Der autobiografische Story Arc von George Lucas aka Luke aka Darth Plagueis

G

general-michi

Gast
In diesem Thread möchte ich einladen, Star Wars zu analysieren und zu verstehen, indem man sich in das Leben und Denken von George Lucas hineinversetzt. George Lucas ist meiner Meinung nach der Vater des Postmodernen Films. Ich kenne kein Film, der diese Bezeichnung mehr verdient hat. Hier möchte ich einige Szenen vorstellen um zu erklären, warum ich es so sehe. Ob man Star Wars nur verstehen kann, wenn man sich mit George Lucas auseinandersetzt, kann nur mit "nein" beantwortet werden. Denn das widerspräche viele Kern-aussagen des Films. Doch ein Perspektiven-wechsel hilft, ihn besser zu verstehen, denn die Wahrheit ist immer eine Frage des Standpunktes.

Ich glaube nämlich, das GL eine Geschichte mit Star Wars erzählt, die von der Entstehungsgeschichte von Star Wars und GL selbst handelt. Klar hat er sich stark von Filmen und Serien wie Flash Gordon, Sci - Fi Kunstfilmen und Easter und Western Filmen inspirieren lassen. Aber diese Filme haben genauso GL als Filmemacher geprägt und gehören somit zu seinem Wesen als Künstler.

GL hatte ja einmal einen Autounfall (er wollte Rennfahrer werden) und wäre daran fast gestorben. Danach hatte er beschlossen, Film zu studieren. Sein Vater, ein biederer Geschäftsmann wollte ihn aber zu Hause haben (GL lebte lange mit ihm und seinen Schwestern auf einer Farm) und weigerte sich, für die Film Universität zu zahlen. Später, bereits unter zukünftigen Filmemachern bekannt, begleitete er Francis Ford Coppola auf eine Reise an einem Ort, um für ihn dort Fotos für mögliche Filmsets zu machen. Dort hat er viele über selbst als Filmemacher (Kameramann) nachgedacht. Nun ist er also in eine Hollywood Generation (sieh wird heute als das "New Hollywood" definiert) hinein gewachsen, die sich mit Filmen auseinandersetzten, die die Klassiker verdrängten, also jene Genres, die GL prägten. In diesen Filmen ging es mehr und mehr um psycholisches Schauspiel Kino mit packenden Dialogen - Nicht gerade GL Stärke. Auch wurden seine Entwürfe für Star Wars sowohl von den Filmbossen als auch von seinen Freunden kritisiert und angezweifelt.
Und dennoch gelang es GL den Film zu machen und zur Überraschung (selbst der Mitwirkenden im Film) einen riesen Erfolg zu landen. Er hat es allen gezeigt.

Dies ist eigentlich gleichzeitig die Story von Episode 4!!!

Es geht bei Star Wars um den Glauben an sich selbst und das man ihn nicht verlieren darf, auch wenn alles dagegen spricht. Man denke an Luke Yoda sagt, er könne es nicht glauben. Yoda sagte, dass das der Grund ist, warum er versagt. Dieses Thema ist eigentlich sehr umfangreich und könnte eine ganze Dissertation füllen und würde immer noch nicht annähernd das Potential ausschöpfen. Deswegen möchte ich zunächst die Diskussion eröffnen sollen mit:
Geogre Lucas und sein Fabel für Anachronismus oder "vor langer, langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis"

