Rezension folgt. Leichte Spoiler am Anfang, später mehr.
'Triple Zero' (ab jetzt TZ) ist der zweite Roman Karen Traviss', der sich mit den Klonsoldaten der ALten Republik beschäftigt. Der erste hatte eine recht generische und lineare Handlung, zeichnete sich aber dadurch aus, den Klinen einen Gemeinschaftssinn und individuelle Gesichter (soweit man das in dem Fall sagen kann) gegeben zu haben. 'Hard Contact' (ab jetzt HC) entstand in sehr kurzer Zeit, da konnte man einzelne Unzulänglichkeiten (die Glaubwürdigkeit der Charaktere usw. betreffend) tolerieren. Die Entstehungsumstände für TZ gestalteten sich freundlicher, das war bekannt, also konnte man in dieser Hinsicht etwas mehr erwarten.
"Mehr" ist es auch geworden. Ganz banal mehr Seiten (393, ohne Kurzgeschichte 'Targets', zu 293), aber auch die Handlung ist komplexer. HC hatte ein sehr begrenztes Figurenensemble, das für TZ verdoppelt wird. HC schilderte eine Mission, wie sie auch in einem Computerspiel hätte vorkommen können: finde X, rette Y, zerstöre Z und töte jeden, der dich daran hindern will.
In TZ werden die vier Omega-Jungs (aus HC) und ihr Mentor, Kal Skirata, zwangsweise mit den vier Delta-Sondereinsatzklonen (aus dem Computerspiel 'Republic Commando') und
deren Mentor, Walon Vau, zu einem Team vereinigt, das auf Coruscant eine Terroristenzelle ausschalten soll. Die beiden Klongruppen sind sich nicht ganz grün, die Mentoren hassen sich, einer der Klone hat eine Affäre mit einer Jedi, die wiederum Gewissensbisse hat, weil die ganze Operation offiziell nicht stattfindet und sowohl gegen das Gesetz als auch gegen die ethischen Grundsätze des Jedi-Ordens verstößt.
"Mehr" ist also gegeben. Ist das in diesem Fall auch mit "besser" gleichzusetzen?
Handwerklich: ja. Traviss nutzt das Mehr an Handlung, um Freiraum für Charakterzeichnung zu schaffen. Die Figuren wirken lebendig und glaubwürdig. Das Zusammenspiel der beiden "Squads" und ihrer Lehrmeister ist interessant - und bisweilen köstlich - anzuschauen. Die Mentoren sind beide mandalorianische Söldner, die von Jango angeheuert wurden, bestimmte Klone zu Kommandoeinheiten zu schmieden. Da endet die Gemeinsamkeit aber auch schon. Der eine ist väterlich-fürsorglich, der andere patriarchalisch-streng, mit Auswirkungen auf das Verhalten der Klone, die jeweils betreut wurden. Faszinierende, vielschichte Menschen, nicht ohne an sich widersprüchliche Charaktereigenschaften, die interessantesten Figuren des Romans. Da ist noch mehr zu erfahren; gerne würde ich einen Roman nur über die beiden sehen.
In diesem Zusammenhang: Schon RC hat angedeutet, dass die Kline nicht nur genetisch von einem Mandalorianer abstammen, sondern diese Kultur auch als Teil ihres Erbes angenommen haben und zelebrieren. Das wird in TZ noch sehr viel deutlicher. Diese nomadische Kriegerkultur passt auch erstaunlich gut zu den Klonen.
Traviss hat offensichtlich eine Vorliebe für die Mandalorianer; sie hat die erste vollständige SW-Kunstsprache entwickelt: Mando'a. Die kommt in TZ so oft zum Einsatz, dass ein Glossar angefügt wurde, um nicht ständig im Text selbst übersetzen zu müssen. Trotz ihrer mandalorianischen Wurzeln und ihrer mandalorianischen Trainer fand ich die Häufigkeit, in der die Klone mandalorianische Ausdrücke fallenlassen, übertrieben. Etwas weniger - und dafür vielleicht mehr von Skirata, Vau und Ordo - wäre besser gewesen. (Außerdem steht nicht alles, was vorkommt, auch im Glossar, ein paar Begriffe fehlen.)
