- Corellia - HQ Geheimdienst - Dach -
Der glatte Betonboden fühlte sich kühl an, unter ihr. Akemi hatte sich auf den Rücken gelegt, alle Gliedmaßen weit von sich gestreckt. Es war noch nicht Abend und somit auch kein einziger Stern zu sehen. Was sie sah, waren Wolken, die in beruhigender Langsamkeit ihren Weg zu einem fernen Ziel zurück legten. Sie war eine verdammte Heulsuse. Akemi wischte sich mit dem Handrücken über die Wange und zog die Nase hoch. Warum war sie bloß so nah am Wasser gebaut, dass sie alles sofort berührte und ihr die Tränen in die Augen trieb? Sie wusste ja nicht einmal, warum sie traurig war uns sich so entsetzlich verloren fühlte. Es war doch nicht allein die Tatsache, dass Cris etwas tat, das ihr nicht gefiel? Allein deswegen konnte man doch nicht so aufgewühlt sein. Ratlos schüttelte Akemi den Kopf und setzte sich auf. Wahrscheinlich war sie selbst Schuld an ihrem eigenen Elend. Sie hatte ihr Leben einfach aufgegeben und alles was sie hatte gegen den Rang einer Agentin beim Republikanischen Geheimdienst eingetauscht. Obwohl, das war eigentlich nicht richtig formuliert. Sie hatte dies alles gegen Cris eingetauscht. Sie hatte auf etwas verzichtet und etwas bekommen...ihn. Aber wie naiv war sie gewesen zu glauben, dass sie jetzt für immer und ewig jede Minute bei ihm sein konnte? Er war Lieutenant. Er war ein erwachsener Mann. Und dass er irgendwann einmal eine Frau kennenlernen würde, die ... nunja, das war doch normal. Das war logisch. Das war nunmal einfach so. Sie beide, er und sie, waren befreundet. Sie fühlten sich einander verbunden. Aber Cris konnte nicht jede Sekunde für sie da sein. Das war albern und falsch von ihr, es zu erwarten.
Inzwischen war sie an das Geländer getreten und sah hinunter. Heute hatte sie keine Lust, in die Tiefe zu spucken. Obwohl es etwas anderes wäre, wenn sie wüsste, dass dort unten gerade Rima Saunders lief...
Es war ganz einfach, Akemi mochte sie nicht, weil sie eine aufgedonnerte, arrogante...ignorante Tussi war! Das hatte nicht einmal etwas mit Cris zu tun. Selbst wenn sie der aufgesetzten Saunders irgendwo am Ende der Galaxis begegnen würde, wäre sie ihr unsymphatisch. Akemi seufzte, kramte in ihrer Tasche herum und holte ihr Datapad heraus. Zuerst tippte sie etwas wahllos auf den Tasten herum, dann las sie sich noch einmal die Informationen über Esseles und die bevorstehende Mission durch. Nun würde sie der blonden Agentin auch noch dort begegnen. Dabei hatte es eigentlich eine besondere Mission sein sollen, weil es ihre erste überhaupt war... und Cris' erste als Offizier. Darauf hatten sie sogar noch angestoßen. Sie steckte das Datapad weg und ließ ihren Blick über Coronet schweifen. Sie würde gerne durch die Straßen und Gassen spazieren... einfach so, ohne Ziel. Aber das war ja verboten. Sie hatte das oft in Theed gemacht und vorher in Drev'starn... war einfach umher geirrt und hatte ihren Gedanken nachgehangen. Spazieren gehen beruhigte sie und sie sah sich gerne die Gegend an. Nur leider, es ging nicht... nicht heute... nicht, wenn Colonel Raistlin es verboten hatte. Leicht trotzig rückte Akemi das Kinn vor, ohne sich dessen bewusst zu sein. Seit wann ließ sie sich überhaupt irgendwas verbieten?
Der Fahrstuhl brachte sie wieder hinunter, in die unteren Ebenen des Hauptquartieres. Sie wusste genau, wo sie hingehen würde! Sie nahm den direkten Weg zum Ausgang, zum unterirdischen Tunnel. Das dunkle Gebäude ohne Fenster erdrückte sie. Man konnte hier nichts tun, war eingeengt... eingesperrt... und alleine. Müde lehnte sich Akemi gegen eine Wand, irgendwo in der Nähe des Tunnels und schloss für einen Moment die Augen. Was tat sie? Sie konnte das Hauptquartier nicht verlassen. Nicht, weil es nicht erlaubt war... sondern wegen Cris. Es würde auf ihn zurück fallen. Er war für sie verantwortlich. Unschlüssig verharrte sie und drehte den Kopf zur Seite. Sie störte sich nicht an Regeln und Verboten, so lange es nur sie betraf. Aber die Regel jetzt zu brechen, zog auch Cris mit hinein... außerdem würde sie dann sehr wahrscheinlich endgültig nicht mehr mit nach Esseles dürfen...wobei das mittlerweile gar nicht mehr so tragisch schien. Zumindest würde sie dann einer bestimmten Person aus dem Weg gehen können.
