Die Verzweiflung des Stralsunder Ingenieurs

SorayaAmidala

weiser Botschafter
Eier fliegen Richtung Kanzler, Arbeiterfäuste werden geballt: Im Osten herrscht explosive Stimmung. Die Verelendung des ostdeutschen Proletariats und der klassenbewussten Facharbeiterschaft schreitet in Riesenschritten voran - das zeigt auch eine Begegnung auf den Fluren der Arbeitsagentur in Stralsund.

Vor kurzem auf dem Flur der Arbeitsagentur in Stralsund, Vorpommern: Der Mann war Ingenieur, seit Jahren ist er ohne Job. Der 53-Jährige lebt in Stralsund mit seiner Frau in einem Plattenbau, auch sie hat seit Jahren keine Arbeit. "Ich kann mir nicht mal mehr den Eintritt ins Schwimmbad leisten", sagt er. Und: "Ich suche verzweifelt einen Job, finde aber nichts."

Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Ein weiteres Beispiel für die gnadenlose Härte, mit der Bundesbürger in Ostdeutschland an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden. Dabei hat man ihnen doch versprochen, dass es im neuen Deutschland niemandem schlechter gehen soll als in der DDR. Logisch, dass die PDS einen Höhenflug erlebt.

Der Mann war Ingenieur, seit Jahren ist er ohne Job. Er bekommt im Moment 1200 Euro Arbeitslosengeld. Er lebt in Stralsund mit seiner Frau in einer Plattenbau-Wohnung (Maximalmiete kaum über 300 Euro), auch sie hat seit Jahren keine Arbeit und wird mit 650 Euro monatlich vom Amt unterstützt.

Macht zusammen 1850 Euro Netto, ein Facharbeiterlohn. Abzüglich der Miete bleiben den Eheleuten etwa 1550 Euro zum Leben. "Ich kann mir nicht einmal mehr den Eintritt ins Schwimmbad leisten", sagt er. Das Ostseebad Binz der Ferieninsel Rügen liegt übrigens nur eine knappe Bahnstunde von Stralsund entfernt; die einfache Fahrt kostet acht Euro 40 Cent.

Und: "Ich suche verzweifelt einen Job, finde aber nichts." Wo sucht denn der arbeitslose Ingenieur einen Job? "In Stralsund." In Stralsund wird er aber kaum etwas finden, dort herrscht eine Arbeitslosigkeit von fast 25 Prozent. Würde er denn auch umziehen? Nach Bayern? Baden-Württemberg? Hessen?

"Nur wenn sich das rechnet", sagt er. "Also, wenn ich mir das Pendeln nach Stralsund und eine Zweitwohnung leisten kann!" Und weil es sich nach Ansicht des Ingenieurs nicht rechnet, bleibt er eben in Vorpommern und wartet auf Hartz IV. Dann leben er und seine Frau von 660 Euro plus Wohngeld. Logisch, dass die PDS in Ostdeutschland einen Höhenflug erlebt.

Eine Autostunde weiter südöstlich, in Polen, pendeln die Leute für solche Beträge nach Berlin, Brüssel oder London, um ihre Familien zu ernähren. Aber das ist natürlich was ganz anderes, denn das Leben in Stargard hat mit dem in Stralsund in tarifpolitischer Hinsicht gar nichts zu tun, auch wenn die ökonomischen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums durchaus vergleichbar waren.

Macht nichts. Denn in Polen würde diese Geschichte auch niemand verstehen.

Quelle

Ich habe den gefunden und dachte wirklich ich lese nicht richtig. Lest euch das mal durch und poste mal eure Meinung zu dem Thema!
 
Sehr guter Artikel. Im Osten besteht leider immer noch diese Ost-Mentalität, dass sich der Staat um alles zu kümmern hat, anstatt selbst Initiative zu zeigen (nicht nur auf den Artikel gemünzt, sondern allgemein. War erst letzte Woche bei meiner Freundin in Sachsen und musste mir von den Leuten dort ständig dieses Gewäsch anhören).

SorayaAmidala schrieb:
Macht zusammen 1850 Euro Netto, ein Facharbeiterlohn. Abzüglich der Miete bleiben den Eheleuten etwa 1550 Euro zum Leben. "Ich kann mir nicht einmal mehr den Eintritt ins Schwimmbad leisten", sagt er. Das Ostseebad Binz der Ferieninsel Rügen liegt übrigens nur eine knappe Bahnstunde von Stralsund entfernt; die einfache Fahrt kostet acht Euro 40 Cent.

