt, als wenn er etwas Falsches gemacht hätte. Hatte sein Meister etwas bemerkt? Hoffentlich nicht. Wie auch? Torryn zwang sich zur Ruhe und zur Vernunft. Innerhalb von Sekunden war die heilsame Blase zerplatzt. Sein Meister war wach. Plötzlich transformierte sich seine gesamte Gefühlswelt. Keine Einblicke. Plötzlich war er wieder in der abstoßenden Realität Morla’uns. Andere Sinne und Eindrücke übernahmen die Kontrolle. Meister Ian hatte seine Lichtklinge gezogen. Iouna war auch von der Tür zurückgewichen. Beide schauten sie auf ihn. Torryn schaute auf die strengen Augen seines Meisters. Jetzt bloß keinen Fehler machen. Stimmen waren zu hören. Torryn sprang auf.
Leise zog Torryn das Katar aus der Führungsschiene der Tür, so dass sich die Stahlplatte wieder bewegen ließ.
Die Stimmen drangen vom Gang. Direkt vor der Tür. Die Position, die sein Meister und Iouna einnahmen, ließen den Schluss zu, dass er nun die Handlungsinitiative übernehmen musste. Meister Ian wog sein Lichtschwert in der Hand, abwartend. Torryn überlegte nur kurz. Seine linke Handfläche zeigte zur Tür. Wieder die Stimmen. Es waren zwei verschiedene. Ein Mann und eine Frau. Irasi.
Torryn fokussierte die Stahlplattte, die in der Schiene ruhte. Kaum mehr als Blech, Leichtmetall. Sie lagerte leicht in der Schiene. Er tastete gedanklich nach dem günstigsten Schwerpunkt. Es war nicht seine Hand, die die Tür mit einem Ruck zur Seite schob. Er hatte Tier gerufen, Tier tat, was es sollte. Seine Pranke bildete eine Verlängerung zu Torryns Arm. Das Dunkel war da. Die Kraft, die er gerufen hatte, hatte sich manifestiert und er hatte sie nach seinem Willen formen können. Ein Erfolg.


***
Endlich begann Torryn die Dinge umzusetzen, die er bisher von seinem und unserem Meister gelernt hatte. Begierig sog ich die Energie auf, die uns wachsen ließ, die unsere Kraft war. Er hatte sie angewendet, unsere Kraft. Uns, die dunkle Seite, hatte er gerufen und wir konnten folgen. Ich war zufrieden mit ihm. Er hatte so viele Dinge zu lernen und zu verstehen, aber ich hatte Geduld. Für mich gab es keine feste Zeit, nur ihn. Nur durch ihn konnte ich und konnten wir wirken. Deshalb musste ich auf ihn aufpassen und nicht nur auf ihn. Unsere Stärke musste wachsen.
***


Ein Fremder und Irasi standen im Gang und sahen zuerst zu Torryn, der das Katar zog, aus dem Raum trat, sich mit einer Drehung hinter den überraschten Mann stellte und ihm das Katar an die Kehle setzte. Torryn musterte die erschreckte Person, nun, wo sie sich nicht mehr rührte. Er war ein Mensch. Leicht angegraute Haare, sehnig. Harte Arbeit schien seinen Körper geformt zu haben. Das Messer, das er bei sich trug, ruhte weiterhin in seinem Gürtel. Er hatte es nicht gezogen, was Torryn zuerst annahm, sondern wirkte wie paralysiert.
Irasi hatte aufgeschrien, als die Tür plötzlich zur Seite geschoben wurde und war auf die Knie gefallen. Schon wieder. Torryn achtete in diesem Moment nicht auf sie. Aber als sie dann sprach, änderte sich einiges. Sie war voller Verachtung.


„Töte ihn. Er verleugnet Kalan. Auch, wenn er mein Vater ist. Seht ihn euch an. Den Ausgestoßenen. Wegen ihm werde ich nie erwählt werden. Er verfolgt mich und will mir die heilige Medizin geben, die nur die nehmen dürfen, die in Lord Corvans Heiligtum geführt werden. Das ist doch nicht richtig.“

Sie begann zu schluchzen und Tränen rannen an ihren Wangen herunter. In diesem Moment spürte Torryn, dass er diesen Mann sicher nicht töten würde, der wie gebannt in das Quartier schaute und die Waffe in Meister Ians Händen fixierte. Immer noch hielt Torryn das Katar an die Kehle, wenn auch nun etwas lockerer. Der Fremde röchelte als Torryn ihn in den Raum schob, Irasi ignorierend, die auf dem Boden hockte und heulte.

„Ihr seid Jedi.“

entfuhr es dem Fremden, als er Ians Waffe noch näher betrachten konnte. Torryn unterdrückte eine Reaktion und schwieg. Stattdessen griff er mit einer Hand hinter sich und zog die Stahlplatte zu. Der Blick, den er Irasi vorher zuwarf, ließ sie verstummen und es entstand wieder dieses kranke Lächeln in ihrem Gesicht. Torryn war angewidert und konzentrierte sich wieder auf seinen Gefangenen. Der Fremde löste sich aus seiner Starre und begann mit ihnen zu sprechen.

„Ich bin Valaras und so dankbar, dass endlich die Jedi kommen, um diesen Sith zu töten, der das Werk unserer Vorfahren zerstört hat.“

Valaras holte tief luft und setzte an, weiter zu sprechen. Torryn stand immer noch hinter ihm, hatte aber seine Waffe von dessen Kehle weggezogen und stattdessen in seinem Rücken platziert.

"Ich habe alles, was ihr braucht. Ich kenne Kalans Geheimnis und auch das von Lord Corvan. Ich habe die Aufzeichnungen extra für diesen Moment aufbewahrt. Wie ich diesen Moment ersehnte und nun darf die Befreiung miterleben. Ich werde euch zeigen, was ihr braucht, um bestehen zu können."

Obwohl sie anfangs viel stärker, überzeugter gewesen war, klang die Stimme von Valaras nun müde und erschöpft. Er begann am ganzen Körper zu zittern. Torryn ließ es zu, dass Valaras vor Ian auf die Knie sackte. Von Valaras ging keine Gefahr aus. Aber Torryn blieb wachsam. Hier an diesem Ort der Merkwürdigkeiten musste er mit allem rechnen. Valaras schaute flehend zu Ian.

„Bitte bringt wieder Frieden nach Morla’un. Unserem Paradies. Ihr seid meine letzte Hoffnung.“


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Wann, wann endlich, würden die Geister aus Ians Vergangenheit Ruhe geben und ihm nicht fortwährend auflauern, ihn quälen? Er war es leid, dass sein Inneres ständig eine Verbindung zu Iouna zog. Auch jetzt, da er Präsenzen wahrnahm. Indes war die Telosianerin zu ihm gekommen. Sprach seinen Namen aus. Weiter aber kam sie nicht. Schon allein deshalb, weil ian sie mit Missachtung strafte und weil es jetzt galt Augenmerk und Konzentration auf die Präsenzen vor der Tür zu richten. Er traute diesen Menschen nicht. Dieser Enklave. Dieser Ort. Ein dichter Nebel aus Gefahr hatte sich ausgebreitet. Verräterisch. Trügerisch. Ian würde nicht in eine Falle laufen. Ein Ort, an dem es Drogen gab. Verhängnisvoll. Zweimal schon hatte er Teile seiner Erinnerung verloren. Konnte sich an nichts erinnern. Nie wieder wollte er vergessen. Schon gar nicht dauerhaft. Nie wieder? Entsprach dies tatsächlich der Wahrheit? War der Gedanke des Vergessens nicht manchmal verführerisch, gar lockend? Wenn man sich nicht mehr an das erinnern konnte, dass einen quälte, dass an einem zehrte, bedeutete das nicht, dass man sich für immer von den davon ausgehenden Qualen lossagen konnte? Machten ihn die Erinnerungen die ihn mit Iouna verbanden, ihre gemeinsame Vergangenheit nicht eher schwach? Gab es nicht vielleicht doch einen winzigen Zuspruch, der rechtfertigen würde, dass er etwas von der Droge nahm um zu vergessen? Stärkte es ihn tatsächlich, wenn er ihr entgegen blickte, ihre Missbilligung sah, sie verstand und den Hohn ertragen musste, der von ihr ausging? Stärkte oder befriedigte ihn auch nur eine Strafe, die er über sie vollzog? Oder blieb da nicht ein jedes Mal das deutliche, übermächtige Gefühl des Versagens. Sie war ein jedes Mal die Siegerin. Selbst wenn sie nicht mehr untern den Lebenden weilte, so würde das wieder einen Sieg für sie bedeuten. Iouna die Siegerin. Ian der ewige Verlierer. Und war es nicht genau das, was er war?

Hatte er nicht seine Familie verloren? War es überhaupt möglich etwas zu verlieren, was man nie wirklich besessen hatte? Tahiri hatte er verloren. Wo war sein Meister Darth Noctious? Alisha hatte er ebenfalls verloren. Alles zerrann, zerfloss zwischen seinen Fingern. Als versuche er Wasser mit den bloßen Händen zu halten. Was war mit Torryn? War er nicht auch einer dieser Übeltäter? Spottete nicht auch er über seinen Meister? Hatte Ian da wirklich eine Verbindung erkannt? Zwischen Iouna und Torryn. Torryn, dem Schüler, dem er gesagt hatte, dass er kein Mitleid empfinden sollte.

Und er war es leid diese Rolle zu besetzen, die ein Maßanzug zu sein schien. Extra für ihn geschneidert. Von Kindesbeinen an. Ein Stoff, der wie die Haut, mitwuchs. Sich nicht löste. Noch nicht. Ian war nicht mehr das Kind. Zwar war er Ian und würde immer dieser bleiben, aber Zeit brachte Veränderungen mit sich. Er würde nicht stillstehen. Wenngleich er nicht wusste, wie sich alles entwickeln würde, wie er sich entwickeln musste. So wusste er doch, dass er sich verändern würde. Seien Seele trachtete danach. Bald, sehr bald schon würde er mächtiger sein. Mächtiger werden. Vielleicht würde er niemals die Geister der Vergangenheit besiegen. Wahrscheinlich würden sie ihn immer begleiten. Aber aus dem gequälten würde der Quälende werden. War er erst stark genug würde sich nichts von dem, was einst geschehen war widerholen. Endral war Mittel zum Zweck. Durch ihn würde er erstarken. Torryns Weg würde auch der des Dice sein. Ihn auszubilden würde nicht nur bedeuten, Torryn etwas zu lehren, sondern auch, sich selbst zu unterrichten. Selbst weiter zu kommen. Nach vorne zu preschen. Zu viel Stillstand hatte es bisher im Leben Ians gegeben. Und Iouna? Was war sie, außer ein Mahnmal? Was war sie, neben der quälenden Erinnerung? Was trug sie zu seiner Geschichte bei? War sie das unausgesprochene zwischen den Zeilen? War sie die Hauptrolle in seiner Geschichte? Oder war sie nur ein Protagonist am Rande? Und waren es nicht die Randrollen, die eine Geschichte vorantrieben? Die aus ihr überhaupt eine Geschichte machten?
Randfiguren. Nein, Ian war die Randfigur in seiner eigenen Story. In seinem eigenen Leben. Randfiguren wurden entdeckt und wurden etwas größeres. Sie standen im Schatten der anderen um am Ende noch mehr Ruhm zu erlangen. Von der niedrigsten Stufe erklommen sie die Leiter. Bis ganz nach oben. Iouna war nicht mehr als eine Hauptfigur. Die uninteressant werden würde. Bald, sehr bald, würde sich keiner mehr an sie erinnern. Sie würde in Vergessenheit geraten. War Ian erst mächtig, mächtiger als je zuvor, würde auch sie an Bedeutung verlieren. Viele Schlachten waren geschlagen. Aber der Krieg war nicht beendet. Noch kein endgültiger Sieger war aus ihm hervorgegangen.


Endral wurde geweckt, als der Apprentice die Präsenzen wahrnahm. Sie alle standen in habachtstellung. Torryn nutze die Macht um die dünne Tür, die sie vor den eventuellen Gefahr kaum schützen würde, zur Seite zu schieben. Irasi, eine der Präsenzen, die sich zusammen mit einem Mann vor der Tür befand schrie auf, dann verlangte sie, dass man den Mann, den sie als ihren Vater vorstellte, töten sollte. Den Ausgestoßenen. Ihr Schluchzen nahm der Sith nicht wahr, als er wie gebannt den Mann fixierte. Den Ausgestoßenen. Auch Ian war ein Ausgestoßener. Wenn dieser Mensch tatsächlich einer war, dann war sein Geist wohlmöglich nicht vernebelt. Vielleicht konnte er Licht ins Dunkle bringen. Als das Wort Jedi aus seinem Mund drang, verzog Ian keine Mine. Sollte er in diesem Glauben bleiben. Es würde ihnen zum Vorteil gereichen. Valaras sprach von einem Sith, der das Werk seiner Vorfahren zerstört hatte. Lord Corvan? Valars sah müde aus. Abgeschlagen. Jetzt legte sich die Müdigkeit auch auf seine Stimmbändern, gab seiner Stimme einen erschöpften, müden Klang. Mit einem Mal wirkte er unwahrscheinlich alt. Er begann zu zittern und sackte auf den Boden, ging auf die Knie. Um eine vertrauensvollere Basis zu schaffen, um Antworten zu erlangen, ging der Apprentice ebenfalls in die Hocke. Endral gab er ein Zeichen die Waffe nicht weiter an Valaras Rücken zu platzieren. Von diesem Mensch ging keine Gefahr aus. Dennoch war Vorsicht geboten.


„Was ist das Geheimnis? Und was meint ihr mit ‚bestehen können‘?“
Morla’un ein Paradies? Wann auch immer das gewesen sein mochte, seit dem musste viel Zeit verstrichen sein. Jetzt schien dieser Ort alles zu sein, aber kein Paradies. Eher ein verfluchter Ort.
„Was hat diese Festlichkeit zu bedeuten? Was ist diese Medizin und was das Heiligtum Corvans?“
Zu viele Fragen. Und würde dieser Mensch sie richtig beantworten? War er dazu überhaupt in der Lage? Es würde sich zeigen…

Doch mit Misstrauen würde Ian den Worten Valaras lauschen. Misstrauen war es auch, dass die vorangegangenen Fragen beantworten sollte. Den Zweifel. Natürlich war es keine Option zu vergessen. Wer war der, der sich nicht n das erinnern konnte, dass ihn zu dem gemacht hatte, was er war? Hinter jedem Menschen, hinter jeder Person stand eine Geschichte. Selbst wenn ein Teil von ihm vergessen wollte. Er würde keine Drogen konsumieren. Kein Teil der Erinnerung löschen lassen wollen. Eine ausgelöschte Erinnerung entfernte nicht die Tatsache. Schwärzte man in einem Text eine Passage war diese noch immer vorhanden.
So wie die Narben den Rücken des Menschen verunstalteten, so verunstalte wohlmöglich Iouna die Geschichte des Dice. Aber zerstören würde sie ihn nicht. Nicht länger. Nicht weiter. Eines Tages würde er über den Ereignissen stehen. Und wenn diese Zeit gekommen war, würde sich zeigen, welche Schritte zu gehen waren. Wenn er bis dahin Schmähung ertragen musste, war dies ein leidiges Übel. Aber was hatte Schmähung bisher aus ihm gemacht? Er lebte und er war stärker geworden.

Ein fader Nachgeschmack jedoch blieb. Die Tagesseite von Ryloth. Die Rettung von Lethe und Endral.


OCC: Doch schon eine Antwort. Der einzige Vorteil, wenn man krank im Bett liegt…
 
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Diese Störung, also dieses Kreischen von Irasi, und der tiefe Klang der fremden männlichen Stimme hinter der abgeschlossenen Tür, kam Iouna gerade recht. Denn Ian beachtete Iouna nicht mehr, hörte ihr nicht mehr zu, zog stattdessen seine Lichtwaffe und fokussierte den Blick auf die Eingangstür. Er schien die Gefahren sogar da zu riechen, wo es keine waren. Iouna spürte keine Gefahr, denn ihre Gefahr war somit vorbei, was könnte denn noch so schlimmes passieren? Denn gerade fehlte nicht viel und sie hätte sich verraten, beinahe hätte sie ihre durch Ian verunstaltete Innenseite ihrer, ausgestülpt, die sie seit Jahren, seit Jahrzehnten, vor allen und vor allem vor Ian verborgen hatte. Es war so knapp. So knapp. Noch nie war sie so nah dran, alles sie und Ian Betreffende aufzudecken, alles was abgedeckt bleiben hätte sollen, der Enthüllungsmechanismus war längst in Gang gekommen. Aber nun diese Rettung. Immer noch spürte sie die verebbende Flut und wie sie an die Oberfläche ihrer Existenz zu steigen versuchte, beunruhigend, vernichtend, aber nun endlich alles vorbei.

Natürlich war es Irasi, die sich draußen im Gang aufregte. In ihrem Drogenrausch mit ihren dünnen Armen fuchtelte. Vor ihr stand ein fremder Mann und sie schienen sich heftig zu streiten. In seinem Gürtel steckte ein Messe. Offensichtlich kam er nicht wegen des Trios hier. Keine Gefahr. Gar keine. Alleine was sie spürte, war die tiefe Verzweiflung des Mannes. Für einen Augenblick, als ihre Blicke sich kurz begegneten, glaubte sie sogar in einen schwarzen, bedrohlichen, Abgrund zu schauen, sie erschauderte und wandte sich von ihm ab. In dem gleichen Moment kreischte Irasi erneut auf, diese Nervensäge. Sie sank vor Torryn auf die Knie und streckte die Hände zu ihm. Hysterisches flennte sie und bat ihn den fremden Mann zu töten. Der Mann sei ihr Vater. Ihn sollte Torryn töten. Er würde sie belästigen. Verfolgen. Er wäre der Grund, warum sie nicht erwählt werden würde. Wenn Irasi Torryn noch näher kommen wollte, und wenn sie ihn noch mit diesen kleinen dreckigen Händen anfassen würde, würde Iouna sie von der Treppe stoßen. Entnervt presste Iouna die Kiefer zusammen. Aber Irasi schluchzte nur weiter, und schien in ihrer Wahnvorstellung aufzugehen. Ein Ausgestoßener wäre ihr Vater, rief sie, und ihre Stimme erbebte von Verachtung, dann schien etwas in ihr plötzlich zu brechen und Tränen schossen aus ihren Augen, sie verstummte und senkte demütig den Kopf.
Kopfschüttelnd ging Torryn an ihr vorbei, trat hinter den Fremden und setzte ihm das Katar an die Kehle. Für einen Moment erhaschte Iouna seinen missbilligenden Blick, den er Irasi zuwarf, es war der Ian-Blick, der sonst nur ihr gegolten hatte, fast musste sie schmunzeln.

Ohne Ian zu beachten, ohne einen einzigen Blick zu ihm, folgte Iouna Torryn, und blieb an dem Wandvorsprung an der Tür stehen. Jetzt hatte sie auch eine freie Sicht auf die Treppe. Und vor allem auf Torryn. Es war wie eine kurze Rast, wie eine Atempause von Ian. Ein kleines Versteck, von dem aus er sie nicht mehr sehen konnte. Ein kleiner Moment der Zweisamkeit. Beinahe. Ihr gemeinsamer Traum blitzte vor ihrem inneren Auge auf und die Erinnerung schnürte ihr vor Sehnsucht die Kehle zu. Torryn stand so unerträglich nah an ihr, nicht mehr als einen halben Schritt entfernt, er, dieser sie durch und durch regenerierende Mensch, was sie nie gedacht und niemals erwartet hätte und vor allem, von einem Mann, und von einem Sith. Nun würde es durchaus reichen nur den Arm auszustrecken, um ihn zu berühren, um sich seiner Existenz zu vergewissern. Diese Gewissheit zu haben, dass sie nicht träumte. Und dass er einen wirklichen Körper hatte, aus Fleisch und Blut. Diese Sehnsucht nach ihm... Wie lange würde sie den von ihr selbst herbeigeführten Zustand der Starre noch aushalten, den Zustand, in die ihr Körper in Ians Nähe geriet. Ihrer Holzpuppenkörper. Erdrückt unter dem Blick von Ian, diesem Schreckensgespenst in ihrem Kopf. Torryn - unberührbar und zerbrechlich.

Nun konnte sie den Blick vom Katar nicht mehr lösen. Und wie er sich in die Kehle des Mannes bohrte. Sie glaubte einen Tropfen Blut erblickt zu haben, einen winzigen auf der Schneide perlenden Stecknadelkopf. Und für einen kleinen Moment rückte ihr Körper doch aus der Starre. Sie sah auf seinen angespannten Unterarm, und wie er eine perfekte Einheit mit dem Katar bildete. Ihr Blick glitt dann über Torryns Körper, über sein Bein, das er zwischen die Schulterblätter des Fremden drückte. Und dann über seine Hüfte. Wenn sie den Arm nur ausstrecken dürfte, um ihn kurz zu berühren, fast unmerklich, sanft, ihn nur mit den Fingerspitzen zu befühlen, mehr nicht. Und nur kurz. Nun spürte sie warme Tritte des Verlangens im Bauch, es war zu spät. Sie berührte ihren Arm und drückte kräftig die Fingernägel in die Haut. Ein zarter Schmerz durchzuckte sie. Ablenkte. Und dann bezwang sie sich den Blick von Torryn lösen. Von dem Katar. Von seiner Hüfte. Bevor er etwas merkt. Bevor irgendjemand, vor allem aber bevor Ian etwas merkt. Es galt jetzt, Torryn rechtzeitig loszulassen, die Siedehitze im Bauch zu ersticken und vor allen Dingen diesen rasenden Puls unter dem Nabel.

Beinahe erleichtert sah sie zu wie Torryn den Mann an den Schultern packte und ihn zu Ian ins Quartier schob. In jeder Hinsicht eine Erlösung. Iouna atmete durch und folgte den beiden ins Quartier.
Wie in Trance versetzt stierte der Fremde auf Ians weiße Lichtwaffe, röchelte dabei undeutlich, er glaube sie alle wären Jedi. Torryn lockerte die Klinge und entfernte sich einige Schritte von ihm. Dann ging schon auch die Tür zu. Nun waren sie alleine im Quartier, ohne Irasi, und der Fremde fand gleicht wieder seine Stimme. Valaras hieß er. Dann äußerte er seine Freunde über die Ankunft der Jedi. Er würde das Geheimnis Kalans kennen, hätte irgendwelche Aufzeichnungen und wüsste wie er ihnen, dem Trio, helfen könne zu bestehen. Iouna ging quer durch den Raum, lehnte an der Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie beobachtete den Mann, und dann wie er vor Ian auf die Knie fiel. Fasziniert sah sie auf sein ergriffenes Gesicht. Er schien wirklich zu glauben, dass sie Jedi waren. Flehend schaute er zu Ian hoch. Und dann auf einmal wirkte er richtig abgeschlagen. Erschöpft, krank, vollkommen am Ende. Er bat Ian um Hilfe, den Frieden nach Morla’un zu bringen. Er streckte einen Arm zu Ian. Sie, das Jedi-Trio, wäre seine letzte Hoffnung, betonte er.

