Suspension of disbelief

Ben

I said three inches!
Teammitglied
Nachdem ich vor einiger Zeit mal um eure Gedanken und Meinungen zu starken Frauenfiguren in fiktiven Werken gefragt habe und sich daraufhin viele sehr interessante und lesenswerte Beiträge zu diesem Thema angesammelt haben, möchte ich mich heute mit einer weiteren Frage an euch wenden.

Frage: Wie realistisch muss eine Geschichte sein, „wie viel“ Suspension of disbelief kann oder sollte man von einem Rezipienten erwarten?
Wo enden die Freiheiten des Erzählenden, die Realität in seiner Fiktion zu beugen? Ist es (für euch) vielleicht sogar abhängig vom Genre, ob die Vorgaben einer Geschichte überhaupt von der Realität abweichen dürfen? Wie gut müssen Hintergründe oder Fakten recherchiert sein, wenn eine Geschichte in „unserer“ Welt spielt oder braucht ihr gar keine tiefschürfenden Erklärungen und Beschreibungen?

Ich weiß natürlich, dass irgendwie alle die den Weg in dieses Forum gefunden haben, zu einem gewissen Grad dazu bereit sind ihre Ungläubigkeit willentlich auszusetzen, immerhin dreht's sich hier vor allem um die bekannteste Space Opera der Welt. Wie steht's aber bspw. um Werke, in denen die gewohnte Realität mit Aspekten anderer Genres verschmolzen wird? Die Indiana Jones-Saga ist im Kern eine Reihe von Abenteuerfilmen, doch scheinen auch immer wieder fantastische Aspekte durch, wie die vernichtende Wirkung der Bundeslade. Ähnliches gilt auch für Tomb Raider (2013); am Ende muss sich Lara Croft gegen einen offensichtlich übernatürlichen Gegner zur Wehr setzen, doch bis dahin hält sich das Spiel weitestgehend an die Vorgaben unserer wirklichen Welt. Dem gegenüber stehen bspw. die Hightech-Thriller von Tom Clancy, die sich immer wieder in seitenlangen Ausführungen ergehen, sei es über Waffensysteme, politische Verfahrensweisen oder die Geschichte militärischer Ereignisse. Würde hier etwas (und sei es nur ein Detail) nicht stimmen, käme sich der Leser wohl verarscht vor.

Was sind also eure Eindrücke, Gedanken oder Meinungen zu diesem Thema?
 
Fiktion ist Fiktion - da bin ich gerne bereit, für 'ne gute Story auch mal ein oder zwei Augen zuzudrücken, bevor es mir zu hanebüchen wird. Was mich jedoch immer sehr stört, sind ganz offensichtlich dumm handelnde Charaktere oder Handlungen, die ganz entschieden out-of-character sind:

"Komm wir verfolgen die Bösen unbewaffnet und sagen niemandem bescheid und am besten trennen wir uns..." oder ganz konkret neulich bei Gotham: Pinguin - als König von Gothams Unterwelt - macht die Drecksarbeit alleine, statt sie von seinen Handlangern machen zu lassen und wird prompt identifiziert.
 

Dem gegenüber stehen bspw. die Hightech-Thriller von Tom Clancy, die sich immer wieder in seitenlangen Ausführungen ergehen, sei es über Waffensysteme, politische Verfahrensweisen oder die Geschichte militärischer Ereignisse. Würde hier etwas (und sei es nur ein Detail) nicht stimmen, käme sich der Leser wohl verarscht vor.