Nach Abzug der Miete bleiben mir ca. 500 € im Monat, lebe im teuren München und arbeite dafür 40 Stunden die Woche (inkl. Nullrunde nun schon im dritten Jahr) und ich kann ganz gut davon leben. Woher kommt nur diese Mentalität, dass jeder sich den Lebensstil eines Playboys, bzw. Playgirls leisten können soll, am besten auch die, die nichts dafür tun? Auch wenn ich mit Kohl nichts gemein habe, hatte er recht, als er einmal sagte, dass aus Deutschland ein kollektiver Freizeitpark geworden ist.

Da wir in den 90ern sinnlos unser Geld ausgegeben haben, dass wir in den 40 Jahren zuvor verdient haben, für einen komplett undurchdachten "Aufbau Ost" und für hirnrissige Börsenspekulationen, weil plötzlich jeder glaubte über Nacht reich werden zu müssen, ist es langsam wieder an der Zeit Geld zu VERDIENEN.

Die Leute im Osten, die sich beklagen, dass es ihnen so schlecht geht, sollten mal für einen Moment nicht nach Westen schauen, sondern nach Polen, Ungarn oder Tschechien und dann erkennen, wie gut es ihnen eigentlich geht.
 
Jedihammer schrieb:
Nach Abzug der Miete 1550 Euro zum leben ?
Da träume ich davon.

Nicht nur Du.... Wenn man sowas liest, dann muß man echt sagen, daß man bescheuert ist, jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen und 40 oder mehr Stunden in der Woche zu buckeln, und genau das ist das Problem.
Sicherlich gibt es eine Menge armer Schweine, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, und die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, aber andererseits gibt es eben auch jede Menge Leute, denen es auch ohne Arbeit immer noch viel zu gut geht, und für solche Leute kommt Hartz IV meiner Meinung nach gerade recht.

Ich bin damals wegen meiner Arbeit - die bestimmt nicht überbezahlt wird - von zu Hause weggezogen und kenne Leute, gerade aus den neuen Bundesländern, die dieses Spiel bereits drei bis sieben Mal mitgemacht haben. Vor diesem Hintergrund kann ich das Gejammer von diesem Ingenieur nicht verstehen.

C.
 
Batou schrieb:
Sehr guter Artikel. Im Osten besteht leider immer noch diese Ost-Mentalität, dass sich der Staat um alles zu kümmern hat, anstatt selbst Initiative zu zeigen (nicht nur auf den Artikel gemünzt, sondern allgemein. War erst letzte Woche bei meiner Freundin in Sachsen und musste mir von den Leuten dort ständig dieses Gewäsch anhören).

Naja, das ALLE ausm Osten immer dem Staat die Sachen in die Schuhe schieben wollen und nicht fähig sind, sich um sich selbst zu kümmern, ist wohl auch falsch.
Es gibt genügend Ostbürger, die in den "Westen" pendeln um dort zu arbeiten oder vor allem junge Ostbürger, die gleich komplett in den Westen umsiedeln.

Wir sind in Deutschland einfach mittlerweile so weit, wie in den USA:
Die Jobs kommen nicht zu dir, du musst den Jobs ( und in vielen Bereichen gibt es nur noch "JOBS" , eine wirkliche feste Arbeitsstelle ist heute wohl schon fast eine Seltenheit ) hinterherziehen.
Das ist eine Notwendigkeit geworden, ob das allerdings eine positive Entwicklung ist, wage ich zu bezweifeln, da wir uns in Deutschland ( und wohl auch in anderen Teilen der Welt ) oft zu sehr an der Politik der USA orientieren.

Das mit dem hohen Arbeitslosengeld finde ich schon krass, aber wenn Hartz 4 kommt, dann gute Nacht Deutschland. Hartz 4 ist wirtschaftlich gesehen eine gute Sache, was die Politiker dabei nicht beachten, wenn sie die ganze Chose so hochjubeln:
In Deutschland ist man heute kaum noch kurzzeitig arbeitslos. Wäre es so wie in den Niederlanden, Irland, Skandinavien, wo man eigentlich nicht mal 1 Jahr lang arbeitslos ist, wäre Hartz 4 eine geniale Idee.
Wir leben in einem Sozialstaat. Es ist eine Schweinerei, dass man den Leuten an ihre Ersparnisse gehen will, die sie für ihre Rentenzeit angehäuft haben ( was uns die Politiker selbst erzählt haben, da auch die Renten immer knapper werden ), dass man den Leuten sämtliche finanzielle Rücklagen wegnehmen will, bevor sie Arbeitslosengeld bekommen.

