Beitrag Teil 1
Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, was diese seltsame Diskussion soll. Wir haben mal über Episode III geredet. Dann kam Meister Tyranos und hat Leute beleidigt, dann wurde er bejubelt, dann wurde gegengeschimpft, und nun scheint jeder Diskussionsteilnehmer geradezu versessen darauf zu sein, der erste zu sein, der jegliche Diskussionskultur über Bord wirft. Wem hilft das?
Ich habe diesen Thread mal kurz analysiert. Und Du, mein geschätzter MfLuder, bist nach folgendem Satz völlig ausgetickt, weshalb auch immer:
Bestimmten Leute hier, die glauben, einen Alleinvertretungsanspruch auf die richtige Auslegung der Filme zu haben, kann ich nur sagen: ihr seht nicht einmal ein Hundertstel der wahren Handlung, sonst würdet ihr nicht brav "Episode III!!!, Episode III!!!" schreien, sondern vor der Skywalker Ranch demonstrieren.
Darauf kam dann diese Nettigkeit:
Ich hab dich bisher immer verteidigt, weil ich eine Zeitlang auch genauso dachte wie du. Aber jetzt wirst du arrgoant! Und zwar verdammt. Nur weil Leute hier hinter die Star Wars Kulissen gucken, und Episode 3 überzeugend finden, sind das noch lange keine unterbelichteten Leute, die nicht fähig zu denken. Also pass auf, was du sagst.
Und wiederum kann ich nur sagen: wo habe ich je gesagt, jemand sei unterbelichtet?
Aber da uns das nicht weiterführt, schlage ich an dieser Stelle einen Einschnitt vor und führe die Diskussion zurück zu dem Punkt, an dem sich die Geister zu scheiden begannen:
STAR WARS IST EIN MÄRCHEN! ALSO AUCH MIT MÄRCHENHAFTEN FIGUREN! Es ist ein Modell! Ein Modell von Gut und Böse. Und jetzt kommt das Beste: Lucas belässt es nicht bei einem abstrakten staubtrockenen Film, sondern er baut das beste ein: Menschlichkeit. Er fährt einen Spagat zwischen Menschen und Modell.
Star Wars ist ein Werk, was sich nicht über besonders originelle Figuren definiert, sondern über Archetypen und über die Atmosphäre! Jeder SW Film hat eine einzigartige Atmosphäre. Lucas spielt mit den Archetypen. Er belässt es nicht dabei, sondern schafft es durch eine einfache und geniale Idee, diese Saga hervorzuheben: Er lässt den Helden zum absoluten Bösen werden.
An diesem Punkt gehe ich nicht mit. Archetypen sind der Anfang eines Märchens, nicht sein Ende. Ein normales Märchen definiert sich weniger durch Archetypen, als durch die Entwicklung dieser Anfangs-Archetypen auf eine höhere Ebene. Auch bekannt als ?Die Heldenreise?. In der klassischen Trilogie wurde der Versuch unternommen, diese Heldenreise darzustellen. Ein Film trägt sie, ein einziger Film.
ANH stellt Archetypen vor. Dagegen habe ich nichts, das ist seine Aufgabe.
TESB entwickelt diese Archetypen und verwandelt sie in lebendige Wesen. Der Film verändert die Figuren.
ROTJ verwendet in Lukes Fall eine weiterentwickelte Fassung des TESB-Endlukes und bleibt ansonsten stehen. Neben Luke gibt es eigentlich nur zwei Figuren, die sich noch recht umfangreich entwickeln: 3PO und Vader. Bei Yoda gibt es Grundzüge, die aber hauptsächlich dadurch getragen werden, daß er stirbt. Mehr als einen Grundzug sehe ich hier allerdings nicht, dazu war Yoda schon in Episode V zu alt und zu seltsam.

3PO verwandelt sich wohl am deutlichsten. Das Wesen, das keine Geschichten erzählen kann, erzählt eine Geschichte. Sehr schön, Heldenreise abgeschlossen.
Und dann ist da Vader, schon lange kein Archetyp mehr, sondern ein Wesen, das an seiner Existenz zweifelt und mit sich ringt. Etabliert wurde dieser innere Konflikt in TESB, ROTJ führt ihn, durchaus schön und imposant, zum Abschluß.