Unter uns, Herr Clancy zog sich gerade politische Abläufe, Konzepte und Ideen auch ziemlich gerne rein aus seiner Fantasie um Geschichten halt spannender zu machen und auch seine eigenen, manchmal etwas wirren, politischen Überzeugungen zu verbreiten. ;)

Ich persönlich tue mir gerade bei Filmen relativ leicht mit Suspension of disbelief, solang es halt zu der Art von Geschichte passt die erzählt werden soll. Die präsentierte Welt und Figuren sollten dabei dennoch in sich schlüssig sein und gerade legendäre „Fantasie“ Filme schaffen es oft, auf den ersten Blick noch so irre Konzepte bestens zu verkaufen für die Art Setting welche sie sein wollen. Terminator 1 und 2, die Lords of the Rings Filme, Mad Max, wie bereits von dir angesprochen Star Wars :p und die besseren Konzepte in dieser Richtung schaffen es oft sehr gut es hinzubekommen, weil sie einem relativ leicht erlauben sich in der Kreativität und Idee der Macher zu verlieren und sich darauf einzulassen. Bei solchen ist man dann auch gewillt mal ein Auge oder zwei zurückdrücken bei gewissen Dingen.

Andere, weniger durchdachte Beispiele stoßen dafür nur um so saurer hoch und schaffen es schnell komplett unten durch zu sein, weil einen dann sogar kleine Probleme und Fehler dazu bringen die ganze präsentierte Welt zu zerschießen und schlecht zu machen. Viele JJA Filme fallen zum Beispiel eindeutig in diese Kategorie und selbst Ep 7 war hierbei nur geholfen, weil sie ihn von seinen schlimmsten üblichen Freveln abgehalten haben werden.
 
Was mich jedoch immer sehr stört, sind ganz offensichtlich dumm handelnde Charaktere oder Handlungen, die ganz entschieden out-of-character sind:

"Komm wir verfolgen die Bösen unbewaffnet und sagen niemandem bescheid und am besten trennen wir uns..." oder ganz konkret neulich bei Gotham: Pinguin - als König von Gothams Unterwelt - macht die Drecksarbeit alleine, statt sie von seinen Handlangern machen zu lassen und wird prompt identifiziert.

Ja, das geht mir auch auf den Keks. Suspension of Disbelief gut und schön aber wenn sich Charaktere einfach nicht so verhalten, wie ich es von ihnen erwarten würde, sei es wegen der Situation oder wegen ihres Charakters, dann ist das ein Problem. Bestes Beispiel bei Star Wars eben Captain Phasma, die mir eigentlich rund um den Film herum als super toughe Soldatin verkauft wird, dann aber quasi das Tor zu Troja öffnet, bevor man sich überhaupt die Mühe mit einem Pferd machen muss. Genau so zum Augenrollen ist es, wenn künstliche Konflikte geschaffen werden, wo einfach Verhaltensweisen eingeschlagen werden, die ein normaler Mensch schon aus dem Wissen über die Konsequenzen nicht einschlagen würde aber weil der Film jetzt ganz unbedingt diesen Konflikt braucht, muss das jetzt sein. Ich glaube symptomanisch ist das vor allem in Romanz-Filmen (aber nicht nur), wo Mann oder Frau die Gefühle des anderen verletzen muss. Gern aber ist es auch die Reaktion die einfach unverständlich ist, die Handlung also eigentlich für uns gar nicht so wild ist aber unnatürlich aufgeblasen wird.

In zweiter Hinsicht sind es dann Logiklöcher innerhalb des Films selbst. Entweder weil man die Regeln des Universums verletzt oder sich fröhlich zurechtbiegt oder aber weil man einfach zu faul oder ignorant ist, die Übergänge nachvollziehbar zu Gestalten.

Eine Suspension of Disbelief stellt sich stellenweise aber bei mir erst gar nicht ein, wenn bestimmte Themen angeschlagen werden. Beispiel Zombies. Ich kann Zombieapokalypsen schon lange nicht mehr ernst nehmen, sie funktionieren einfach nicht. Apokalypsen haben immer ihre Schwierigkeiten aber Zombiefilme, wenn die Zombies vor allem auch noch klassisch sind, kann ich nie vollkommen entspannt schauen. Ich kann mich nie darin verlieren, weil im Hinterkopf immer eine Stimme laut wird, die sagt: "Die ganze Katastrophe wäre in echt nach drei Tagen vorbei, allein schon weil sich gar nicht soviele anstecken können". Vor allem sind diese Filme oder generell Werke ja auch immer begleitet von menschlichen Konflikt, der wie oben zumeist ziemlich konstruiert wird. Gerade The Walking Dead ist ja quasi ein Prototyp dafür.
 
