Schlacht-Chirurgen
Widmen wir uns zuerst, wie üblich, dem Cover. Mir gefällt?s, aber ich habe schon bessere gesehen. Und Barriss sieht imho mehr wie Veronica Ferres aus als Nalini Krishan, aber na gut, in dem Fall halte ich das eher für positiv

. Der Klappentext ist übrigens zur Abwechslung mal richtig gut und trotzdem allgemein genug gehalten, nichts zu verraten, was der Leser nicht nach den ersten paar Kapiteln ohnehin weiß.
Wer ein großer Fan von alles entscheidenden Schlachten, strahlenden Helden und wenig Realismus in seiner SW-Literatur ist und in ?Battle Surgeons? genau das erwartet, wird enttäuscht werden. Demalltagentkommenwollende (?Escapism? nennt man diese Tendenz drüberm Teich) Märchenfans werden mit dem momentanen EU kaum bedient, und dieser erste Band einer Duologie von Michael Reaves und Steve Perry ist da keine Ausnahme.
Es geht hier nicht um allmächtige Jedi, unglaublich talentierte Jägerpiloten oder brillante Politiker. Was wir in ?Battle Surgeons? erleben, ist der Alltag - wenn es auch ein vom Krieg geprägter ist - der ganz normalen Bewohner der Galaxis: Journalisten, Ärzte, mittelmäßig begabte Kriminelle. Die einzige Jedi ist auch nicht gerade ein Musterbeispiel für den Orden.
Groß angelegte Action-Szenen finden sich auch nicht. Es gibt durchaus mal einen Kampf hier und da, aber mehr als drei oder vier, in die die Charaktere direkt involviert sind (und das sind kurze Duelle), und ein paar mehr, an denen sie unbeteiligt sind, werden nicht gezeigt. Mir hat der eher ruhige Ton sehr gefallen. Die vielen leisen Szenen ermöglichen es den Autoren, die Charaktere besser herauszuarbeiten, als es sonst der Fall gewesen wäre. Im übrigen muss ich die beiden an dieser Stelle wirklich loben: der Roman ist trotz des Mangels an Action sehr spannend, weil sie trotzdem kleine Geschichten gefunden haben, die das Interesse des Lesers wecken. Natürlich ist das in gewisser Weise auch ein Problem; die episodische Natur dürfte nicht jedem liegen.
Schon beim ersten Geschmack, den sw.com uns von ?Battle Surgeons? gegeben hat (in Form einer groben Inhaltsangabe, die sich nicht wesentlich vom endgültigen Klappentext unterscheidet), hatte ich laut ?M*A*S*H*? geschrien. Übermäßig vertraut war und bin ich mit dieser Serie nicht, aber ich kenne natürlich ein paar Folgen. Wer noch nicht in den Genuss gekommen ist: Diese Fernseh-Serie spielt in einem medizinischen Lager in Korea oder Vietnam in ebendiesem Land, wo im Krieg Verletzte verpflegt werden. Das Lager ist von allerlei skurrilen Gestalten bevölkert, aber die normalsten von allen sind die beiden Chefärzte. Um bei der Verzweiflung und dem Elend, das ihnen jeden Tag begegnet, nicht verrückt zu werden, haben sie sich eine harte Schale und einen deftigen, schwarzen Humor zugelegt.
?MedStar? scheint das gleiche Konzept zugrunde zu liegen. Hier ist es nicht ein Land in Asien, sondern Drongar, ein Planet, der für sowohl Separatisten als auch Republik wichtig ist, weil nur dort eine wichtige Heilpflanze wächst. Aufgrund gewisser natürlicher Begebenheiten müssen beide Parteien sich auf Fußsoldaten (Klone für die Republik, Droiden und Freiwillige für die Konföderation) verlassen und können nicht auf schweres technisches Gerät vertrauen; entsprechend langsam geht die Auseinandersetzung voran. Mal gewinnt die eine Seite eine Schlacht, mal die andere. Wie genau der Krieg auf Drongar verläuft, erfahren wir aber gar nicht; dem Ärzte-Team ist das auch egal, für sie ist entscheidend, Leben zu retten.
Ich finde jedenfalls, dass das Konzept aufgegangen ist. Irgendwo in den Weiten des weltweiten Netzes habe ich gelesen, dass jemand damit unzufrieden war, wie einfach die Handlung von ?Battle Surgeons? in unsere Welt verlagert werden könnte; deshalb sei es ?unstarwarsig?. Ich sehe das genau gegensätzlich. Gerade diesen Bezug zu unserer Welt fand ich toll. Der Realismus abseits der Superwaffen hat mir in SW lange gefehlt. Der Krieg der Sterne ist auf dem Weg, echte Erwachsenen-Literatur zu werden, weg vom ?Eskapismus?; so manchen mag das stören, mir gefällt?s.
