[Teke Ro-System | Cona | Südpolregion | vor einer Siedlung | Hazar Drals Frachter] Nen-Axa, Hazar Dral, Krazark Shaat; Yumiaa wartet draußen
Die Antwort von Hazar Dral überzeugte den Jedi nicht ganz. Doch die Gefühle, die er wahrnahm, waren widersprüchlich und die emotionale Welt der Aleena war ihm nicht vertraut. Er hatte zwar das Gefühl, dass Dral ihm gegenüber nicht ganz aufrichtig war, aber er hatte dafür keine Beweise und selbst wenn es so war, bedeutete das nicht, dass etwas Unanständiges vorgehen musste. Der Pilot hatte selbstverständlich ein Anrecht auf seine Privatsphäre. Nen-Axa beschloss, die Sache zunächst beiseite zu schieben und sich wieder auf die Mission zu konzentrieren.
Der Gleiter fuhr durch den Dschungel aus farbenfrohen, skurril geformten Gewächsen und erreichte bald den Stadtrand. Kontrollen, wie man sie an vielen anderen vom Imperium überwachten Orten fand, gab es glücklicherweise nicht: Wie auch bei der Fahrt aus der Stadt hinaus, ließ man sie unbehelligt wieder hinein. Offenbar hatte Nen-Axa richtig gelegen mit seiner Einschätzung, dass das Imperium nur geringes Interesse an dieser Gegend hatte. Dadurch wurde es auch leichter vorstellbar, dass Va'alii Thinos hier unentdeckt und weitgehend ungestört gelebt hatte. Über die Umstände hoffte er in der H'nemthe-Siedlung mehr zu erfahren.
Sie passierten unter anderem einen Marktplatz, auf dem neben Lebensmitteln auch verschiedene Gebrauchsgegenstände und technische Geräte angeboten wurden.
»Wenn wir später die Gelegenheit dazu haben, kehren wir hierher zurück und suchen nach passenden Ersatzteilen«, sagte Nen-Axa und tippte mit der Kralle auf Krazarks Atemgerät, das er bei sich trug. Er hoffte zwar auf reichliche Informationen seitens der H'nemthe, ging aber nicht davon aus, dass ihr Aufenthalt auf Cona nur diesen einen Tag dauern würde. Sein Padawan würde das Gerät also wahrscheinlich noch einmal brauchen - und wenn nicht, wollte er es dem Orden lieber intakt zurückgeben als im jetztigen Zustand. Doch alles zu seiner Zeit. Bevor er sich um diese Angelegenheit kümmerte, wollte der Jediritter zuerst seine Nachforschungen anstellen.
Sie erreichten schließlich den Stadtteil, der überwiegend von H'nemthe bewohnt war, und hielten vor Inoths Haus. Nen-Axa bemerkte sofort, dass der alte Mann den Bürgersteig mittlerweile doch noch zu ende gefegt hatte: Der helle Beton war blitzsauber. Lächelnd schüttelte er den Kopf über diese seltsame Begegnung. Da nun scheinbar noch etwas Gutes dabei herauskam, machte er weder den H'nemthe noch sich selbst Vorwürfe wegen des Missverständnisses. Yumiaa öffnete ohne zu klopfen oder zu klingeln die Tür und führte sie ins Innere; hinter ihnen schob er allerdings einen Riegel vor. An seinem wachsamen Blick, den er zuvor noch nach draußen warf, war deutlich zu sehen, dass es ihm nicht darum ging, die Gäste drinnen festzuhalten (wozu ein Riegel, den man von Hand öffnen konnte, sowieso ungeeignet gewesen wäre). Es ging darum, ungestört zu sein und auf unerwarteten Besuch noch reagieren zu können. Die Leute drinnen machten auch ganz den Eindruck einer konspirativen Versammlung, die darauf bedacht sein musste, dass kein Unberufener zuhörte. In einem ziemlich engen, aber doch ausreichenden Raum hatten sich acht H'nemthe versammelt - der groß gewachsene Yumiaa war also der neunte. Inoth war natürlich auch darunter, außerdem eine Frau, die ebenfalls sein fortgeschrittenes Alter zu haben schien; alle anderen waren männlich. Wenn man dieses Volk kannte und wusste, dass nur jedes zwanzigste geborene (oder geschlüpfte?) Kind ein Mädchen war, konnte dieses Verhältnis nicht verwundern. Die maskenartigen Gesichter mit der schnabelartigen Nase verrieten nicht viel über ihre Emotionen. Doch Nen-Axa sondierte die Lage mit seinen Machtsinnen und registrierte eine Mischung aus Neugier, Geheimniskrämerei und auch ein wenig Misstrauen. Feindseligkeit oder Hinterhältigkeit gab es jedoch nicht.