Der erste Satz zeigt bereits den Genre-Mix und die Chronologie-Mix, der bei Star Wars eine wesentliche Rolle spielt. George Lucas beschreibt mit Luke in Episode 4 autobiografische Ereignisse, die sich auch in seine Psyche verankert haben und von denen er sich durch die Filme lösen will - indem er die Filme dreht. Das Imperium steht zum einen für das Amerika, das seine Generation pionierartig kritisierte. Gleichzeitig symbolisieren sie die totalitären Gesinnungen wie bei den Nazis oder den Kommunisten unter Stalin. Sie repräsentieren aber auch das alte (und vielleicht sogar neue) Establishment seiner Generation (Filmbosse, sein Vater, traditionelle Gesellschaft). Der Todesstern, der sowohl die (Film) - Welten als auch die Rebellen (New Hollywood) vernichten will, genauso wie die Hippy Generation der Gesellschaft ein Dorn im Auge ist "Wir haben keine Waffen". Am Ende ist es durch Luke GL selbst, der den Todesstern zerstört. Während GL durch Luke also seinen Werdegang beschreibt, muss es im Film einen Punkt geben, indem er von seiner Vergangenheit zur Zukunft wechselt. Würde der Film nie grünes Licht bekommen oder gar ein Flop werden, hätte somit GL nicht erreicht, was Luke in seiner Fiktion erreicht hat. Bewahrheiten konnte sich also seine Geschichte nur, indem der Film "recht" behält, erfolgreich wird und GL die Möglichkeit bekommt, seine Geschichte durch Luke weiterzuschreiben. Genial!
GL hat mit den Genres Western, Märchen, Seifenoper, Sci - Fi, Heldenepos, Kriegsfilm welche benutzt, die gemeinhin als out angesehen wurden. Aber durch die Kombination hat er allen bewiesen, das er es schaffen kann, wenn er seiner Intuition traut. Das Visier könnte nochmal ein Zitat darauf sein. Denn Filmemachen hat oft mit Konfentionen zu tun wie die Kunst im Allgemeinen. Aber Meisterwerke, die nachhaltig die Nachwelt begeistern, werden erschaffen, indem man diesen Konfentionen widerspricht und sich auf seine Intuition verlässt. Nicht durch die Kamera zu schauen, wie es von ihm verlangt wurde sondern sein Ding machen hat den Todesstern vernichtet.
Der fiktionale Anachronismus spielt also in der realen Welt oder Meta-Ebene eine entscheidende Rolle. Die Repräsentation von Zeit und thematischer Vielfalt möchte mit der Szene deutlich machen, bei der Luke zum ersten Mal mit seinem Schwert übt. Sie hat einen direkten Zusammenhang mit dem Ende des Films. Zunächst einmal lässt er durch Han Solo den Ritter oder Samurai Film mit dem wilden Westen konfrontieren. Solo bezweifelt die Effizienz des Laserschwertes. Luke "beweisst" daraufhin, das er trotz "Blindheit" die Strahlen abwehren kann. Doch das Asteroidenfeld und Obi-Wans Zusammenbruch relativieren diesen Beweis sofort wieder. Die kleine Kugel erinnert an den riesen Todesstern und die Aufgabe von Luke als "Jedi" zeigt, wie er dem Todesstern Einhalt gebieten kann. Die unterschiedlichen Ebenen zwischen Mikro und Makrokosmos werden hier versinnbildlicht. Das Imperium hat aber soeben bewiesen, das "Feuerwaffen" keinesfalls plump sind, indem sie den Planeten gesprengt haben. Die Szenen machen vor allem dann Sinn, da sie noch zur Konferenz Szene gehören, wo Vader ebenfalls die Macht dem Machtinstrument des Imperiums gegenüberstellt.
Vader und Luke sind das äquivalent des anderen (ich sehe noch gar nicht, das Vader in Episode 4 als Vater angedacht wurde). Beide Figuren sind zudem recht einfach gestrickt, was sich erst in Episode 5 ändert. Sie sind viel mehr Projektionsfläche. Vader ist, so glaube ich, die Manifestation aller zweifelnden Gedanken, die aus den prägenden Erlebnissen von GL stammen. GL grösster Konflikt war es, das niemand so recht an ihm geglaubt hat. Und das sowas natürlich dazu führt, an sich selbst zu zweifeln. Das Vader sich als Vater von Luke entpuppt, ist meiner Meinung nach eher ein Hinweis darauf, das es bei Star Wars um den Oedipus Komplex geht und wie dieser zu verstehen ist. Denn auch dort ist der Mord am Vater lediglich das Thema um die Angst vor etwas, was wir uns selbst erschaffen. Jeder hat vor etwas Angst, wodurch wir uns gleichzeitig definieren. Es ist wie ein Schreckgespenst. Die Darstellung von Vader symbolisiert das auch. In der Fiktion von Star Wars würde es so nie thematisiert werden, wenn es doch zumindest oft angedeutet wird.