A propos Erdenbezug. Im Laufe des Buchs werden desöfteren philosophische Sprüche zitiert oder auf Werke verwiesen, die ihren Ursprung definitiv in unserer Galaxis haben. Nur werden sie etwas umformuliert und anderen Autoren (aus der GFFA) zugeordnet. Als Beispiel sei die schwache Erinnerung an ein ?altes Holodrama? genannt, in dem sich jemand ständig die Hände wäscht, das Blut des von ihm getöteten Vaters aber nicht abgekommt.
Auch das fand ich gut und würde es begrüßen, wenn mehr Autoren das so machen würden (solange es nicht Überhand nimmt, klar).
Nachdem das Buch zu einem Großteil im medizinischen Milieu angesiedelt ist, strotz er nur so von Fachbegriffen aus diesem Bereich. Verstehen würde ich die ja selbst dann nicht, wenn sie Deutsch und nicht futurisiert wären; größtenteils habe ich einfach drübergelesen. Wirklich wichtig ist ja nicht, woran der Arzt da gerade rumoperiert bzw. mit welchem Instrument. Ich möchte das gar nicht als Kritikpunkt anbringen; in ein Buch wie ?Battle Surgeons? gehören diese Ausdrücke einfach (schon allein wegen des Titels).
Über die Charaktere will ich nicht viele Worte verlieren; das lässt sich sowieso besser machen, wenn man die ganze Handlung kennt. Ich war zuerst überrascht, wie mittelmäßig Barriss dargestellt wird, aber da die Autoren hier konsequent bleiben, stört es mich nicht. Es ist unzweifelhaft eine willkommene Abwechslung von den ewig perfekten bzw. beinaheperfekten Jedi, die einem im EU sonst so begegnen. Wobei ich es vermutlich trotzdem besser gefunden hätte, wenn die Autoren einen ganz neuen Charakter kreiert hätten, allein schon wegen der größeren Möglichkeiten.
Ein paar Ungereimtheiten und kleinere Dinge, die mir aufgefallen sind:
- Mal wieder kommt ein Noghri vor. Langsam habe ich das Gefühl, dass die Lektoren das mit Absicht machen. Das entwickelt sich ja schon zum ?Running Gag?...
- Zuerst ist I-Fünf peinlich darauf bedacht, dass niemand mitbekommt, dass er mehr ist, als er zu sein scheint. Aber in dem Sabbacc-Kapitel wissen plötzlich alle genauestens über seine Besonderheiten Bescheid und stören sich auch nicht daran. Da fehlt ein Kapitel, oder zumindest ein Vorspann zum Sabacc-Turnier (hätte man ja auch gut mit dem Wanken von Jos? persönlicher Einstellung verbinden können).
- Der Schwarze-Sonne-Kerl (von dem wir dann herausfinden, dass er auf eigene Faust gearbeitet hat) war mir zu lange auf dem Schiff. Man hat zwar den Eindruck, dass zwischen seiner Ankunft und der Jagd nur ein paar Stunden liegen, aber das kann nicht sein; der Admiral hätte nie so schnell alles für die Jagd vorbereiten, sich über den Mann informieren und den Dingen nachgehen können, die Admiräle üblicherweise so zu tun pflegen, ohne Aufsehen zu erregen.
- In dem Buch gibt es eine versteckte Anspielung auf ?Star Trek?. Hat sie noch jemand entdeckt? (Auf TFN hat einer behauptet, sogar zwei gefunden zu haben, aber mir ist nur die eine aufgefallen.)
- Warum muss Jos ausgerechnet ein Corellianer sein? Wieviele gibt es davon eigentlich in der Galaxis? Doch bestimmt mehr, als auf diesen blöden Planeten drauf passen

. Mich hätte es ja nicht mal so sehr gestört, wenn die Autoren nicht mit dieser seltsamen Einstellung von Jos? Familie angekommen wären, die (so habe ich das interpretiert) auf ganz Corellia praktiziert wird. Ein neuer Planet wäre da vielleicht besser gewesen.
- I-Fünf ist scheinbar für alles ausgerüstet, quasi ein Schweizer Taschenmesser. Die Glaubwürdigkeit wird in ?Battle Surgeons? in dieser Beziehung arg gestreckt (mehr noch als in ?Shadow Hunter?, jedenfalls habe ich es von da nicht so in Erinnerung).
Ein Rätsel bleibt: die Identität des Spions. Ich habe im Laufe des Romans das gesamte Bodenpersonal verdächtigt, immer mal wieder einen anderen. Gegen Ende hatte ich mich auf den Teräs-Käsi-Freak und den Zabrak eingeschossen, abwechselnd. Diese Vermutung ging in beiden Fällen ja wohl ziemlich ins Leere...
Dann sage ich mal: Tolk ist?s. Auch aus dem einfachen Grund, dass es sonst nicht mehr viel Auswahl gibt

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