Die Phrase braucht definitiv ein eigenes Wort wie McGuffin oder sowas. ^^ Speziell im deutschem "willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit", das braucht doch was kürzeres, etwas pragmatisches.
Aber zum Thema, ich bin bereit viel zu aktzeptieren, solange es noch einigermaßen logisch und geschlossen zum etabliertem Settung und Handlung passt. Manchmal kommt aber ein Moment wie "Nuking the Fridge" oder "Jumping the Shark" was zu viel ist. Gerade bei Indiana Jones, diese Filme spielen in einer Welt die zu unserer größtenteils identisch ist, nur das es eben mystische Artefakte gibt die wirklich funktionieren. Das kann ich akzeptieren, das gehört dazu. Wenn aber in diesen Filmen ein Mensch aus zwei Kilometern höhe aus einem Flugzeug springt und dann nur überlebt weil er sich in ein Gummiboot setzt, dann ist das schon hart an der Grenze, und sollte eigentlich nicht möglich sein. Dann ist da natürlich die erwähnte Szene mit dem Kühlschrank und der Atombombe, da sollte Indie eigentlich mehr als tot sein, die ganze Sequenz ist viel zu unrealistisch inszeniert und wirkt lächerlich wie der Kühlschrank als einziges aus der Atomexplosion herauskatapultiert wird und Indie dann vollkommen unverletzt die Explosion und den Aufprall überlebt. Da wurde die Grenze nicht nur leicht überschritten.

Dann gibt es auch Filme die strecken The suspension of Disbelieve bis zum äußersten, wie Snakes on a Plane, da wird dann zwar wenigstens erklärt warum da Schlangen im Flugzeug sind, aber wie sich diese Tiere verhalten ist doch mehr als unnatürlich, und ich meine jetzt nicht die Aggressivität nach der Hormonbehandlung. Sondern auch wie die Viecher aus mehreren Räumen und Stockwerken alle durch ein Loch in der Scheibe gesogen werden. Und die Notfall-Sauerstoffmasken wurden schon zuvor ausgelöst und es wurde sogar gesagt das diese nur für ein paar Minuten Sauerstoff liefern. Und natürlich das jemand ein Flugzeug landet nur weil er paar Hundert Stunden ein Videospiel gespielt hat. Aber bei solchen billigen Filmen muss man wohl einfach sein Hirn in den Ruhemodus versetzen und vielleicht auch ganz abschalten.
Wobei das interessanterweise bei manchen Horrorfilmen mit ähnlicher Thematik nicht mal notwendig ist. Wie etwa Hitchcocks Die Vögel, oder Stephen Spielbergs Der Weiße-Hai, diese Filme sind in sich geschlossen und haben zwar auch sich merkwürdig verhaltene Tiere, wo nicht mal näher darauf eingegangen wird warum dies der Fall ist, aber es funktioniert, da nichts passiert das vollkommen unglaublich ist. Es könnte vielleicht wirklich so passieren. Dies liegt aber dann nicht nur an der Story, sondern auch zu einem guten Teil an den Schauspielerischen Leistungen die einen von der Geschichte überzeugen. Bei Anderen Filmen mit ähnlicher Thematik funktioniert das aber meist nicht so gut, wie Birdemic, oder Sharknado. Da diese einfach zu blöd sind, aber solche Filme wissen oft wie blöd sie sind, und sind dann auf andere Art unterhaltend.
 
Frage: Wie realistisch muss eine Geschichte sein, „wie viel“ Suspension of disbelief kann oder sollte man von einem Rezipienten erwarten?

Es kommt am Ende darauf an, ob der Regisseur ein Meister der Taschenspielertricks ist.