Aber, und das ist hier der springende Punkt, ROTJ definiert sich in erster Linie über die Handlung, nicht über die Figuren. Genau wie bei ANH, dreht sich in ROTJ alles um den Bürgerkrieg. Auf dessen Ausgang wird zugearbeitet, die Rebellion steht total im Vordergrund. TESB ist hier die bislang einzige Ausnahme der gesamten Reihe. Wir sehen hier keine großen Kulissen, keine großen Schauplätze, keine universalen Entwicklungen. Wir haben lediglich ein paar Menschen in einer unmenschlichen Zeit, die sich unter wechselseitigem Einfluß entwickeln. Die Schlacht am Anfang ist schnell abgehandelt, und selbst sie ordnet sich den Figuren unter. Im Gegensatz zu Yavin und Endor, die nicht Hintergrund, sondern Vordergrund sind und sein wollen, ist Hoth nur die Bühne für Lukes Entwicklung. Nach Hoth geht der Film in eine Reihe persönlicher Szenen über, die den Film bis zu seinem Ende dominieren. Kein anderer Film der Saga hat das bisher getan oder gewollt. In Episode IV geht es um das Überleben der Rebellion, in Episode VI um die Vernichtung des Imperium. Episode I erzählt von der Republik und Naboo, Episode II von der Entfesselung des Klonkriegs. Die Handlung bestimmt in jedem dieser Fälle die Figuren.
Nicht so in TESB. Hier gibt es eigentlich keine Handlung. Kurz zusammenfassen ließe sie sich mit den Sätzen ?Die Rebellion wird von Hoth vertrieben, Vader verfolgt die flüchtenden Rebellen, während Luke auf Dagobah zum Jedi wird.? Das ist TESB. Zur Entwicklung der galaktischen Lage trägt der Film kaum bei. Das Imperium greift an, einige Rebellen sterben, die Basis geht verloren, aber in der letzten Szene zeigt sich, daß es der Rebellion nicht sonderlich geschadet hat. Sie hat überlebt, insofern gibt es keine Handlungsentwicklung in diesem Film. Bei den Figuren tut sich hingegen eine ganze Menge. Ihre Handlungen definieren den Film, ihre Entwicklung die gesamte Trilogie.
Und nun komme ich wieder zur Prälogie, in der dieser zentrale Teil ? die Figurenentwicklung ? einfach unterschlagen oder besser gesagt zerfetzt wurde. Die Prälogie wird definiert von der galaktischen Politik, großen Schauplätzen und jeder Menge Action. Beherrscht von diesen Elementen, werden einige Figuren durch die Galaxis transportiert.
Nehmen wir TPM: wir haben ein galaktisches Ereignis, die Blockade von Naboo. Sie löst eine Reise nach Tatooine aus, wo drei weitere Hauptfiguren vorgestellt werden. Tatooines Funktion ist hier gänzlich die einer großen Bühne, die den Figuren Gelegenheit gibt, sich zu präsentieren. So weit, so gut. Gleichzeitig kommt mit den parallel laufenden Naboo- und Coruscant-Szenen der galaktische Faktor wieder in die Handlung. Galaktische Entwicklungen führen zum Angriff Mauls auf Qui-Gon. Auf Coruscant geht es galaktisch weiter, mit den Problemen der Republik in den Senatsszenen. Die Jedi-Ratsszenen bereiten eine weitere galaktische Thematik vor, die Rückkehr der Sith. Dazwischen, gut und geschickt eingebaut, der Transport von Anakin auf die Vor-Jedi-Ebene. Padmé kann sich ebenfalls kurz präsentieren. Wie zuvor zur ?Freundin Anakins?, wird sie nun zur Politikerin. Jar Jar bekommt einen Auftritt, das Qui-Gon-Obi-Wan-Verhältnis wird endgültig etabliert, dann geht?s nach Naboo. Die obligatorische Schlacht bricht los, Padmé spielt ihre dritte Rolle, die der Kämpferin, Obi-Wan wird zum unfreiwilligen Meister, Anakin wächst zum Helden, und am Ende ist der Galaktische Faktor mit Palpatine wieder da.
Sehr schön das alles. Soweit, und was TPM allgemein betrifft, habe ich keine großen Probleme. Das Podrennen hätte 10 Minuten kürzer sein können, aber das ist nebensächlich. Fakt ist: Episode I hat seine Aufgabe erfüllt, die Figuren sind vorgestellt.