Dann ging auch Ian vor Valaras in die Hocke. Zwischen Iounas Augenbrauen bildete sich ein senkrechter Strich. Mit dem Ausgestoßenen wollte Ian auf der Augenhöhe bleiben. Hieß es, dass sie vor Valaras wirklich Jedi spielen sollten? Ian stellte ihm Fragen. Iouna atmete tief durch, als sie Ians Stimme vernahm. Noch nie hatte sie eine solche Sanftheit in ihrem Klang gehört. Ihr Magen zog sich zu einem harten Klumpen zusammen und schmerzte ein wenig. Sie stieß sich von der Wand ab, ging ein paar Schritte auf und ab und blieb dann hinter Ians Rücken stehen. Sie hatte Mühe ein Grinsen zu unterdrücken als sie auf ihn herabschaute. Von oben herab. Aber dann hörte sie wieder seine Stimme. Er fragte nach dem Geheimnis Kalans.
Reglos starrte Valaras Ian an, aber seine Hände zitterten wie ein einem Fieberschub.

„ Dieser Kalan ist unter dem Einfluss der Macht von Lord Corvan. Lord Corvan ist ein Toter. Nur sein Körper ist tot, aber seine Lebenskraft lebt noch, dank der Alchemie. In seinem Auftrag sucht Kalan einen neuen Körper in dem er weiter leben kann. Einen starken Körper eines machtsensitiven Wesens. Ihr seid die möglichen Spender. Ihr. Ihr sollt ihm einen Körper zu geben. Wer von euch die Prüfung besteht, wird ihm seinen Körper zur Verfügung stellen. Nur einer von euch wird die Prüfung überleben. Aber…aber ich weiß euch zu helfen.“

Valaras Stimme wurde plötzlich fester, entschlossener. Lauter.
„Meine Tochter, mein geliebtes Kind wurde von Kalan verführt. Ihren Geist, ihren Körper hat er zerstört. Ich will sie noch retten, ich will sie befreien, bevor es zu spät ist. damit sie lebt, damit sie begreift wie sie sich irrt. Ich will nicht, dass mein Kind stirbt. Ich will meine Tochter nicht verlieren. Die Medizin, die einzige Rettung für mein Kind ist Glitteryll. Sie muss all das vergessen, all diese Ideen, Kalans Ideen.“
Valaras Körper sackte in sich zusammen, senkte er den Kopf und sein Körper erbebte heftig. Aber er weinte nicht. Es waren keine Tränen auf seinen Wangen. Er hob den Kopf wieder und sah Ian eindringlich an.
„Bitte…“

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[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - ein Quartier - Torryn, Tier, Iouna, Ian, Valaras]


Wie die Verlängerung seiner Hand, wie eine der scharfen Krallen, die Tier sein eigen nannte, wirkte die dunkel glänzende Faustklinge, die Torryn langsam von Valaras wegzog. Meister Ian hatte es gesagt, Torryn hatte reagiert. Der Mann schien wirklich keine Gefahr zu sein.
Torryn ging ein paar Schritte zurück zur Tür, um sowohl einen Überblick über den Raum, als auch über den Gang zu bekommen. Er verschränkte die Arme vor der Brust, seine Waffe immer noch fest umschlossen. Sie gab ihm Sicherheit. Sicherheit? Sie? Erst jetzt wurde Torryn darauf aufmerksam, dass Iouna ihren Blick auf Meister Ian gerichtet hatte, der vor Valaras in die Hocke gegangen war. Eher zufällig trafen sich Torryns und Iounas Blicke, als Meister Ian mit Valaras sprach. Und Torryn nickte. Unter diesen Umständen war jede offene Gestik oder Mimik, gefährlich. Aber Torryn vermutete sogar, dass er ein Lächeln in ihrem Gesicht wahrgenommen hatte. Ein Lächeln, das ein Zeichen war. Vertrauen. Vertrauen in ihn. Das Gleiche, was er auch für sie empfand. Vertrauen, um eine Prüfung zu bewältigen, die sie nicht allein bewältigen konnten. Vielleicht war das der Grund, warum sie sich so anzogen. Beide verunsichert von vergangenen Schatten, die immer wieder hervordrangen und Kraft raubten, sie schwächten. Die sie allein nicht vertreiben konnten. Aber nun stand sie da, als ob sie ein wenig vertrauen würde, in sich und in ihn. Stabilität.

***
Ich war da, nahe der Oberfläche, unter seiner Haut. Seine Sinne waren die meinen. Er hatte mich gerufen und ich blieb. Wachsam. So konnte ich aus sie viel realer wahrnehmen, als in Torryns Refugium, wo die Grenzen verschwammen und auch ihn, den Meister. Ich fragte mich, als was er mich spüren würde. Eigentlich war ich nichts weiter als die dunkle Seite, das Dunkle, die Macht. Torryn hatte mich zu dem gemacht, was ich war, mich so geformt, als wir begannen miteinander zu sprechen. Ich war es auch, der bestimmte Emotionen in ihm auslösen konnte. Sie war eine dieser Emotionen. Ich sog ihren Geruch durch seine Nase ein und dachte in diesem Moment nur an mich, den Trieb, den ich repräsentierte und an dem auch er Gefallen gefunden hatte.
***


Regungslos stand Torryn im Türrahmen, als er unbewusst eine leichte, fast zärtliche Bewegung mit dem Katar durchführte. Die glänzende Klinge schwebte nahezu über den Stoff der Schulter von Torryns Jacke und hobelte einen kleinen, hauchfeinen Fetzen Stoff ab, der zu Boden schwebte. Wie gebannt schaute er auf diesen Fetzen, der nun vor ihm lag. Fassungslos. Dann spürte er Tier und seinen Willen. Tier sandte Botschaten, die Torryns Körper wie seine eigenen interpretierte. Plötzlich hatte er Mühe, sich auf das Gespräch mit Valaras zu konzentrieren. Tiers Botschaft war allerdings vielsagend und Torryn spürte, wie das Blut begann, in seinen Ohren zu rauschen. Die Aktion mit der Klinge war beabsichtigt gewesen. Der Stoff seiner Kleidung war nichts weiter gewesen, als Haut, über die Tiers Krallen gestrichen hatten. Wessen Haut es gewesen sein sollte, war mehr als eindeutig. Iouna. Tiefe Atemzüge begleiteten die Wellen von Hitze, die sich durch diese Eindrücke in seinem Körper ausbreiteten, bis in die kleinste Faser. Das Verlangen nach ihr potenzierte sich nahezu. Torryn drückte seine Zähne zusammen, so dass die Kiefermuskulatur hervortrat, um sich irgendwie zu fangen.

Er kam sich leicht benebelt vor und hatte Mühe seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Er schaute in den Gang und hinter die Blechtür. Keine Irasi. Nur zwei Decken. Torryn war sich nicht sicher aus welchem Material sie bestanden. Jetzt, wo er genauer darüber nachdachte, schienen bisher alle lederartige Kleidung getragen zu haben, denen er begegnet war. Nur die Robe von Kalan war anders. Aber, wenn es hier Leder gab, gab es auch Tiere, von denen es gewonnen wurde. Es gab hier also noch einiges zu entdecken, hier, den Ort, den Valaras ein Paradies genannt hatte. Torryn blickte sich skeptisch um. Was war hier nur passiert?

***
Er hatte meine Botschaft verstanden und war sichtlich bemüht, sich davon zu distanzieren, um sich nicht dem Spott und der Verachtung des Meisters aussetzen zu müssen, falls dieser es bemerkt hätte. Aber ich merkte schon, dass es ihm gefiel, sehr sogar, genauso wie mir. Er wehrte sich nicht mehr, sondern begann andere Mechnismen zu entwickeln, um damit umzugehen. Er lernte. Lernte, schnell. Ich war zufrieden mit uns.
***


Das Gespräch dauerte an. Valaras beantwortete die Fragen Ians ausführlich, wobei er immer einen Seitenblick zu Iouna warf. Meister Ian hatte sich aus der Hocke erhoben, die er eingenommen hatte, um eine vertrauensfördernde Haltung gegenüber Valaras einzunehmen. Das hatte auch wirklich gewirkt. Jedi waren sie in dessen Augen. Was Valaras erzählte war bestürzend für normale Maßstäbe. Jedi hätten geweint. Sith hätten frohlockt über so viel Bösartigkeit, die Kalan über die Enklave gebracht hatte. Kalan, nein. Corvan. Aber Valaras erwähnte das Glitteryll, deswegen waren sie hier. Endlich ein Ansatzpunkt. Irgendwann war das Gespräch beendet. Vlaras erhob sich langsam, wie ein alter Mann, aber dennoch voller Stolz. Er hatte gesagt, was zu sagen war.Irasi war immer noch nicht wieder aufgetaucht, da stimmte etwas nicht. Torryn schaute zu den drei Personen in dem Raum.

„Irasi ist weg.“

Valaras wandte sich zu ihm und musterte ihn. Die stechenden Augen verrieten den starken Willen, den er in sich trug. Kein Anzeichen mehr, von Sentimentalität. Torryn hielt diesem Blick stand, aber es war nicht einfach.

„Natürlich ist sie das. Sie wird dabei sein wollen, wie das Opfer geschmückt wird. Und das ist die beste Zeit, um sich durch die Enklave zu bewegen. Sie alle wollen zu sehen, wie Kalan die alten Zeichen in die Haut des Opfers ritzt. Sie alle wollen dadurch etwas von dem alles verheißenden Glück spüren, das Corvan ihnen versprach.“

Die Verbitterung in Valaras Stimme war spürbar, sie ließ sich nicht durch das Auftreten der Person bestimmen. Aber sie waren Jedi. Für Valarasi. Die Helfer. Torryn nickte nur. Er verstand nicht, wovon dieser Valaras sprach, aber er wollte sie zu seinem Unterschlupf bringen. Dort würden sie Antworten bekommen. Valaras kam auf Torryn zu, sehr nahe. Im Vorbeigehen flüsterte er etwas, leise, eindringlich, was nicht einmal direkt an ihn adressiert zu sein schien, aber es war so nahe, dass nur Torryn es verstehen konnte. Es gab keinen Zweifel. Es war für ihn bestimmt.

„Jedi, du bist es, der mich erlöst.“

Torryns Augen weiteten sich, als er verstand, was Valaras gerade zu ihm gesagt hatte. Er sog den Geruch des Mannes ein. Was war es?

***
Die Luft, die er durch die Nase eingesogen hatte, war mit dem Geruch des Menschen durchsetzt. Der Geruch nach Krankheit. Schleichend. Qualvoll. Genau diese Eindrücke schickte ich zu Torryn. Er würde entsprechend handeln, dessen war ich mir nun sicher. Ich würde ihm helfen, denn es war die Aussicht auf eine neue Erfahrung und ein Test seiner inneren Stärke, Überwindung. Ein Gnadenakt. Ich war unschlüssig, ob Torryn dazu in der Lage wäre. Aber ich war gierig geworden, nach dunklen Empfindungen.
***


Um sich irgendwie aus der Starre zu lösen, die Torryn überkommen hatte, steckte er das Katar in die Halterung auf seinem Rücken zurück und nahm den Rucksack auf, den er dann schulterte. Verwundert sah er wie Valaras in den Gang spähte. Sie sollten kommen, ihm folgen. Der Mann wirkte ganz anders, als in diesem seltsamen Moment kurz zuvor. Agil bewegte er sich über eine weitere Stahltreppe nach oben. Beim Erklimmen der ersten Stufe, drehte er sich zu ihnen.

„Wir müssen ganz nach oben, dort sind viele Kabeltrassen, die wir nutzen können.“

Je mehr Stufen sie nach oben nahmen, desto mehr verstärkte sich der Eindruck, dass sie sich inerhalb eines altes Frachtes befanden, der hier kopfüber aufgestellt und dann zerteilt worden war. Die Luft wurde noch wärmer und stickiger. Sie roch undefinierbar. Die Treppe hörte plötzlich auf. Vor ihnen hingen unzählige Kabel in verschiedenster Größe und Farbe von der Decke. Ein schmieriger Film aus Staub und Dreck überzog sie, die wie ein Vorhang wirkten, aber nach oben den Weg durch einen Versorgungstunnel bildeten.

„Nur die alten Droiden kommen zur Wartung hier lang. Macht euch ein Tuch vor den Mund und vor die Nase. Atmet so wenig wie möglich. Die Energie aus den alten Generatoren ist nicht sauber. Die Strahlung sitzt auf dem Staub.“

Valaras schob einige der dünneren Kabel zur Seite. Dahinter verbargen sich dickere Stränge, die zusammen verknüpft worden waren. Valaras schien diesen Weg öfter zu nehmen. Tatsächlich nahm er dieses zusammengeknüpfte Gebilde, und zog sich daran hoch. Behende, voller Energie, voller Kraft. Mit dem Rucksack auf dem Rücken erwies sich das Klettern, als schwierig. Torryn kämpfte sich vorwärts und drückte so die Kabel zu Seite, die einen Wiederstand boten.

Wie viele Meter es letzlich waren, konnte er nicht überblicken, aber er sah einen faden Lichtschein. Sie krochen in einen von Flechten überwucherten Trichter aus Stahl. Das Glühen der Flechten war erheblich intensiver als bei den anderen. Grünlich, schimmernde Sporen schwebten in der Luft, still, ohne einen Luftzug. Es war krank. Sie schienen nahe der Enrgieversorgung zu sein. Hier gab es nicht nur eine unsichtbare Gefahr, der sie sich nur kurzzeitig aussetzen durften. Valaras ging schnell zu einer korrodierten Klappe in einer der Stahlwände, die sich knirschend öffnen ließ und aus diesem Trichter herausführte. Er brauchte sie nicht lange bitten, dort schnell hindurchzukriechen..

Das Dröhnen einer Turbine über ihnen übertönte alles, als sie auf der anderen Seite herauskamen. Der Sog nach oben war gigantisch. Valaras blieb stehen und schüttelte sich. Torryn sah, wie sich die kleinen, leuchtenden Sporen von ihm lösten, die dann in der Schwärze der Turbine verschwanden. Sie alle taten es ihm gleich. Eine Sporenwolke entstand, die aufgesaugt wurde und wie eine glitzernde Schlange in der Turbinenröhre verschwand, die ihr verderbliches Gift mit sich nahm.

Ein kurzer Blick zu Orientierung musste Torryn genügen, um sich einigermaßen einen Überblick verschaffen zu können. Eigentlich wirkte es wie eine Plattform oder ähnliches auf der sie standen, rutschig, dreckig. Ein feuchter Schmierfilm hatte sich hier gebildet. In Abständen tropfte Kondenswasser aus der Turbine, das sich in den verschiedensten Behältnissen sammelte, die hier verteilt worden waren.


„Das hier ist sauber.“

rief Valaras laut und tauchte einen verbeulten Becher in eines der Gefäße, setzte ihn an und trank den Inhalt gierig. Auf Torryn, Iouna und Meister Ian wirkte das nicht gerade überzeugend. Sie alle schienen eher angeekelt zu sein, über das, was sich ihnen hier bot, wie Torryn meinte. Valaras zeigte auf weitere Kabel, die bis zu einer der Öffnungen in den Steinwänden führte. Die Kabel waren so arrangiert, dass sie eine schwankende Hängebrücke formten. Schwankend war die richtige Bezeichnung, denn hier oben war es nicht nur laut, sondern auch windig. Vorsichtig tastete sich Torryn an den Rand der Plattform heran, um einen Blick auf das dort unten gelegene Becken zu bekommen. Vorsichtig. Dachte er jedenfalls. Der rutschige Boden war unberechenbar. Torryn verlor das Gleichgewicht, seine Stiefel glitten auf dem rutschigen Untergrund aus. Er taumelte. Sein Schwerpunkt verlagerte sich ungünstig und erst jetzt wurde ihm klar, dass die Plattform zu m Rand hin, leicht abschüssig war. Doch er rutschte nicht weiter. Es war Iouna. Sie hatte seinen Rucksack gepackt und ihn nach hinten gezogen, einen anderen Schwerpunkt aufgebaut, so dass sich Torryn noch halten konnte. Erleichtert fand er wieder Halt und trat einen großen Schritt zurück. Sein Herz schlug rasend.

„Danke.“

füsterte er leise und atemlos in ihre Richtung. Der Blick, den sie sich zuwarfen, sagte alles, beide waren sie erleichtert. Der Tod konnte so schnell kommen, so zufällig, so unkalkulierbar. Er hatte ihr gerade sein Leben anvertraut. Sicherheit. Stabilität. Den Drang, sie jetzt an sich zu reißen, zu unterdrücken war eine Qual, die Torryn akzeptierte. Es musste sein. Für sie. Für ihn.

***
Ich Narr. Ich war unvorsichtig. Nicht wachsam. Fast wären wir tot gewesen. Aber etwas wirkte auf mich ein, nicht fassbar, es kam von da unten, dort, wo sich dieses Becken befand. Ich war neugierig geworden und hatte dies an Torryn weitergegeben. Sie hatte unser Leben gerettet. Sie, die ihm Sicherheit gab, die uns vertraute. Ich hoffte in diesem Moment, dass sie meine Präsenz spürte, denn ich war ihr auch dankbar. Sie hatte zwei Existenzen gerettet, obwohl wir nur eine waren.
***


Valaras sah zu Torryn und formte Worte mit seinem Mund, die Torryn nicht verstand. Vielleicht später. Jetzt hatte er keine Zeit für Gedankenspiele, sondern musste erst einmal seinen Blutdruck wieder herunterfahren, denn die nächste Schwierigkeit war diese instabil wirkende Kabelkonstruktion, die eine Brücke sein sollte. Valaras ging wieder vor und zeigte ihnen, wie man sich festhalten musste. Erstaunlicherweise war dieses Konstrukt stabiler als von Torryn angenommen, der versuchte noch vorsichtiger zu sein, als er die Kabel unter seinen Stiefeln spürte. In dieser Schlucht, die sich zwischen der Steinwand und den Teilen des Metallkorpus des alten Frachters befand, stand Torryn auf den Kabeln und sah kurz nach unten. Jetzt stand er sicher. Viele Leute hatten sich um dieses Becken versammelt, es war geschlossen. Einige standen auf der Abdeckung. In der Mitte war diese Pyramide. Was genau dort vor sich ging, konnte er nicht erkennen. Das unverletzte Erreichen der anderen Seite war auch wichtiger in diesem Moment. Sie erreichten alle die andere Seite ohne weitere Schwierigkeiten. Die Kabel waren straff gespannt gewesen und auch die Kabel, die zum Festhalten gedacht waren, gestalteten den Übergang wesentlich einfacher.

Die Öffnung im Stein, die sie über die Kabelbrücke erreichten, war der Eingang zu einem Höhlensystem, das sogar in Stein gehauene Treppen beherbergte. Kleinere Höhlen gingen von dem Haupttunnel ab, die den Anschein erweckten, Zellen gewesen zu sein, denn verottete Streben, die aus dem Boden ragten, verstärkten diesen Eindruck. Leuchtflechten waren auch hier und gaben ihr trübes Licht ab. Die Tunnel und Höhlen befanden sich in einem schwarzes Gestein, das hier vorherrschte, glatt, lichtschluckend. Teilweise bearbeitet. Ryllabbau.
Es dauerte nicht lange und Valaras führte sie zu einer größeren Höhle, die offensichtlich sein Lager war. Vom Hauptraum, wenn man ihn so nennen mochte, gingen drei weitere, kleinere Höhlen ab. Valaras schien hier alles gesammelt zu haben, was er vielleicht einmal brauchen konnte. Überall stapelten sich die verschiedensten Sachen. Müll. Unrat. Schrott. Aber ein Teil war bemerkenswert. Ein kleiner Generator, der scheinbar noch funktionierte, denn es gab hier eine Lichtquelle und von ihm gingen noch andere Verbindungen aus, die Torryn nicht weiter verfolgen konnte.


„Wir sind da. Setzt euch doch. Hier können wir reden. Ihr habt ja gesehen, was dort unten los ist. Dass gibt uns Zeit.“

Valaras rollte mehrere Decken aus, die auch schon einmal bessere Zeiten erlebt hatten. Sie sollten sich setzen. Torryn atmete wieder ruhiger und besah sich Valaras noch einmal genauer, was hatte er ihm sagen wollen, als Torryn kurz davor war, abzustürzen?


[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - ein Quartier - Torryn, Tier, Iouna, Ian, Valaras]
 
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[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - ein Quartier - Torryn, Tier, Iouna, Ian, Valaras]


Irasi und Iouna. Beide Frauen trugen den gleichen Konsonanten am Anfang ihres Vornamens. Und beide waren sie sich so ähnlich. Widerwärtig ähnlich, als seien sie verwandt miteinander. Als wäre da eine Verbindung zwischen ihnen. Irasi, die kläglich war, weil sie Drogen nahm, die ihren Verstand vernebelten. Wahrscheinlich hatte sie nie versucht sich Gedanken zu machen. Niemals ihren eigenen Verstand genutzt. Nie hinterfragt. Nie gekämpft. Nie kritisch betrachtet. Sie, die sie ihren Vater mit Missachtung entgegenblickte. Diese schwache, erbärmliche Frau, von der ein Gestank ausging. Aus Drogen, aus Schwachheit, aus der Widerwärtigkeit ihres Charakters. Dann war da Iouna. Auch ihr Verstand war vernebelt. Auch sie hatte niemals hinterfragt. Sich nie gegen etwas gestellt. Nur an sich selbst hatte sie ihre Gedanken verschwendet. Unempfänglich für alles andere. Niemals kritisch betrachtend. Niemals entgegenstellend. Mit dem Strom. Was für eine klägliche, schwache Person sie war. Die, die sie Ian gequält, die sie auf seinen Vater gehört hatte. Nie hatte sie hinterfragt ob das, was sie tat richtig war. Nie hatte sie etwas getan um Ian zu helfen. Und ihre Augen zeigten die gleiche Missachtung für Ian, wie die Irasis, deren Missachtung sich gegen ihren Vater richtete. Eine grauenvolle Verbindung. Irasi. Iouna. Ians Mutter. Sie alle waren jämmerlich und schwach in ihrem Dasein. Verblendet. Vernebelt.
Als Ian die Tochter Valaras betrachte, empfand er unendliche Abneigung gegen sie. Gegen Iouna. Vielleicht waren sich die beiden Männer ähnlich. Sie beide mussten missbilligende Blicke über sich ergehen lassen.