Jurassic Park hat die Existenz der Viecher mit Bernstein-Moskitos und Frosch-DNA erklärt. Der Trick ist hier, den Zuschauer so vom Wesentlichen abzulenken, als dass er die größten logischen Schnitzer einfach übersieht:

Bei Jurassic Park wäre das nämlich die simple Tatsache, dass es kein Wesen gibt, dass die Dino-Eier, die man im Film präsentiert bekommt, gelegt haben kann. Das typische Henne-Ei-Problem eben, welches man durch den ganzen Technobabble und eine lange Film-im-Film-Präsentation mit Richard Attenborough und Richard Attenborough geschickt kaschiert hat, um sofort im Anschluss daran zu einer Raptorgeburt voranzuschreiten. Es wird impliziert, dass es für diese Eier wohl auch eine plausible Erklärung geben muss, aber diese wird dem Zuschauer schlicht vorenthalten.

Eine geradezu selbstkritische Ebene nimmt der Film dann auch noch ein, als Attenborough und Laura Dern über Illusionen und Flohzirkusse diskutieren. Es wird hier letztendlich deutlich, dass eine künstlerische Präsentation auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen des Publikums ausgeliefert ist und bereits eine kritische, von der Vernunft geprägte Frage zur falschen Zeit die ganze Vorstellung zunichte machen könnte.
 
Gute Frage. Ein Film resp. Serie muss für mich jetzt nicht immer realistisch sein. Da ich mich von Filmen und Serien gerne unterhalten lasse und ich nicht allzusehr auf Details achte, stören mich kleinere Fehler nicht so sehr. Ich weiss, dass ein DNS-Abgleich nicht so schnell geht wie jetzt in CSI, aber in der Serie muss es schneller gehen, sonst würde sich ja jede Folge um Wochen inplay-Time drehen. Etwas was mich fast mehr stört, ist der Einsatz eines Defibrilators beim Herzstillstand. Man kann den Patienten gerne schocken, nur bringt es bei einem Herzstillstand nichts, da dreht es sich ja auch eher um den Drama-Effekt.

Dinge wie JP mit der Frosch-DNA oder dem Eisschrank-Vorfall in Indiana Jones, sind so hahnebüchern, dass ich da gerne mit einem Schmunzeln drüber hinweg sehen kann.

Wie gesagt, lasse ich mich von Filmen und Serien gerne unterhalten und möchte manchmal auch nicht zuviel darüber nachdenken. Deshalb ist für mich ein gewisser grad an Suspension of disbelief akzeptabel.
 
Vielen Dank für die bisherigen Beiträge. Bevor ich auf einzelne Punkte eingehe: Da sich hier die meisten von euch vor allem auf Filme und Serien bezogen haben, drängt sich mir diesbezüglich eine Nachfrage auf: Wie steht's für euch eigentlich um Literatur? Anders als die Schaffer von filmischen Medien, können Autoren sich ja durchaus - auch ausladende und weitschweifige - Erklärungen gewisser Fakten/Tatsachen/Umstände erlauben. Würdet ihr da andere Maßstäbe anlegen oder gelten da für euch ähnliche Richtlinien?

Unter uns, Herr Clancy zog sich gerade politische Abläufe, Konzepte und Ideen auch ziemlich gerne rein aus seiner Fantasie um Geschichten halt spannender zu machen und auch seine eigenen, manchmal etwas wirren, politischen Überzeugungen zu verbreiten. ;)

Ironischerweise hat er 9/11 - wenn auch mit einem anderen Ablauf - quasi vorhergesehen. :konfus:

Viele JJA Filme fallen zum Beispiel eindeutig in diese Kategorie und selbst Ep 7 war hierbei nur geholfen, weil sie ihn von seinen schlimmsten üblichen Freveln abgehalten haben werden.

Zum Beispiel? Ich muss gestehen, ich kenne bloß die erste Staffel von LOST und Episode VII. Ansonsten, ist mir Abrams Werk weitestgehend unbekannt.

Ich glaube symptomanisch ist das vor allem in Romanz-Filmen (aber nicht nur), wo Mann oder Frau die Gefühle des anderen verletzen muss. Gern aber ist es auch die Reaktion die einfach unverständlich ist, die Handlung also eigentlich für uns gar nicht so wild ist aber unnatürlich aufgeblasen wird.

interessant ist hierbei, dass sich tatsächliche Menschen ja durchaus öfters sehr irrational verhalten und das nicht immer erklärbar ist. Liest oder sieht man sowas dann jedoch in einem fiktiven Werk, spricht das meist nicht für gute Charakterzeichnung, wenn's nicht irgendwie erklärt wird oder mindestens offensichtlich nachvollziehbar ist. Unterliegt Fiktion hier also strengeren Maßstäben?