"Hallo, alles in Ordnung mit dir?"
Erschrocken wandte Akemi den Kopf herum. Es war einer dieser blassen Analyseexperten, der sie angesprochen hatte. Vermutlich hatte er gerade Pause gehabt und war nun auf dem Weg zurück zu seinem Arbeitsplatz - er hatte einen Trinkbecher und eine Brotbox unter dem Arm. Akemi nickte schwach.
Ja...danke. Alles okay.
Der Mann in dem hellgrauen Kittel nickte und schob seine Brille mit der Fingerspitze ein Stück höher.
"Dann ist gut. Die Medistation ist..."
Danke, es ist wirklich alles okay.
Akemi lächelte tapfer und der Mann nickte erneut. Er lächelte zurück, tippte sich zu einem spaßigen Gruß an die Stirn und setzte seinen Weg fort. Wenige Schritte später war er bereits aus Akemis Blickfeld verschwunden. Das Mädchen atmete tief ein und aus, sah sich nach links und rechts um und folgte dann dem Weg in Richtung des Unterkunftstraktes.
Der Computer lief immer noch. Akemi zögerte. Noch eine Aufgabe...? Nein. Sie wusste ganz genau, was sie tun wollte. Sie würde dorthin gehen, wo sie sich fallen lassen konnte und wo die Welt um sie herum verschwamm, weil sie sie verließ und stattdessen in eine andere glitt. Eilig packte sie ihren Badeanzug und ein Handtuch, überlegte, ob sie ihre eigene Waschlotion mitnehmen oder die Standardseifen benutzen sollte und entschied sich, sich heute ihren eigenen persönlichen und teuren Luxus zu gönnen, indem sie ihre eigene Lotion mitnahm. Für L?auveré hatte sie selbst geworben. Plakate mit ihrem Gesicht hingen noch immer überall und die verschiedenen Werbespots, die sie für die Kosmetikfirma gedreht hatten, würden auch erst in spätesten einem Jahr zu laufen eingestellt werden, wenn ihr Vertrag auslief.
Mit vollbeladenen Armen verließ sie ihr Quartier wieder, schloss die Tür hinter sich und versuchte, möglichst nichts fallen zu lassen. Sie bemerkte nicht, dass ihr dies nicht gelang und ihre ID-Card unter ihrem Arm weg rutschte und auf den Boden vor ihrer Zimmertür fiel. Ohne sich herum zu drehen lief sie den Gang hinunter. In die andere Richtung zu schauen würde bedeuten, einen Blick dorthin zu werfen, wo höchstwahrscheinlich gerade Cris und Rima Saunders waren... in Cris' Quartier. Eines stand für Akemi fest: In einem Bett, in dem Rima Saunders gelegen hatte, würde sie ganz bestimmt nicht mehr schlafen. Vermutlich war es ohnehin Zeit, erwachsen zu werden.
Glücklicherweise war die Schwimmhalle leer, wie auch schon bei ihrem letzten Besuch. Akemi duschte sich ab, testete die Temperatur des Wasser und stieg mit eiserner Miene den Sprungturm hinauf. Sie ertappte sich bei der Frage, wie gut Agentin Saunders wohl schwimmen und ob sie es mit Akemi aufnehmen konnte. Diesmal war es sogar eine tatsächlich logische Schlussfolgerung, die sie zu der angenehmen Antwort führte, dass dem bestimmt nicht so war. Akemi war klein und agil, ihr Körper passte sich dem Lauf des Wassers an. Befriedigt sprang sie hinunter, in die Tiefe, dort hinein, was für sie das Tor zu einer anderen Dimension bedeutete. Die Sekunden in der Luft, bevor sie die Wasseroberfläche durchbrach, verliehen ihr das Gefühl zu fliegen und für den Bruchteil eines winzigen Augenblicks bildete sie sich ein, sie könnte es wirklich. Dann glitt sie ins Wasser und tauchte.
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