Mit einer von merkwürdigen Handbewegungen begleiteten Verbeugung grüßte der Gastgeber die Neuankömmlinge.
»Willkommen in meinem Haus, Jediritter Nen-Axa. Bitte nehmen Sie Platz«, sagte er.
Das war jedoch nicht so einfach getan wie gesagt. Es gab nicht genug Sitzmöbel in dem Raum. Ein Sofa und mehrere Stühle waren bereits belegt und auch auf anderen Möbelstücken hatten schon H'nemthe Platz genommen. Der Arconier zögerte jedoch nicht lange und ließ sich mit überschlagenen Beinen und aufrechtem Rücken auf dem Boden nieder. Inoth stellte nun die anderen Anwesenden mit Namen vor, doch Nen-Axa konnte sie sich nicht alle auf Anhieb merken.
»Und dies ist Hazar Dral, unser... Reisegefährte«, antwortete er, da er den Aleena nicht als reinen Dienstleister charakterisieren wollte. »Krazark Shaat ist im Schiff geblieben. Es geht ihm gut, nur haben wir noch kein Ersatzteil für das Atemgerät. Mr. Dral, dies ist Inoth. Er kannte Ritterin Thinos und möchte uns von ihr erzählen.«
Das war der Fall. Der alte Mann kam jedoch nicht ganz ohne Umschweife zur Sache. Er bestand darauf, den Gästen etwas zu essen anzubieten. »Selbstverständlich salzfrei«, versprach er dem Jediritter, der als Arconier kein Natriumchlorid zu sich nehmen konnte, ohne Gesundheitsgefährdungen oder eine Sucht zu riskieren. Er griff daher gerne zu: Weniger weil er Hunger hatte, als weil er die Gastfreundlichkeit Inoths anerkennen wollte. Hazar Dral musste allerdings verzichten: Da das Haus nicht hermetisch abgeschlossen war, herrschte hier drinnen die gleiche giftige Ammoniakatmosphäre wie draußen, so dass der Aleena seine Maske aufbehalten musste. Wahrscheinlich würden ihm aber auch die einheimischen Lebensmittel sowieso nicht bekommen.
»Wann sie nach Cona kam, kann ich nicht genau sagen. Aber hier in der Stadt tauchte sie zum ersten Mal vor fünf oder sechs Jahren auf. Zuerst hielten wir sie nur für eine gewöhnliche Reisende: Niemand ahnte, dass sie etwas Besonderes war. Ihr erster Besuch war kurz und nicht sehr bedeutsam, wir hätten ihn wohl rasch wieder vergessen. Sie kam dann aber häufiger und wurde bald ein vertrauter Anblick. Schließlich stellte sich heraus, dass sie als Einsiedlerin in der Nähe lebte - etwa fünfzig oder sechzig Kilometer von hier, mitten im Wald. Sie kam in die Stadt, um Vorräte zu kaufen, aber auch um unter Leute zu kommen.«
Diese Information war besonders wichtig für Nen-Axa. Er beschloss, später zu fragen, ob jemand ihren genauen Wohnort kannte. Doch im Moment wollte er den Redefluss des alten H'nemthe nicht unterbrechen.
