Tagespolitik allgemein

Sehe ich auch so. Der abgedroschene Spruch "Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" hat in dem Zusammenhang einfach zu sehr seine Daseinsberechtigung. Abgesehen davon kann der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, so schmerzhaft er für alle Beteiligten erstmal sein wird, durchaus volkswirtschaftliche Gesundungsprozesse initiieren, welche auf lange Sicht effektiver sein könnten als ein jahrzehntelanges Nachbessern.

Ist das so? Ich lese in den Medien bislang eigentlich immer nur Schreckensszenarien, was alles passiert wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt.
 
@Sniper
Die Bolschewisten in Griechenland haben allerings den Austritt aus dem Euro verneint.
Sie wollen nur die Schulden nicht mehr bezahlen.
Ok, da hab ich was verwechselt. Allgemeinhin stellt sich dann aber die Frage, ob Griechenland nach einer solchen Entscheidung noch tragbar für die Währungsunion ist, was wiederum auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen kann.

Ist das so? Ich lese in den Medien bislang eigentlich immer nur Schreckensszenarien, was alles passiert wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt.
Da spielen zu viele Faktoren eine Rolle, deren Ausprägung und Relation zueinander sich noch nicht abschätzen lassen. Fakt ist, dass eine gegenüber dem Euro abwertende Drachme eine positive Handelsbilanz für Griechenland begünstigt und gegebenfalls zu einem Umbruch in der Entwicklung führt, welche ein vergebliches Gesundsparen Griechenlands innerhalb der Währungsunion womöglich nicht bewirken kann, aber das bleibt auch nur ein abstrahierter Faktor von vielen. Gleiches kann man auf die nächsthöhere Ebene übertragen. Angenommen es kommt zum Domino-Effekt und zum großen Knall auf EU-Ebene, jedoch mit anschließendem Aufschwung. Ist das zwingendermaßen schlechter als ein jahrzehntelanges Nachbessern? Was die Medien hingegen tun, ist das, was sie immer tun, und imho bloßes Topfschlagen.
 
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Ist das so? Ich lese in den Medien bislang eigentlich immer nur Schreckensszenarien, was alles passiert wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt.

Die Alternative ist aber nicht besser. Die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit werden nicht verschwinden. Wenn keine externe Abwertung der Währung stattfinden kann, muss eine interne Abwertung durch sinkende Löhne und Preise stattfinden, was Griechenland immer weiter verarmen lässt. Und da das politisch nicht durchsetzbar ist, müsste man auf Dauer einen Art europäischen Länderfinanzausgleich schaffen, in dem die reichen Länder die armen Länder mitfinanzieren.

Hier eine Ifostudie zu dem Thema:
http://www.cesifo-group.de/portal/p...die-201205-Austritt_Griechenlands_aus_EWU.pdf

ifo schrieb:
Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, verbunden mit einer externen Abwertung der neuen Währung, stellt eine organisatorische Herausforderung, aber letztlich eine gangbare Alternative zur derzeitigen Strategie der internen Abwertung dar.

ifo schrieb:
Die Erfahrungen in Irland und den baltischen Republiken zeigen ebenfalls, dass die Strategie der internen Abwertung mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden ist. Diesen Ländern ist es seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 gelungen, die Preise und Löhne bei festen Wechselkursen bzw. innerhalb der Währungsunion deutlich zu senken und Leistungsbi-lanzüberschüsse zu erzielen. Im Vergleich zu Griechenland ging dieser Abwertungsprozess aber mit deutlich tieferen Rezessionen und Lohneinschnitten einher. Die griechische Volkswirtschaft scheint dieses Ausmaß an Flexibilität nicht leisten zu können.

ifo schrieb:
Für Griechenland scheint die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch interne Abwertung nicht erreichbar, denn dies erfordert einen deutlich höheren Grad an Flexibilität als er in der griechischen Volkswirt-schaft vorhanden ist.

ifo schrieb:
Die historische Erfahrung legt nahe, dass sich Länder nach externen Abwertungen deutlich schneller erholt haben.
 
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Die Alternative ist aber nicht besser. Die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit werden nicht verschwinden. Wenn keine externe Abwertung der Währung stattfinden kann, muss eine interne Abwertung durch sinkende Löhne und Preise stattfinden, was Griechenland immer weiter verarmen lässt. Und da das politisch nicht durchsetzbar ist, müsste man auf Dauer einen Art europäischen Länderfinanzausgleich schaffen, in dem die reichen Länder die armen Länder mitfinanzieren.
Das ist aber so gesehen eine grundsätzliche Problematik und die damit einhergehende Selbstregulation hat man erst durch die Währungsunion ausgehebelt, mit der man Ungleiches gleich machen wollte. Und an die Stelle dieser Selbstregulation sind nun die wirtschaftstarken EU-Staaten als Subventionierer getreten. Eventuell habe ich ja eine Wissenslücke, aber ich frage mich echt, was diese fixe Idee von der Währungsunion letztendlich Positives gebracht hat und wie man diese im Grunde althergebrachten Erkenntnisse derart ignorieren konnte.
 