Dann begann Valaras zu sprechen. Über die seltsamen Begebenheiten an diesem sonderbaren Ort. Also hatte Ian mit seiner Vermutung richtig gelegen. Dieser Corvan weilte nicht mehr unter den Lebenden. Die Alchemie hatte seinen Geist, nicht aber seinen Körper am Leben gehalten. Nun war er auf der Suche nach einem starken Körper. Damit nicht nur seine Lebenskraft, sondern auch die des Körpers wieder hergestellt war. Was brachte schon der Geist ohne eine Körper?
Die Prüfung, die stattfinden sollte, würde entscheiden. Natürlich. Corvan wollte eine starke Person auswählen. Keine gebrechliche. Was hatte er auch mit einem schwachen Körper zu schaffen? Was brachte ihm gebrächliche Glieder?

Valaras bat indess um Medizin. Glyterill. Wie konnte er diese Droge nur als Medizin bezeichnen? Warum lag ihm überhaupt etwas daran, seine Tochter zu retten? Aber es spielt keine Rolle. Irasi war lediglich Mittel zum Zweck. Durch sie würden Ian das bekommen, was er suchte. Was er benötigte. Was dann mit diesem Ort geschah, sollte geschehen. Ian würde keinen Einfluss darauf nehmen. Diese Menschen bedurften keiner Hilfe, weil sie zu schwach waren. Sie hatten nie versucht sich selbst zu helfen, waren diesem Glauben aufgesessen, den man ihnen eintrichterte. Nutzen den ihnen von der Natur gegebenen Verstand nicht. Sie waren es nicht wert sich für sie anzustrengen. Ian nickte nur stumm, als er sich erhob. So wie sie es nicht wert waren, ihnen zu helfen, war es Iouna nicht wert sie aus ihrem kläglichen Dasein zu befreien. Irgendwann würde sie gewahr werden, wer sie war. Was sie war. Und dann war ihr Leben die größte Strafe, die sie erdulden musste. Zu feige sich das Leben zu nehmen müsste sie händeringend darauf warten, dass sie jemand erlöste. Oh ja, wenn sie erst erkannte, wie wertlos und schwach, wie unbedeutend, wie unwichtig sie war. Eine größere Strafe konnte es nicht geben. Noch mochte sie von sich glauben, sie sei der Nabel der Galaxis. Noch sollte sie auf Ian herabsehen. Sehr bald würde das Leben auf sie herabsehen. Unablässig. Für die Ewigkeit.

Ob die Telosianerin jemals begriff, dass sie Abschaum war? Der widerwärtige oberte Teil des Schaums, in dem sich alles ätzende befand?
Sie war wie Eiter. Stinkend. Übelkeit erregend. Ian sah ihren Blick nicht, der ihn im Nacken traf. Doch alles was in irgendeiner Weise traf, war auch zu spüren. Iounas Blick war nicht sichtbar, denn Ian hatte keine Augen in seinem Hinterkopf. Doch seine Sinne waren gestärkt. Seine Machtsinne waren überall. Sie nahmen eindeutig wahr. Sie verschleierten nicht. Da wo die Augen trügerisch waren, da war die Dunkelheit in ihm. Die Ian nichts vorgaukelte. So also spürte Ian das Lächeln, welches von Iouna ausging. Viel mehr, spürte er die Herablassung, mit der sie ihn anstarrte. Sie sah auf ihn herab. So wie sie es schon immer getan hatte. Wie töricht sie doch war. Wie unvorsichtig. Jede Warnung von Ian hatte sie in den Wind geschlagen. Und so regte sich erneut die Wut in dem Apprentice. Doch er drehte sich nicht herum.

Jetzt ist nicht die richtige Zeit.

Irasi war verschwunden, als sich die kleine menschentraube in Bewegung setzte, eine Stahltreppe erklomm. Die Treppe endete abrupt und der Gang, der nun vor ihnen lag, wirkte so unvollendet, wie alles an diesem Ort. Kabel hingegen von der Decke. Staub hing in der Luft. Valaras musste nicht vorschlagen, ein Tuch vor den Mund zu tun. Ian hatte schon längst Mund und Nase geschützt.
Wo Valaras noch eben körperlich schwach gewirkt hatte, zeigte er hier neuen Mut, neue Kraft. Pure Energie, als er sich an Kabeln hochzog und durch diesen grotesken Tunnel kletterte.
Sie erreichten weitere Räumlichkeiten. Doch die Kabel schienen überall. Sie zu begleiten. Ihnen den Weg zu weisen. Diese waren es auch, die sich zu einer Brücke zusammenformten. Eine unsichere, schwankende Brücke, die einen falschen Tritt mit dem Tod bestrafen würde. Es ging tief nach unten, das Becken, dass wahrscheinlich der Opferung diente, war zu erkennen.
Ian, der endlich wieder im vollen Besitz seiner Kräfte war, taumelte nicht. Ganz im Gegensatz zu seinem Schüler, der abrutschte und das Gleichgewicht zu verlieren drohte. Wäre da nicht Iouna gewesen, die ihn am Rucksack packte.

Ians Mine blieb undurchdringlich. Aber in seinem Inneren brodelte ein Vulkan. Er glaubte nun nicht länger, dass er etwas zwischen ihnen ausmachte. Er war nun davon überzeugt. Aber was bedeutete das für die Zukunft? Iouna und Torryn. Zwei Feinde oder nur einer? Feinde oder Feind? Ein Verräter oder zwei? In jedem Fall und mit absoluter Sicherheit war da aber das Wissen über eine Tatsache. Ein Gefühl. Von Ian: Wut.

Jetzt ist nicht die richtige Zeit.

Die Stimme hatte recht. Die, die ihn in letzter Zeit so oft begleitet, so oft zu ihm gesprochen hatte. Sie hatte ihn ermahnt vorsichtig zu sein. Bisher hatte er sie nie ignoriert. Sie war viel stärker und intensiver, als die Stimme, die auf Telos zu ihm gesprochen hatte. Schwach, erbärmlich und flehend. Anders als diese.
So hörte auch jetzt hörte er auf sie. Er würde sammeln. Eine Masse an Eindrücken und Bildern. Er würde summieren. Dann, erst dann würde die Zeit reif sein. Iouna sollte auf ihn herabblicken. Sie sollte ihm so viel Verachtung entgegenbringen wie sie nur wollte. Blick um Blick. Gefühl um Gefühl.
Ian hatte ein Konto für sie angelegt. Würde er auch eines für seinen Schüler eröffnen müssen?

Jetzt ist nicht die richtige Zeit.

Dir Gruppe setzte sich weiter in Bewegung. Schritt weiter voran. Bis Valaras stoppte. Sie waren angekommen.


„Was hat es mit dieser Prüfung auf sich? Wie lange schon sucht Corvan nach einem geeigneten Körper?“


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Auf Ians muskulösen Nacken kringelten sich weiche, schwarze Haare. Vielleicht würde Iouna sie gerne berühren, streicheln, ganz besonders die sanften Locken gerade ziehen. Einen Scheitel machen. Er war aber nicht mehr das Kind, was hätte dann ihre Hand an seinem Nacken zu suchen. Nur vergewissern würde sie sich, dass Ian nicht mehr der gleiche Junge war, sondern ein Mann, ein Sith. Ein erwachsener Mann. Torryns Meister. Endlich müsste auch sie das begreifen. Die Trennung zwischen Damals und Jetzt durchziehen. Auch sie war kein Kind mehr, schon lange nicht. Aber warum musste sie immer wieder an das Kind denken. Nun sieh doch: Ein Mann. Kein Kind. Also zwei Tatsachen, die sie ständig verwechselte. Jedes Mal konsequent und so lange, bis ihre eigenen Erinnerungen hervorkamen - um ihr weh zu tun. Es war doch immer so schwer gewesen, sich an irgendetwas zu erinnern bisher, so unglaublich schwer, oft nur unmöglich. Ewig lange hatte sie in ihrem gründlich verschütterten Gedächtnis gegraben, sie dachte, es würde mit ihr etwas nicht stimmen, mit ihrem Kopf. Denn über Jahrzehnte waren keine Erinnerungen an Ian da, gar keine, und nun das. Alles, was vergessen werden müsste, was sie umgehend wieder vergessen sollte, diese schmerzhaften Erinnerungen, brachen mit einer fürchterlichen Kraft aus. Mit ihrer ganzen Brutalität und Entsetzen und Erschrecken trafen sie sie.

Nun nicht mal umgedreht hatte sich Ian zu ihr. Wohl spürte er ihren Blick nicht. Nicht ihre Nähe spürte er, nichts, sie war ihm egal. Vielleicht hatte er alles vergessen. Nur sie war so hartnäckig und dachte jetzt immer wieder an damals, weil sie dachte, es gehörte sich so, aber es schien nur ihre Sache zu sein, ihr Problem, ihre Krankheit. Aber nicht seine. Und wenn er sich doch irgendwie noch erinnern würde, wenn all das, was geschah, zwischen ihm und ihr, ihn doch noch angehen würde, und wenn er sich doch plötzlich umdrehen und ihr eine feste Ohrfeige geben, ihr ins Gesicht spucken würde, all dem ein Ende setzen würde, ein für alle mal, wäre es nicht besser. Alles wäre doch besser als dieses den Hals abschnürende Schweigen, diese Ungewissheit. Seine Gleichgültigkeit. Seine Ruhe. Iouna rieb mit den Händen an den Armen, kalt, furchtbar kalt war es ihr plötzlich geworden und sie fröstelte.

Dann ging alles wieder ganz schnell. Valaras erhob sich und machte sich auf den Weg zu seinem Quartier, zu seiner Rattenhöhle. Auf einmal wirkte er munter, wie von einer neuen Kraft erfüllt, er winkte dem Trio lebhaft zu, lief aus dem Quartier hinaus, zeigte auf eine schmale Treppe, die nach oben führte. Nun auch Iouna schulterte ihren Rucksack. Und die DEMP2. Immer noch ging es nur um Ian, immer nur um Ian, ausschließlich. Um Glitterryl für Ian.
Sie wartete auf der Treppe auf Torryn. Und dann wartete sie auf Ian. Genau in dieser Reihenfolge. Und genau diese so überraschende Reihenfolge in ihrem Kopf, ließ ihr Herz schneller schlagen, denn zuerst dachte sie an Torryn, geradezu automatisch, und erst dann an Ian, das schien doch irgendwie neu zu sein, zwar etwas gewöhnungsbedürftig, wenn auch etwas unmöglich und anmaßend.

Kabel, überall Kabel hingen in dem Schacht von der Decke, den sie betraten, die Luft war auf einmal stickig, heiß und staubig. Wie giftige Schlangen hingen die Schläuche herunter, diese widerlichen glitschigen Aalen. Iouna schielte zur Seite, Ian war aber nicht mehr in ihrer Nähe, sondern einige Meter hinter ihr geblieben und kämpfte sich noch durch die knotigen Schläuche. Das Schreckensgespenst ihrer Träume, der dunkle Geist ihres Gewissens.
Sie zuckte als die knochige Hand von Valaras sich auf ihrer Schulter legte.


„Nicht weinen, nicht weinen.“, flüsterte er ihr heiser ins Ohr.„Es gibt keinen Grund um traurig zu sein. Hast ja tolle Jungs als Begleiter.“

„Ich weine nicht.“

„Was willst du mir vormachen?“,
er lachte leise.

Las mich bloß in Ruhe Valaras. Es ist bloß der Staub. Er ist überall. Meine Augen schwitzen.“,
Iouna beschleunigte ihren Schritt und kletterte alleine auf die Plattform. Da stand schon Torryn und sie dachte, sie wünschte, er würde auf sie warten. Dann zögerte sich aber doch noch und drehte sich um. Ian schob beiseite die letzten der schweren Kabel, betrat die Plattform, ging an den Rand und sah herunter auf das Feuer- Becken.

„Geh weiter. Das ist kein Ort für dich.“

Iouna fuhr erschrocken herum. Schon wieder Valaras.„Was willst du von mir? Glaubst du jetzt wirklich, ich würde herunterspringen?“, sie versuchte zu lächeln, aber ihr Gesicht wollte es nicht, und verzog sich nur in einer Grimasse.

„Schon viele haben da gestanden. Der Ort heißt nicht umsonst Selbstmörder-Glückauf-springst-du-bist-du-drauf.“, er kicherte, etwas unsicher.

„Suggerierst du mir jetzt etwas?“

„Tue lieber das, was du wirklich meinst tun zu müssen. Benimm dich endlich anständig. Benimm dich wie eine Jedi.“

„Was? Was soll ich tun? Ich …“, entsetzt schreckte Iouna zusammen, Valaras hatte gar nicht mit ihr reden können, dann er ging schon längst über die Kabelbrücke. Sie hatte Angst zu halluzinieren und fragte sich, ob die von Ryll durchsetzte Luft auch auf ihre Sinne wirken konnte?

Nun schleppte sich Ian wieder an ihr vorbei, ganz sicher nur versehentlich kam er an sie so nah heran. Er roch schweißig, und wütend roch er, und ihr wurde prompt übel vor Angst. Auf einmal fest entschlossen zog sie scharf die Luft durch die Nase, dann drehte sich abrupt um ihre Achse um, griff Ian an seinem Ärmel und drückte seinen Arm fest zu.
„Vergib mir. Vergib mir doch endlich.“, fuhr sie ihn scharf an. Viel zu aggressiv, zu rau, zu erstickt und zu undeutlich, und eher ein Würgen als eine Bitte. Ob er sie verstanden hatte, wusste sie nicht, denn ein quietschendes Geräusch weckte plötzlich ihre Aufmerksamkeit, schnell drehte sie den Kopf in seine Richtung, und es war ein furchtbares Geräusch, ein unheilbringendes. Torryns angestrengtes Keuchen. Torryn! Sie ließ Ian los und mit einem schnellen Sprung war sie bei Torryn, der gerade die abschüssige Rampe herunterrutschte. Panisch krallte sie sich an seinem Rucksack, stemmte die Füße gegen eine raue, trockene Stelle und zog ihn an sich bis er das Gleichgewicht wieder fand, und sicher auf die Plattform zurück springen konnte.
Wohl erschrocken, überrascht über seine eigene Unvorsichtigkeit, starrte er sie verwirrt an, seine Haut war blass vor Schreck, und er schüttelte fragend den Kopf.


„Mach das nie wieder.“, flüsterte sie eindringlich, genauso atemlos wie er es war, dann beugte sie sich leicht zu ihm so, dass ihr Handrücken seine Hand flüchtig streifte.

„Bitte…ich will nicht, dass du stirbst, bitte, ich will das nicht…“ ihre Stimme verlor sich, sie schluckte und zitterte. Es war so knapp, so furchtbar knapp, beinahe hatte sie ihn verloren. Am liebsten würde sie ihn an sich ziehen, an sich drücken, fest halten, nicht mehr loslassen. Wie konnte es nur passieren, das durfte doch niemals passieren. Wie konnte er sie alleine lassen wollen, bitte nicht noch mal und nie wieder. Wo war Tier, wo war es, warum hatte es ihn nicht beschützt, warum ließ es ihn alleine, alleine auch ohne sie. Wusste Tier nicht, dass es bereits zu spät war für sie, dass sie ohne ihn hier gar nicht bleiben konnte und wollte, nicht mit Ian und sonst auch nicht mehr, sie würde ihm sicher folgen und das ohne zu zögern, in diese Schlucht hier und in jeden andern Abgrund, auch in die seine, und diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag und sie erzitterte erneut und spürte, wie ihre Beine vor dieser schwarzesten Furcht nachgeben wollten. Noch heftig atmend schlug sie ihre Hände gegen die Augen, um sich so schnell wie möglich zu fassen, zu beherrschen, denn sie mussten doch weiter gehen.

Valaras verließ schon die komische Brücke und rief ihnen zu, der Weg würde nicht mehr allzu lang sein. Nichts hatte Ian mitbekommen, auch Torryn war ihm keines Blickes, keines einzigen Wortes wert. War es ihm wirklich egal. War es ihm egal, ob Torryn gestorben wäre.
Immer noch völlig aufgelöst folgte sie Torryn auf die Brücke, rückte näher an ihn heran, nur um seinen Atem zu hören, an der Schulter seine Körperwärme zu spüren. Seine Nähe war so beruhigend, auch ihr Herzschlag verlangsamte sich wieder.

Valaras Quartier erwies sie tatsächlich als gar kein richtiges Quartier, sondern eher als eine düstere Höhle. Es herrschte Unordnung dort, überall lagen Gegenstände. Valaras forderte das Trio auf, sich hinzusetzen und rollte auf dem Boden Decken aus. Erst als Iouna sich hinsetzte, verspürte sie Müdigkeit in ihren Beinen, ihre Muskeln zitterten immer noch. Torryn ließ sich in den Schneidersitz nieder, und dann sah er sie an und ihre Blicke begegneten sich kurz. Sie glaubte ein winziges Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen, eine kleine Spur vom Lächeln auf seinem schönen Mund. Und genau in dieser Sekunde überflutete sie eine Welle des Glücks. Ihre Wangen begannen zu glühen, zittrig zog sie die Beine an den Körper, legte den Kopf schräg auf den Knien, schloss die Augen und tauchte in das überwältigende Gefühl kurz ein. Als sie den Kopf wieder hob, atmete sie wieder frei und lächelte.


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Als sie die Wohnhöhle betraten und endlich eine Pause machen konnten, war Torryn zum ersten Mal bewusst, was gerade eben geschehen war. Sein Körper fuhr in einen ruhigeren Zustand zurück, seine Muskeln entspannten sich und nur sein Gehirn durchzog sich mit Gedanken an den nahen Tod, den Iouna hatte verhindern können. Er setzte sich auf den Boden, die Beine übereinander gelegt.
Die Freude darüber, dass er noch lebte, mischte sich mit einer Form von Traurigkeit. Abgründiger Traurigkeit. Wären sie beide abgestürzt, wäre es ein Ende gewesen, aber ein gemeinsames. Sie wären vereint gewesen, für immer, ohne irgendwelche Ängste ausstehen zu müssen, dass man sie für das, was sie empfanden, quälen würde. Was empfand er eigentlich, außer der Anziehung, dem Trieb? Torryn konnte es nicht zuordnen. Da war etwas, etwas anderes, tiefer, irgendwo. Jetzt war auch nicht der richtige Augenblick, um daran zu denken. Die Mauer. Abschirmung.


***
Ich war da. Ich musste ihn beruhigen. Ihm Kraft geben. Die menschliche Psyche war so filigran. War es Todessehnsucht gewesen, die ihn hatte unvorsichtig werden lassen. Nicht meine Neugier, oder vielleicht zum Teil? Der Druck war groß, sehr sogar. Hatte ich etwa einen Fehler begangen, damit, dass ich es forcierte, was sie anging? Eine Frage, wie so viele, die sich mir langsam stellten. Torryn begann tiefer in sich vorzudringen, in die Ecken, in die ich ihn sonst nicht ließ. Die Ecken, die keine Düsternis waren, die ich nicht ausfüllte. Ich hatte einen eigenen Weg gehen wollen, den er begann, zu verändern, nach seinen Regeln. Nach unseren Regeln. Wir konnten gar keine Alleingänge machen, ohne das der andere davon erfuhr, wir waren eine Person. Wir waren eins. Er lernte wirklich schnell. Aber er würde sich darauf besinnen müssen, was ich bedeutete, für ihn und auch für sie. Ohne mich gab es niemanden. Keine Existenz. Auch mich nicht. Ich musste Geduld haben. Torryn rief mich in sein Bewusstsein. Ich sollte wachen. Ich tat es. Ich wartete.
***


Torryn hielt sich zurück und beobachtete. Die Mauer. Aber ihre Worte drangen hindurch, der Klang ihrer Stimme. Es waren nicht nur die hörbaren Worte, auch die unausgesprochenen, die sie mit ihrer Gestik und Mimik vermittelte und die ihre Wirkung in seinem Inneren nicht verfehlten. Vor ihr war eine Abschirmung unmöglich geworden, aber desto mehr Energie und Konzentration steckte Torryn in das Ausgrenzen seines Meisters aus seiner Gefühlswelt. Sofern das überhaupt möglich war, denn sie besaßen auch eine Bindung, aber eine anders geartete.

Warum ich, dachte Torryn noch, als er Valaras zuhörte. Valaras war zwar krank und die Krankheit, erzeugt durch die Strahlung, hatte seinen Körper zerfressen, aber er war stark im Willen, so dass er sich über das Angesicht des nahen Todes hinwegsetzte. Sein Wille nach Vergeltung für das was hier geschah, war der Motor, der ihn antrieb, allen Widrigkeiten zum Trotz. Es war es ein sehr tiefer Eindruck den der Mensch bei Torryn hinterließ. Er hatte in Kauf genommen, sich langsam zu vergiften, wissend, dass das Wasser, das er trank kontaminiert sein musste. Torryn hatte Respekt vor diesem Mann. Außergewöhnlich.


„Euer Schüler erinnert mich sehr stark an mich selbst. Jung, voller Tatendrang, wissbegierig, stark. Und sie an meine Tochter früher, frei und ohne Angst.“

sagte Valaras ruhig und überzeugt von seinen Worten zu Meister Ian,

„ihr habt eine gute Auswahl getroffen, was eure Schüler angeht, vermute ich. Leider hatte ich keinen Lehrer, der mir hätte helfen können, das Böse hier zu vernichten, Jedi. Mein Lehrer, mein Mentor wurde zum Handlanger einer Macht, die hier alles zerfressen hat, versteht ihr.“

Valaras mustere Torryn weiter, nickte und wandte sich wieder zu Meister Ian, den er mit einem ebenbürtigen Stolz ansprach.

„Diese Ohnmächtigkeit, mitansehen zu müssen, wie alles zerbröckelt. Dieser Hass auf einen einstigen Freund, der einem alles genommen hat und der sich daran labt, zu sehen, wie ich noch lebe und langsam verwelke, weil er weiß, dass ich nichts gegen ihn tun kann. Dass ich mitansehen muss, wie mein eigen Fleisch und Blut sich zu dieser Macht hingezogen fühlt, die nichts weiter ist, als ein ständiger Drogenrausch.“

Ein Räuspern entfuhr Valaras. Er schien nun doch um Fassung zu ringen. Eine kurze Pause entstand. Torryn sah zu seinem Meister und dann wieder zu Valaras. Trotzdem blieb sein Blick kurz an Iouna haften. Sie gehörte einfach zu ihm. Es war so. Eine Tatsache. Emotionen brauchten keine rationalen Erklärungen, um zu erscheinen. Sie waren da. Mauer.

Valaras hustete noch einmal. Dann beendete er das Schweigen und erzählte weiter.


„Auch das Glitteryll wird Irasi nicht retten, sondern nur die Basis sein, um die üblen Gedanken Corvans aus ihrem Kopf zu bekommen. Rache lässt mich leben, Jedi. Ich setze die Hoffnung in euch, dass ihr mich davon erlöst, dass ich sehe, dass es auch einem jungen Mann, wie eurem Schüler möglich gewesen wäre das alles zu beenden, wenn er die richtige Unterstützung bekommen hätte, damit ich endlich mit dem Wissen von dieser Welt gehen kann, nicht versagt zu haben.“

Ein rasselnder Atemzug von Valaras war zu hören. Sein Augen weiteten sich, aber er blieb standhaft, schütttelte sich und nahm ein Tuch aus der Tasche, dass er sich vor den Mund hielt. Die entstehende rote Färbung daran, ließ kaum einen anderen Schluss zu, als das es sich um Blut handeln musste. Vollkommen emotionslos steckte Valaras das Tuch wieder ein und seine Stärke schien überhaupt nicht von ihm gewichen zu sein.