Nun kommt Episode II. Und da müßten sie sich entwickeln. Tun sie das? Ich sage ja, aber...
Episode II wird bestimmt von Galaktischer Politik. Galaktische Politik ruft Amidala nach Coruscant, Galaktische Politik bringt sie mit Anakin zusammen fort von Coruscant, Galaktische Politik führt Obi-Wan nach Kamino und Geonosis.
Die wenigen Szenen, in denen sich die Figuren entwickeln sollten, sind definiert von den archetypischen Rollen der Figuren aus Episode I. Padmé ist die nette Freundin, die Kämpferin, die Politikerin. Die Szenen, die hätten zeigen können, was es für ein Schritt für sie ist, sich zu verlieben ? die (grausigen

) Familienszenen ? wurden geschnitten. Die große Entwicklung, die Episode II also zeigen müßte ? und in meinen Augen deutlich zeigen müßte ? wird eher beiläufig vermittelt. Padmés Rolle oder vielmehr ihre Entwicklung zur Mutter kann sich nicht entfalten.
Obi-Wan hängt, wie ich schon in einem früheren Beitrag bemerkt habe, im Nichts. Er reift, aber er reift unterschwellig. Wieso das? Weil die Szene im Archiv gekürzt wurde. Hätte Jocasta Nu dort die Gelegenheit gehabt, Dookus Geschichte zu erzählen, hätte der Film Dooku als eine ältere, extremere Fassung von Qui-Gon zeigen können. In dem Fall hätte Obi-Wans Kampf gegen Dooku eine schöne symbolische Wirkung entfalten können: das Kind kappt die Nabelschnur und wächst über den Vater hinaus. Ein schönes Thema, an sich, doch es wurde enorm zusammengekürzt und in 90 Sekunden abgehakt. Nach diesen 90 Sekunden stürzt sich Obi-Wan, scheinbar unverändert, in eine Actionszene. Die Entwicklung seiner Figur wird nicht zusätzlich unterstrichen ? es sei denn, man will seine letzte Szene als Aufstieg über Qui-Gons Position außer- und unterhalb des Rates interpretieren. Insgesamt auch hier unterschwellige, der Handlung untergeordnete Entwicklungen.
Kommen wir zu Anakin: wir treffen ihn, wie wir ihn verlassen haben. Dann sehen wir ihn, wie er in eine Beziehung springt. An sich wäre das ein schönes Motiv: als Ausgleich für die Trennung von seiner Mutter, intensiviert Anakin 10 Jahre lang seine Gefühle für Padmé, bis sie so toll ist, daß ihn ein Moment der Begegnung so umhaut, daß er Feuer und Flamme für sie ist. Schön und gut. Nur kommt dieses Element wieder nur in einer Halbsekunde zwischen zwei Explosionen zur Geltung. Während Anakin mit Obi-Wan redet, kommt schon der nächste Handlungsanker in Form von Zams Droide angeflogen. Durch den Schnitt von Anakins erstem Albtraum, wird die zögernd untermalte Gleichsetzung Padmé=Shmi nicht forciert. Anakins Handlungen auf Tatooine hängen damit im Nichts. Und bevor sich hier weiteres entfalten kann, ruft die galaktische Handlung zur nächsten Actionsequenz. Auch durch den unruhigen Schnitt Geonosis-Kamino-Tatooine-Naboo-Coruscant wird die Entwicklung der Figuren stark beeinträchtigt. Man kommt als Zuschauer nicht dazu, die Bedeutung der Ereignisse für die Figuren zu realisieren, sondern wird in der nächsten Sekunde zu einem neuen Schauplatz und einer neuen Figur mit neuen Problemen gerufen. Der Schnitt, der die Galaktische Ebene und damit die Gesamthandlung untermalt, zerstört das Spiel der Figuren und zerhackt fließende Entwicklungen in kleine Bruchstücke, die man sich erst wieder zusammensuchen muß.
Fazit: ich gebe zu, die Figuren entwickeln sich. Aber sie entwickeln sich nicht offen, sondern durch filmische Mittel gezwungen im luftleeren Raum. Es ist, als hingen sie an einem Mobile. Am anderen Ende der Galaxis zieht jemand, und sie schwingen wild umher. Die Handlung dominiert die Figuren und erdrückt durch die Größe des Raums, die Größe der Schauplätze die kleinen Regungen in den Menschen, die auf dem Papier als Hauptdarsteller gelten.