In der Szene, wo Luke in die Höhle von Dagobah geht, wird hier Lukes Unterbewusstsein geschicldert. Ich selber habe die Szene nie verstanden, da ich sie zu sehr auf die Ebene der Fiktion betrachtet habe. Vader ist ein Konstrukt, an das sich der Protagonist hier: Luke abarbeiten muss, damit er über sich hinauswächst. Genauso war es auch bei Oedipus. Der Vater symbolisiert die Drohung und den Verbot, dem sich Oedipus entledigen muss, damit er werden kann, was er werden will. Das Paradox in Oedipus ist, das er nie seinen Vater umbringen wollte. Hier trifft sich Symbol und Bedeutung. Das liegt auch daran, dass das Ziel des Protagonisten man selbst ist. Das Vader Lukes Vater ist, spielt für die Figur keine Rolle. Vader ist wie das Schreckgespenst oder die kleine Stimme im Kopf, die einem daran hindert, das zu werden, was man werden will. Das Paradoxe ist, das dadurch, das Luke weiss, das Vader sein Vater ist, Luke den Weg findet, über sich hinauszuwachsen. Wäre Vader nicht der Vater, hätte Luke ihn getötet und wäre selbst zu Vader geworden. Hätte GL auf alle gehört, hätte er seinem Zweifel nachgegeben und niemals Star Wars gedreht. Er wäre zu seinen Vader geworden. Er wäre letztlich zu seinem Vater geworden und hätte das Geschäft von ihm übernommen.
Interessanterweise erschafft GL Anakin hinter der schwarzen Maske, um diese Botschaft noch besser zu vollenden. Was passiert mit einem, wenn man sich nicht selbst treu bleibt und tut, was die anderen von einem erwarten. So schafft GL eine weitere Ebene, um hin und her zuspringen. Die Existenz des Roboter-Vaders aber definiert letztlich Lukes Aufgabe (wenn du ihn besiegst, wirst du zum Jedi). Aber ihn nicht zu töten, machte ihn zum Jedi. Luke hat dies als Einziger!!! erkannt. Nicht einmal Yoda und Obi-Wan sahen es so. Und hier treffen sich Luke und GL erneut am Gipfel des Erfolgs. Alfred Hitchcock hat dieses Phänomen der Aufgabe des Protagonisten "MacGuffin" genannt. Das, worum es scheinbar geht, geht es gar nicht! Und das GL sich diesem Termini bewusst ist, sollte uns allen geläufig sein.

Abschliessend möchte ich die Bedeutung der "Metaebene in Bezug auf den Autor selbst" mit der Opernszene aus Episode 3 andeuten. Wer ist der Vater von Anakin? Ich glaube, das diese Szene von GL handelt. Die Oper demonstriert der Ort, an dem Star Wars lebendig wurde. Palpatine beschreibt, dass es einen Meister namens Darth Plagueis gab, der herausgefunden hat, wie man Leben erschafft. Doch ironischerweise konnte er sich nicht selber retten. Er wurde hinterhältig ermordet. Ich glaube, das Darth Pleagueis GL, der Schöpfer der Star Wars Welt ist (und somit natürlich der Vater der Figur Anakin). Aber genau diese Schöpfung, die GL zum Weltstar gemacht hat, wurde ihm ironischerweise zum Verhängnis. Die Kritiken wurden immer lauter, die Leute warfen ihm vor, das er keine Ahnung hat und sein eigenes Universum nicht versteht.
Viele haben auch damit recht, wenn es zumindest darum geht, welche Kreaturen im EU welcher Rasse angehören usw. Aber letztlich hängt es immer "from a certain point of view" ab. Star Wars ist die Geschichte seines Lebens. Und das man ihn nicht versteht, ist immer Teil davon.
Und das Star Wars zum einen als "Seifenoper" bezeichnet wird und GL doch auch sein Cameo genau in diser Szene hat, könnte ein weiterer Hinweis darauf sein. Ich glaube und hoffe, das diese Frage nie beantwortet wird, weil sie sonst diese Möglichkeit hier irgendwie zerstören und die wenigen offenen Fenster in GL Seele verschliessen würden.
 