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Das ist aber so gesehen eine grundsätzliche Problematik und die damit einhergehende Selbstregulation hat man erst durch die Währungsunion ausgehebelt, mit der man Ungleiches gleich machen wollte. Und an die Stelle dieser Selbstregulation sind nun die wirtschaftstarken EU-Staaten als Subventionierer getreten. Eventuell habe ich ja eine Wissenslücke, aber ich frage mich echt, was diese fixe Idee von der Währungsunion letztendlich Positives gebracht hat und wie man diese im Grunde althergebrachten Erkenntnisse derart ignorieren konnte.

Es gab 1998 auch über 100 Wirtschaftsprofessoren, die von den Folgen einer Einführung in ganz Europa gewarnt haben.
Man muss sich halt immer im Klaren sein, was fixe Wechselkurse bedeutet: Keine unabhängige Wirtschaftspolitik. Und das in einem Europa, in dem die Wettbewerbsfähigkeiten sehr unterschiedlich sind und die jeweiligen Länder in unterschiedlichen Konjunkturphasen stecken.

Das Ganze war eben eine politische Entscheidung. Einheitliche Währung als Schritt zu einer stärkeren Union. Die meisten Politiker sind eben Juristen und nicht Ökonomen. Für einen Juristen schaut eine gemeinsame Währung wie ein Schritt Richtung mehr Einheit aus. Ein Ökonom dagegen warnt vor Divergenzeffekten, die durch die Folgen einer einheitlichen Währung bei den falschen Bedingungen entstehen können.
 
Zur aktuellen Thematik noch ein Kommentar von Thilo Sarrazin:

Gastbeitrag von Thilo Sarrazin: Griechen, Euro und die deutsche Schuld - Inland - FAZ

Man mag ja von Sarrazin halten, was man will, aber man sollte seine Beiträge eher kritisch hinterfragen, als ihn mundtot zu machen. Überhaupt ist es ein Armutszeugnis, dass seine teils ungeheuerlichen und pauschalisierenden Ausführungen den praktischen Tatsachen mehr entsprechen als ein Großteil der übrigen politischen und medialen Äußerungen.
 
Bei dem Thema schreibt Sarrazin dann ja auch endlich mal etwas zu einem Thema, von dem er als studierter Volkswirt und ehemaliges Vorstandsmitglied der Bundesbank was versteht. Auch wenn er bei der Bundesbank ruhig schon in aktiver Zeit etwas zum Euro hätte sagen können anstatt währenddessen fachfremd in Biologie und Soziologie zu wildern und gegen die Unterschicht zu polemisieren.

Allerdings ist Sarrazin hier auf einen fahrenden Zug aufgesprungen und Heuchelei vorzuwerfen. Während viele seriöse Wissenschaftler (z.B. an meiner Universität) bereits 1998 die Gefahren des Euro betonten, war 1998 Sarrazin noch munter Eurobefürworter:

Sarrazin - Der Euro, Chance oder Abenteuer, Bonn 1998:
Rezension: Sachbuch: Ein Euro-Optimist klärt auf - Wirtschaft - FAZ

FAZ-Artikel zu Der Euro schrieb:
An vielen Stellen fällt es Sarrazin schwer, mit seiner eigenen Meinung zurückzuhalten. Es wird deutlich, daß er die Währungsunion positiv beurteilt und den tendenziellen Europessimismus der Wissenschaft und der Bundesbank nicht teilt.

Hätte man doch eher auf die Wissenschaft gehört. Jetzt aber mit fremden Federn schmücken und den Besserwisser raushängen. So was hat man gern. Und dann noch gefeiert werden, dass er endlich die Wahrheit ausspricht. Zum :kotz: so was
Ich gebe gern zu, dass ich früher den Euro ebenfalls toll fand und eines besseren belehrt wurde. Ich war es nicht, der davor warnte. Und Sarrazin auch nicht!
 
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Auch wenn Sarrazin Euro-Befürworter gewesen war und es nicht mehr ist gibt es Doppelt so viele Bänker die es bis heute nicht hinkriegen endlich sich diesen Fehler einzugestehen.

Henkel hatte dies vor einer kleinen Öffentlichkeit klar gesagt das viele bekannte Bänker sich hüten den Mund aufzumachen wie er......


Wenigstens wandeln sich einige Menschen in ihrer Meinung und Einstellung....Ich war auch für den Euro ohne wirklich zu verstehen wie Binnenmärkte und Wirtschaften funktionierten.
 