„Ihr hattet micht gefragt, was ich wisse und was zu tun sei. Die Prüfung sollte für Kalan eine Möglichkeit sein, herauszufinden, ob jemand die Macht in sicht trug, so wie ihr. Viele hatte er getestet, die nun als geistlose Sklaven ihr Leben fristen. Mein Wissen ist so unwichtig, aber was getan werden muss ist von größter Wichtigkeit. Erstens muss Kalan getötet werden, dann muss einer von euch, das Holocron an sich nehmen, das Corvans Geist beherbergt und es in das Becken werfen, damit die ewigen Flammen es vernichten und damit ihn auch. Die Suche nach einem Körper wäre dann beendet. Eine Suche, die seit bestimmt 20 Jahren das Leben der Leute hier bestimmt, die ihm hörig sind, von ihm abhängig. Von ihm und seiner Droge. Mit euch zusammen, kann ich es beenden. Durch die entstehende Panik dürfte es uns möglich sein, in den Tempel vorzudringen, um zweitens dort das Glitteryll zu holen, das Kalan dort in seinem Labor aufbewahrt, wie so viele andere Mixturen. Er hat dort seine eigenen Spinnen, die ihm die Netze liefern, die das Glitteryll sind. Ich nehme mir, was ich brauche und ihr geht in den alten Hangar. Ich weiß allerdings nicht, ob diese alten, verstaubte Schiffe noch fliegen, die die Gründer des Tempels dort vor langer Zeit stationierten. Auch, wenn es Sith-Schiffe sind, für die Flucht von hier, dürften selbst Jedi sie nutzen wollen.“

Valaras ging zu einem der Haufen, die sich in seiner Höhle angesammelt hatten, wühlte darin und holte einen eingewickelten Gegenstand hervor. Vorsichtig wickelte er die Umantelung ab. Es kam eine Klingenwaffe zum Vorschein. Schwertähnlich. Er hielt sie vor Meister Ian. Die lange, dünne, Klinge hatte eine unregelmäßige, zackige Oberfläche. Schwarz, aber durchscheinend war sie und glänzte in einem tiefen Dunkel. Torryn erkannte das Material. Es war ähnlich der Messer, die er bereits gesehen hatte und auch die diese merkwürdigen Stangenwaffen, trugen solche Klingen. Die dunklen Kristalle waren verwoben oder verschmolzen worden zu einem Stück, die die Klinge der Waffe bildeten. Valaras wog die Waffe in der Hand.

„Heimtückisch, wie alles hier. Die dunklen Kristalle saugen Energie. Dort, wo sie auftreffen, erfriert alles organische Leben. Sie saugen die Enegie, die wir als Leben bezeichnen. Wenn sie genug Energie gesammelt haben, bilden sie neue Strukturen, die Klinge wächst also. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ihr mit eurer Lichtwaffe auf eine solche Struktur trefft, Jedi. Es dürfte ein interessantes Phänomen sein. Aber hütet euch davor, selbst getroffen zu werden. Die tote Haut zerspringt, wie Glas und nährt den Kristall, der den Schaden zugeführt hat.“

Die Klinge begann zu vibrieren, zu singen. Valaras hob nur eine Augenbraue, während Torryn sich an die Geräusche außerhalb erinnerte, draußen in der ewigen Dunkelheit, in der ewigen Kälte. Dieses Summen. Es war anders, menschlich. Er schaute zum Höhlenausgang. Valaras sah sie alle an.

„Es beginnt. Sie stimmen sich sein. Kalan wird bald die Gabe mit den alten Zeichen der Sith bemalen.“

Valaras klang hart und verbittert. Seine Waffe summte in diesem unheilvollen Ton, der wie ein Echo von überall wiederhallte, monoton, verstörend.

***
Mein Gehör drohte mich verrückt zu machen. Dieses Geräusch. Dieses machtvolle Geräusch, das eine Intensität aufbaute, die mich erschaudern ließ. Erschaudern vor Wonne. Dagegen war der Rausch des Triebs eine Nichtigkeit. Es benebelte mich, durchfuhr mich. Ich wollte zu der Quelle. Unbedingt. Aber es war falsch.
***


Je länger er diese grausame Monotonie in seinen Ohren ertragen musste, desto mehr überkam Torryn eine ungeahnte Angst. Das hier sprengte seine Vorstellungskraft. Tier lechzte geradezu nach etwas, was hier im Begriff war zu entstehen. Es war das Dunkel, das sich dort unten formte. In welcher Gestalt auch immer. Es war nicht rein. Es war genauso korrumpiert wie alles hier. Es verzehrte. Valaras löste sich als erster aus einer Starre, die sie offensichtlich alle erfasst hatte, die sie sich dieser pervertierten Intonation aussetzen mussten. Er schrie, um das Summen zu übertönen, das selbst den Lärm der nahen Turbine in ein schwaches Brummen verwandelt hatte.

„Kommt! Es wird Zeit!“

Er ging an den Rand der Höhle. Torryn und die anderen folgen ihm, um zu sehen, was dort unten geschah. Stiegen führten von der Anhöhe nach unten. Die Höhe war nicht zu unterschätzen. Kleine Terrassen bildeten zwar Absätze, aber ein Sprung in die Tiefe aus dieser Höhe, war für Torryn unmöglich. Meister Ian wäre dafür schon eher geeignet. Valaras zeigte auf das Zentrum. Das Becken war geschlossen. Um das Becken herum kauerten Leute, viele Leute. Das Summen war außerhalb der Höhle noch schwerer zu ertragen, es ging unter die Haut, in das Herz, in den Kopf. Es lähmte nahezu jeden Gedanken. Dagegen kämpfen, dass war es, was Valaras wollte und was sie sollten. Alle Versammelten summten diesen merkwürdigen Ton, der scheinbar auf die schwarze Pyramide wirkte. Sie schien zu antworten, mit Schwingungen, die noch stärker, noch verderblicher waren, als das, was die berauschten Kultisten mit ihren Kehlen produzieren konnten.
Da unten war sie, die dunkle Pyramide, deren Form sich zu verändern schien, sie wirkte weicher, unförmig, ihre Gestalt verändernd. Sie wuchs. Auf der sich wie lebendig wiegenden Spitze lag etwas kleines, menschliches. Ein Kind.



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Jemand packte ihn am Arm. Unsanft. Eine Geste, die dem Apprentice so vertraut war, als sei es erst gestern gewesen. Grobe Finger hatten sich damals um seinen Arm gelegt. In seine Haut gebohrt. Ein griff aus Stahl. Einem Schraubstock gleich. So wurde er in den Schrank gezerrt. Ohne Erbarmen. Ohne Mitleid. Ohne die geringste Regung eines Gefühls. Dieser Griff war lange nicht so stark. Nicht halb so kräftig. Aber die Intensität der Erinnerung war weitaus stärker. Iouna hatte ihn am Arm gepackt. Sie. Ausgerechnet sie. Zorn flammte in den Augen des Menschen auf, als er die Hand erhob, bereit für einen Schlag. Doch als Iouna begann zu sprechen, stockte der Dunkelhaarige. Lauschte ihren Worten. Nicht, weil er wirklich hören wollte, was sie zu sagen hatte. Was konnte schona us ihrem Mund dringen? Etwas, was den Ohren schmeicheln oder sie beleidgen würde? Sicher aber nichts, was von Belang war. Noch ehe sie ihre Worte an den Apprentice wandte, wusste dieser, was sie sagen würde. Vergeben sollte er ihr. Vergeben. Endlich vergeben. Ihr? Vergeben? Endlich? Drei Wörter. Ein Satz der grammatikalisch Sinn ergab. Die richtige Syntax. Und dennoch war dieser Ausspruch bar jeglicher Logik. Ergab schlichtweg keinen Sinn. Der Satz passte nicht zur Stimmlage. Das war keine Bitte um Vergebung. Das war ein Befehl. Aggressiv und vorwurfsvoll. Als müsste ausgerechnet Ian Rechenschaft ablegen. Als müsse ausgerechnet er irgendetwas für Iouna tun. Vergebung. Welch Wort. Aus ihrem Mund. Ian ließ die Hand wieder sinken. Nein, nein, er würde sich nicht reizen lassen. Nicht jetzt und schon gar nicht auf diese Art. Er blickte sie an. Fixierte sie mit seinen Augen. Ein durchdringender Blick. Ein eisiger. Für einen Moment starrte er Iouna nur an. Verzog das Gesicht nicht. Der Ausdruck seiner Augen sollte für diesen Moment genug sein. All seine Abscheu, all seinen Hass, alle Bitterkeit legte er in diesen Blick. Dann konzentrierte er sich, als er unsanft, schmerzhaft eine Nachricht zu ihr sandte. Die sich in ihren Geist, in ihr Gehirn bohren sollte wie ein Metallener Gegenstand. ‚Niemals‘. Dann verzog er das Gesicht zu einem grausamen Lächeln, wandte sich von ihr ab.

Valaras aber wurde nicht mit dieser Gleichgültigkeit bedacht, als er zu sprechen begann und die Wahl von Ians Schülern lobte. Valaras sprach von Hass und vom Bösen. Von seinem Hass. Von der Boshaftigkeit der anderen. War Hass nicht das, was die meisten böse nannten? Trennte Valars diese beiden Worte tatsächlich? Sprach er Ian und dessen Begleitung nicht als Jedi an? Dennoch sprach er von Hass. Zeigte diese Selbstgerechtigkeit, die den Jedi zu eigen war. Sogar von Rache war die Rede. Rache, so erkläre er, hielt ihn am Leben. Aber böse waren nur die anderen.


„Gut und Böse. Schwarz und weiß. Was ist der Unterschied?“

Eine rhetorische Frage. Ian wollte keine Antwort. Valaras war ein Narr. Das hatte er offenbart. Er war nicht dazu in der Lage sich zu rächen. Er bedurfte der Hilfe eines anderen. Demnach war sein Versagen offenkundig. Er würde mit dem Wissen von der Welt gehen, versagt zu haben. Half Ian ihm, war er nur ein noch größerer Versager. Ein Versager. So wie Ian?
War dieser Mann tatsächlich ein Narr? War nicht auch Ian ein Versager? Hatte nicht auch er Jahre gebraucht ums ich zu rächen? Hatte nicht auch er Hilfe bei diesem Feldzug gehabt? Das Herz schlug ihm in der Brust, als ihm bewusst wurde, dass Valaras und ihn etwas verband. Sie, die Versager. Und dann Iouna und Irasi. Die auf sie herabsahen.

Der Mann, der nicht viel älter sein mochte als Ian antwortete sodann auf die Frage des Apprentice. Was es mit dieser Prüfung auf sich hatte. Wieder zeigte sich, wie krank diese Enklave war. Seit zwanzig Jahren schon wurde also nach einem Körper gesucht. Der Mann entfernte sich schließlich kurz um dann mit einem, in ein Tuch gewickelten Gegenstand zurück zu kommen. Der Gegenstand wurde ausgewickelt. Es handelte sich um ein seltsames Messer. Eine Waffe, die Ian in dieser Form noch nie gesehen hatte. Die schwarze Klinge begann zu vibrieren und Laute von sich zu geben. Die Stimmung in dieser Höhle änderte sich schlagartig. Als würde plötzlich Nebel auftreten, wo vorher glasklare Sicht gewesen war. So schien sich etwas in dieser Umgebung zu formen. Es war kein Gewitter. Dennoch war es dunkel. Durchzogen von Wolken. Aber etwas stimmte nicht. Seltsam fühlte sich das an, was hier entstand. Mächtig schon. Aber gänzlich anders, als die Dunkleheit die sonst von Sith ausging. Als seien die Wolken erzeugt worden. Als seien sie nicht echt. Dennoch zeichnete sich etwas deutlich ab. Die Wände gaben es von sich. Der Boden schrie es. Immer und immer wieder hallte es von den Wänden: Gefahr.
Ein Summen entstand. Ohrenbetäubend. Es klang wie aus Menschenkehle und doch, völlig widernatürlich.

Sie betraten den Rand der Höhle und schauten nach unten. Viele Menschen hatten sich dort versammelt. Um das Becken herum. Sie waren es, die diese entsetzlichen Geräusche von sich gaben. Sie hatten den Einfluss, den man in der Mythologie den Sirenen zuteilwerden lies. Zwar war dieser Gesang hier schrecklich, aber er übte eine immense Anziehungskraft aus. Die Sirenen hatten einst mit ihrem Gesang Schiffer angelockt um sie ins Verderben zu locken. Mit schönen Stimmen. Wohlklingend. Schmeichelnd. Dieses Gesumme war anders. Und dennoch gleich.
Was die Pyramide betraf, die im Becken zu erkennen war, auch sie gab seltsame Geräusche von sich, als würde sie den kehligen Lauten der Menschen antworten. Sie bewegte sich. Ein seltsames Bild, einer Halluzination gleich. Viel lauter als alle Geräusche zusammen drang etwas anderes in Ians Bewusstsein. Angst. Unsägliche Angst. Doch sie ging nicht von ihm aus. Dennoch schrie diese Angst bis hier oben. Der Apprentice starrte in die Tiefe hinunter, als er die Quelle dieser Angst ausmachte. Auf der Pyramide. Auf deren sich stätig bewegenden Spitze lag eine kleine Gestalt. Ein Kind.
Wieder schlug ihm das Herz in der Brust. Ian verengte die Augen zu Schlitzen, als er das kleine Wesen betrachte. Bei der Macht, sie sollten tun und lassen was sie wollten. Glyterill konsumieren und sich gegenseitig ermorden. Aber ein Kind? Das konnte er nicht zulassen.

***
Dieser Schrank. So dunkel. Das Kind hatte es aufgegeben gegen den Schrank zu hämmern. Wusste es doch, dass es kein Entrinnen gab. Niemand würde kommen um ihm zu helfen. Niemand würde die Türe öffnen. Er selbst konnte sich nicht befreien. Hatte das Klicken gehört, als das Schloss eingerastet war. Dieser Schrank. So dunkel.
***

Noch einmal sah Ian nach unten. Dann wandte er sich an Torryn. „Besorge das Glyterill!“
Iouna hingegen würdigte er keines Blickes. Dann fokussierte er die Macht, lehnte sich an den Rand der Höhle. Es war tief. Das Kind fixierend holte der Apprentice aus und sprang.
Und obwohl der Boden in immenser Geschwindigkeit näher und näher hätte kommen müssen, war alles verzögert. Langsam. Beinahe wie in Zeitlupe. Auf einem winzigen Vorsprung kam Ian zuerst zum Stehen, als er von dort aus weiter hinabsprang und mit einem ebenso eleganten wie artistischen Salto ganz unten landete.


„Dieses Fest ist zu Ende!“ Seine Stimme erhob sich über all die anderen Geräusche, als er mit der Macht nach dem sich windenden Kind griff. Es zurück auf den Boden levitierte. Ihm damit zur Hilfe eilte. Oder aber, eilte sich er selbst zu Hilfe? Hatte er den Knaben gerettet oder war es doch die Rettung des kleinen Ians? Die viel zu späte Rettung...

Dann zündete er sein Lichtschwert.


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Wie eine schwingende Schaukel im Brustkorb – genau so fühlte es sich an. Eine schwere Gleichgewichtstörung innen. Verstibulum im Innenohr. Das klingende Wort ‚Niemals’. Nur ein Wort. Iouna presste die Handflächen auf den Ohren und rieb sie sanft gegen die Ohrenmuscheln, dann wanderte ihr Blick zu Valaras. Es war anstrengend, sich auf seine Worte zu konzentrieren, in dem Augenblick wohl aber der einzige erkennbare Ausweg. Als ob er alleine der Ast wäre, an welchem diese schwingende Schaukel befestigt worden war. Sie schwang. Ian – Torryn. Torryn – Ian und dann plötzlich: ‚Niemals’ – ‚Immer’.
Valaras würde bald sterben. Eine tödliche Krankheit zeichnete sich in ihrem Gesicht, spiegelte sich in seinen Augen. Auch alles, was er über diesen Ort, über diese Menschen, über Morla’un erzählte, schien genauso krank zu sein wie er, schrecklich, schwarz. Ein schwarzes Totenreich. Alle diese Menschen nichts als nur Schatten der Toten. Auch Valaras gehörte dazu und seine Tochter, und längst wurden auch sie, das Trio, ein fester Bestandteil dieses Alptraums. Nach und nach enthüllte Valaras die Geheimnisse dieses Ortes. Die Tatsachen. Zusammenhänge. Kalan war also bloß der Handlanger der dunklen Macht, des größenwahnsinnigen Corvans. Corvan war auf der Suche nach einem Körper, in dem er weiter leben könnte. Vor zwanzig Jahren begann die Suche. Nun glaubte er endlich den geeigneten Körper gefunden zu haben. Einer von ihnen sollte es werden, der Stärkste – ein potenzieller Spender.

Gegen ihren Willen würden sie in diesen Strudel hereingezogen, eingewebt in ein morbides Puzzle. Plötzlich wurden sie zum Teil der Geschichte Morla’uns. Ähnlich wie sie, Iouna, ein Teil der Geschichte Ians wurde. Damals hatte auch sie niemand gefragt, ob sie es will. Ob sie stark genug sei, um an diesem abscheulichen Spektakel, in dem nur Ian alleine die Hauptrolle spielte, teilzunehmen. Um die unermessliche Bürde der Schuld auf sich zu nehmen, um sie lebenslang zu tragen, danach hatte niemand sie gefragt. Wozu denn. Somit bekam sie die gewichtigste Nebenrolle ihres Lebens. Eine Rolle, die nur dazu diente, Ians Größe, Ians Wichtigkeit, sein Ego zu hervorheben. Sein Leid zu nähren. Um seine Erinnerungen, dieses ungeheuerliche Sammelsurium des alten Leides zu pflegen, zu horten, unbedingt unbeschädigt zu archivieren. Ian war ein großer Archivar des Leides. Nur für diesen einen Zweck hatte er sie all die Jahre, einschließlich dem heutigen Tag, gebraucht, es war der einzige Grund, warum er sie bisher nicht getötet hatte, denn andere Möglichkeiten gab es nicht. An dem Nichts, das sie mit einem mal wurde, und das er aus ihr machte, konnte er wachsen, sich der Größe seines gesammelten Leides erfreuen. ‚Niemals vergebe ich’, sagte er. Und wie er dabei lächelte - wie geschickt hatte sie ihn zu einem gemeinen lächeln verholfen.

Iouna zuckte als Valaras sich plötzlich an sie wandte. Sie wäre so frei und ohne Angst, so wie seine Tochter früher, sagte er. Verlegen senkte Iouna den Kopf, sie konnte einfach nicht begreifen, wie der Mann sie so falsch einschätzen konnte. Er redete dann noch weiter, und jetzt hörten die anderen auch aufmerksam zu. Glitterryll würde er dringend brauchen. Für Irasi. Glitterryll würde ihr helfen die üblen Gedanken Corvans aus ihrem Kopf zu bekommen. Iouna schmunzelte bitterlich. Sollte sie bald mit Irasi auf einer Treppenstufe sitzen und Glitterryl trinken. Ihre in ihrem Kopf eingebrannten sieben Buchstaben ertränken, und solange trinken, bis sie unkenntlich geworden wären.

Aus einem Haufen Schrott kramte Valaras einen Gegenstand. Ein Messer. Während er es in der Hand hielt, begann es merkwürdig zu vibrieren. Irgendetwas mächtiges bewirkte dieser kleine Gegenstand. Iouna erschauderte, ein Kälteschauer durchlief ihren Körper, um sich in der wohligen Gänsehaut zu verlieren. Dann drang ein Geräusch in die Höhle. Ein Singen, ein tranceartiges Summen, von Außen kommend. Die Zeremonie würde beginnen, erklärte Valaras. Iouna sah zu Torryn, und in dem Moment erwiderte er ihren Blick. Ein Ruck ging durch ihren Körper als sie plötzlich in ihn hineinsehen konnte. In ihn hineinfiel - für einen kleinen Augenblick. Dort lachte Tier sie an. Es lechzte nach dem Dunkel, das sah sie, es sabberte und der Speichel lief ihm am Maul herunter und tropfte auf Torryns Handrücken. Wie hypnotisiert starrte Iouna in seine rötlich glühenden Augen. Ihr Herz schlug schneller und ein Lächeln verzog ihren Mund, kurz entblößte sie ihre Zähne und von einem weiteren wohligen Schauer erfasst, schnurrte sie kurz kehlig.

Tier zog sich prompt zurück und die Schaukel schlug wieder aus in ihr. Und wie dunkel wurde es in dem Augenblick in der Höhle. Iouna rieb sich die Augen. Das ‚Niemals’ schepperte gegen den von Tier immer noch beschleunigten Herzschlag und brachte ihn aus dem Rhythmus. Wenn sie dieses „N-i-e-m-a-l-s“ irgendwie doch zertrümmern könnte, wenn sie es wenigsten durchwürfeln schaffen würde, in ein gestocktes L-e-s-m-a-n-i verwandeln, in ein leeres Wort, das genauso nur geträumt sein konnte, unwahr, unwichtig wie der Name eines vergessenen Geliebten. Das Wort, das bloße Wort gedreht bis es nicht mehr erkennbar wäre, nicht mehr lesbar, kopfüber gestellt. Und erst dann die Schaukel wieder anschubsen.
Das Schicksal hatte wohl Mitleid mit ihr, es hatte ihr Torryn geschickt. Immer würde Torryn sie lieben, während Ian ihr niemals vergeben würde. Ein gerechtes Gleichgewicht. Aber was für einen Sinn ergab das alles? Die Schaukel schlug wohl noch weiter aus und das ‚Niemals’ fraß sich in ihr Hirn wie Valaras Krankheit. Wie sein Krebs. Die Zweifel. Angst. Begründete Zweifel, unbegründete, abstruse, berechtigte, aber immer nur Ians eigenen Zweifel, in ihr gespiegelten, für ihn sicher die richtigen, an denen er leidenschaftlich klammerte und von denen er sich nicht befreien wollte. Niemals würde sie von Torryn geliebt werden, flüsterte es ihr eindringlich ins Ohr, niemals so, dass es reichte den Hunger zu stillen, denn sie litt an einen unendlichen Liebeshunger, so viel würde er niemals geben können, es wäre unmenschlich dies von ihm zu verlangen, zu erwarten, irgendetwas, das hätte ihn bestimmt umgebracht. Niemals würde sie angstlos sein, angstfrei, niemals stark genug und gut genug, gut genug für Torryn, denn nur das zählte, nur er zählte, und das für immer und niemals würde Ian etwas ändern können.