»Wir merkten auch, dass sie immer bemüht war, nicht den imperialen Besatzern oder den Sicherheitskräfen des Großen Nestes über den Weg zu laufen. Das weckte bei einigen von uns Misstrauen, und ich gehörte zu denen, die damals befürchteten, sie könnte eine gesuchte Verbrecherin, eine gefährliche Wahnsinnige oder etwas Schlimmeres sein. Ihr zurückgezogener Lebensstil und die Tatsache, dass sie fast nichts von sich erzählte, unterstützte diese These. Ein paar von uns hatten Angst vor ihr und wären sie am liebsten wieder losgeworden. Manche schlugen sogar vor, sie den Behörden zu melden. Heute sind wir alle heilfroh, dass wir es nicht getan haben.
Es war vermutlich mehr als bloß Zufall, dass sie in der Stadt war, als sich ein schlimmer Unfall ereignete. Einige arconische Jugendliche fuhren unter Salzeinfluss ein Speederrennen - am hellichten Tag, mitten in der Stadt. Kinder spielten draußen, nur auf dem Bürgersteig, aber auch da waren sie nicht siher. Ein Speeder kam von der Straße ab und zwei von ihnen wurden erfasst. Ihre Verletzungen waren...«
Die Stimme des H'nemthe stockte - Nen-Axa vermutete, dass er damals selbst Augenzeuge des Unfalls gewesen war und schreckliche Bilder aus seiner Erinnerung emporstiegen.
»...Nun, sie hätten sie nicht überlebt. Aber zum Glück war Va'alii in der Nähe, und noch bevor die Sanitäter eintrafen, handelte sie. In dieser Situation gab sie ihre Tarnung auf - ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, welche Folgen das für sie selbst haben könnte. Sie setzte die Macht ein, um beiden Kindern das Leben zu retten, und anschließend tat sie auch bei der Fahrerin des Speeders was in ihrer Macht stand - bei ihr aber leider vergeblich. Wir erfuhren auf diese Weise, dass sie eine Jedi war, und von da an schenkte sie uns reinen Wein ein. Von da an betrachteten wir sie als Teil unserer Gemeinschaft. Ihr Geheimnis war bei uns immer sicher.
Jedenfalls bis zu ihrem Tod. Danach wagten wir es, über sie zu sprechen. Es brachte uns viel Ärger ein. Viele wurden zum Verhör geholt und uns wurden schlimme Strafen angedroht, weil wir die Jedi geschützt hatten. Wir haben noch immer Repressalien zu ertragen - Sie haben es ja vorhin gesehen. Aber wir nehmen das gerne hin, wenn es der Preis dafür ist, dass die Verdienste unserer Wohltäterin nicht vergessen werden.«
Nun begriff Nen-Axa besser, was sich am Morgen abgespielt hatte. Die grobe Behandlung Inoths durch die imperialen Soldaten war weder ein Zufall noch ein Einzelfall gewesen. Damit war auch die heftige Reaktion auf ihn und Krazark - die vermeintlichen Spitzel und Kollaborateure - nachvollziehbar. Allerdings wurde auch verständlich, dass die HÄnemthe es sich nicht nehmen ließen, über die Jedi in ihren Reihen zu sprechen: Fast jeder der Anwesenden gab nun eine kurze Geschichte zum Besten, die zum Ausdruck brachte, wie Va'alii Thinos ihre Gemeinschaft bereichert hatte. Der Arconier hörte aufmerksam zu und sage dann:
»Es freut uns ungemein, dass unsere Ordensschwester bis zu ihrem Tod noch so viel Gelegenheit hatte, Gutes zu tun. Und wir bewundern Ihren Mut, so offen darüber zu sprechen. Sie haben dem Jediorden und sicherlich auch Va'alii damit einen großen Gefallen getan, denn ohne Ihre Offenheit wären wir wohl gar nicht hier. Ihre Erzählungen haben sich als Gerüchte bis Lianna verbreitet und man hat uns losgeschickt, ihnen nachzugehen. Denn bis vor kurzem wusste niemand, wo Ritterin Thinos abgeblieben war und wir hätten vielleicht niemals erfahren, dass sie bis zu ihrem Tod auf Cona gelebt hatte. Was können Sie mir darüber sagen, wie sie gestorben ist?«