Es sollte meiner Meinung nach viel mehr Arbeit darin gesteckt werden, Sozialschmarotzer ausfindig zu machen und unnötige Ausgaben zu reduzieren, sprich, ein gesundes Maß an Arbeitslosengeld den Arbeitslosen zu zahlen.
Aber ALLEN , die längere Zeit arbeitslos sind , nur noch soviel Geld zuzusprechen, dass man gerade am Existenzminimum leben kann und ohne Verwandte oder Freunde schon lange durchs soziale Netz gefallen sein wird, wenn bei einem Hatz IV einschlägt, das ist schlichtweg in einem Sozialstaat wie Deutschland, wo es immer mehr reiche Leute gibt, eine Sauerei!

Ich würde gerne noch etwas schreiben, lass es aber mal bleiben, da ich sowieso mit dieser Meinung auf kein Verständnis stossen würde, außer bei einigen Ausnahmen.
 
Crimson schrieb:
...andererseits gibt es eben auch jede Menge Leute, denen es auch ohne Arbeit immer noch viel zu gut geht, und für solche Leute kommt Hartz IV meiner Meinung nach gerade recht.

Ja, das ist unbestritten der Fall. Bloss frage ich mich, ob sich die Sozialschmarotzer davon wirklich abschrecken lassen. Es gibt hierzulande reihenweise Leute, die zu faul zum Arbeiten sind und über keinerlei Verantwortungsgefühl gegenüber dem Staat verfügen. Ob die sich durch Hartz IV zum Arbeiten durchringen lassen, wage ich zu bezweiflen. Ich befürchte vielmehr, das uns von dieser Klientele her eine zunehmende Abwanderung in die Kriminalität bevor steht.

cu

Bea
 
SorayaAmidala schrieb:
Macht zusammen 1850 Euro Netto, ein Facharbeiterlohn. Abzüglich der Miete bleiben den Eheleuten etwa 1550 Euro zum Leben. "Ich kann mir nicht einmal mehr den Eintritt ins Schwimmbad leisten", sagt er. Das Ostseebad Binz der Ferieninsel Rügen liegt übrigens nur eine knappe Bahnstunde von Stralsund entfernt; die einfache Fahrt kostet acht Euro 40 Cent.

ich wüsst ja gern, wie teuer der Eintritt in das Schwimmbad sein soll?


Ach ja, wenn 1550 nicht reichen, is schon schlimm.

Ich kenn Leute, die haben noch weniger - und die müssen noch Kinder ernähren.

Mann, dem Kerl sollten sie mal in den Hintern tretten und ihm das Geld kürzen - soll er halt zuhause baden, statt ins Schwimmbad gehen!
 
@Modal Nodes:

Wenn ich an deine Argumentation anknüpfen darf, so hast du einen sehr wichtigen Punkt in der Deutschen Sozialpolitik angesprochen:

Wenn´s darum geht, den Bürgern immer mehr Kohle abzuknöpfen, sind die Parteien - so scheint es mir jedenfalls - sehr schnell bei der Sache und lassen sich von ihrem Kurs auch nicht abbringen.
Wenn´s darum geht, die seit langem versprochenen Kindertagesstätten, Kinderbetreuungseinrichtungen etc. zu fördern und weiter auszubauen, sind sie eher langsam.
Ich verstehe die Politik in diesem Staat einfach nicht, denn er zerstört sich seine eigene Lebensquelle, indem die Kinderförderung immer mehr in den Hintergrund gestellt wird.
 
Ich habe mich über diesen Artikel schwarz geärgert und muß ganz ehrlich sagen - für Typen wie diesen Ingeneur ist Hartz IV gerade richtig......obwohl ich ein ausgesprochener Gegner des selben bin!