Der seltsame, euphorisch anmutende Gesang wurde lauter. Ungehindert strömte der dröhnende Klang in die Höhle und versetzte alles in Vibrationen, wegen dieser enormen Lautstärke war eine Unterhaltung nicht mehr möglich. Valaras forderte das Trio auf sofort aufzubrechen. Die Höhle zu verlassen. Die Zeremonie hatte begonnen. Am Ausgang stehend, blickten sie alle herunter. Auf das Becken, um das sich bereits eine große Menschenmenge gesammelt hatte.
Ein kleines Kind. Ein winziger Junge. Fixiert auf der Pyramide der zarte Körper. Direkt neben ihn - Kalan. In der Hand ein Werkzeug mit dem er die Haut des Kindes bemalte. Gleich erkannte Iouna die Sithzeichen, dann aber auch die in langen Bahnen gezogenen dunklen Spuren. So ähnlich wie die Narben auf Ians Rücken. Das Muster wie die Narben auf Torryns Rücken.
So stark war die Ohnmacht des Kindes zu spüren. Es fühlte sich beinahe an, wie ein Hauch der klirrenden Kälte. Es fröstelte Iouna als sie vorsichtig zu Ian blickte. Er stand jetzt etwas abseits und mit verengten Augen starrte er reglos auf das Kind.
Armer Ian… Warum hatte dieser verfluchte Ort ihm auch noch dieses elende Bild geliefert. Was für eine verschrobene Groteske. Mit nur einem Schritt trat Ian an den Rand der Brücke. Iouna dagegen trat einen Schritt zurück. Selbst wenn sie mit Ian herunter springen würde, das Kind, diesen kleinen Jungen retten würde, würde Ian sie nicht weniger hassen. Niemals würde er ihr verzeihen, dass sie ein anderes Kind, ein fremdes, aber nicht ihn, gerettet hatte. Dieses Kind war eine weitere Nebenrolle, eine perfekte Inszenierung in Ians Szenerie.
Dann wandte sich Ian aber an Torryn, er solle das Glitterryll besorgen. Dann sprang er.

Iounas drückte die Augen zusammen. Sehen wollte sie nicht, wie Ian stirbt. Sterben sollte Ian nicht. Aber Ian berührte mit den Füßen sanft den Rand des Beckens. Er war nicht gestorben. Dann zündete er das Lichtschwert. Für einen flüchtigen Augenblick glaubte sie sogar mit Ian zu fühlen. Mitleid und Schmerz und Schuld, und dies und jenes und immer wieder und auch das ‚Niemals“ erbebte wieder in ihr und Tränen verschwammen ihr die Sicht und wie durch einen Schleier sah sie wie Ian das Kind von dem Altar fortschwebte. Wie Ian das Kind rettete.
Sollte sie nun jetzt Ian folgen, ihm helfen, sie, Iouna, ihm, Ian helfen, diesmal wirklich helfen? Wollte er das, hatte er das von ihr erwartet, stumm, ohne sie anzusehen, wie immer mit dem stummen Vorwurf verlangte er von ihr wirklich, dass sie es wissen sollte, was zu tun sei, immer, früher, damals und jetzt.

Nicht länger als für eine Sekunde hörte das Summen auf, das scheppernde Geräusch des „Niemals“ verstummte in ihr als sie ihr Gesicht zu Torryn wandte. Er sah sie an. So innig, so innig, dass sie sich nicht mehr traute zu atmen, um nichts zu verschrecken, um diesen Moment noch länger festzuhalten, nicht loslassen, nicht stören, kopfüber eintauchen in diese Wärme, die von ihm ausging. Egal konnte sie Ian in diesem hinterlistigen Spiel sicher nicht sein, er genoss seine verzweifelten Schachzüge und ihre Niederlagen. Würde sie in seinem Drama wirklich noch weiter spielen wollen und damit Torryns Leben aufs Spiel setzen? Wegen nichts und noch mal nichts, höchstens um ihre eigene Schuld zu mindern? Als sie sich umgedreht hatte, um endlich zur Stiege zu gehen, stellte Torryn sich vor ihr, beugte sich leicht zu ihr, nahm ihr Gesicht in seine warmen Hände und sah sie eindringlich an. Stumm bewegte sie ihre Lippen, sie wollte ihm doch noch etwas sagen. Von den Spinnen wollte sie erzählen, von ihrer Sorge, und dass sie die Ionenwaffe hatte und vor allem, dass sie ihn nicht alleine lassen würde, ihn nicht. Und ganz sicher nicht wegen des ‚Niemals’, das hatte Torryn nicht verdient.
Aber schon kam Torryn ihr entgegen, flüsterte, pustete ihr dabei seine warme Atemluft ins Gesicht, besänftigend, so sanft, aber besänftigen, das brauchte er wirklich nicht. Nun sagte er, dass Ian sie doch gar nicht erwähnt hätte, dass sie Ian egal wäre, aber ihm, Torryn, wäre sie nicht egal, und dann noch, dass er sie jetzt brauchen würde. Und dann küsste er sie, kurz, innig. Wie natürlich erwiderte sie den Kuss, saugte seinen sanften Geruch, aber auch Tier hatte sie gerochen, und auch seinen scharfen Geruch beruhigte sie seltsam.

Dann Tier kam an die Oberfläche, jetzt konnte sie auch sein Knurren hören, den düsteren Glanz seiner Augen erkennen. Rau rieb es sich an ihren Wangen, wie flüchtig leckte es über ihre Augen. Es war aber nicht der Trieb, das wusste sie. Beschützerinstinkt. Besitzergreifend. Eifersüchtig. Fahrig und rasend vor Kampflust.
Iounas Herz schlug wie wild, sie löste sich von Torryn und sie überprüfte den Sitz ihren Waffen. Dann liefen sie beide zur Stiege, kletterten herunter, liefen ein paar Schritte über den moosigen Boden in Richtung des Tempels. Doch kurz blieb Iouna noch stehen und blickte sich um. Breitbeinig stand Kalan mit seinem erhobenen obszön rot glänzenden Schwert vor Ian. Bedrohlich.
Nicht zögern, raunte Torryn ihr zu, sie schüttelte den Kopf. Dachte er wirklich, sie würde umkehren wollen, ohne ihn, einfach umkehren? Als sie wieder losliefen, baute sich vor ihnen eine kleine Gruppe der bewaffneten Speerträger. Iouna zog ihren DEMP2 und gleichzeitig, im Augenwinkel, sah sie, dass auch Torryn seine Lichtwaffe zündete, aber immer noch drehte er seinen Kopf zu ihr, vergewisserte sich, ob sie noch da sei.

„Wende dich nicht zurück, ich bin da, hinter dir!“ schrie sie und zielte auf den ersten Speerträger, der bereits seinen Arm mit dem Speer erhob.

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Das Kind ward gerettet. Und dennoch schien es dem Tod geweiht. Als Ian es von dieser Pyramide levitiere spürte er etwas. Die Macht hatte wie ein Finger ihre Sinne. Konnte Dinge ertasten. Weiche Stellen und harte. Der Rücken des Kindes war hart. Seltsam. Etwas hatte sich auf dem Rücken geformt. Ausgebreitet. Ein anderes Gewebe. Es spannte über die Haut. War eins mit der Haut. War die Haut. Wurde die Haut.

***
Narben. Der Rücken war entstellt. Ihm war die Flucht gelungen. Jetzt, nach 16 Jahren.
Als der junge Mann sich im Spiegel besah, sich seitlich stellte, erkannte er seinen Rücken. Wenn er ihn anspannte, spannte sich die Haut mit, gab weniger nach, bereitete ihm ein unangenehmes Gefühl. Mit einem Arm griff er an seien Seite, betaste mit den Finger das wulstige Gewebe. Eine eigene Landschaft hatte zog sich über Ians Rücken. Kleine Hügel. Aber auch Vertiefungen. Der Rücken war entstellt. Narben zogen sich über den kompletten Rücken. Ein anderes Gewebe. Ein Ersatzgewebe. Es spannte über die Haut. War eins mit der Haut. War die Haut.
***

Doch es war keine Zeit sich dem Kind zu widmen. Er setze es ab, Strich ihm einmal mit der Hand über die Wange. Ein seltsames Gefühl entstand dabei in ihm. Eines, das er nicht genau benennen konnte. Oder nicht benennen wollte. Dann erst zog er sein Lichtschwert um dieser Zeremonie ein Ende zu bereiten. Kalan hatte indes selbst ein Lichtschwert gezogen. Erhob es. Dann braute sich etwas zusammen. Unheimlich. Beängstigend. Die Luft schien sich mit einem Mal zu verändern. Angespannt. Dunkel. Schwer einzuatmen. Das Wort Gefahr bekam nun eine völlig andere Bedeutung. Sie war nun überdeutlich spürbar. Was auch immer sich hier zusammenbraute, welch Inferno, welche Macht. Diese Intensität war anders. Seltsam. Beängstigend.
Kalan, der sein Schwert erhoben hatte, zögerte mitten in der Bewegung wie Paralysiert stand er jetzt da. Eingefroren. Bewegungsunfähig. Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Angst strahlte sein ganzer Körper aus. Der Apprentice hätte gelogen, hätte er behaupten sollen, dass er kein Unbehagen fühlte. Dann erhob sich eine Stimme. Sie drang nicht aus Kalans Mund. Sie drang aus dem Holocron das Kalan in seiner Hand hielt. Die Stimme berichtigte Ian. Die Feier hatte gerade erst begonnen. Dies sollte, so behauptete sie, Ians Untergang sein.

Das Holocron veränderte sich. Nein, nicht das Holocron selbst. Etwas kroch aus ihm heraus. Ein dunkler Schleier. Ian starrte es an. Nie zuvor hatte er so etwas gesehen. So etwas gefühlt.
Der Schleier verweilte für einen Moment vor dem Holocron. Gut sichtbar für alle. Dann waberte er zur Pyramide. Wurde eins mit ihr. Er drang in die Spitze, die sich schon vorher bewegt hatte. Doch jetzt veränderte sich die Form. Wuchs zu etwas anderem heran.
Vergessen war Kalan, der noch immer in Paralyse dort stand. Valaras sollte sich um ihn kümmern. Ohnehin war er kein Gegner. Ganz anders dieses … Ding.
Ian zog sein zweites Lichtschwert. Beobachtete, wie sich ein Tentakel formte. Mit immenser Geschwindigkeit hervorschoss und einen Menschen durchbohrte. Der Tentakel wurde mächtiger. Der durchbohrte Mensch zu einer Hülle. Er zersprang förmlich, wie Glas. In viele kleine Stücke.

Nimm dich in acht.

Das musste die Stimme ihm nicht sagen. Ians Augen hatten die Macht gesehen, die dieses Objekt hatte. Es wuchs stätig und selbst Ian war für einen Moment nicht in der Lage mehr zu tun, als sein zweites Lichtschwert zu zünden. Das Objekt, was vielleicht am ehesten mit einer Pflanze zu bezeichnen war wuchs und wuchs und wuchs. Es war riesig. Gigantisch. Mehr und mehr Tentakel hatten sich gebildet. Gaben ein abartiges Schauspiel, sobald sie auf einen Menschen trafen. Zerstörung und Vernichtung. Tod. Er lauerte hier auf sein jedes Opfer. Die Drogen vernebelten den Verstand all jener, die hier fielen. Ihr Glück. Denn sie spürten nicht das, was Ian spürte. Diese macht. Unbehagen. Ja, sogar Ehrfurcht. Die Pflanze wuchs in die Höhe, durchbrach die Decke. Teile von ihr fielen wie Geschosse herab. Wer nicht von einem Tentakel getroffen, durchbohrt wurde, der wurde erschlagen von einem Teil der Decke. Absolute Vernichtung. Das hier war ein Hinrichtungsort. Nur ein Ziel: Der Tod aller. Mit den Teilen der Decke fiel noch etwas anderes. Spinnen.

Ein Stück der Decke drohte den Apprentice zu erschlagen. Mit weit aufgerissenen Augens ah er das Teil auf sich zukommen. Wollte sich bewegen. Doch es gelang ihm nicht. Der Moment des Schocks hatte auch ihn paralysiert. Angst. Sie war dem Menschen nicht fern. Hatte sich in seinen Körper geschlichen. Oh welch Schwachheit. Wie verderblich. Die Macht allerdings war nicht paralysiert Sie war es, mit der der Apprentice den Deckenteil zur Seite schleuderte. Dann erst, endlich, war auch er wieder in der Lage sich aus seiner eigenen Starre zu befreien. Die beiden Schwerter fest im Griff rannte er nun auf die Pflanze zu. Holte aus zu einem Hieb. Hatte völlig vergessen, was Valaras ihm gesagt hatte. Die Lichtklinge traf auf den schwarzen, kristallinen Tentakel. Funken sprühten. Ein Schwert wurde dem Apprentice aus der Hand gerissen. So hart war der Aufprall. Energie war auf Energie gestoßen. Wiederstand auf Wiederstand. Eine Welle des Schmerzes schoss durch die Hand Ians. Durch seinen Arm. Durch den ganzen Körper. Er beachtete das Schwert, dass er verloren hatte nicht. Der getroffene, aber nicht durchtrennte Tentakel bewegte sich auf ihn zu. Die nun freie Hand Ians wanderte blitzschnell an das andere, gezündete Lichtschwert. Mit beiden Händen umklammerte er es fest. Er holte aus. Der Tentakel ebenfalls. Dieses Mal war der Apprentice gewappnet. Dieses Mal verlor er das Schwert nicht. Die Pflanze aber ihren Tentakel.

Wo war die Schwachstelle dieses Gebildes? Es war so gigantisch geworden, dass Ian daran zweifelte, dass er es besiegen könnte. Würde er ermüden, allein bei dem Versuch jeden Tentakel zu stutzen? Würde dieses Gebilde immer wieder neue Ränke formen? Das war nicht das einzige Problem.
Wieder fiel ein Teil der Decke herab. Speerträger erschienen. Spinnen. Und dann dieses Monster.

Die Sinne geschärft mit der Macht, absolute Konzentration. Ausweichen. Levitieren. Weg schleudern. Ausholen. So wie der Tod lauerte, so lauerte auch die dunkle Macht in Ian. So sehr wie Corvan alles vernichten wollte, so sehr wollte Ian leben.
Er lenkte einen Brocken um, erschlug damit einen Speerträger. Rammte das Lichtschwert in eine Spinne, tastete die Pflanze ab. Dann endlich wurde er gewahr, wie er sie treffen musste. Die Tentakel hatten einzelne Glieder. Da wo sie miteinander verbunden waren, waren sie empfindlich. Dort musste er sie treffen.


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Das Kind hatte etwas in seinem Meister ausgelöst. Wieder. Kinder. Telos. Die Kinder von Telos sollten verschont werden.
Meister Ian war gesprungen, elegant, katzenhaft, hatte er die einzelnen Absätze genutzt, um sich dann mit einem Salto und aktiviertem Lichtschwert direkt vor Kalan zu katapultieren. Mit einer Handbewegung hatte Meister Ian das gezeichnete Kind von der verderblichen Pyramide wegschweben lassen. Kalan stand dort aucht mit aktiviertem Lichtschwert. Seine Klinge leuchtete schwarz. Unheilvoll. Düster und bedrohlich stand Kalan dort unten. In der einen Hand hielt er die Lichtwaffe und in der anderen das Holocron. Wie ein Herrscher, der die Insignien seiner Macht zu Schau stellte. Sie umkreisten sich. Belauerten sich. Mehr war nicht erkennbar. Torryn musste hinunter und die Order seines Meisters war endeutig: „Glitteryll“. Wenn Valaras Recht hatte, befand es sich in dem antiken, geometrisch verworrenen Bauwerk, das als Tempel bezeichnet wurde.
Das markerschütternde Dröhnen ausgelöst von dem gutturalen Gesang der Enklavenbewohner nahm weiter an Intensität zu. Die unheilvollen Schallwellen durchliefen Torryns Körper und mit ihnen auch die Vorahnung einer Apokalypse, die hier in Beginn war, zu entstehen. Er versuchte sich zu fokussieren.

Torryn hörte seine Atmung und die von Iouna, die neben ihm stand. Ihr Herz. Sein Herz. Valaras war schon dabei, die Stiegen geschickt herunter zu klettern, als Torryn seine Hände ausstreckte, Iounas Gesicht dazwischen nahm und sie zu sich zog. Er sah sie eindringlich an.

„Bleibe bitte an meiner Seite. Das hier ist anders als auf Telos. Unberechenbar. Gefährlich. Du hast gehört, was Meister Ian gesagt hat. Ich soll das Glittreryll besorgen. Dich hat er gar nicht erwähnt. Du bist ihm egal, mir aber nicht. Ich will dich nicht an irgendwelche Irre verlieren. Außerdem kannst du uns mit der DEMP2 einen Korridor frei schießen und ebenso die Spinnen unter Kontrolle halten, falls wir im Tempel auf welche treffen. Vielleicht ist Effektivität ein Weg, um seiner Verachtung zu entgehen.“

Dann zog er ihr Gesicht näher zu sich heran. Ihr warmer Atem strich über seine Haut. Er küsste sie kurz, innig. Ein warmes Gefühl begann sich auszubreiten. Mehr. Aber es ging nicht, die fürchterliche, innere Kälte, die durch den kultischen Singsang erzeugt wurde, begann alles alles an Empfindungen zu überlagern, die noch etwas Wärme versprachen. Trotzdem hatte Torryn das Gefühl, dass seine letzten Worte aus diesem Grund sehr nüchtern, taktisch klangen.
Er war sich nicht sicher, ob sie verstand. Da unten waren keine Menschen mehr, sondern geblendete Sektierer, die er nur noch als unlebenswerte Hüllen bezeichnen würde. Dinge. Er spürte Tier an seiner Seite. Anders. Erwartungsvoll. Voller Vorfreude auf das Auslöschen von in einen Alptraum hinein geborenen Lebewesen, die vielleicht einmal eine andere Geschichte hatten. Von einige würde sie heute enden. Torryn würde seine weiterschreiben, aber nicht alleine. Das war das Ziel.


***
Ich lauerte an der Oberfläche und bereitete mich vor. Er würde sich ich nicht nur für den Meister in Gefahr begeben, sondern auch für sie, dass war unabwendbar. Ich würde auf beide aufpassen müssen. Seine Unversehrtheit war mir eigentlich wichtiger, aber er hatte mir unmissverständlich deutlich gemacht, dass wir nur als Einheit agieren konnten, wenn sie auch bei uns war. Er hatte ja Recht. Ich hatte selbst dafür gesorgt, dass es so geworden war. Manipulativ. Er war ein Kind gewesen, ohne die Kenntnis positiver Emotionen. Ich hatte sie ihm gezeigt, weil ich auch lernen wollte. Kenne deinen Feind. Feind? Sie war nun auch ein Teil von uns. Sie. Ich kroch so nahe an seine Oberfläche, dass er flimmern musste, aber das war egal. Sie wusste, dass es mich gibt. Uns.
***


Torryn löste sich von Iouna und besah sich die metallenen Führungsstäbe, die ein Geländer bildeten. Sie waren genauso verottet und zersetzt. Ein Eindruck, der sich für Torryn nicht nur auf materielle Dinge bezog, sondern auch auf den geistigen Zustand der Einwohner. Mit Ausnahme von Valaras. Auch der schleimige Bewuchs mit Flechten trug nicht dazu bei, ein Gefühl von Sicherheit zu bekommen. Torryn umwickelte seine Hände mit Stoff, hielt sich an den Führungsstangen fest und glitt daran herunter. So war er schneller. Erst, wenn er sicher war, dass er springen könnte, würde es auch tun. Es ging hier um wenige Augenblicke, die über vieles entscheiden konnten. Er sah nach oben. Iouna kam. Rasch nahmen sie mehrere Stiegen auf einmal. Die große Ionenwaffe baumelte über Iounas Schulter, während sie ihm hinunterfolgte. Sie hatte etwas erweckt in ihm. Leidenschaft. Etwas, das Leiden schafft? Ein Gedanke, den Torryn versuchte abzuwehren. Aber er war da ganz plötzlich. Eine Ambivalenz, deren Tragweite, er noch nicht begriff, die ihn aber berührte und Kraft versprach. Tier war da, flimmernd vor Erregung, die es auf ihn übertrug. Es wollte Blut sehen, den anderen Trieb ausleben. Torryn ließ sich von dieser Erregung anstecken und sie erfüllte ihn. Sie war präsent. Die dunkle Seite. Er fühlte sie. Er fühlte es. Eins sein.

Unten angekommen, bot sich ihnen sie ein Schauspiel der besonderen Art. Sich auf und ab wiegende Sektierer, die flammend ihre gutturale Hymne an ihren Gott Corvan intonierten und dazwischen die Speerträger, die Leibgarde Kalans. Was sich auf dem Becken genau abspielte, entzog sich Torryns Sichtfeld. Er hatte nur im Augenwinkel Meister Ian sehen können und neben ihm Valaras. Torryn vertraute auf die Fähigkeiten seines Meisters. Er selbst hatte eine andere Aufgabe. Iouna stand neben ihm. Gut.


***
Die Orientierng fiel ihm schwer. Ich schickte die wichtigen Informationen an ihn. Unsere Sinne waren umgreifender, umfassender geworden, aber er hatte noch Schwierigkeiten sie in solchen Situationen abzurufen, anzuwenden. Der Tempel besaß eine mächtige Aura der dunklen Seite. Dort mussten finstere Dinge geschehen sein, die mich wie magisch anzogen. Genau diese Eindrücke sandte ich ihm, damit er sich orientierte.
***


Die ganze gespenstische Szenerie machte es Torryn schwer den Tempel auszumachen. Immer noch vibrierte die ganze Höhle unter dem unheilvollen Schall, den die Bewohner und Anbeter von sich gaben. Immer noch war ihm fast schwindelig davon, weil es sich auf seine Wahrnehmung auswirkte. Sie trübte. Tier ließ sich davon nicht beirren. Es hatte eine andere Wahrnehmung, die auch seine war. Er gab Iouna ein Zeichen. Eine Reihe von fünf Gardisten, bewaffnet mit diesen exotischen Speren flankierte und versperrte den Aufgang zum Tempel. Um sicher zu sein, was nun zu tun sein, blickte er sich nocheinmal um. Sie war neben ihm. Er lächelte.
Aber sein Lächeln nahm andere Züge an, tierhafter. Er witterte Beute. Langsam nahm Torryn das Katar in die linke Hand in der rechten hielt er bereits die Lichtpeitsche. Mit einem Surren fuhr die Kabelfaser aus und bedeckte den Boden. Mit einem Zischen entstand das destabilisierte Plasmafeld, das nun die tödliche Hitze leitete. Es war eine Freude, den Tod bringen zu dürfen. Endlich. Die andere Leidenschaft. Die körperlich reales Leiden schuf. Torryns Blick verengte sich. Tier war so nah, wie so lange nicht mehr. Seine Kraft, seine Sinne pulsierten in ihm. Er schaute zu Iouna hinüber. Sie nickte. Die DEMP-2 begann sich in einem hohen, pfeifenden Ton aufzuladen. Torryns Stimme klang grimmig und entschlossen, als er sie ansprach.