Gerade bei Indiana Jones, diese Filme spielen in einer Welt die zu unserer größtenteils identisch ist, nur das es eben mystische Artefakte gibt die wirklich funktionieren. Das kann ich akzeptieren, das gehört dazu.

Ist es aber nicht so, dass wir im ersten Film eigentlich erst zum Ende hin mit Übernatürlichem konfrontiert werden, nämlich als die Bundeslade geöffnet wird. Woran liegt's deine Meinung nach, dass der Film trotzdem funktioniert? Weil die Macht der Bundeslade bzw. der sie umgebende Mythos mehrfach angesprochen wird?

Das typische Henne-Ei-Problem eben, welches man durch den ganzen Technobabble und eine lange Film-im-Film-Präsentation mit Richard Attenborough und Richard Attenborough geschickt kaschiert hat, um sofort im Anschluss daran zu einer Raptorgeburt voranzuschreiten. Es wird impliziert, dass es für diese Eier wohl auch eine plausible Erklärung geben muss, aber diese wird dem Zuschauer schlicht vorenthalten.

Ah, den Teil finde ich außerordentlich interessant, weil er einen Aspekt meiner anfänglichen Frage berührt, den ich wohl nicht gut genug herausgearbeitet habe, nämlich: Wie und wie sehr kann und darf ein Schaffender sein Unwissen über einzelne thematische Aspekte oder die Ungereimtheiten seines Werkes kaschieren? Mal angenommen, ich bin ein Autor, der eine Abenteuergeschichte schreiben will, die archäologische Themen berührt; da ich aber selber kein Archäologe bin, verfüge ich von Haus aus natürlich nicht über das nötige Wissen - ich kann mir sicherlich einiges im Rahmen von Recherche aneignen, aber irgendwann dürfte dann eine Grenze erreicht sein. Ist es dann besser von vornherein um bestimme Dinge (die ich nicht weiß) herumzuerzählen, oder muss man fachliche Genauigkeit erwarten können?
 
Ist es dann besser von vornherein um bestimme Dinge (die ich nicht weiß) herumzuerzählen, oder muss man fachliche Genauigkeit erwarten können?

Ich denke, dass jede Antwort auf diese Frage, die "so muss es sein" beinhaltet, falsch ist. Um mal ein Extrembeispiel zu nennen, welches ironischer weise genau zwischen den beiden Extremen liegt, die du genannt hast:

Die Buchreihe "Per Anhalter durch die Galaxis" zeichnet sich dadurch aus, dass Douglas Adams eine starke Affinität zu den Naturwissenschaften mitbrachte, nur um so ziemlich jedes bekannte Naturgesetz auf satirische und sehr kreative Weise zu brechen. Hier war sowohl fachliches Hintergrundwissen erforderlich, als auch das Vermögen des Autors, das Unmögliche derartig treffsicher und so horrend überzeichnet zu beschreiben, sodass man als Leser ein intuitives Bild unserer wirklichen Welt entwickeln kann.

Die Suspension of Disbelief wird hier am laufenden Band absichtlich und auf die schamloseste Weise gebrochen und genau daraus zieht diese Reihe ihren ganzen Reiz und das macht sie auch für ein enorm großes Publikum leicht bekömmlich.
 
interessant ist hierbei, dass sich tatsächliche Menschen ja durchaus öfters sehr irrational verhalten und das nicht immer erklärbar ist. Liest oder sieht man sowas dann jedoch in einem fiktiven Werk, spricht das meist nicht für gute Charakterzeichnung, wenn's nicht irgendwie erklärt wird oder mindestens offensichtlich nachvollziehbar ist. Unterliegt Fiktion hier also strengeren Maßstäben