Die Antwort darauf gab das einzige weibliche Mitglied der Runde:
»Ich war damals dabei, als sie gefunden wurde. Nachdem sie ungewöhnlich lange nicht in die Stadt gekommen war, bin ich mit meinem Bruder und einem Nachbarn aufgebrochen, um nach dem Rechten zu sehen. Wir fuhren zu ihrer Hütte und suchten dort nach ihr. Sie lag auf ihrem Bett und schien schon eine geraume Weile tot zu sein: Ihr Körper war ausgetrocknet. Wie genau sie gestorben ist, wissen wir nicht, aber es gab kein Anzeichen für Gewalt. Sie lag friedlich auf ihrem Bett, als wäre sie aus einem ruhigen Schlaf nicht wieder aufgewacht. Sie und ihr Besitz waren unberührt.«
»Was geschah dann mit ihr?«
»Wir hätten sie gerne nach traditioneller Art bestattet, doch wir fürchteten, dass eine Grabstätte geschändet werden könnte. Also verbrannten wir ihren Leichnam und verstreuten die Asche an dem Ort, an dem sie gelebt hatte.«
»Ich würde diesen Ort gern sehen«, sagte Nen-Axa. Dabei ging es ihm nicht nur um seine Mission, sondern auch um eine Gelegenheit, sich einen Eindruck davon zu machen, wie diese Jedi gelebt hatte. Sie war nur Ritterin gewesen; dennoch schien sie eine wahrhaft große Frau gewesen zu sein.
»Wir können Sie hinführen. Viel gibt es dort aber nicht zu sehen. Zuerst war ihre Hütte so etwas wie ein Wallfahrtsort für uns, doch als das Imperium davon erfuhr, setzten sie der Sache auf ziemlich radikale Art ein Ende. Sie haben die Stätte restlos zerstört - nichts deutet dort mehr auf sie hin.«
Das war allerdings eine schlechte Neuigkeit. Nen-Axa musste befürchten, dass die Dinge, nach denen er fahndete, in falsche Hände gefallen oder zerstört worden waren.
»Was wurde aus ihrem Besitz?« fragte er, in der Hoffnung, dass die H'nemthe alles an sich genommen hatten. Doch der Bescheid lautete anders:
»Was sie am Leib trug, haben wir mit ihr verbrannt. Ihre Hütte ließen wir aber unberührt. Niemand hat etwas von dort weggenommen, bis die Imperialen kamen.«
»Wenn Sie uns sagen wonach Sie suchen, können wir Ihnen vielleicht behilflich sein«, bot Inoth an. »Wir schulden den Jedi viel und werden einen Teil der Schuld gerne zurückzahlen, wenn wir die Möglichkeit dazu haben.«
»Va'alii Thinos ging ins Exil, als das Imperium Coruscant eroberte und der Jeditempel in feindliche Hände fiel«, erklärte Nen-Axa. »Soweit wir wissen, nahm sie Dokumente aus der Ordensbibliothek mit sich, um diese zu verwahren. Wir hoffen auf einen Hinweis darauf, wo diese Schriften oder Datenspeicher verblieben sind, um sie zurückzubringen. Wissen Sie vielleicht etwas darüber?«
Bedauernd schüttelten alle neun die Köpfe. Keiner von ihnen hatte jemals solche Gegenstände im Besitz von Va'alii Thinos gesehen und sie hatte sie auch nie erwähnt. Und vor allem hatte keiner sie für die Jedi verwahrt.
»Das wäre auch zu einfach gewesen«, seufzte der Arconier etwas enttäuscht. »Es ist natürlich möglich, dass sie zusammen mit der Hütte vernichtet oder vom Imperium fortgeschafft wurden. Dennoch: Solange wir keine Gewissheit haben, werden wir die Suche nicht aufgeben. Wir würden gerne am ehemaligen Standort der Hütte nach Hinweisen suchen. Sind Sie damit einverstanden, sofort aufzubrechen, Mr. Dral?«
[Teke Ro-System | Cona | Südpolregion | Siedlung | H'nemthe-Viertel | Inoths Haus] Nen-Axa, Hazar Dral; Inoth, Yumiaa, sieben weitere H'nemthe