„Nimm die Streuung. Ich übernehme die, die dann noch stehen.“

Das Pfeifen erlosch. Iouna hielt den tragbaren Ionenemitter mit beiden Händen und betätigte den Auslöser. Mit einem dumpfen Knall löste sich eine blau, irisierende Kugel, die sich rasend schnell auf die Reihe der Gardisten zu bewegte. Der grollende Aufprall kam einem Schauspiel aus tanzenden kleinen Blitzen gleich, die ein Ballett aufführten. Ein direkter Treffer ließ einen zuckenden, krampfenden Körper zu Boden sinken. Die Blitze, die sich in diesem Körper ausgebreitet hatten, entluden sich weiter, suchten sich ihre nächsten Ziele, nächsten Körper. Als die Kaskade von Lichtblitzen nachließ, lag ein Körper leblos am Boden. Vier andere zuckten benommen. Iouna grinste Torryn zufrieden an. In diesem Moment hätte er sie mehr als nur küssen wollen, aber sein Körper war geflutet von Grausamkeit, die er nun praktizieren wollte. Er rannte los, wie ein Raubtier, entfesselt, vollkommen fixiert auf die Beute. Die Opfer.

Eine dampfende Spur entstand auf dem Boden, wo die Lichtfaser den Boden berührte. Torryn rannte wie besinnungslos, als wäre er nicht er selbst. War er auch nicht mehr. Sie waren zwei. Dann war er da. Leicht gebeugt. Mitten zwischen ihnen, die ihn betäubt und befremdlich ansahen. Mit einem Ruck zog er die Lichtfaser vom Boden hoch, die nach vorne schnellte und innerhalb dieser Bewegung, wirbelte Torryn sie mit einer Drehung über den Kopf, um dann selbst in die Knie zu gehen. Das destabilisierte Plasma tat das, was Torryn erwartete. Schwungvoll entstand ein dünner Lichtbogen, eine leuchtende Spur, die sich dampfend und zischend durch Kleidung und Fleisch brannte. Organisches Material bot keinen Widerstand, keinen Schutz. Die Rückhandbewegung vom Boden weg vollzog sich in zwei gegenläufigen, diagonalen Bewegungen, die zwei gleißende, kreuzförmige Spuren in die Luft zogen. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg in Torryns Nase. Erregung.

Torryn blieb in der Hocke, sprungbereit, wachsam und schaute sich um. Vier verstümmelte Körper lagen dort, zerschnitten, zerteilt, ohne Gliedmaßen. Herausgetrennte Fleischstücke lagen am Boden wie sie auf einem Teller in einem Restaurant hätten serviert werden können. Eine schräg gespaltene Kopfhälfte markierte den Höhepunkt des Akts der Vernichtung, der Auslöschung.
Er richtete sich zufrieden auf. Die Treppe lag vor ihnen. Er spürte Iouna. Ihre Schulter an seiner Schulter.


***
Befriedigung. Der Geruch. Dieser alles verdrängende Geruch nach verbranntem Tod. Ich war zufrieden mit ihm. Er hatte doch schon mehr gelernt, als ich erwartet hatte und er fühlte wie ich. Das war gut. Bald könnten wir dem Meister zeigen, was wir gelernt hatten. Ein anderer Geruch kam hinzu. Sie war es. Sie strömte Pheromone aus. Inmitten dieser grotesk zugerichteten Körper überkam mich das Gefühl des anderen Triebs. Hier. Sofort. Ich musste mich zügeln, denn es war noch nicht vorbei. Ich spürte die Entstehung einer Präsenz, einer Präsenz, die selbst ich als ehrfurchtgebietend empfand. Wir mussten schnell sein.
***



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Ian wirbelte umher, holte aus, schlug zu. Er wich aus, sprang zu Seite. Wälzte sich hierhin, wälzte sich dort hin. Aber er wurde nicht Herr dieser Pflanze, die Corvan geschaffen hatte oder, deren Corvan sich bemächtigt hatte. Sie war ins unermessliche gewachsen und wann immer es dem Apprentice gelang einen Tentakel abzuschlagen, wuchsen an dessen Stelle zwei Tentakel nach. Es schien, als würde die Pflanze mit jeder Anstrengung Ians nur noch mehr an Kraft und Größe erlangen. Der Dunkelhaarige musste erkennen, dass dieser Kampf nicht zu schlagen war. Eine Sisyphos Aufgabe! Hätte Homer einst, in der Sage, nicht Sisyphos, sondern Ian beschrieben, sein Text hätte nahezu gleich geklungen:

„Und weiter sah man den Ian in gewaltiger Anstrengung: wie er mit dem Lichtschwert eine Pflanze, eine ungeheure, bezwingen wollte. Ja, und mit der Macht und alles an Körperkraft, hieb er Tentakel für Tentakel ab. Wich Gesteinsbrocken aus, die sich von der Decke lösten und ihn zu erschlagen drohten. Doch wann immer er einen Tentakel abgetrennt hatte, so formte sich an dessen Stelle neue, dunkle Materie aus der Pflanze heraus: von neuem wuchsen dann die Tentakel, die schamlosen, an der Stelle, an der zuvor ein einzelner abgefallen war. Ian aber hieb immer wieder auf die Pflanze ein, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“

Doch auf Ian lastete keine Strafe irgendwelcher Götter. Der Mensch erkannte, dass die Pflanze nicht zu bezwingen war. Was also blieb, neben der Flucht? Der Gedanke machte Ian rasend. Weil sich das Gefühl des Versagens abermals in sein inneres schlich und an ihm zehrte. Ihm war es nicht möglich eine Pflanze zu bezwingen? Die neben der Herstellung unendlich vieler Glieder und Wachstumsschüben keine Kraft zu besitzen schien? Oh welch Zorn, bemächtigte sich des Sith. Und doch wusste er, dass die einzige Lösung, dass die einzige Möglichkeit zum Sieg, darin bestand, zu flüchten. Beinahe hätte ihn einer dieser schwarzen, kristallenen Tentakel getroffen. Um Haaresbreite verfehlte er das Ziel. Ian hatte gesehen, was ein Treffer auslöste. Schon mehr als eine Person war gefallen, als sich ein Tentakel unbarmherzig in dessen Brust gebohrt hatte. Hier wurde innerhalb weniger Sekunden leben ausgelöscht. Vielleicht versinnbildlichte dieser Platz heute zum ersten Mal das, wofür er stand: Opferung. Doch hier hatten schon über ein Dutzend Individuen ihr Leben gelassen. Speerträger, Spinnen. Besucher. Das Kind. Ian sah es. Die weit aufgerissenen Augen. Das Gesicht, eine Fratze des Schmerzes, als es getroffen wurde. Die Wut die Ian empfand, als er dies sah, wurde übermächtig. Er umklammerte das Lichtschwert noch fester, so dass die Knöchel an seines Handgelenks weiß hervortraten.

Verschwinde!

Am liebsten hätte sich Ian in einem Anfall von Größenwahn auf die Pflanze gestürzt. Aber er hatte erkannt, dass er chancenlos war. Ein Steinbrocken wurde umgeleitet, als er alles daran setzte, sich einen Weg aus diesem Chaos zu bahnen. Es stank nach Tod und Vernichtung.
Ian aber empfand keinen Gefallen daran. Das hier war abartig. Krank. Nicht das Werk eines Sith, sondern das, eines Wahnsinnigen. So kämpfte sich der Apprentice einen Weg durch das, was man nur als Schlachtfeld bezeichnen konnte. Verschleierte sich in der Macht, damit er nicht mehr wie eine Fackel in völliger Dunkelheit zu erkennen war. Immerhin bot das herrschende Wirrwarr eine gute Möglichkeit unentdeckt zu bleiben. Sah Corvan ihn weder in der Macht, noch ihn als eigentliche Person, konnte dies nur einen Vorteil bedeuten.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm der Apprentice schließlich eine Bewegung wahr. Kein Tentakel. Kein Felsbrocken. Keine Spinne. Sondern zwei Gestalten. Valaras und Kalan. Eine gleißende Bewegung, als Kalan ausholte. Mit seinem Schwert, zustach. Sein Gesicht zeigte ein barbarisches Grinsen. Die Hände Valaras‘ glitten zu der Wunde, als er zu Boden sackte. Das Gesicht zeigte nahezu keinen Anzeichen des Schmerzes. Nur einen Ausdruck, der unendliche Enttäuschung. Über das eigene Versagen. Kalans Hand wurde erneut erhoben. Was Ians Hand betraf, so züngelten dort kleine, bläuliche Blitze, als er Zeuge von dem wurde, was er da sah. Der Zorn, war nicht länger zurückzuhalten und schien sich so entladen zu wollen.
„KALAN!“ , schrie der Apprentice, mit einer widernatürlichen Lautstärke. Als dieser sich umdrehte, war Ian schon direkt vor ihm zum Stehen gekommen. Die Hand, aus der noch immer kleine Blitze züngelten, die sich dennoch nicht richtig entladen wollten, glitt an die Kehle des Mannes, dessen eben noch so triumphierendes Gesicht, jegliches Anzeichen davon verlor. Die versengende Haut stank, doch Ian nahm den Geruch nicht wahr, als er Kalan fixierte, in dessen weit aufgerissenen Augen starrte. Er sah aus wie Jerome. Er war Jerome Dice. Auch als Ian auf Telos war hatte er auf den Sohn hinabgeblickt. Triumphierend. Gewinnend. Von sich selbst überzeugt. Die Vergangenheit mischte sich mit der Gegenwart. Vergangenheit und Gegenwart waren nicht mehr länger voneinander zu unterscheiden. Wie zwei Zahnräder, die ineinander übergriffen, verschmolzen die Zeiten miteinander. Wurde zu Ians Realität.
Das Kind, dass das gestorben war stellte Ian dar. Seine Kindheit. Zerstört, für immer. Es gab Dinge, die konnte man unwiderruflich vernichten. Auslöschen. Für die Ewigkeit, als hätten sie nie existiert. Das Kind war tot.

Valaras war getroffen. Und wieder war es Ian, der getroffen war, der zu Boden ging. Valaras der Versager. Ian der Versager. Er und Valaras waren eins. Zumindest in Ians Realität.
Vergessen war der Ort, an dem sie alle sich befanden. Vergessen war für diese Sekunden die Mission. Was sich jetzt entladen sollte war nicht die Wut für einen Augenblick. Es war viel mehr.
Ian hatte das Messer Valaras‘ in der Hand, die vorhin das Lichtschwert gehalten hatte.
Es durchdrang das Fleisch des anderen. Der Hals des Gegners schien das Messer geradezu zu verschlingen. Waren es Sekunden oder waren es Stunden, bis Kalan leblos auf den Boden sackte? Ian hatte kein Zeitempfinden mehr. Er kehrte erst zurück in die Realität, als er zu Valaras blickte. Der noch immer lebte. Aber es stand außer Frage, dass er dem Tod geweiht war. Der seidene Faden, an dem sein Leben noch hing, jede Faser davon riss. Langsam, aber unaufhaltsam.
Ian bückte sich zu dem Mann hinunter. Blickte ihm in die Augen. Oder blickte er sich selbst entgegen? Vorsichtig legte Ian die Hand auf die Wunde des anderen. Die bläulichen Blitze waren verschwunden.

„Es ist vorbei“, flüsterte der Apprentice leise. Der Hauch eines Lächelns zeichnete sich auf dem Gesicht von Valaras ab. Dann hörte man leise, wie das Genick brach. Nahezu behutsam schloss Ian die Augenlider des Mannes und legte ihn auf den Boden. Es hätte vielleicht den Anschein gehabt, dass er schliefe, wäre da nicht die klaffende Wunde gewesen.

Verschwinde!

Der Tod. Überall. Nun lauerte er nicht länger, sondern stürzte sich auf jeden, der nicht schnell genug war. Stürzen. Die Decke. Der ganze Komplex. Einmal schon war ein Gebäude in sich zusammengefallen. Hatte den Sith unter sich begraben. Dieses Ereignis drohte sich zu widerholen.
Doch Ian rannte. Keuchend erreichte er eine Treppe, rannte weiter. Keine Zeit sich auszuruhen. Stufe um Stufe wurde erklommen.




[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - Tempeleingang - Ian]
 
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[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - Tempeleingang - Torryn, Tier, Iouna]

Heiser und kratzig kam Iouna ihre eigene Stimme vor als sie hinter Torryn laut geschrien hatte und sie spürte auch noch später ein Brennen und Prickeln in ihrem Hals. Dreh dich nicht um, nicht umdrehen. Über Torryns Lippen huschte ein Lächeln, dann aber richtete er schon seinen strengen Blick auf die Gegner. Fünf waren sie, stellten sich ihnen direkt im Weg und hielten kristalline Speere in den Händen. Der Mann in der Mitte ließ Iouna nicht aus den Augen, grinste sie böswillig an, und zeigte mit der Speerspitze auf ihre Bauchmitte.

Iouna warf einen kurzen Blick zu Torryn, der ihr in dem selben Moment zunickte, um gleich seine Lichtpeitsche herauszuholen, sie wusste auch schon, was zu tun sei, welche Einheit sie gerade mit ihm bildete, worauf es ankam, sie waren eins, unzertrennlich, so streckte sie schnell ihre Ionenwaffe, um den Lauf auf den sie anstarrenden Speerträger zu richten. Sie konzentrierte sich auf ihre Aufgabe, ließ sich von der dunklen Seite leicht wiegen, jetzt galt es präzise zu schießen, präzise zu treffen, nicht verfehlen, nicht versagen. Sie sollte sich nicht umdrehen, sie sollte alles aber alles, aber vor allem Ian hinter sich lassen, ihn verbannen, nicht an ihn denken, ihn mental in sich einschließen, einsperren, so dass kein Ton herauskommen würde, und wenn es nicht anders ginge dann auch in einem Schrank, am besten in dem alten Holzschrank in ihrem Kopf… Aber wenn sie nun dieses quälende, mit einer bisher ungekannten Arroganz ausgesprochene, ausgedachte ‚Niemals-verzeihe-ich-dir, du Nichts, du Null’, das Ian in sie wie eine Fliege in ein Bernstein eingelassen hatte, in die Ionenpartikeln in ihrer Waffe hineindenken könnte, sie mit den Ionen verschmelzen könnte, fest einbinden, verschmelzen könnte, hinausschießen, von sich fort schießen, und dann noch wie wenn es ihr eigener Teil wäre und folgerichtig eine schmerzende Wunde hinterlassen würde, hätte sie es getan, ohne nachzudenken. Sie hatte keine Zeit mehr für eine Studie dieses ‚Niemals’, weil ihr Kopf, weil ihr Überlebenswille in ihrem Kopf und in ihrem Körper, ihre ganze Existenz in Anspruch nahm. Und so verkrampfte sie ihre Finger, eher reflexartig als bewusst an der Ionenwaffe, zielte genau in die Mitte der entsetzlichst kommenden Schmerzenschreie und drückte ab...

Als sie zur Seite blickte, aktivierte Torryn seine Lichtwaffe und rannte los. Immer noch klang in ihren Ohren das zischende Geräusch der herausgeschossenen Ionenpartikeln, fast wie eine seltsame Musik, das jämmerliche Wimmern der Sterbenden übertönend. Irgendwas stimmte aber nicht, Iouna japste nach Luft, dann aber folgte sie dem Sith, ihrem geliebten Sith, sich in ihm augenblicklich verlierend und nicht nur ihm folgte sie und in ihm sich verlor, sondern vor allem in seinem beschleunigten Atem, der geschmeidigen Bewegung seiner Gelenke mit der er den Lauf der sich wild windenden glühend heißen Schlange bewegte, also lauter ausschließlich für sie wahrnehmbarem. Der Puls pochte in ihren Schläfen, Ohren, und es war nur das aus de Kontrolle geratene, rauschende Blut. Und als ob auch er ihren Herzschlag gehört hätte, drehte er sich plötzlich zu ihr, lächelnd, und sie musste diese Mimik erwidern, anders ginge es gar nicht. Eine wortlose, eine selbstverständliche Verständigung, die sie zusätzlich zu dem aufkommenden Gefühl der Sicherheit mit unerkannter Kraft erfüllte. Nun zitterte sein Mundwinkel noch oben, sie erschauerte im Angesicht der triebhaften Lust, die sie in seinen Gesichtszügen erblickte. Im nächsten Moment übersäte Gänsehaut ihren Körper, sie spürte, wie sich die feinen Härchen auf ihren Nacken aufstellen, jedes einzelne. Und sie roch Tier, deutlich, das an der Oberfläche bereits tobte, die Zähne fletschte, und wie ein langwieriges Fieber ging Tieres Wollust, dieser tierische, ausschließliche Wille auf sie über, wie ein Rausch, der sie völlig durcheinanderbrachte, eine Hitze unter der kühlen Haut, aufspaltend, scharf wie eine Messerspitze.

Vorsichtig stellte sie die Füße zwischen den noch warmen, zuckenden Leichen und stieg über sie. Selbstvergessen. Torryn folgend. Sich Torryn wünschend. Der Geruch des Todes erfüllte sie mit einer kribbelnden Wärme. Der ganze Ort, und ganz besonders unmittelbar am Tempel, schien von einer tödlichen Böswilligkeit überzogen. Umso näher sie also dem Eingang des Tempels kamen, desto deutlicher und stärker sie die dunkle Seite spüren konnte. Ihr Blut trug sie in ihren Kreislauf bis in die Fingerspitzen, dann drang in die Zellen. Plötzlich schien auch der Gesang, dieses monotone, sich steigende Summen, vor allem aber die dunklen Töne, sie zu tragen, ihr Herz zu beschleunigen, ein wohliges Dunkel legte sich auf ihrer Stirn.

Aber sobald sich ihr Blut nach dem Kampf etwas abzukühlen begann, entstand in ihr das Gefühl, doch etwas falsch gemacht zu haben. Denn sie spürte Ian nicht mehr, sie dachte an Ian nicht mehr, nicht mal einen einzigen, jämmerlichen Gedanken an ihn verschwendet, genau das war das falsche, das unverzeihliche.
Entmutigt senkte sie den Kopf, und stieg weiter schweigend die Treppe zum Tempel. Nur wenige Schritte vor dem Eingang streifte wie ein verdorbener Atem eine beißende Kälte über ihr Gesicht. Wie ein stinkender Lufthauch aus einem dunklen Schlund floss die Macht in ihre Augen und setzte sich in dem Mund fest, brannte am Gaumen. Schreien hätte sie nicht dürfen: nicht ausgerechnet dieses: ‚dreh dich nicht um’. Sie lenkte sich ab und blickte hinab zu dem zitternden Boden. Er vibrierte genauso wie damals als sie drei, das Trio, vor der Kristallpflanze nach Morla’un flüchteten. Doch eine Pflanze hier, das war doch ganz unmöglich.

Wie Blei ihre Beine. Unter dem Aufwand ihrer ganzer Kraft schleifte sie ihre Füße über die schwarzen Steine. Die Wände aus schwarzem Kristall, verschluckten die äußeren Geräusche nahezu perfekt. So waren ihre dumpfen Schritte auch für Torryn nicht hörbar. Das gewaltige Krachen und die folgenden Schmerzensschreie, verloren sich im gedämpften Rauschen vollständig und klangen dünn und harmlos wie ein übertriebenes Bühnenspiel. Nun jetzt hätte sie Ian wirklich nicht mehr hören können. Nicht mal sicher sein können, ob das Ian geschrien hatte, oder sonst jemand, völlig unwichtig, unter diesen Umständen hätte sie Ians Stimme nicht mehr erkannt. Kalte Angst klammerte sich an ihrem Nacken. Denn ganz gleich wie laut Ian geschrien, gebrüllt hätte, hätte sie seine Stimme einfach nicht gehört, nicht wiedererkannt, sie hätte ihn ganz sicher nicht gehört, nicht vernommen, auch nicht in der Macht, er war viel zu weit, zu klein, zu unwichtig, zumindest aus dieser bizarren Tempel-Perspektive, andererseits würde er doch gar nicht schreien wollen und können, er schrie und weinte doch nie. Unendliche Reue, wo war er, wie konnte sie ihn nur verlassen, alleine lassen, was hatte sie ihm nur angetan.

Wie von einer unsichtbaren Hand angehalten blieb sie abrupt stehen und trat einen Schritt zurück, und wie leicht es ging auf einmal, so als ob sie über den Boden schweben würde. Sie verlor den Körperkontakt mit Torryn, das spürte sie und es tat ihr weh, sie hielt es jedoch aus. Dann drehte sie sich nun um. Aber sie sollte sich doch nicht umdrehen, auch das fühlte sich also falsch an, sie tat es aber, und sah, dass Ian gar nicht zu ihr hinüberschaute, stattdessen starrte er das Kind an, das er einst retten wollte. Das Kind lag vor ihm, vor seinen Füßen. Das Kind war tot. Ians Lichtschwert zitterte und sie sah genauer hin, ob Ian weinte. Aber er weinte nicht. Wie gerne hätte sie jetzt seine Tränen gesehen. Wütend schnaubte sie und beschleunigte den Schritt, dann holte Torryn auf und packte sie ihn am Arm.

„Ian hat das Kind nicht gerettet. Er hat es nicht geschafft. Das Kind ist tot.“, raunte sie heiser, triumphierend. Torryn sah sie kurz an, zuckte mit der Schulter, nahm ihre Hand in die seine und ging weiter. Beeilen sollten sie sich, das schreckliche Donnern über ihren Köpfen verwandelte sich in ein einziges, ohrenbetäubendes Tumult, alles schien in sich zusammenzustürzen.
Iouna trat auf die rissigen Steinplatten und konzentrierte sich auf ihren Geist, in den das Dunkle ungefiltert eingedrungen war. Wie hauchdünne, silberne Nadeln bohrte sich die dunkle Macht in sie, und sog aus ihr die Lebensenergie heraus. Immer noch sah sie das arme Kind vor ihrem inneren Auge, diesen schlaffen Körper des Jungen, und wie es auf dem Boden lag, unmittelbar vor Ians Füßen. Und dann wie Ian mit seinem emporgehobenen, zitternden Lichtschwert stand und wie er auf das Kind herunterschaute. Und wie er das Kind anblickte. Anstarrte. Wie er auf den Körper des von der Kristallpflanze zerschmetterten Jungen hinsah. Nichts anders hatte sie sie von Ian erwartet, das wurde ihr zum ersten Mal richtig bewusst. Niemals würde Ian ihr vergeben, niemals, was für ein hohles Wort war es in dem schaurigen Moment. Nun sollte Ian das tote Kind ansehen, so lange bis er für immer den Augenblick des Todes in Erinnerung behalten, das verzweifelte, ihn um Rettung anflehende Gesicht des Kindes, denn so fühlte es sich an, niemals würde es anders sein. Niemals sollte also Ian sein eigenes Versagen vergessen, dieser Versager, dieser mächtige Sith, oder für wen hielt sich dieser Mann, nicht mal ein kleines Kind vermochte er zu retten, und dennoch erdreiste sich dieser Sith, ihr, Iouna, dieses vernichtende ‚Niemals’ ins Gesicht zu werfen. Dazu war er noch fähig, aber ein Kleinkind zu retten, das hatte er selbstverständlich nicht geschafft. Nun aber Iouna sollte ihm damals helfen sollen, und zwar unbedingt, und zwar ausschließlich sie, sonst niemand, und wenn nötig dann sogar rückwirkend, oder besser noch, sie sollte zaubern, alles andere wäre unverzeihlich.

