So, ich habe mir mal die Zeit genommen, die einschlägigen Stellen im Rohentwurf des ROTJ-Drehbuchs zu übersetzen.
68. INNEN LADERAUM - RAUMFÄHRE
Luke sitzt in einer kleinen Zelle aus Metall im Laderaum der Fähre. Seinen Kopf hat er auf seine Hände gestützt.
LUKE
Ben, hilf mir... komm zu mir, bitte Ben. Ich bin nicht stark genug, um meinem Vater gegenüberzutreten. Hilf mir, der Dunklen Seite der Macht zu widerstehen. Ben, Ben, bitte...
Luke sieht auf und sieht das schimmernde, durchsichtige Bild von Yoda, der in der kleinen Zelle vor ihm steht. Luke ist von diesem Anblick wie gelähmt.
LUKE
Yoda?
YODA
Ben kann Dir nicht mehr helfen. Die Energie für seinen Aufenthalt in der Unterwelt ist verbraucht. Bald schon wird er eins sein mit der Macht. Sein Selbst wird für immer verloren sein.
LUKE
Nein, hilf ihm. Bring ihn zurück...
YODA
Nur Du kannst ihn in die wirkliche Welt zurückziehen. Besiege Deinen Zorn.
LUKE
Wie... Ich kann nicht...
YODA
Du kannst es nicht, weil Du glaubst, es nicht zu können. Hast Du nichts gelernt?
LUKE
Meister, ich...
YODA
Du kannst Obi-Wan nicht helfen! Du kannst Dich Deinem Vater nicht stellen! Du kannst der Dunklen Seite nicht widerstehen! Der Kaiser hat bereits gewonnen.
LUKE
Ich... ich bedaure dies...
YODA
Bedauern wird Dir nicht helfen... noch Obi-Wan... noch wird es Deinen Vater vernichten.
LUKE
Mir fehlt der Wille, meinen Vater zu vernichten... es muß Gutes in ihm sein. Ich kann es spüren.
YODA
Vernichten wird er Dich, wie vernichtet er hat sich selbst... erkennen mußt Du dies.
LUKE
Ich bin nicht stark genug, ich werde versagen.
YODA
Wenn so Du fühlst... dann muß ein anderer zur Hilfe eilen mir.
LUKE
Ein anderer? Wer?
YODA
Die Macht ist stark im Geschlecht der Skywalkers. Wenn Du Deinen Vater nicht vernichtest, ist nur einer übrig, der dies kann... Deine Schwester.
LUKE
Schwester!!! Ich habe keine Schwester.
YODA
Stark mit der Macht ist sie, doch ungeübt.
LUKE
Meine Schwester?
YODA
Nach Alderaan wurde sie gebracht von Deiner Mutter. Sicherer war es, euch zu trennen.
LUKE
Leia?!?
YODA
Deine Zwillingsschwester... versagst Du dabei, Deinen Vater zu vernichten, unsere einzige Hoffnung wird sie sein.
Luke ist von diesem Gedanken erschüttert und starrt gedankenverloren vor sich.
88. HAD ABBADON ? HÖHLENGEFÄNGNIS
Luke liegt bewußtlos auf einer kleinen Insel in der Mitte eines Sees aus heißer Lava. Ein glühender Wind bläst über sein Gesicht und weckt ihn auf. Er betrachtet sich die feindseelige Umgebung und bemerkt plötzlich eine Gestalt neben sich. Er dreht sich mit der Geschwindigkeit eines Jedi zu ihr um. Die eingehüllte Figur bewegt sich nicht und sieht nicht auf.
LUKE
Ben...
Langsam sieht die kapuzenverhüllte Figur auf und zeigt ihr Gesicht. Es ist Ben Kenobi in Fleisch und Blut.
BEN
Ich konnte nicht länger in der Unterwelt bleiben.
LUKE
Aber Yoda sagte...
BEN
...daß ich eins würde mir der Macht und mich entscheiden würde, nicht in die wirkliche Welt zurückzukehren? Daß Dein Zorn mich davon abgehalten hat...
LUKE
Aber ich fühle keinen Zorn... nicht mehr. Ich verstehe, warum Du mir nichts über meinen Vater erzählt hast. Das tue ich wirklich.
