- Naboo – Moenia – Hotel – Akemis Hotelzimmer -
Der schmale Flur zwischen Schlafzimmer und Bad war zugestellt mit zwei großen Koffern. Die Tür zur Nasszelle stand offen und Akemi Akanato war damit beschäftigt, alle ihre Utensilien aus den Schränken zu räumen, die sie innerhalb der letzten Wochen benötigt hatte. Sie hatte das Hotelzimmer mehrere Wochen lang bewohnt, während sie in Moenia ihren neuesten Film gedreht hatte und obwohl sie die angenehmen Seiten des Hotellebens zu schätzen gelernt hatte, freute sie sich wieder auf ihre eigenen vier Wände, in denen sie tun und lassen konnte was sie wollte. „Zuhause“, pflegte ihre Mutter zu sagen, „ist es immer am schönsten.“ und damit hatte sie Recht. Trotzdem würde Akemi einige Dinge vermissen, zum Beispiel den morgendlichen Frühstücks- und den bequemen Roomservice. Es gab nichts praktischeres, als ein Tablett voller Köstlichkeiten direkt ins Schlafzimmer gereicht zu bekommen und dann, mit einem Handtuch über den nassen Haaren und eingehüllt in einen weichen Morgenmantel, auf dem Bett vor dem Holo-TV zu sitzen und zu frühstücken. Auf diese Annehmlichkeiten würde Akemi zu Hause allerdings verzichten müssen – es sei denn, dachte sie im Stillen, sie konnte Venecia davon überzeugen, jeden Morgen in aller Frühe bei ihr vorbei zu schauen und Zimmermädchen für sie zu spielen. Gut gelaunt klemmte sich Akemi ihre große Shampooflasche unter den Arm und trug den Rest ihrer Toilettenartikel zurück in den Schlafraum, wo ihre Tasche weit geöffnet auf dem großen Bett bereit stand. Akemi ließ einfach alles hinein fahren, optimistisch, dass sich die Tasche schon noch schließen lassen würde, wenn sie erst einmal fertig war. Von der Tür her vernahm sie ein Klopfen und einer der hoteleigenen Droiden betrat das Zimmer, um ihre Koffer nach unten zu befördern. Er nahm sich den beiden Koffern an und verschwand mit einem leisen, mechanischen Summen, wieder hinaus in den Gang. Akemi schaute auf das Chrono auf dem Nachttisch, um zu prüfen, wie viel Zeit ihr noch blieb, bis ihr Pilot eintreffen würde um sie nach Theed zurück zu fahren. Dabei fiel ihr Blick auf den Datenblock, der unschuldig neben der schmalen Stehlampe lag. Sie hatte „Deirdre und die Jedi-Ritter von Coruscant“ bereits vor ein paar Tagen zu Ende gelesen und sofort ein weiteres Mal wieder von vorne begonnen. Es war noch immer ein seltsames Gefühl, die Geschichte in Händen zu halten, von der ihr Richard so viel erzählt hatte, als sie noch zusammen gewesen waren und Akemi war noch immer überrascht, dass er sie überhaupt hatte veröffentlichen lassen. Er hatte manchmal Zweifel gehabt, ob er sie überhaupt je zu Ende schreiben würde.
Der Signalton des Kommunikators riss Akemi aus ihren Gedanken und sie verstaute den Datenblock hastig in ihrer Tasche, ehe sie ging um den Ruf der Rezeption zu beantworten.
“Miss Akanato?“
Hörte sie die freundliche Stimme der Rezeptionistin fragen.
“Wir haben ein intergalaktisches Gespräch für Sie, Miss, eine Verbindung von Coruscant. Darf ich den Anrufer zu Ihnen durchstellen? Es handelt sich um Mr. de Cinh.“
“Stellen Sie ihn durch.“
Mit einer flinken Handbewegung aktivierte Akemi den in einer Wandvorrichtung eingelassenen Holoprojektor und einen Moment später flackerte Nathaniels bläulich gefärbtes Abbild vor ihr.
“Nathaniel!“
Akemi winkte in das Aufnahmegerät.
“Wie geht’s dir? Was gibt’s?“
Sie hatten seit fast zwei Wochen nicht miteinander gesprochen und sie war neugierig zu hören, was er trieb und wie die Arbeit lief. Erst vor kurzem hatte Nathaniel beschlossen, sich mit einem Freund zusammen zu tun und einen eigenen Nachtclub zu eröffnen. Akemi schwankte noch immer, ob sie dies für einen genialen Einfall oder lediglich für eine Schnapsidee halten sollte, tendierte aber eher zu letzterem. Clubs gab es auf Coruscant bereits wie Sand am Meer und sie hatte so ihre Zweifel, ob Nathaniel und sein Kumpel genug von dem Geschäft verstanden, um sich von der Konkurrenz abzusetzen und Gewinn zu erwirtschaften. Trotzdem ermutigte sie ihn, damit er überhaupt etwas tat, außer herum zu hängen und die Tage zu vertrödeln, wie er es sonst gerne tat. Als Kinder einer wohl situierten Familie hatte es Nathaniel finanziell nicht nötig, überhaupt arbeiten zu gehen.
“Alles bestens, aber was fragst du mich? Wie geht es DIR? Ich habe mir Sorgen gemacht!“
Erwiderte er und eine Spur von Aufregung war aus seiner Stimme heraus zu hören.