Tun sie das denn wirklich? Also okay, irrational Verhalten sich Menschen an und für sich schon gern aber tun sie das auch grundlos? Und das ist denke ich der Knackpunkt. In der Realität erscheint uns so manches grundlos, weil wir die Zusammenhänge nicht kennen, wir verfolgen ja niemanden wie im Film, wir lesen davon in der Zeitung, Blogs, Internet aber wir erleben zumeist eine richtige Narrative. Auch nicht wenn wir direkt Zeuge werden, nehmen wir bspw. etwas was mir heute passiert ist, ein Obdachloser der in den Zug steigt und ungefragt anfängt einen fünfzehn Minütigen Monolog darüber zu halten, wie schlimm Ausländer und die Regierung sind. Ein völlig unerklärchliches Verhalten, dem man sich allenfalls im Alltag damit nähert zusagen "der hat was an der Waffel".
Im Film funktioniert daher irrationales Verhalten vor allem dann, wenn wie in unserem Alltag der Charakter ein unbeschriebenes Blatt ist. Je mehr wir aber erfahren, desto genauer wird das Bild und dementsprechend die Erwartungshaltung. Diese konterzukarieren verlangt dann wieder schreiberisches Können, beispielweise in dem man eine neue Facette des Charakters offenbahrt und Handlungstechnisch eine neue Richtung einschlägt, was aber einfacher als gesagt ist, denn eine gewisse Glaubwürdigkeit muss das natürlich auch mitbringen. Wenn Charakter X ein Good Guy ist, der die Helden unterstützt, nur um im letzten Moment auf ein mal die Maske abzulegen alà "Ha, ha ich habe euch die ganze Zeit getäuscht und bin in Wahrheit ein Spion/der Oberbäsewicht in verkleidung, nun werdet ihr vernichtet werden!", ist das wenig glaubwürdig.
 
Ist es aber nicht so, dass wir im ersten Film eigentlich erst zum Ende hin mit Übernatürlichem konfrontiert werden, nämlich als die Bundeslade geöffnet wird. Woran liegt's deine Meinung nach, dass der Film trotzdem funktioniert? Weil die Macht der Bundeslade bzw. der sie umgebende Mythos mehrfach angesprochen wird?
Nun die FBI Agenten scheinen schon am Anfang in der zweiten Szene des Films schon verhindern zu wollen das Hitler die Bundeslade bekommt. Auch wenn da noch ziemlich viel Skepsis herrscht. Das Bundeslade etwas magisch ist wird aber schon vorher mehrfach angedeutet, wie etwa auf dem Schiffsdeck als das Nazisymbol auf der Transportkiste einfach so von selbst wegbrennt. Dann natürlich das göttliche Leuchten. usw.
Nicht zu vergessen das uns auch die erste Szene schon ganz gut darauf vorbereitet was für eine Art Film wir bekommen. Die ganzen antiken Fallen in dem Tempel sind jetzt nicht so realistisch.
Eine Szene die aber realistisch sein soll, aber eine logische Erklärung felt, ist die mit U-Boot. Wo versteckt sich Indy da die ganze Zeit? Wird ja nie aufgeklärt.