Allerdings möchte ich einen Punkt des Artikels mal detailliert aufführen - die Suche nach Arbeit in einem anderen Teil des Landes. Sicherlich sollte man stets mobil und flexibel sein, das ist in heutigen Zeiten nötig. Doch alles hat auch seine Grenzen. Heutzutage kommt es sehr oft vor, daß man seinen Job wechselt. Dann ist ein dauerndes Umziehen von Bundesland zu Bundesland finanziell, emotional und vor allem sozial nicht möglich. Nimmt man mich mal als Beispiel, könnte ich es mir vielleicht einmal leisten, für eine Arbeitsstelle umzuziehen, zweimal innerhalb von 10 Jahren wohl nicht - das könnten wohl die wenigsten normalen Angestellten.
Wie soll das dann erst mit Familien von Kindern sein? Ist es wirklich nötig und ratsam, Kinder dann wieder aus einem sozialen Umfeld zu reißen, sobald sie sich eingelebt haben?

Ich hoffe, ihr versteht meinen Ansatzpunkt.....
 
Horatio d'Val schrieb:
Doch alles hat auch seine Grenzen. Heutzutage kommt es sehr oft vor, daß man seinen Job wechselt. Dann ist ein dauerndes Umziehen von Bundesland zu Bundesland finanziell, emotional und vor allem sozial nicht möglich. Nimmt man mich mal als Beispiel, könnte ich es mir vielleicht einmal leisten, für eine Arbeitsstelle umzuziehen, zweimal innerhalb von 10 Jahren wohl nicht - das könnten wohl die wenigsten normalen Angestellten.
Wie soll das dann erst mit Familien von Kindern sein? Ist es wirklich nötig und ratsam, Kinder dann wieder aus einem sozialen Umfeld zu reißen, sobald sie sich eingelebt haben?

Ich hoffe, ihr versteht meinen Ansatzpunkt.....

ja, sogar recht gut

ich bin mit 6 sechs nach Bayern gezogen und kam mit 14 zurück nach NRW (natürlich hatte sich einiges verändert und ich betrat Neuland)


Aber der Typ in dem Artikel ist ohne Kinder und will dann zwei Wohnungen - das finde ich unverschämt
 
Horatio d'Val schrieb:
Ich hoffe, ihr versteht meinen Ansatzpunkt.....

Ich schliesse mich meinem Vorredner an. Ich verstehe deinen Ansatzpunkt ebenfalls sehr gut und ich möchte dir dazu gratulieren, dass du auch mal ein paar soziale Aspekte in die Diskussion bringst.

Denn, das ist ein Punkt, der bei der Hartz-IV-Reform gerne unter den Teppich gekehrt wird. Rein rechnerisch gesehen, bringt Hartz-IV immense Vorteile. Endlich hat der Staat ein Instrument in der Hand um gezielt gegen Sozialschmarotzer und die Faulheit, bzw. Unflexibilität gewisser Arbeitnehmer vorzugehen. Aber das funktioniert eben nur auf dem Rechenschieber.
Die neue Zumutbarkeitsregelnung wirft in sozialer Hinsicht eine Menge Fragen auf, für die keine Lösungen parat stehen und die den Geldbeutel mehr belasten, als mit der Reform volkswirtschaftlich gesehen erwirtschaftet werden und die Staatskasse entlasten soll.

Es müsste der Regierung eigentlich klar sein, dass sich Hartz-IV negativ auf das Wohl der Bürger auswirkt, zumal sich diese an eine Klientele richtet, die auf Grund von Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit mitunter desillusioniert ist. Ein qualifizierter Facharbeiter, der aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen wird, eine niedrigere Arbeit anzunehmen, die auch noch um einiges schlechter bezahlt wird, geht nicht mit grosser Freude und Motivation ans Werk. Er wird gerade mal das Nötigste für seinen Job tun, sich weder besonders anstrengen noch viel zur Förderung der Arbeitsmoral, bzw. des Arbeitsklimas beitragen. Er wird seinen Job erledigen, die Stunden zählen und froh sein, wenn Feierabend ist.
Er wird dadurch anfälliger für Krankheiten werden, viel öfters Migräne, Durchfall oder Grippe haben. Und wenn er das nicht hat, wird er sich unter Vorspiegelung solcher Unpässlichkeiten "krank" melden. Frauen werden ihre Tage plötzlich zweimal im Monat haben, um mal einen tag "blau" zu machen.