Langsam stieg Zorn in ihr auf. Sie presste die Kiefer gegeneinander und stampfte wütend mit den Füßen auf die Steine. In der Ferne des dunklen Ganges erblickte sie eine schwach beleuchte Stelle, die vielen in die Wände eingelassenen Fackeln leuchteten intensiver, und zeigten eindringlich auf die sich deutlich abzeichnete riesige Tafel. Es war sehr kalt.
Iouna schielte zur Seite auf die überall eingelassenen dunklen Kristalle, eine Mosaik. Steinchen. Glitzertnd, schillernd. Sie senkte den Kopf und rückte näher an Torryn, alleine um sich seiner Existenz zu vergewissern. Seiner wohltuenden, beglückenden Existenz. Auf nichts hatte sie Recht. Wie entstanden die verdammten Bilder in ihrem Kopf, diese entsetzliche Erinnerung? Wieso immer wieder und immer wieder dieses steinschwere, scheppernde ‚Niemals’ in ihrem Kopf. Warum sollte sie niemals vergessen? Auf Ian würde sie zurennen, gegen seine Brust schlagen mit der Faust, oder noch besser - mit einem langen Messer. Bis er atemlos vor ihr stehen würde, geschockt oder in der Agonie. Vor ihren Augen würde er auf die Knie sinken. Nun was hatte er mit dem Kind gemacht? Liegen gelassen hatte er es. In Stich gelassen hatte er es. Das war die einzig wahre Tatsache, unerschütterlich.

Sie blieb vor der Tafel stehen und zitterte, fror entsetzlich. Die Kälte, die von dem Sith-Kodex auf der Tafel ausging drang unter ihre Kleidung, in nur einem Bruchteil der Sekunde umfasste ihre Hüfte und kroch langsam aber unaufhaltsam unter ihre Haut. Endlich streckte Iouna ihre Hand und vorsichtig berührte mit den Fingerspitzen die wulstigen Muster, die in die Tafel eingeritzt waren, diese schlimmen Narben im Stein, diese Wunden, und las leise: ‚…zerbersten meine Ketten’, dies las sie, dann verschwamm das Bild vor ihren Augen und sie drückte die Finger kräftiger in die Rillen, um die Schrift besser zu spüren und auch sich selbst. Fröstelnde Kälte drückte verklebte ihre Kehle, sie hustete, aber statt Erleichterung stieg eine drückende Übelkeit in ihr auf. Unter ihren Fingern fühlte die Oberfläche sich auf einmal weich an, so weich wie Moos oder wie zarte menschliche Haut, Haut eines Kindes, und es sickerte etwas, das spürte sie, eine heiße, beißende Flüssigkeit über ihre Handflächen, Handgelenke bis zu ihren Ellbogen, wie Säure brannte sie und war blutrot.

Für einen Augenblick blieb ihr Herz von Schreck stehen als jemand sie an der Schulter mit einer ungewohnten Grobheit anpackte. Erschrocken wirbelte sie herum, dann schrie sie panisch auf, um vom blanken Entsetzen wie gelähmt zu erstarren. Das Gesicht, in das sie blickte war Gordons Gesicht, Gordons Gestalt. Dieses A*******ch. Ians Bruder. Seine stämmigen Finger bohrten sich schmerzhaft in ihre Schulter und er lachte spöttisch, verächtlich, aber sein Lachen klang unmenschlich, eher wie ein exzessives Gurgeln, peinlich aber überlegen.

Sie sah sich um. Nichts war wie vorher. Sie träumte. Denn sie war nicht mehr im Sith-Tempel. Sie war in einem Garten. Sie erkannte diesen Garten. Es war kalt. Eisig kalt in diesem Sommer. Die große Sonne blendete sie, nichts konnte nicht erkennen, was vor ihr lag. Gordon zerrte an ihrer Schulter als ob es nicht reichen würde, dass sie weinte, dann fixierte er sie mit beiden Händen an den Oberarmen und stellte sich eng hinter ihr hin. Sie wollte weg, sie wollte wen, doch das dürfte sie nicht, denn nicht nur Gordon befand sich im Garten, es standen alle Brüder von Ian und sie alle lachten sie aus. Dann vor einen Baum zerrte Gordon sie. Sie tauchte in dessen frostigen Schatten. Einst schützte er sie vor der Hitze, noch gestern streckte sie sich dort und in dem weichen Gras schlief ein und schön träumte. Jetzt aber lag Ian unter diesem Baum. Er schlief nicht und es war kein schöner Traum. Seine Hose war dreckig und vom roten Schlamm verschmiert, sein Oberkörper frei aber er fror nicht, schwitzte aber auch nicht. Kleine Iouna weinte, hörte nicht mehr auf, hob den Kopf zu Gordon und flehte ihn an: nein nicht, nicht… Gordon aber schüttelte sie kräftig, ihr ganzer Körper flog nur hin und her: sei ruhig, halt den Mund, sieh hin, sieh hin, und dann rempelte er sie so an, dass sie das Gleichgewicht verlor und auf die Knie fiel, dann griff er sie an ihren Flechtzöpfen, zerrte und richtete den Kopf, ihren Blick auf Ian.
Ian sah sie aber nicht, er spürte sie nicht, er zitterte nur, nur hob sich sein Brustkorb und sank wieder in einem gleichmäßigen Rhythmus, nur bedeckte er seinen Kopf mit den dünnen, dreckigen Ärmchen, während Halven seine Hosenbeine hochkrempelte, seine Beinchen gerade richtete. Ians kleine Füße waren genauso schwarz und dreckig wie der ganze Ian, dachte das Kind Iouna und würde Ian am liebsten gleich in die Wanne stecken. Sie sah zu, wie zärtlich Halven seine Knöchel anfasste. Dann sah sie eine Kordel, die er in seiner Hand hielt und mit der er Ian Füße zusammenband. Das Kind Iouna schüttelte sich, wand sich in Gordons Umarmung, aber er war stets stärker, noch stärker als James und Halven und Jerome. Dann drehte sie die Augen nach oben, aber im Augenwinkel flimmerten immer noch die schrecklichen Bilder von seinem warmen, gezeichneten Rücken, butterweiche tiefe Spuren, so entsetzlich warm und tief, die einzige Wärme, die sie glaubte zu kennen. Halven zurrte die Kordel fest zu, Ians Füße verfärbten sich im nu blau, Zufriedenheit malte sich in Halvens widerlichen Gesichtzügen und auch er musste einen Blick zu Iouna werfen. Übelkeit ergriff das kleine Kind, sie streckte die Hände zu Ian, aber ihr Mund blieb stumm, wie erdrosselt. Das andere Ende der Kordel wickelte Halven um seine Faust.

Dann rannte das Kind Iouna, verstummt jetzt und für immer, lief bis die Gruppe der Peiniger, Ians Peiniger, immer kleiner wurde, bis sie nichts mehr hörte. Reiß dich zusammen Kind, raunte Ian Mutter sie an, Iouna schrie vor Schmerzen, den seelischen, und ihre Fäuste verkrampften und bebten. Ians Mutter packte ihre Hände und riss mit Gewalt ihre Fäustchen auf, und schüttelte sie angewidert und stöhnend, denn und um sie herum fielen kleine blutigen Steinchen auf den Boden, und zwar auf den weichen persischen Teppich des Hauses Dickes, den saubersten, makellosen, und sie fielen leise und versanken darin und glitzerten noch länger.

Am ganzen Körper zitternd riss Iouna die Hände von der Tafel und blickte auf die blau angelaufenen Handflächen. Blut und Frostbeulen breiteten sich auf ihren Armen und sie fühlte, wie sie innerlich erfriert, wie sie stirbt und dann auch noch sterben will, damit das alles ein für allemal aufhört. Für Ian, wegen Ian, was denn sonst. Nun überzog die rhythmisch pochende Dunkelheit ihr Blickfeld, ihr Herz verlangsamte sich, kam endlich zum Stillstand, es wurde ganz still um sie. Sterben. Nicht doch, doch, jetzt, egal. Sie sank zu Boden, Torryn griff sie aber noch rechtzeitig und hob sie hoch. Dann spürte sie wie er sie trug, wie er sie wiegelte, wog, schaukelte, sanft, einzigartig, sie hörte seinen Herzschlag, sie lebte also doch noch, sie atmete und das ohne Ian und ohne jemals Ian gerettet zu haben. Als sie ihr Gesicht gegen Torryns Brust drückte, erwachte in ihr ein keimendes Gefühl und eine Gewissheit, dass diese Empfindung, die sie mit ihm verband, sie am Leben erhalten würde. Und dass sie gar nicht sterben wollte. Nicht so und nicht in Torryns Armen, sie versuchte zu atmen, es gelang ihr aber nicht, denn ihre Zähne klapperten vor Kälte, erfroren war ihr Körper und dann immer noch als Torryn sie irgendwo an einer der eisigen Wand hinlegte.

[Ryloth - Nachtseite - Morla’un - vor dem Labor - Torryn, Tier, Iouna]
 
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[Ryloth – Nachtseite – Morla’un – unterirdisches Labor – Torryn, Tier, Iouna ]


Sie waren zum Tempel gerannt, ungehindert und mit dem sicheren Gefühl, dass hinter ihnen eine vernichtende Apokalypse tobte. Die Geräuschkulisse, der unsägliche Schall einer Auslöschung, der seinen Weg in ihren Kopf fand, trieb sie nur weiter an, eine trügerische Sicherheit in den steineren Mauern des Sith-Tempels zu suchen. Als sie den Aufgang erreichten, sahen sie steinerne Säulen mit eingefassten Kristallsplittern, auf denen sich fragmentarisch die grauenvollen Szenen am Zeremonienbecken wiederspiegelten. Erschreckende Lichtreflexe, des Untergangs. Sie rannten weiter.

Keuchend und außer Atem betraten sie die große Halle des Tempels. Kühle Luft schlug ihnen entgegen. Der Luftzug ging nach innen. Während Iouna auf eine große Steinplatte zuging, schaute sich Torryn genauer um.
Es gab zwar Licht, aber das Licht war anders, durchzogen von dem schwarzen Schattenspiel, das die Kristalle erzeugten, laufend im Wandel. Als Lichtquellen dienten eine Art Fackeln, deren Konstruktion Torryn so noch nie gesehen hatte. Lebende Fackeln? In einer zylindrischen Einfassung saß ein schwarzer Kristallsplitter. Die zylindrische Röhre wirkte wie der Schlot eines Kamins, deren Spitze der Kristall bildete, ähnlich wie beim Becken, hatte es für Torryn den Anschein. Am unteren Ende hing eine kleine Feuerschale, deren Flammen in die Röhre züngelten und den Kristallsplitter befeuerten, so dass er begann zu glühen, zu leben, aber nicht wachsen konnte, weil ihm die Substanz fehlte. Organisches Material. Fleisch.
Torryn hatte aufgehört die Fackeln zu zählen, aber ihre Anzahl reichte aus, um die Halle in einen dunklen Lichtschleier zu hüllen.
Die Steintafel. Iouna stand vor ihr und blickte dann zu ihm. Sie sagte etwas über das Kind, das Meister Ian retten wollte und nicht getan hatte. Merkwürdigerweise berührte Torryn diese Aussage. Kinder? Immer wieder Kinder. Die Schwächsten der Schwachen. Sein Meister reagierte immer bei Kindern besonders heftig. Verschonen sollten sie die Kinder auf Telos. Torryns Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Er war auch mal ein Kind gewesen. Schwach. Niemand hatte sich um ihn gekümmert. Niemand wollte ihn retten. Niemand, außer Tier.
Mit einem Kopfschütteln versuchte Torryn die dunklen Gedanken zu vertreiben und versuchte sich auf Iouna zu konzentrieren, die vor der Steintafel stand. Sie stand schon sehr lange dort. Einem Impuls folgend, ging er näher zu ihr. Da stimmte etwas nicht, denn wie gelähmt stand Iouna vor der Steintafel.
Ihre Hände ruhten auf den dunklen Symbolen. Was geschah hier? Er berührte sie an der Schulter. Kälte. Sie war so fürchterlich kalt. Die Kälte begann durch Torryns Fingerspitzen zu kriechen, wie eine hungrige Made, die sich in ihren Wirt hineinfraß, um ihn zu schwächen und um ihn auszuhöhlen, seinen Körper, seinen Geist. Schleichender Tod. Emotionaler To
d.


***
Ich hatte die Kontrolle übernommen. Ich war nun allein. Er war weg. Das hatte ich noch nie gemacht und ich spürte auch, dass ich mich selbst vernichten würde, wenn ich diesen Zustand zu lange aufrechterhielt. Ich hatte sein Bewusstsein wegedrückt. Sein Teil von mir musste ausharren, denn er war nicht mehr Herr der Lage gewesen. Sie auch nicht. Sie war kurz davor zu sterben. Innerlich zu erfrieren. Seine Sorge um sie hatte den gleichen Effekt. Wenn sie gemeinsam sterben wollten, dann nicht hier. Es blieb mir keine Wahl. Merkwürdig. Eigentlich hätte ich nun alles tun können, aber unsere Existenzen waren verbunden. Ich konnte zwar nicht sterben, aber ich war er und er damit meine Hülle, mein Körper, meine Verbindung nach draußen. Es galt diese zu erhalten und damit auch mich. Sie, Iouna, war der Grund, dass wir uns verändert hatten, neue Kräfte gefunden hatten. Anders. Neu. Aber nicht weniger kraftvoll, als das, was Dunkel versprach, dessen Manifestation ich war. Ich war mir immer noch nich sicher, wie ich den größten Nutzen aus dieser Erfahrung ziehen konnte. Ich handelte intuitiv in diesem Moment. Ich ließ den Sog auf mich wirken, das Zehren an dem, was die dunkle Seite war. Als ich das letzte Zeichen berührt hatte, schwang die Steinplatte zur Seite und öffnete den Weg zu einer in den Stein gehauenen Treppe, die nach unten führte. Ich nahm sie behutsam vom Boden hoch. Ihr Körper war schlaff und kalt. Kaum noch Leben. Ich hörte seinen verzweifelten Schrei tief in mir. So ging ich zu der Treppe und ließ ihn gewähren, sich wieder in unser Bewusstsein zu drängen. Er war gestärkt und ich geschwächt. Der Handel.
***


„Du hast uns gerettet.“
„Ja, mich auch.“
„Habe ich versagt? Ich kann mich nicht erinnern.“
„Ja und Nein. Du hast etwas gelernt.“
„Aber du hast mich fast vernichtet. Ich hatte das Gefühl mich aufzulösen.“
„Es musste sein. Du warst so nicht mehr zu retten. Du wärst fast mit ihr zusammen vergangen. Ich musste handeln. Ich bin dein Überlebensinstinkt.“
„Wie geht es ihr?“
„Nicht gut. Das wirst selbst herausfinden müssen, was zu tun ist. Ich muss mich zurückziehen. Ich brauche Ruhe. Auf euch beide aufzupassen, ist anders, als ich es mir vorgestellt habe.“
„Du bist gütig zu uns. Das ist seltsam.“
„Nein. Das ist purer Selbsterhalt.“

Torryn trug Iouna die Stufen herunter. Er konnte sich nicht einmal erinnern, was genau passiert war. Nur die Steintafel hatte damit zu tun, denn der Gedanke an sie, bewirkte einen kalten Schauer, der ihn nicht nur körperlich berührte, sondern auch mental. Kalt, wie Iouna, die er trug. Tier hatte gesagt, dass er herausfinden müsse, was zu tun sei, um ihr zu helfen. Wo sollte er bloß anfangen? Das Labor? Das Labor war bestimmt dort unten und damit nicht nur das „Glitteryll“, sondern auch die Möglichkeit medizinische Versorgungsinstrumente zu finden. Ein hilfreicher Gedanke zwar, aber Torryn wusste auch, dass die Möglichkeit bestand, dass er in einem Labor von Kalan auch andere Dinge, vorfinden könnte, deren alleinige Existenz schon krank wären.

Viele Stufen führte die Treppe herunter. Interessanterweise waren hier Lichtquellen verbaut worden, die künstlichen Ursprungs waren. Wenige zwar, aber ausreichend, um einen Weg zu finden.
Er gelangte an das Ende der Treppe, die in eine T-Kreuzung mündete. Torryn verließ die Treppe. In dem Gang, der sich in zwei Richtungen verzweigte, waren auch die künstlichen, kleinen Lichtquellen angebracht worden, die den Eindruck einer Lichterkette vermittelten und dadurch etwas, was an diesem verfluchten Ort absolut Fehl am Platze war. Eine spießige Gemütlichkeit. Etwas, das Torryn überhaupt nicht ertragen konnte. Die Bitterkeit über sein Versagen war noch sehr präsent. Er musste sich beherrschen. Und dann war da doch Iouna, die er trug. Diejenige, die ein Teil von ihm war. Aus diesem Grund würde ihn der plötzliche Verlust besonders schwer treffen, wenn nicht sogar töten, wenn er keinen Weg fand, ihr aus dieser Starre zu helfen. Genau das, hatte Tier erkannt.

Welche Abzweigung sollte er nun nehmen? Torryn entschied sich für den Gangabschnitt an dessen Ende eine Stahltür zu erkennen war. Andere Sinne. Der Eindruck einer allgegenwärtigen Gefahr entstand, die hinter der Tür lauerte. Da wollte er hin? Mit ihr? Torryn spähte in die andere Richtung. Von dort kommend fühlte er nichts. Sanft lehnte er Iouna gegen die Steinwand. So hatten sie keine Chance. Er setzte sich neben sie und legte seine Hände vor das Gesicht. Aussichtlos.
Torryn spürte wie ihr Kopf nun auf seiner Schulter ruhte. Ihr Atem war schwach, aber da. Ihr Atem. Sein Atem. Sie lebten. Er drehte sich zu ihr und küsste sie. Anders. Nicht leidenschaftlich. Nicht triebhaft. Seine Lippen berührten die ihrigen, die noch immer den bläulichen Schimmer der Kälte trugen. Das Gefühl der Kälte kam wieder und er ließ es zu. Torryn hatte plötzlich das Gefühl, als würde er ihre Kälte in sich aufnehmen, sie bekämpfen, sie verbannen, damit der Hauch des Lebens wieder von ihr Besitz ergreifen konnte. Ihr Mund öffnete sich und der Kuss wurde intensiver. Das, was er von ihr genommen hatte, strömte nun wieder zurück, warm, heilsam. Ihr Körper zitterte nicht mehr vor Kälte, sondern weil er sich aufbäumte, weil er kämpfte. Als er in ihre Augen sah, die ihn überrascht und fassungslos ansahen, drehte er sich weg.
Torryn würgte und schaffte es gerade noch, seinen Kopf so weit wegzudrehen, dass sich das Erbrochene von ihm nur auf dem steinernen Boden verteilte. Ihm war übel. Aber er hatte nicht versagt. Er hatte das getan, was Tier meinte, den Weg gefunden, um ihr zu helfen. Das innere Gleichgewicht war wieder da.


Langsam und schwerfällig richtete sich Torryn wieder auf. Er war geschwächt. Heilung? Hatte er es wieder getan? Iouna schaute ihn eindringlich an, als er sprach.


„Es geht schon. Wir müssen da rein. Ich vermute, dass wir dort das Glitteryll finden werden.“

Nachdem er geendet hatte, fühlte ser ich nicht mehr so schwach, wie vor wenigen Augenblicken. Es war ihr Blick. Ein Blick, der tief in ihn hineinging und etwas bewegte, ihn stärkte. Iouna antwortete nicht, sondern ging mit der geschulterten DEMP-2 zur Stahltür. Was war mit ihr passiert? Hatte er etwas getan, was sich nachhaltig auf sie ausgewirkt hatte, in ihr eine Stärke geweckt hatte, die sich selbst auf ihn übertrug?

***
Ich spürte sie und es war anders. Sie hatte keine Angst. Sie war nicht besorgt. Sie tat etwas anderes in ihm mit ihm, mit uns. Ich glitt in sein Bewusstsein, um zu erfahren, um zu erleben, was geschah. Er hatte tatsächlich den Weg gefunden, ihr zu helfen und sie dankte es ihm auf eine Art und Weise, die mir, die uns völlig fremd war. Es war nur ein Blick. Nur ihr Blick. Dieser Blick war das Vehikel für etwas, das ihm Kraft gab und mir merkwürdig erschien. Eine Emotion, die ich so nicht erwartet hatte und die er nicht einordnen konnte. Aber, was ihm gut tat, tat auch mir gut. Hier geschahen neue Dinge. Seltsame Dinge. Entwicklung.
***


Es entstand in Torryn der tiefe Eindruck, dass sich die Lage zum Positiven verändert hatte, denn die Düsternis, die ihn befallen hatte, war durchzogen von hellen Lichtstreifen, die Iouna in ihm ausgelöst hatte. Torryn fühlte zusätzlich eine Wärme in sich, die dabei war, sich zu einem Feuer zu entwickeln. Er ballte die linke Hand zur Faust. Er musste funktionieren. Sie mussten funktionieren, damit sie die Aufgabe zum Abschluss bringen konnten. Keine weitere Schwäche.
Sie mussten ihren Weg fortsetzen, während offensichtlich der ganze Komplex dabei war, seine Struktur zu verlieren. Fühlbare Erschütterungen waren Anzeichen für ein Inferno der Verwüstung, das in dem Höhlenkomplex tobte. Keine Zeit.
Torryn nahm die Lichtpeitsche aus seinem Gürtel. Bevor sie weiter gingen, aktivierte er den stabilisierten Modus, so dass sich die Faser auf einer Länge von 80 Zentimetern fixierte. Erst dann baute sich das heiße, rot leuchtende Plasma innerhalb dieses Feldes auf. Torryn senkte die entstandene Lichtwaffe etwas herunter. Und deutete auf den Entriegelungsmechanismus, der seitlich an der Tür angebracht worden war. Iouna nickte und ging herüber zu einem einfachen Tastenfeld. Torryn zog das Katar mit der linken Hand. Am Tastenfeld angekommen, schien Iouna nur kurz die einzelnen Tasten überblicken zu müssen, um deren Funktion zu verstehen. Sie drückte mehrere Tasten.