Traviss führt in TZ neben der "normalen" Infanterie, den Kommandos und den ARCs eine vierte "Art" von Klonen ein: Null-ARCs. Auch: psychisch angeknackste Supersoldaten, superstark, superintelligent, superschlau. Solche übermächtigen Charaktere mag ich normalerweise nicht. Es gefällt mir auch nicht, dass die ARCs, vor TZ noch die Nonplusultra-Einheiten der Klonarmee, hier als etwas blöd dargestellt werden, damit die Nulls sie umso leichter übertrumpfen können.
Ich habe nichts gegen den Charakter Ordo (das ist einer der Nulls), er hat eine interessante und bewegende Geschichte, aber ich hoffe, dass er und seine Brüder jetzt wieder in der Versenkung verschwinden und, vor allem, kein Autor die Idee (ohnehin gutes genetisches Material noch mehr verbessern und daraus Klone züchten) aufnimmt und eigenen Murks fabriziert (das kann nämlich sehr schnell sehr leicht schiefgehen).
Ich bleibe bei den Klonen: Es ist vor Traviss schon ein Mal vorgekommen, dass ein Klon sich verliebt, die Frau geschwängert und seine Effizienz in Kampf eventuell beeinträchtigendes Verhalten an den Tag gelegt hat: Jangotat war das in 'The Cestus Deception'. Ich habe die Klone schon immer für einigermaßen normale Menschen gehalten, aber eben nur einigermaßen. Damals meinte ich, dass sein irrationales Verhalten gerade noch in Ordnung sei, schließlich sei Jangotat kein normaler Klon, sondern ein (genetisch nicht veränderter) ARC. So.
Darman ist aber ein normaler Klon. Er hat besonderes Training, genossen, ja, aber biologisch ist sein Genom eine abgespeckte Version, dem Dinge, wie ich sie beschrieben habe, fremd sein sollten. Trotzdem beschwere ich mich nicht. Nach HC und TZ halte ich das nämlich für glaubwürdig. Karen Traviss hat nicht nur verändert, wie ich die Klone (und alle Klone diesmal) sehe. Ich behaupte, sie hat die Klone selbst verändert. Ich glaube, dass das so nicht geplant war. Wenn ich mir AOTC (und auch ROTS) und die Klonkriegsliteratur vor 2004 ansehe (Comics eingeschlossen), habe ich nicht den Eindruck, als wären die Klone so eigenständig in ihrem Denken. Ich bin inzwischen nicht mehr so sicher, dass alle Klone den "Befehl 66" ausgeführt haben. Die Vermutung, die Order sei in ihnen genetisch verankert, ist inzwischen ja ohnehin vom Tisch.
Nächster Punkt: Etain und Jusik, die beiden "Jedi", die die Mission unterstützend begleiten. Jedi in Anführungszeichen. Das sind keine Jedi mehr. Es ist kein Geheimnis, dass die Prequel-Jedi (mit wenigen Ausnahmen) für mich ein Haufen arroganter, blinder Idioten sind, die es nicht verdienen sich Mitglieder dieses Ordens zu schimpfen. Aber das andere Extrem (da sind Etain und Jusik noch nicht, aber mehr da als bei ihren Jedi-Brüdern und -Schwestern) hat mit meiner Vorstellung von Jedi auch nichts zu tun.
Die ganze schwarze Operation gefällt mir nicht; gute Absichten hin oder her, "die Polzei kommt nicht weiter, die muss sich an die Gesetze halten, schicken wir die Soldaten im Geheimauftrag" ist eine Einstellung, die in einem Rechtsstaat nichts zu suchen hat, Punkt. Den Klonen kann ich das nachsehen; die Kommandos machen, was ihnen gesagt wird, Ordo hat sowieso nicht alle Tassen im Schrank, und die beiden Mandalorianer geben offen zu, dass die Republik und ihre Gesetze ihnen wurscht sind und ihnen alles recht ist, um die Sicherheit "ihrer Jungs" zu gewährleisten.