Ein Arbeitnehmer aus dem Osten, der aus den gleichen Gründen ins Saarland, nach BaWü oder nach Bayern abwandern muss, wird sich erstmal als ein Fremder vorkommen. Er wird viel Ablehnung über sich ergehen lassen müssen, vielleicht sogar eine Art "Rassismus" zu spüren bekommen, weil die "Ossis" im Westen nicht die grossen Sympathieträger sind. Er wird darüber hinaus erstmal eine Weile brauchen, sich an die höheren Lebenskosten zu gewöhnen. Das Gefälle zwischen Ost und West ist stellenweise sehr gross. Wenn ein Ostfriese plötzlich in Frankfurt arbeiten soll, wird ihn schon mal die Miete halbwegs erschlagen, der Rest schafft die Bürokratie.
Aber selbst wenn ein Saarländer neu in der Pfalz arbeiten muss, ist das nicht das selbe. Die Hartz-IV-Befürworter argumentieren gerne damit, dass junge, alleinstehende Leute und selbst Familien keine Probleme damit haben sollten, auch mal einen Umzug oder einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen. Das mag aus einem bestimmten Blickwinkel stimmen, etwa in Bezug auf die Mobilität.
Aber junge Leute - auch wenn sie alleinstehend und sehr flexibel sind - haben Familie und Freunde, die für ihr Seelenheil wichtig sind. Klar kommt man mit der Bahn oder mit dem Auto schnell von A nach B. Das steht ausser Frage. Aber das kostet Geld. Kein Arbeitnehmer, der in den Genuss der Hartz-IV-Regelung kommt, kann es sich leisten, ständig hin und her zu fahren, literweise Sprit zu verbrauchen, weil man Familie und Freunde nicht aus den Augen verlieren will, den Zahnarzt nicht gerne wechselt und auch den vertrauten Gynäkologen beibehalten will.

Kommt ein weiterer Punkt dazu, den die Hartz-IV-Berfürworter nicht bedacht haben: die soziale Vernetzung. Wer etwas auf sich hält füllt seine Freizeit mit sinnvollen Beschäftigungen aus, z.B. Vereinsarbeit. Die Freiwilligen Arbeit ist auch in Deutschland ein wichtiger Stützpfeiler der Gesellschaft. Schon jetzt fehlen vielen gemeinnützigen Institutionen die Frondienstler. Mit solchen Einsätzen ist es doch Essig, wenn man
200 Kilometer und mehr pro Tag zurücklegen muss, um an den Azu kommen oder gar in eine anderes Bundesland ziehen muss. Klar kann man dort auch wieder dem Fussballverein oder dem Gesangsverein beitreten. Aber eben nur, indem man alte Freundschaften aufgibt, mitunter sehr wichtige Kontakte kappt. Kinder, die in in ihren Jugendjahren aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen, fortan auf ihre Spielgefährten verzichten müssen, landen über kurz oder lang beim Psychiater, werden magersüchtig oder bekommen anderweitig Schwierigkeiten. Kommt hinzu, dass nicht jede Ehefrau gewillt ist, ihrem Mann in eine andere Stadt zu folgen, weil sie vielleicht selber beruflich engagiert ist und ihren Job und ihre Karriere nicht aufgeben möchte. Ehen auf Distanz funktionieren nur bedingt.

Hartz-IV führt die Menschen in die Isolation. Der Abstieg in die Abhängigkeit von Drogen und Alkohol ist vorprogrammiert. Ebenso der Einstieg in die kriminalität derer, die nicht bereit sind, sich mit dem wenigen Unterhalt zufrieden zu geben, der vom Staat noch ausbezahlt wird. Verzweiflungstaten und Selbstmorde sind eine weitere, logische Konsequenz. Damit nicht genug. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung bekommen diejenigen zu spüren, die mit Hartz-IV in irgend weiner Weise zu tun haben, allen voran die Arbeitsämter und Finanzbehörden.

Um nicht Gefahr zu laufen, dass Verwaltungsangestellte von erbosten Bürgern gelyncht werden, müssen die Büroräume zusätzlich gesichert und Wachpersonal aufgstellt werden. Was das wieder kostet? Aber auch, wenn diese die Angestellten der Agenturen für Arbeit bloss beschimpft und bespuckt werden, dann ist das das produkt einer, im Ansatz zwar guten, aber nicht bis ins Detail durchdachten, bürgerfeindlichen Reform.


Gruss

Bea
 
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