Frittenführer
(Herbert Grönemeyer) "Gehse inne Stadt, wat macht dich da satt? Ne Currywurst!"
Es war in den 60ern, als die Kartoffel in ihrer fein geschnittenen Form aus Belgien mit den Friteusen des Ruhrpottes auch gleich die Herzen der Einwohner eroberte und sich dort mit einem Produkt, um dessen Ursprung sich schon Hamburg und Berlin stritten - nämlich der Currywurst - vereinte. Ohne echte Konkurrenz für Grünkohl und Panhas zu werden. Das eine aß man an Mutters Küchentisch, das andere bot endlich für viele eine Perspektive, trotz schmalen Geldbeutels auswärts essen zu können.
(Herbert Grönemeyer) "Kommse vonne Schicht, was schöneres gib´s nich, als wie Currywurst."
"Zu ´ner guten Currywurst gehört auch das Ausgehen zur Bude. Also eine Currywurst, die ich mir zu Hause mache, schmeckt ungefähr so wie ´ne Dose Kaviar, die ich mir zu Hause aufmache, es schmeckt einfach auswärts besser."
(Herbert Grönemeyer): "Oh Willy ist dat schön, wie wir zwei hier stehn mit Currywurst!"
"Und die, die wir hier groß geworden sind, für die war es einfach ein Ereignis, weil wir eben nie ins Restaurant gehen konnten, wir sind zur Bude gegangen und haben uns dann meistens was geholt, was wir dann mit nach Hause genommen haben und zu Hause vor dem Fernseher gegessen haben."
Heute wirkt der Pommesfachmann und Autor des Buches "Frittenführer Ruhrgebiet" Ralf Stutzki fernab von Currywurst und frittierten Kartoffelscheiben in seiner zweiten Heimat, der Schweiz. Dies jedoch nicht, ohne seinen neuen Landsleuten, die im Normalfall eher speisen als essen, die kulinarischen Besonderheiten seiner eigenen Heimat nahe zu bringen:
"Wir haben hundert Leute eingeladen zu einer Ruhrpottparty - unter anderem Currywurst serviert, Grünkohl, Pannhas, es war ein sehr schöner Abend, obwohl viele danach nicht mehr mit uns gesprochen haben."
Dabei hat Stutzki für seine Ruhrpottparty nur das Beste in die Alpen kommen lassen - nämlich die Bochumer Currywurst von Dönninghaus, die sogar ihre Soße selber machen und in Stutzkis Frittenführer hervorragend abschneiden. Auf seiner Testtour - damals - durch 50 Pommesbuden im Revier hatte ihm selbst allerdings auch längst nicht alles geschmeckt, was in die Pappschale kam:
"Das Ekligste, was wir erlebt haben, war, dass die Würste von den Vortagen einfach ungekühlt in die Schublade getan wurden und am nächsten Tag Morgen wieder frisch auf den Ofen. Noch dazu kam, dass der Betreiber dann noch so ´ne Frisur hatte, dass wir immer geglaubt haben, er würde sich morgens seine Tolle einrollen in die Wurst vom vorigen Tage, weil wir ihn immer Wurstlocke genannt haben."
Es muss auch gar nicht schmecken. Wichtig ist der ritualisierte Gang zur Bude, die an jeder Ecke steht, fast immer offen hat und Einkaufszettel überflüssig macht.
"Es kommt dann ja auch nicht auf den Geschmack eigentlich an, man will eigentlich nur voll sein und hinterher möglichst schnell mit ´nem Schnaps oder Bier nachspülen."
(Herbert Grönemeyer): "Oh Willy, wat is mit dir , trinkse noch ´n Bier, zur Currywurst?"
Currywurst und Pommes rot-weiß stehen fürs Ruhrgebiet und umgekehrt - Herkunft spielt dabei keine Rolle!
"Und das dass nun nicht original hier her kommt... Also gut, mein Vater kommt auch aus Polen, also wir kommen alle nicht original hier her. Das passt zum Ruhrgebiet. Dadurch, dass wir eben so ein Schmelztiegel sind im Ruhrgebiet, viele Polen, viele Türken, viele Ausländer, die hier reingekommen sind, die haben ja alle ihre Speisen mit rein gebracht und trotzdem ist immer die Pommes dazwischen geblieben. Auch beim Griechen... es wird ja kaum ein Mensch irgendetwas bestellen ohne Pommes als Beilage."
Der besagte Nationen-Schmelztiegel hat die Menschen im Pott vor allem eins werden lassen, nämlich tolerant. Diese berühmte Ruhrgebiets-Toleranz endet allerdings dort, wo der Trend zur Currywurst aus Tiefkühltruhe und Mikrowelle beginnt:
"Das ist zum Kotzen. Aber das ist klar: Da wird Erfolg auf übelste Weise auf dem Rücken des Ruhrgebietes wirtschaftlich ausgebeutet. Und da sage ich ein ganz klares, entschiedenes Nein!"
(Herbert Grönemeyer): "Bisse richtig down, brauchse wat zu kauen? Ne Currywurst!"
Quelle: Frittenführer