da ich aber selber kein Archäologe bin, verfüge ich von Haus aus natürlich nicht über das nötige Wissen - ich kann mir sicherlich einiges im Rahmen von Recherche aneignen, aber irgendwann dürfte dann eine Grenze erreicht sein. Ist es dann besser von vornherein um bestimme Dinge (die ich nicht weiß) herumzuerzählen, oder muss man fachliche Genauigkeit erwarten können?
Ich glaub oft ist es auch einfach nur wichtig intelligent zu klingen oder eine Geschichte so zu erzählen, das sie realistisch wirkt. Bei Raumfahrfilmen kann man das oft ziemlich gut sehen. Speziell bei denen, die real aussehen wollen. Appollo 13 erzählt zum Beispiel von einem historischem Ereignis, dem der dreizehnten Apollo Mission, das wirklich so stattgefunden hat. Wenn jemand aber nicht weiß, das es dies wirklich gab, dem dürfte es dann ziemlich schwer fallen zu glauben das diese 3 Astronauten die Mission und diese Reihe an Fehlern und Unfällen wirklich überlebt haben können. (Wobei ich zugeben muss, ich habe keine Ahnung wie viel in dem Film dazu gesponnen worden ist.)
Dann gibt es Fälle wie Armageddon, die wollen einfach nur Action zeigen, und erzeugen unnötiges Drama. Wie eine Auftankszene auf einer Raumstation, bei der die Raumstation dann auch noch zerstört wird. In dem Film kommen so viele unrealistische Sachen vor, das NASA gerüchtweise den Film wohl ihren Astronauten zeigen soll, nur um sie hinterher eine Liste anfertigen zu lassen, was alles falsch ist. ^^
Der Film 2001 Odyssey im Weltraum ist in der Hinsicht sicherlich auch interessant, da er auch heute noch ziemlich realistisch wirkt, obwohl wir vor 16 Jahren nicht so hochentwickelt in der Raumfahrt waren. Trotzdem künstliche Schwerkraft durch ein Drehmoment des Schiffes zu erzeugen, also Fliehkräfte zu nutzen, es hört sich genial an und man könnte meinen es funktioniert
Jules Verne war in der Hinsicht wahrscheinlich auch ein Vorreiter mit seiner Geschichte Reise zum Mond. Die Berechnungen der nötigen Sprengkraft um aus der Atmospähre zu kommen, von wo aus man die Rakete starten müsste um zum Mond zu gelangen und wann, die Form die die Kapsel haben müsste, dies alles war größtenteils Korrekt vorhergesagt, obwohl es noch Jahrzehnte dauerte bis die Menschheit dann soweit war. Nur dass man halt keine Kanone mit Schießpulver genommen hat, sondern eine Rakete mit Wasserstoffantrieb.
 
Bei Jurassic Park wäre das nämlich die simple Tatsache, dass es kein Wesen gibt, dass die Dino-Eier, die man im Film präsentiert bekommt, gelegt haben kann. Das typische Henne-Ei-Problem eben, welches man durch den ganzen Technobabble und eine lange Film-im-Film-Präsentation mit Richard Attenborough und Richard Attenborough geschickt kaschiert hat, um sofort im Anschluss daran zu einer Raptorgeburt voranzuschreiten. Es wird impliziert, dass es für diese Eier wohl auch eine plausible Erklärung geben muss, aber diese wird dem Zuschauer schlicht vorenthalten.
Diesen logischen Schnitzer habe ich aber schon als 10 Jähriger Bub der JP zum ersten Mal auf VHS sah sofort erkannt. ;) Hat mich zugegeben damals etwas aus der Story herausgerissen.

@Topic: Ich mag es nicht, wenn Filme all zu offensichtliche Logikfehler aufweisen, was nicht bedeutet dass ein Film für mich realistisch sein muss. Mich persönlich öden Filme die "auf wahren Begebenheiten" beruhen oder historische Persönlichkeiten portraitieren in den meisten Fällen eher an, da halte ich es lieber mit der Fiktion.
 
Appollo 13 erzählt zum Beispiel von einem historischem Ereignis, dem der dreizehnten Apollo Mission, das wirklich so stattgefunden hat. Wenn jemand aber nicht weiß, das es dies wirklich gab, dem dürfte es dann ziemlich schwer fallen zu glauben das diese 3 Astronauten die Mission und diese Reihe an Fehlern und Unfällen wirklich überlebt haben können. (Wobei ich zugeben muss, ich habe keine Ahnung wie viel in dem Film dazu gesponnen worden ist.
Ewig nicht geguckt, aber so viel dazu gesponnen war nicht. Apollo 13 ist nicht umsonst ein "erfolgreicher Fehlschlag" ;-)

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Zum Thema: Generell muss es halt in dem Moment wirken. PASSENGERS zum Beispiel hat mir gut gefallen. Der Film hat zwar Logiklöcher, durch die die ganze Avalon passt, aber beim Sehen fiel es mir kaum auf - zu beeindruckend fand ich ihn gemacht (beim darübernachdenken verlor der Film dann ...)

