Arcade Fire - Neon Bible
Yeah. Sie ist da! In Deutschland vor allen anderen Ländern. Gestern war es soweit, die heiß erwartete Platte ist veröffentlicht worden.
So perfekt wie Funeral ist das neue Album nicht. Funeral ist von den ganzen CDs, die ich im Regal stehen habe, wahrscheinlich das Beste. Aber das sei allen vorschnellen Kritikern gesagt: wir haben einen würdigen Nachfolger!
Was ist anders? Auf Funeral wurde gern mal bei 70% eines Songs ein turnaround hingelegt, neuer Rhythmus, neue Melodie, neue Stimmung. Auf Neon Bible dagegen werden bis auf den Song Black Wave/Bad Vibrations geschlossene Geschichten erzählt. Jeder Minimalismus-Freund ist wieder mal mit Arcade Fire schlecht beraten. Pomp, großzügige Arrangements, plus Aufnahmen die in Kirchen (!) stattfanden. Instrumente neben den üblichen Verdächtigen: Xylophon, Harfe, Streicher, Bläser und -aufgepasst!- eine KIRCHENORGEL!!! Win Butler singt zerbrechlich-verbittert-suggestiv wie und eh und jeh. Es wirkt alles dennoch düsterer als beim LP Debüt...
Zu den Stücken:
Black Mirror ist ein guter, rockiger Opener, macht Lust auf mehr. Track 2 Keep the Car Running beginnt mit der Einstimmungs-Prozedur eines Orchesters um rasch einem treibenden Rhythmus zu weichen. Der Song lässt einen erahnen das noch großes kommt.
Der Titelgebende Track ist leider der schwächste des ganzen Albums. Lahm, ziellos vor sich hin treibend, lass ich ihn als Atmosphärenförderndes Stück noch durchgehen.
Nun soll aber DAS Sahnestück folgen. Bitte beim Anhören von Intervention ganz laut aufdrehen. Wen die Kirchenorgel nicht aus den Socken haut, ist verloren! Hammer! Zum Niederknien. Schon beim ersten Mal hören hatte ich Gänsehaut.
Überhaupt ist der Hauptteil der CD klasse. Kein Song den man überspringen möchte. Das bereits o.g. Black Wave/Bad Vibrations spielt großartig mit der anderen Wirkung der jeweiligen Sänger (die erste Hälfte sing Régine, die zweit Win). Geil!!!
Abgesehen von Intervention folgt nun mein Lieblingslied der CD: Ocean of Noise. Ein Hauch der Computerspiel-Legende Monkey Island schwebt durch die Luft. Ein Chill-Track im Karibik-Style. Und mit Bläsern (gegen Ende des Stücks) kriegt man mich immer rum. The Well and the Lighthouse ist ne typische, solide Arcade Fire Nummer. Das ist keine Kritik, sondern zeugt nur davon, dass auch sie nur Menschen sind und nicht in jedem einzelnen Track das Rad der Musik neu erfinden können.
Was geht aber bitte denn auf (Antichrist Television Blues) ab? Wieder mal sticht der treibende Rhythmus als erstes hervor, aber was nach Minute 3:30 Régine mit ihrer Stimme anstellt, dazu dieses Klatschen, bizarr genial! Windowsill ist noch mal ein Leisetreter bevor mit den letzten beiden Tracks (No Cars Go: aggressiver Beginn, Akkordeon!, schließlich die letzte Minute pathetischer Chor; ganz große Gefühle!!! und My Body Is a Cage: Song vermittelt Verletzlichkeit pur, dazu der Militärtrommelschlag, allerdings ein Downer) dieses durch und durch gelungene Album abrundet. Nicht so vollkommen und überwältigend wie Funeral beim ersten Mal Hören einer Band namens Arcade Fire, dafür ein starker Nachfolger. Das Album wird mit jedem Mal hören besser und dürfte so auch eine gewichtige Rolle bei der Endabrechnung in den Jahrescharts spielen. Wir werden mit Sicherheit noch lange Freude an den Kanadiern haben, denn ihnen werden die Ideen nicht so schnell ausgehen... Zu den Texten habe ich noch nix gesagt, das wird die nächste Stufe sein. Bin aber auch da zuversichtlich...
8 von 10 Kirchenorgeln