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Ich könnte mir vorstellen, dass Anakin aus der PT, auch ein Spiegelbild von GL symbolisiert.

In Episode I führt er ein Sklavendasein, er kann zwar seinen Hobbys nachgehen aber er ist dennoch in Konventionen und Vorgaben gefangen. Er hat in anderen Bereichen Talente und will sie zum "guten" nutzen. GL ist ein Sklave des Systems. Dann kommt sie, die Chance auszubrechen als ihm Jemand die Hand reicht, die Möglichkeit bietet.

In Episode II ist er auf einem idealistischen Weg, er bzw Anakin verliebt sich, GL lernte seine Frau kennen, er ist eigentlich schüchtern und weiß sich in solchen Situationen nicht richtig zu verhalten und auzudrücken, aber er liebt sie und heiratete sie am Ende.

Aber in E III zerstört er alles. Er wollte Zuviel. Er hat seine Arbeit und seine Ideale und seine Visionen über seine Ehe gestellt, als er die OT realisierte. Nach ROTJ war alles im Argen und die Scheidung von seiner Frau folgte. Wie Anakin hatte er ein nobles Ziel, aber auf dem Weg dorthin ging alles kaputt und es war seine eigene schuld. Er ist Mitschuld dass das Imperium ausgerufen wurde und am Ende der PT das Böse triumphiert, das Blockbusterkino hatte er selbst geschaffen.

Ich hoffe es ist nachvollziehbar und nicht zu wirr. Ich hatte mir über sowas vorher noch nie Gedanken gemacht, also Dank an @general-michi.
Natürlich ist das nur eine Interpretation die mir jetzt spontan durch den Kopf ging, als ich general-michis Post gelesen habe.
 
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Ich kann mir auch sehr gut vorstellen das die PT auf persönliche bzw autobiografische Ereignisse und Erlebnissen gründet. Wie viele wissen hat GL unzählige, ausufernde "Drafts" für Sta Wars verfasst. Erst durch "the Heroes with the 1000 faces" gelang ihn eiine gewisse Stringente. Ich denke, das er sich so die Tür zur persönlichen Auseinandersetzung geöffnet hat. Die Szenen mit Yoda in Episode V funktionieren in meinen Augen so gut, weil sie 1. eine Zusammenfassung dieses Buches sind 2. die allgemeinen Ausführungen hier gleichzeitig mit Star Wars konkretisiert werden 3. die gesamte Motiv-Pallette abgearbeitet wird und die persönliche Auseinandersetzung von GL fiktionalisiert wird. Wäre sicher spannend die Szenen auf Dagobah aus der Perspektive des Thread-Themas zu analysieren.

Und auch interessant wäre, die PT in ihren Grundzügen mit GLs Biografie zu untersuchen. Ich glaube aber, das in der PT die Erkenntnisse und Reflektionen von GL eine grössere Rolle spielen als prägende Ereignisse, wie bei der OT. Deswegen ist die PT auch reflektierter und Ereignisärmer als die OT (meine Behauptung). ZB Anakins Mutter scheint ein Thema aus GL Beziehung zu seiner Mutter zu sein. Sie soll häufig krank gewesen sein, viel Zeit im Krankenhaus verbracht haben und somit wenig Einfluss auf GL genommen haben. Ihre Abwesenheit war wohl das Einschneidende in seinem Leben. Die PT hat vielleicht wie die OT viel mit der Enstehung der OT zu tun. Aber aus der Perspektive eines alten, reflektierten GL. Das wird deutlich da Lukes Konflikt und Story mit der unmittelbaren Aufgabe seiner Figur zu tun hat. Anakin hingegen hadert mit der Vergangenheit und dem Diskurs seiner Entwicklung.

GL sagte immer: Er mache die Filme für sich! Jetzt erst glaube ich zu verstehen was er damit meinte!
 
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