BEN
Ich weiß. Und ich bin hier, um Dir zu helfen, den Kaiser zu vernichten... und Deinen Vater.
LUKE
Das kann ich nicht tun.
Plötzlich erscheint Yoda neben den beiden.
YODA
Du kannst es und Du wirst es... Ich in der Unterwelt und Obi-Wan an Deiner Seite... Helfen Dir, wir werden.
Der Kaiser betritt die Höhle und betrachtet den Lavasee. Er sieht Ben und ist überrascht.
KAISER
Also seid Ihr doch nicht tot, Obi-Wan. Ich glaubte, Eure Gegenwart in der Unterwelt gespürt zu haben. Ihr seid also zurückgekehrt. Doch Ihr habt versagt... der Junge gehört mir und wird sich bald der Dunklen Seite öffnen.
YODA
Ihr seid es, der versagt hat, mein alter Freund.
Der Kaiser wendet sich um und sieht das schimmernde Bild von Yoda vor sich.
KAISER
Ihr!
YODA
Übeltäter! Dies wird der letzte Tag Eures Lebens sein.
KAISER
Eure Gegenwart in der Unterwelt kann mir nichts anhaben. Genausowenig wie dieser Junge oder dieser alte Mann.
YODA
Eure Furcht ist groß... Eure Fähigkeiten, Ihr überschätzt.
Vader tritt aus dem Schatten und tritt an die Seite des Kaisers.
VADER
Mein Meister. Sie müssen vernichtet werden. Es ist nun zu spät. Der Junge wird nicht auf unsere Seite übertreten.
Luke blickt seinen Vater an und hebt dann die Hand. Vaders Laserschwert fliegt vom Gürtel des Dunklen Lords und in die Hand des jungen Jedi. Luke aktiviert das Schwert. Im gleichen Moment zieht der Kaiser ein Schwert aus seinem Ärmel und wirft es Vader zu.
KAISER
Vernichtet sie.
Vader zündet sein Schwert und bewegt sich auf seinen Sohn zu. Luke weicht zurück.
131. INNEN HAD ABBADON - HÖHLENVERLIES
Lord Vader versucht aufzustehen, während Ben den Kaiser auf die kleine Insel stößt. Luke steht hinter Ben und sieht zu.
KAISER
Ihr seid alt und schwach geworden, Lord Vader. Ich werde mich dieser Sache selbst annehmen.
Der Kaiser wendet Vader den Rücken zu und sieht den alten Jedi an. Er hebt seine Hände. Blitze zucken auf und treffen Ben.
LUKE
BEN, NEIN!
Luke springt vor seinen Meister und hebt abwehrend seine Hände. Die Schläge werden von einem unsichtbaren Schild zurückgewiesen. Wo immer ein Schlag den Schild trifft, erscheint kurz das Bild Yodas.
KAISER
Dein Meister in der Unterwelt kann Dich nicht lange beschützen. Du wirst Dich mir beugen oder sterben.
Die Blitzschläge werden heftiger, Ben wird davon bewußtlos. Luke fällt auf die Knie.
KAISER
Dies ist die Macht der Dunklen Seite, der Du Dich verweigerst. Deine Stärke wird ihrer niemals gleichen.
Luke versucht, gegen die überlegene Kraft des Kaisers bei Bewußtsein zu bleiben.
LUKE
Yoda...
KAISER
Obi-Wan hat vorausgesehen, daß ich von Deiner Hand sterbe, junger Skywalker. Doch es scheint, sein Blick wäre getrübt gewesen... Vielleicht gibt es noch einen Skywalker. Wieso kann ich ihn nicht sehen? Könnte die Unterwelt meine Sicht beeinflußt haben? Noch ein Skywalker... Dein Vater!
Der Kaiser wendet sich und sieht Lord Vader, der auf ihn zufliegt. Die Blitze um Luke herum verschwinden, als Vader den Kaiser trifft. Beide stürzen in den Lavasee. Die grauenvollen Todesschreie des Kaisers verstummen bald. Luke kämpft sich auf die Beine und starrt auf die Stelle im Lavasee, wo sein Feind und sein Vater im Schmelzkessel flüssiger Lava verschwanden.