Hätte man doch eher auf die Wissenschaft gehört. Jetzt aber mit fremden Federn schmücken und den Besserwisser raushängen. So was hat man gern. Und dann noch gefeiert werden, dass er endlich die Wahrheit ausspricht. Zum :kotz: so was
Ich gebe gern zu, dass ich früher den Euro ebenfalls toll fand und eines besseren belehrt wurde. Ich war es nicht, der davor warnte. Und Sarrazin auch nicht!


Sarrazin hat letztens im Gespräch mit (bzw. gegen Peer Steinbrück) auf dieses Buch hingewiesen und erklärt sich geirrt zu haben.
 
Das Ganze war eben eine politische Entscheidung. Einheitliche Währung als Schritt zu einer stärkeren Union. Die meisten Politiker sind eben Juristen und nicht Ökonomen. Für einen Juristen schaut eine gemeinsame Währung wie ein Schritt Richtung mehr Einheit aus. Ein Ökonom dagegen warnt vor Divergenzeffekten, die durch die Folgen einer einheitlichen Währung bei den falschen Bedingungen entstehen können.
Dirk Müller hat letztens erst wieder gesagt, dass der Euro der Schlussstein eine vereinten Europas hätte sein müssen und nicht die Basis. Oder gar das Fundament, wie es uns die Politik zu verkaufen versucht.
 
Sarrazin hat letztens im Gespräch mit (bzw. gegen Peer Steinbrück) auf dieses Buch hingewiesen und erklärt sich geirrt zu haben.

Dann hat er immerhin Anstand bewiesen.

Mir will aber das Verhalten der Bürger immer noch nicht in den Kopf, warum man dann ausgerechnet ihn, der nun wirklich nicht dazu taugt, als den großen nationalen Volksheld hochsterilisiert. Er spricht keine Wahrheit aus, die sonst niemand auszusprechen wagte. Er spricht eine Wahrheit aus, die auch er selbst erst wahr haben wollte als es schon längst zu spät war. Da gab es ganz andere, die ganz ohne Godwins Gesetz zu erfüllen, ohne sinnfreien Holocaust-Vergleich sachlich und schon seit 14 Jahren über die Mechanismen einer Währungsunion publizieren.
Und ganz so einfach wie Sarrazin sich die Euroabwicklung vorstellt ist es übrigens nicht, siehe Diskussion um TARGET2 (das zu seiner Zeit in der Bundesbank geschaffen wurde).
 
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Mir will aber das Verhalten der Bürger immer noch nicht in den Kopf, warum man dann ausgerechnet ihn, der nun wirklich nicht dazu taugt, als den großen nationalen Volksheld hochsterilisiert.

Das liegt auch nicht an seinen Äußerungen zum Euro. Er surft noch auf der Welle zur Abschaffung Deutschlands.
 
Er surft noch auf der Welle zur Abschaffung Deutschlands.

Was sehr schön formuliert ist. Denn in der Bundesbank hatte er mehr Einfluss auf die Zukunft Deutschlands als es tausend Kopftuchmädchen je haben werden. Vielleicht hat er ja auch ein klein wenig selbst zur Abschaffung Deutschlands beigetragen. :D
 
Er spricht keine Wahrheit aus, die sonst niemand auszusprechen wagte.

Die Äußerungen eines Thilo Sarrazin wecken aber wesentlich mehr öffentliches Interesse, als die Äußerung eines [hier beliebigen Ökonomen mit Ahnung von der Materie einfügen]. Das ist vielleicht auch nicht das Schlechteste.
 
Mit Sicherheit. Ich will ihn ja nicht zum Retter der Nation/EU erheben, ganz bestimmt nicht. Das ändert nur trotzdem nichts daran, dass er medienwirksam ist. Eben, weil er provoziert.
 
Sarrazin soll meiner Meinung aufhören und das aus einem Grund: Wenn er nicht anfängt sich in einer Partei einzuschreiben und mit seinen Thesen und Büchern anfängt wirklich was zu verändern!

Maulhelden haben wir nämlich genug...
 
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Die Äußerungen eines Thilo Sarrazin wecken aber wesentlich mehr öffentliches Interesse, als die Äußerung eines [hier beliebigen Ökonomen mit Ahnung von der Materie einfügen]. Das ist vielleicht auch nicht das Schlechteste.

Und indem er seine Thesen natürlich sinnloserweise mit einem aus der Nase gezogenen Nazivergleich medienwirksamer machen muss, sorgt er dafür, dass seriöse eurokritische Ökonomen für ihre Eurokritik in die rechte Ecke gerückt werden. Da erweist er der Welt echt einen bärendienst.

Was mich halt auch aufregt. Sarrazin erweckt den Eindruck hier als Unabhängiger von Außen Analysen anzustellen. Dabei war er als Politiker einstiger Mitgestalter und Mitverantwortlicher des derzeitigen Dilemmas.
 
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