Für Jedi aber ist da kein Platz; spätestens, nachdem klar war, dass es keine Gefangenen geben wird, hätte beide die Mission abbrechen müssen (zumindest für sich selbst). Der Grund, warum dem nicht so ist, lässt sich in zwei Worten ausdrücken: Kal Skirata. Sie sehen ihn als Vaterfigur (und das ist ja auch verständlich; als Jedi hatten sie nie einen Vater, und beide sind noch ziemlich jung), als Vorbild, dabei hat er einen - für Jedi - schädlichen Einfluss. Sowohl Etain als auch Jusik bewundern ihn offen (Etain aus mehr als einem Grund) und machen alles, was er sagt. Folter? Wird gemacht. Exekution? Machen wir mit. Erst schießen, dann die Schuld beweisen? Oya, oya! Am Ende des Buches ist Jusik praktisch ein Mandalorianer, will es auch sein. Kann er meinetwegen, aber dann sollte er den Jedi-Orden verlassen.
Bei Etain sieht man die Abhängigkeit noch deutlicher. Sie ist schwanger, freut sich, überlegt schon, wie sie damit umgehen wird... und Kal staucht sie zusammen, was ihr einfalle. Es komme ja überhaupt nicht in Frage, das Kind normal aufzuziehen, nein, ein Mandalorianer müsse es werden. Er beschließt mal eben schnell, es selbst aufzuziehen. Und was macht Etain? Nickt alles ab. Bei der hakt's wohl, sie ist schließlich die Mutter! Ne, ne. Bei den Jedi mag sie sowas wie echte Selbstbestimmung nie gehabt haben, aber bei den Mandos erst recht nicht. Und sie merkt es nicht mal. Das ist dann wieder ein negativer, heuchlerischer Aspekt dieser Kultur, wie im Insider-Artikel (auch von Traviss), wo erst von Gleichberechtigung gesprochen wird und es dann im nächsten Absatz heißt, dass eine Ehefrau Söhne zu gebären, das Haus zu hüten und Töchter zu erziehen habe. Die spinnen ja, die Mandos.
Problematisch wird dieser ganze Aspekt dadurch, dass Traviss den Ausbruch aus den Jediregeln und den Eintritt in die Mandowelt nicht ausschließlich neutral beschreibt, sondern der Erzähltext mal mehr, mal weniger eine Färbung in Richtung "es ist Krieg! scheiß auf Moral" aufweist, so als wäre das Traviss' eigene Ansicht. Wenn sich das auf TZ beschränkt, na gut, das wäre dann eine Sache, die zu den Charakteren passt. Gar nicht gut aber wäre es, wenn diese Auffassung demnächst in den LOTF-Romanen vorkommt, weil es die Richtung ist, in der Traviss die Jedi/die Helden generell haben will/wollte.
Ein paar Kurzanmerkungen zum Schluss:
- Für "mittelmäßige" Jedi waren mir Etain und Jusik wieder zu stark, vor allem am Schluss.
- Es stirbt wieder keiner, nicht mal das Viech. Ärgerlich.
- Es kommen kaum Nichtmenschen vor. Das ist nicht so sehr eine Kritik als einfach etwas, was mir aufgefallen ist.
- Vorausgesetzt, Etains Sohn wird geboren und überlebt und Skirata bekommt seinen Willen: Wer ist es? Kennen wir ihn vielleicht? Stark in der Macht, zumindest die Hälfte von Jangos Genen, Mandalorianer... das ist jemand, der auffallen könnte. Und übrigens nur ein Jahr älter ist als Luke, in LOTF also durchaus vorkommen könnte.
- Der Gebrauch von CorSec für "Corporate Sector" (in der Kurzgeschichte 'Targets', in der die Raumhafen-Geiselnahme, von der in TZ ein paar Mal die Rede ist, geschildert wird), war irritierend.
- Ich glaube nicht an "fierfek" als Ersatz eines bestimmten Vierbuchstabenwortes. Es ist mit seinen zwei vollen Silben und dem ie einfach zu lang. Wenn die Mandalorianer wirklich so pragmatisch sind, haben sie sich bestimmt ein Wort ausgedacht, mit dem sich schneller fluchen lässt, und Traviss will es uns bloß nicht verraten

...