Ben legt seine Hand auf die Schulter des jungen Jedi.
BEN
Jetzt liegt alles in Yodas Hand.
LUKE
Er ist auf die gute Seite zurückgekehrt.
BEN
Ja, das ist er.
ANMERKUNGEN:
Im ersten Entwurf erklärt Ben, daß, sollte Vader eins mit der Dunklen Seite der Macht werden, dieser seine Identität verlieren wird. Wendet er sich der guten Seite zu, wird er in die Unterwelt gelangen. Im überarbeiteten Erstentwurf heißt es, Yoda werde ihn retten, bevor er eins wird mit der Macht. - Star Wars The Annotated Screenplays S. 300
Im überarbeiteten Erstentwurf (Szene 138, Luke spricht mit Ben) taucht Yoda plötzlich in Fleisch und Blut auf. Weil Vader sich der guten Seite zugewandt hat, ist Yodas Aufenthalt in der Unterwelt beendet worden. Es ist Yoda gelungen, Vader davor zu bewahren, eins zu werden mit der Macht. Lukes Vater erscheint, und sie alle stimmen in die Feier ein. Nur Yoda sieht von der Seite zu. - Star Wars The Annotated Screenplays S. 320
Also die Fakten:
Es gibt - oder gab in diesen Entwürfen - drei Existenzen: das Leben, oder die wirkliche Welt; die Unterwelt; die Macht selbst.
Nur durch das Licht gelangt man in die Unterwelt.
Mit der dunklen Seite wird man eins mit der Macht und hört auf, zu existieren.
Aus der Unterwelt ist eine Beeinflussung der wirklichen Welt möglich.
Eine Rückkehr aus der Unterwelt ist durch die helle Seite möglich.
Das Konzept der Unterwelt und der Wiederauferstehung ist im Film verschwunden.
Aus der Macht heraus ist eine Beeinflusung der wirklichen Welt anscheinend nicht mehr möglich.
Qui-Gon löst sich in Episode I nicht auf.
In Episode II kommt Qui-Gon nur mit seiner Stimme zurück in die wirkliche Welt.
Die toten Jedi in der Arena verschwinden nicht.
In der 1983-Fassung von ROTJ stirbt Anakin Skywalker und verschwindet nicht.
In der Special Edition verbrennt Luke lediglich Vaders Rüstung, Anakins Körper ist also verschwunden.
In ANH weiß Vader nichts davon, wie man sich auflöst. Er hat es in seinem Leben noch nicht gesehen ("Wenn Du mich schlägst werde ich mächtiger werden, als Du es Dir auch nur entfernt vorstellen kannst!").
Schlußfolgerungen:
1. Die persönliche Einstellung eines Jedi zu seiner Umwelt hat nichts mit dem Auflösezeugs zu tun.
2. Qui-Gon hat durch seinen Kontakt mit der lebendigen Macht ein neues und tieferes Verständnis der Macht entdeckt. Verbunden mit dem Augenblick, hat er im Moment seines Todes einen Teil seiner Persönlichkeit bewahren können.
3. In Episode II erkennt Yoda Qui-Gons Präsenz in der Unterwelt und forscht ihr nach. Er wendet sich der lebendigen Macht zu und meistert sie.
4. Yoda lehrt Obi-Wan das neue Verständnis der Macht.
5. Durch sein Treffen mit Obi-Wan und Luke, verbindet Vader in Episode VI seine Erfahrung mit der Anakins und dringt dadurch tief in die Macht ein. Als ihr Sohn, wird er erlöst in die Unterwelt entlassen.
Eine Idee:
Nur wer mit der dunklen Seite in Berührung kommt, wird eins mit der Macht. Der Begriff "eins mit der Macht" ist diesbezüglich doppeldeutig: nur wer die Einheit der Macht, also das Fehlen einer Grenze zwischen Gut und Böse erkannt hat, kann als Einheit in sie eingehen. Qui-Gon sieht dies durch seine Berührung mit Darth Maul, Yoda durch sein Treffen mit Dooku und Sidious, Obi-Wan durch das Schicksal von Vader. Vader selbst schließlich bringt das Gleichgewicht als Einheit der Macht und wird dadurch ganzheitlich ein Teil von ihr.