Knirschend schob sich die Stahltür zur Seite. Im gleichen Augenblick gingen innerhalb des Raumes verschiedene Lichtquellen an, die ein klinisch wirkendes Umgebungslicht erzeugten.
Torryn war kampfbereit. Iouna stellte sich neben ihn. Vorsichtig betraten sie den Raum.
Der Boden war gekachelt, wie auf einer Krankenstation. Links und rechts vor der Tür waren verschiedene Zellen in der Wand eingelassen worden, die mit grünlich schimmernden Energiefeldern gesichert worden waren, die die Sicht in die Zellen verwehrten.
Ein Energiefeld unterschied sich von den anderen. Bläulich schimmernd. Transparent. Es umhüllte einen Körper. Torryn erkannte darin ein Stasisfeld, ein Feld, das den Zellverfall unterband, um das Leben von Sterbenden auf unbestimmte Zeit zu verlängern, denn der schwarz berobte, hagere Mann, der regunglos hinter der künstlichen Abschirmung vor der Endgültigkeit der Zeit stand, war ein starkes Indiz dafür.

Zentral stand ein großer Metalltisch in dem eine Tastatur und ein Display eingelassen worden waren. Vor dem Tisch stand ein einfacher, metallener Stuhl. Erst jetzt wurde Torryn auf den Geruch aufmerksam. Süßlich, verdorben, abstoßend. Der Geruch von Ryll und Tod vermischten sich. Sie gingen weiter hinein und hörten das monotone Summen der undurchdringlich, wabernden Energiefelder.
Das grelle Licht konzentrierte sich auf einen Abschnitt des Tisches, der Torryn an die Krankenstation erinnerte, wo er sich nach der Sache mit den Trandoshanern auskurieren musste. Verschiedene, dünne Teleskoparme, an deren Enden mechanische Fortsätze angebracht waren. Wie eine Krake, die ihre Tentakel benutzte, um ihre Opfer zu halten und zu zerquetschen. Nur, dass diese Tentakel bewehrt waren mit kleinen Sägen, Klingen, Pulslasern. Was auch immer auf diesem Operationstisch geschah, hatte sicher keinen heilenden Effekt, denn die Rückstände von getrocknetem Blut und anderen verschmierten Rückständen waren deutlich erkennbar. Es waren getrockenete Exkremente.
Torryn drehte sich angewidert weg.
Er ging zu dem Display, um sich von diesem Ekel abzulenken, steckte seine Waffen weg und setzte sich. Der Computer wurde aktiv. Verschiedene Symbole und Diagramme begannen sich auf dem Display abzuwechseln. Ein Diagramm war offensichtlich mit dem Status der Person verbunden, die in dem Stasisfeld stand. Corvan. Das dort, innerhalb des Stasisfeldes war also Corvan, der wahnsinnige Sith, der diese reale Perversion einer isolierten Welt geschaffen hatte. Abschalten. Aber wie?
Iouna kam zu ihm, nickend. Sie schien etwas gefunden zu haben und legte die DEMP-2 neben dem Computer ab. Bevor er reagierte, hatte sie sich auf seinen rechten Oberschenkel gesetzt. Wie selbstverständlich. Sie war so leicht und wirkte so zerbrechlich, aber ihre Stärke, ihre Kraft, ihr Wille waren deutlich spürbar. Iounas schlanke Finger bewegten sich mit einer anmutigen Schnelligkeit über die Tastatur. Torryn war beeindruckt. Sie schien zu wissen, was zu tun war. Nicht nur das beeindruckte ihn, sondern auch die Wärme, die sie erzeugte. Tier begann sich zu regen. Sein Oberschenkel wurde von ihren umschlossen und während sie arbeitete, wurde die Wärme immer größer. Sie lehnte sich etwas nach vorne und schien sich nicht ablenken zu lassen. Konzentriert.
Diese Bewegung, diese Reibung, die sie erzeugte. Torryn spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und seine Atmung schneller wurde. Er agierte, egal, ob sie in einer so kranken Umgebung waren, wie dieses Labor. Der Ort war volkommen egal. Leidenschaft. Tier begann diese wachsende Leidenschaft, dieses Feuer weiter anheizen zu wollen. Torryn fühlte seine Präsenz und ließ sich einfach treiben. Nicht mehr gesteuert von Rationalität, begann sein Oberschenkel Druck auf ihr Zentrum auszuüben. Iouna zuckte zusammen, um dann die reibende Bewegung ihres Körpers langsam und intensiver zu forcieren. Fordernd. Sie tippte zwar noch weiter, aber sie zitterte. Hitze.
Ihrer beider Atmung war nun im Einklang und deutlich hörbar. Sie lehnte sich zurück und drückte ihren Rücken an seine Brust. Ihre Hände ruhten immer noch auf dem Tastenfeld, als sie ihren Kopf seitlich drehte, so dass Torryn sie küssen konnte. Leidenschaftlich. Vertraut. Selbstverständlich.
Ihre Hände suchten nun Halt, um sich besser abstützen und um sich ihm weiter nähern zu können. Seine Hände hingegen umschlossen fest ihre Taille, bevor sie ihre unteren Rippenbögen erreichten, um sich dann weiter ihrer Brust zu nähern. Torryn fühlte die Schweißperlen auf seiner Stirn und wie Tier die Reize wahrnahm, für sich interpretierte und das Blut dort hinlenkte, wo es in diesem Moment gebraucht wurde. Torryn ließ es geschehen, wieder die Kontrolle zu verlieren. Wollte er in diesem Moment Kontrolle? Nein. Alles vermischte sich. Sinneseindrücke. Emotionen. Sie vermischten sich, wurden eins. Eine ganz andere Ebene entstand. Die Zeit schien still zu stehen, wie in dem Stasisfeld, das vor dem Verfall schützen sollte, als Torryn und Iouna einen kurzen Moment verharrten und als ob sie es nicht begreifen konnten, was mit ihnen geschah.


***
Ich genoss es, was passierte und zog meine eigene Kraft aus diesem Moment. Meine Kraft beruhte nicht nur auf Zerstörung, nicht nur auf Qual, nicht nur auf Grausamkeit. Starke Emotionen trieben mich ebenso an, genau wie ihn. Und hier waren starke Emotionen, die ich auskostete und die mich auch verwirrten.
***


Ein Alarm schrillte los. Der Traum war vorbei. Die Energiefelder schalteten sich ab. Iounas Hand zuckte vom Tastenfeld weg. Aus der Mitte des Operationstisches fuhr ein kleines Regal hoch, in dem sich transparente, zylindrische Objekte befanden, die mit einem metallenen Verschluss versehen waren. Das Glitteryll. Die Spinnen. Der Tod.
Kreischend brachen die Spinnen aus ihren Zellen. Ein durchdringendes Heulen entstand, das in dem kleinen Raum, zu einem fürchterlichen Echo anschwoll. Der berobte Mann stand weiter regungslos an der Stelle, wo sich das Stasisfeld befunden hatte. Iouna sprang auf und Torryn stieß den Stuhl weg. Warum jetzt?
Sie nahm die DEMP-2 und drückte einfach ab. Als sie das tat, riss Torryn sie fast im gleichen Moment unter den Tisch. Das dumpfe Geräusch und der Donner, der an ein Gewitter erinnerte, entluden die tödliche Ionenenergie. Die Blitze krochen über den Boden und züngelten über das Metall des Tisches, den Torryn für Iouna und sich als Schutz ausgewählt hatte. Das Kreischen der Spinnen wurde zu einem qualvollen Stöhnen, das an das Stöhnen eines Menschen erinnerte, der seinen letzten Atemzug tat und erstarb. Stille.
Nur ferne Erschütterungen waren spürbar. Die Luft roch merkwürdig nach Ozon und Verwesung. Sie krochen beide unter dem Tisch hervor und schauten auf das unheilvolle Gemälde von Verwüstung und Vernichtung, das die Ionenwaffe angerichtet hatte.
Vier dieser Spinnenmonster lagen, zuckend und qualmend auf dem Rücken. Aus einigen dieser seltsamen Zellen hingen mehrere Körper, verdreht, verstümmelt, verwest. Der Geruch wurde beißend und ekelhaft. Torryn hustete.
Corvans Hülle stand dort immer noch, aber ohne Gesicht. Wo einst ein Gesicht war, starrten ihn leere, blutige Augenhöhlen an. Dort, wo eine Nase oder einer Mund gewesen waren, troff blutiger Schleim, der sich in langen, fadenziehenden Tropfen den Weg zum Boden bahnte. Ein ganzer Pfuhl aus flüssigem, blutigem Fleisch hatte sich unter dieser grässlichen Karikatur eines menschlichen Wesens gebildet. Unwirklich. Alptraumhaft.
Beide standen sie fassungslos in diesem realen Grauen. Die Spinnen hatten aufgehört, zu zucken und rührten sich nicht mehr. Seinen Geruchssinn konnte Torryn nicht einfach abstellen, so drang immer mehr von dem schrecklichen Gestank in seine Nase. Würgreiz. Mehr taumelnd, als gehend, erreichte er das Gestell, das die zylindrischen Container enthielt. Jedenfalls ließen sich die Zylinder problemlos entfernen. Sechs konnte er sichern. Zwei waren mit einem weißlichen Pulver gefüllt und vier mit einer weißlichen Flüssigkeit. Iouna war bereits aus dem Raum gegangen. Er hörte sie vor der Tür laut atmen, nach frischer Luft ringen.
Er rannte heraus und kurz nachdem er die Tür passiert hatte, schob sie sich wieder zu und der verderbliche Luftzug blieb in dem Labor zurück.
Beide waren sie blass geworden von den scheusslichen Eindrücken, die sie im Labor überwältigt hatten, aber beide formten sie auch ein Lächeln auf ihre Gesichter, denn da war noch was anderes gewesen. Sie hatten es geschafft. Erst jetzt war Zeit, an die Flucht zu denken. Der Hangar.
 
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[Ryloth – Nachtseite – Morla’un – unterirdisches Labor – Ian ]


Verschwinde.

Ein so einfaches Wort, dass die Stimme so daher sagte. Als wäre nichts leichter als das. Fliehen, wegrennen, laufen. Alles Worte, mit denen man das eine ersetzen konnte. Zumindest, wenn es darum ging aus einem Raum zu verschwinden. Aber wie sah es mit anderen Dingen aus? Wie mit Gefühlen? Gefühle verschwanden nicht. Liefen nicht weg. Sie waren da. Immer. Vielleicht nicht allgegenwärtig, aber sie verschwanden nicht, man konnte ihnen nicht entfliehen, sich nicht vor ihnen flüchten. Gefühle. Man war dazu in der Lage sie zu verdrängen, aber vergessen konnte man sie nicht. Tobten sie nicht im Inneren, lagen sie verborgen in einem, zehrten langsam, aber stätig am Inneren. Zerfraßen. Kamen irgendwann mit schier unermesslicher Kraft an die Oberfläche. Ungezügelte Gefühle, verdrängte Gefühle. Wie eine Bestie. Lauernd, wartend empor zu steigen.
Ians eigene Gefühle waren auf der Lauer. Der Apprentice wusste es. Der Apprentice spürte es. Wieder hatte sich ein bekanntes Gefühl in ihn geschlichen. Als er rannte und keuchte und kein Geräusch wahrnahm, so spürte er doch, dass sich etwas in ihm festsetze. Wiederholt. Als wäre er in der Lage ins ich zu sehen. Als wäre ein Gefühl, ein Empfinden ein greifbares Objekt. Er sah förmlich, wie es sich in ihm einnistete. Tief in einen Bereich seines Herzens, in einen Bereich seines Gehirns. Bereiche, die er nicht erreichen konnte. Nicht willentlich. Versagen. Wieder war es Versagen. Wieder hatte er versagt. Wieder und wieder versagte er. Wieder und wieder würde er versagen. Das Wort nagte an ihm, verband sich mit dem Wort Verschwinden, wurde zu einem einzigen begriff, der für jeden Außenstehenden wahrscheinlich keinen Sinn ergeben würde, für ihn, für Ian aber so bedeutungsschwer und erdrückend war, wie die herabfallende Decke. Er hatte versagt, denn das Kind war tot. Noch bevor Ian es hatte retten können war das Leben aus dem Kind gewichen. So langsam und doch noch zu schnell. Zu schnell für Ian. Er war zu langsam. Wieder war ihm etwas entglitten, wieder rann Sand durch seine Hände. Wieder war da etwas gewesen, dass er nicht hatte aufhalten können. Wieder.

Es waren die falschen Gedanken die ihn peinigten. Die Anstrengung des Rennes brachte ihn zum Keuchen, doch das Bewusstsein, das Wissen darüber, dass er versagt hatte, wieder, abermals, brachte ihm Schmerz. Die Seite Schmerzte. Pochend. Stechend. Mit der Anstrengung des Rennes ein unerträgliches Gefühl. Was konnte ein Herz aushalten? Warum schlug es noch? Was trieb es weiter an? So oft hatte Ian gespürt, wie es brach. So oft hatte er gespürt, wie jemand glühende Pfeile genommen und es durchstoßen hatte. Doch es schlug weiter, unaufhörlich. Die zerstörten Stellen, und sie mussten zerstört sein, hatten ein anderes Gewebe gebildet. Ein narbiges, so wie Ians Rücken. Wahrscheinlich bestand sein Herz nur noch aus einem wulstigen Gewebe. Vielleicht waren es die Narben, die gegen seine Rippen drückten, die gegen seine Rippen schrammten. Vielleicht war das der Schmerz. Wann endlich würde er Herr über all dies werden? Warum ließ er sich jedes Mal von seinen Gefühlen niederreisen? War es nicht besser zu akzeptieren? Anzuerkennen, dass er Grenzen hatte?
Doch es war dem Apprentice nicht möglich diese Schwäche zuzulassen. Das ihm ständig Dinge entglitten war keine Schwäche. Dass es ihm nie gelang etwas zu halten war keine Schwäche. Es war Bestandteil seines Lebens geworden. Es machte jeden errungenen Erfolg zunichte. Diese Schwachheit hatte von ihm Besitz ergriffen und ein jedes Mal wurde er erneut damit konfrontiert. Gegner konnte man vernichten. Aber mit sich selbst musste man leben, sich selbst oder Teile von sich, dieser Teil, Teile davon waren nicht zu zerstören. Was also sollte er tun? Er konnte nicht akzeptieren. Er kämpfte, aber er unterlag. Schon wieder. Das Kind war tot.
Ian blieb nichts anderes übrig, als einen Moment auszuharren. Er lehnte sich gegen die kalte Wand, die sich so anfühlte, wie sein Herz sich zuweilen angefühlt hatte. Doch jetzt brannte es. Das Gesicht, vom Schmerz verzerrt stand er kurz gegen die Wand gelehnt da, drückte die Hand auf die Seite, doch der Schmerz verschwand nicht. Er spürte den Herzschlag, den dumpfen Rhythmus und er hörte die mahnenden Worte, die anklagenden Worte: Ver - sa – ger. Verbunden mit dem Rhythmus brannte sich das Wort in sein Gedächtnis, hallte in seinen Ohren wieder.

Verschwinde!

Beinahe hätte er diese Stimme überhört, war es doch eine andere, die sie nahezu übertönte. Noch immer, die Hand fest auf die Seite gedrückt, rannte der Apprentice weiter. Die Macht beschleunigte seine Beine, nicht aber heilte sie seinen Schmerz. Und während das Wort stetig in seinem inneren wiederhallte, nahm er etwas anderes wahr. 'Ian hat das Kind nicht gerettet. Er hat es nicht geschafft. Das Kind ist tot.' Als würde jemand deutlich zu ihm sprechen. Als würde man ihm es entgegen schleudern. Mitten ins Angesicht. Die Stimme klang heißer, triumphierend und der Sith erkannte sie sofort. Doch es machte keinen Sinn, denn die Präsenz Iounas war hier nicht auszumachen. Sie war nicht hier. Nicht hier oben, nicht sichtbar. Zorn hätte in dem Sith aufflammen müssen. Aber Zorn wollte nicht entstehen. Etwas andres entstand. Etwas, dass ihn nicht belebte, sondern seinen Schmerz vergrößerte, verschlimmerte, intensivierte. Erkenntnis? Stimme das, was Iouna von ihm dachte, dass was er selbst von sich dache, dass, was alle von ihm zu denken schienen? Resignation machte sich wiedererwartend nicht in dem Apprentice breit. Stattdessen ein Begriff. Ein Wort kam ihm in den Sinn. Gliteryll. Dieser Gedanke war abscheulich. Er war verwerflich und zugleich so verführerisch. Vergessen. Menschen und andere Spezies tranken um für den Moment zu vergessen. Ian wollte auch vergessen, nicht mehr an das Versagen erinnert werden. Aber welchen Sinn hätte es gemacht? Als könne ausgerechnet in einer Droge die Antwort, die Lösung liegen. Versagen begleiteten ihn. Wie viel Gliteryll also sollte er nehmen? Wie oft sollte er es nehmen? Wie konnte man etwas vergessen, was stätig mit einem verbunden war? Es wäre töricht an diesem Gedanken fest zu halten. Es war töricht diese Lösung, überhaupt in Erwägung zu ziehen. Noch törichter war es, diesen Weg überhaupt als Lösung zu bezeichnen. Er war keine Lösung, würde niemals eine darstellen. Nicht jetzt. Zu keiner Zeit. Niemals.

Als Ian die letzte Treppenstufe erreichte klebte ihm das Haar am Kopf. Die Kleidung klebte an seinem Körper. Nur am Rücken nicht. Wie auch? Da wo zerstörtes Gewebe war, waren keine Schweißdrüsen mehr. Ein Raum lag vor ihm und aus ihm heraus drang ein bestialischer Gestank. Der Apprentice spürte, wie der Würgereflex einsetzte. Verwesung. Der Geruch des Todes. Je näher er diesem Raum kam, desto intensiver wurde der Geruch. Es schauderte ihn, als er die Türe öffnete und ein Schwall , eine Wolke des Gestanks ihm entgegen kam. Automatisch hielt der Sith die Luft an, zog sich den Mantel um den Kopf, um die Nase. Aber er war gerannt, er hatte kaum Luft in den Lungen. Für drei Sekunden gelang es ihm der Atmung zu wiederstehen, dann hob und senkte sich sein Brustkorb so schnell, so automatisch, als sei er nicht Herr über sich. Seine Lungen lechzten nach Luft, er sog sie ein und mit ihr den Gestank. Viel zu tief inhalierte er. Der Würgereiz war nicht länger zu unterdrücken. Abermals musste der Apprentice innehalten. Er spie auf den Boden und wünschte sich gleichzeitig, er hätte dabei die Augen verschlossen. Was er da sah, was er da ausmachte, war nicht minder ekelhafter als der Geruch. Er war ein Sith, der Tod begleitete ihn und er selbst brachte den Tod. Aber was er hier sah, was er hier noch als Gesicht erkannte, obwohl es verstümmelt war, lag weit über seiner Vorstellungskraft. Ein abartiges Bild. Blut. Gestank. Keine Faszination ging davon aus. Nur Ekel und wieder der Würgereflex.

Verschwinde!

Nein, nicht länger atmen, nicht länger hinsehen. Verschwinden war das einzige Stichwort. Wieder setzet der Apprentice seine Muskeln in Bewegung und jetzt flüchtete er nicht allein vor dem Zerfall, sondern vor dem Gestank und vor dem, was er gesehen, was sich jedoch längst schon in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.
Dann endlich: der Hangar lag vor ihm. Dunkel, düster. Ein seltsamer Nebel in der Luft. Unheimlich. Aber doch besser als alles, was er eben gesehen hatte. Nahezu gierig sog Ian die Luft ein. Aber es war keine Zeit denn der ohrenbetäubende Lärm des in sich zusammenstürzenden Gebäudes war zu hören. Ian nahm zwei Präsenzen wahr und musste sich nicht vergewissern, er wusste, um wen es sich handelte. Torryn. Iouna. Und etwas begleitete sie. Etwas umgab sie, so wie der Nebel den Hangar umgab, den Hangar erfüllte. War das ein Lächeln, das er auf ihren Gesichtern ausmachte? Ein Lächeln auf ihren Lippen? Es spielte keine Rolle was es war, zumindest nicht für diesen Moment.
Drei Schiffe standen im Hangar. Jedes wurde für den Bruchteil weniger Sekunden inspiziert, mit der Macht ertastet und er Apprentice hoffte, dass er sich nicht irrte, als er auf eines der Schiffe deutete. Es sah alles andere als neu aus, doch etwas verriet ihm, dass es das einzig funktionstüchtige war. Lange würden sie die Dienste dieses Schiffes ncith in Anspruch nehmen müssen. Sie mussten nur zu ihren Schiffen kommen. Und vor alleme ins: Raus aus diesem Hangar. In wenigen Sekunden würde alles in sich zusammenstürzen und jegliches Leben unter sich begraben. Vernichten.


Wir müssen sofort verschwinden“, schrie Ian gegen die ankommende Lautstärke, als er sich schon in Bewegung gesetzt hatte. Als die Rampe sich quietschend hinter ihnen schloss hatte der Apprentice sich bereits im Cockpit eingefunden um die Koordinaten einzugeben.
„Mach schon, los, mach schon!“, schrie er, die aufkommende Panik in der Stimme unterdrückend, als sich das Schiff ächzend erhob. Buchstäblich in letzter Sekunde stieg das Schiff, wie ein Phönix aus der Asche empor um den ohrenbetäubenden Lärm, der bis in das Innere des Raumschiff drang, hinter sich zu lassen.

Ein winziges Lächeln, welches akum als solches zu erkennen war, schlich sich auf das Antlitz des Menschen. Ein winziger Sieg. Mochte er das Kind nicht gerettet haben, es war ihm gelungen von diesem Ort zu verschwinden. Einmal schon war alles über ihm zusammen gefallen. Hatte ihn unter sich begraben. Damals hatte sein letzer Gedanke Alisha gegolten. Damals.


„Wir haben es geschafft.“ Ian wusste, dass es Torryn gelungen war, seine Aufgabe zu lösen. Zwar waren dies keine direkten Worte des Lobes, aber sie sollten reichen.
„Jetzt gilt es unsere Schiffe zu holen. Ihr werdet tun, was zu erledigen ist. Und ich meinerseits, werde nach Bastion zurück kehren.“ Da war das Wort ‚ihr‘. Nicht ganz mühelos brachte Ian es über die Lippen. Was jetzt aber viel mehr zählte war Bastion. Der Planet schien ihn zu rufen.
„Danach werden wir das Training fortsetzen und weiter sehen.“ ‚Wir‘ konnte alles bedeuten. Weiter zu sehen beinhaltete allerdings nur eine Botschaft. Die ungesagt im Raum hing. Ian Dice würde weiter sehen, was da war. Zwischen seinem Schüler und der Steinchenwerferin. Und dann würde sich zeigen, ob er weiter darüber hinwegsehen würde. Die Zeit würde es zeigen, denn sie spielte für Ian. Und gegen Iouna. Doch spielte sie auch gegen Torryn?

[Ryloth – Nachtseite – Morla’un – Raumschiff– Torryn, Tier, Iouna, Ian ]
 
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