Ah, den Teil finde ich außerordentlich interessant, weil er einen Aspekt meiner anfänglichen Frage berührt, den ich wohl nicht gut genug herausgearbeitet habe, nämlich: Wie und wie sehr kann und darf ein Schaffender sein Unwissen über einzelne thematische Aspekte oder die Ungereimtheiten seines Werkes kaschieren? Mal angenommen, ich bin ein Autor, der eine Abenteuergeschichte schreiben will, die archäologische Themen berührt; da ich aber selber kein Archäologe bin, verfüge ich von Haus aus natürlich nicht über das nötige Wissen - ich kann mir sicherlich einiges im Rahmen von Recherche aneignen, aber irgendwann dürfte dann eine Grenze erreicht sein. Ist es dann besser von vornherein um bestimme Dinge (die ich nicht weiß) herumzuerzählen, oder muss man fachliche Genauigkeit erwarten können?
Zu dem Punkt: Zu meinem Fachgebiet gibt es entweder gut recherchierte ODER gut erzählte Geschichten. Beides gleichzeitig will da (noch) nicht gelingen. Es hängt an der Stelle also immer auch immer vom Thema ab. Und bei meinen Fachgebieten ist es vielleicht sogar sinnvoll, bewusst(!) es falsch zu erzählen um den "Suspension of disbelief" nicht in die falsche Richtung zu schicken. So wurde mir mal erzählt, dass z.B. Schalldämpfer Schüsse nicht wie im Film dämpfen, sondern solche Schüsse immer noch hörbar seien. Aber die meisten Filmemacher werden das so lassen, wie es der Zuschauer erwartet ...
 
Ich finde ein Film wird immer gleich viel glaubwürdiger, wenn es im Film einen Skeptiker gibt, jemand der das Fantastische in Frage stellt.
Wie eben Han Solo oder Ian Malcolm in Jurassic Park. Das ist natürlich nur ein dramaturgischer Trick, aber er funktioniert.
Filme die sich selbst nicht in Frage stellen, werden schnell albern und unglaubwürdig. So fand ich zum Beispiel MI: Rogue Nation an der Grenze zum Erträglichen
 
Ich komme da ehrlich gesagt grad nicht ganz mit...könnte mich bitte jemand aufklären was es mit diesen Eiern in JP auf sich hat? Wieso noch gleich haben keine Raptoren diese Eier legen können?
 
Dir ist aber schon klar, dass es für lebenden Nachwuchs bei Wirbeltieren Weibchen und Männchen braucht, oder? Letztere gibt es laut Filmaussage aber nicht, weil dies ein fundamentaler Teil des Sicherheitskonzepts ist.

Davon abgesehen: Das jeweils erste Neo-Dino-Exemplar kommt aus einem Ei, das von wem gelegt wurde?
 
Davon abgesehen: Das jeweils erste Neo-Dino-Exemplar kommt aus einem Ei, das von wem gelegt wurde?
Vielleicht einem Komodowaran, Alligator, oder Krokodil als Leihmutter? Wäre eine Möglichkeit die nicht zu abgehoben klingt.

Ich fand die Spontane Geschlechtsumwandlung von Weibchen zu Männchen allerdings immer etwas zu abgehoben um glaubhaft zu sein. Andersherum kommt in der Natur wenigstens ab und an mal vor.
 
Oder Strauss, falls es eine entsprechende Größe braucht? Ich hatte mir immer vorgestellt, sie nehmen halt einfach ein anderes Tier.
Die spontane Geschlechtsumwandlung fand ich da auch unglaubwürdiger. Oder in Verlorene Welt, dass irgendwie die Tiere anfangen wirklich allem zu entkommen, selbst dem Schiff und überall Hände ohne Körper rumhängen/liegen, das war etwas zuviel des Guten, das habe ich dem Film nicht abgekauft.
 
Bei The Lost World hab ich ja nie gecheckt wie es der T-Rex geschafft hat, sich wieder in die Ladeluke einzusperren wo doch sonst überall nur zerstückelte Leichen herumlagen.
 
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