“Ich habe Bilder von dir beim Verlassen eines Krankenhauses gesehen! Es heißt, du hast einen Unfall gehabt?!“
Durch das blaue Licht des Holoprojektors war es unmöglich für Akemi zu erkennen, ob Nathaniel blass geworden war, doch sein Gesicht sah tatsächlich besorgt aus. Die Jungschauspielerin musste sich zusammen nehmen, um nicht zu lachen. Sie hatte keinen Unfall gehabt, aber die Medien bauschten die Story mal wieder zu einer großen Schlagzeile auf.
“Mir geht es gut.“
Versicherte sie ihm, stand einmal auf, drehte sich im Kreis und wackelte mit Armen und Beinen.
“Siehst du? Noch alles dran. Wir haben vorgestern noch einmal einen Stunt neu gedreht, der ein bisschen schief gegangen ist. Ich hing quasi an einem Drahtseil, das nicht richtig gespannt war und bin dann mit dem Kopf vorn über gefallen… mehr oder weniger.“
Akemi hob ihre Hand, schob ihre Haare zur Seite und legte ihre rechte Schläfe frei, auf der ein kleines Bactapflaster klebte.
“Es ist nix passiert, nur eine Schramme. Die haben mich nur zur Kontrolle ins Krankenhaus geschickt, ein Medi-Droide hat mich durch gecheckt und alles für in Ordnung befunden.“
Jetzt grinste sie und Nathaniel atmete erleichtert auf.
“Ich hatte mir wirklich Sorgen gemacht!“
Bekräftigte er.
“Ich weiß und das ist lieb von dir. Danke!“
Das erneute Eintreffen des Droiden lenkte sie ab.
“Die Tasche hier…“
Gab sie ihm zu verstehen und erinnerte sich daran, dass sie bald los musste. Zwar war es nicht schlimm, wenn der für sie her bestellte Pilot auf sie warten musste, doch Akemi mochte es nicht, unpünktlich zu sein. Sie wusste, dass es sich viele Stars als Selbstverständlichkeit heraus nahmen, sich zu verspäten und gerade deswegen versuchte sie, sich von diesem Trend nicht mitreißen zu lassen. Sie wollte keine Diva sein und andere auf sich warten lassen. Außerdem wusste Akemi, dass ihre Mutter ihr die Ohren lang ziehen würde, sollte sie sich so etwas zur Gewohnheit machen.
“Hör zu, Nathaniel, ich hab‘ leider nicht mehr viel Zeit. Ich hab‘ gerade meine Sachen gepackt und mein Chauffeur kommt gleich.“
Sagte sie daher, auch wenn es ihr Leid tat, das Gespräch abzuwürgen.
“Ach so, kein Problem. Ich wusste nicht, dass du heute wieder abreist.“
Nathaniel, pflegeleicht wie immer, zuckte gutmütig mit den Schultern.
“Dann sprechen wir uns die Tage irgendwann noch mal. Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht.“
“Wie gesagt, es ist noch alles dran.“
Flachste Akemi, bevor sie ganz unerwartet ernster wurde. Es gab da noch etwas, das sie Nathaniel fragen wollte und der Moment schien ihr günstig.
“Du, sag mal…“
Sie brauchte einen Augenblick, um sich die Worte zurecht zu legen und befeuchtete ihre Lippen, bevor sie weiter sprach. Mit Nathaniel hatte sie immer über alles sprechen können. Er verstand sie, das hatte er von der Minute an, in der sie sich kennen gelernt hatten. Wann immer sie an diesen Abend damals dachte, musste sie lachen. Das war alles so lange her und Akemi konnte sich kaum vorstellen, wo sie heute wäre, wenn Nathaniel und sie damals ein Paar geworden wären. Heute konnte sie sich nicht einmal mehr vorstellen, einmal verliebt in ihn gewesen zu sein. Seitdem war viel geschehen und ihr Leben hatte sich mehr als einmal verändert. Manchmal glaubte sie, sich auf einer nicht enden wollenden Karussellfahrt zu befinden, zu der immer wieder Freunde und Bekannte aufstiegen, sie eine Weile lang begleiteten und dann wieder abstiegen, um aus ihrem Blickfeld zu verschwinden. Manche von ihnen tauchten irgendwann irgendwo wieder auf, während andere einfach für immer verschwunden blieben.
“Ich wollte dich fragen, ob du weißt, wie es Richard geht.“
Über Akemis Gesicht huschte ein unsicheres Lächeln. Sie wusste, dass diese Frage Nathaniel überraschen würde. Normalerweise sprachen sie nicht über Richard. Für Akemi war es leichter, so wenig wie möglich an ihn zu denken und sich abzulenken und Nathaniel war so rücksichtsvoll, ihn nicht zu erwähnen, wenn Akemi es nicht von sich aus tat.
“Richard?“
Wiederholte Nathaniel fragend und schüttelte dann den Kopf.
“Nein, ich habe nichts von ihm gehört. Er ist ja nicht mehr auf Coruscant.“
Er sagte es, als wäre es offensichtlich und für einen Moment war Akemi verwirrt.
“Nicht? Wieso?“
Fragte sie zurück, alarmiert. Was sollte das heißen, dass er nicht mehr dort war? Er hatte fast sein ganzes Leben dort gelebt! War etwas mit Nella Di, seiner Tochter, passiert, weswegen er möglicherweise nach Alderaan geflogen war? Nathaniel veränderte seine Sitzposition.
“Nun, er konnte schlecht da bleiben… mit dem Buch und so. Er hat sich offiziell zum Imperiums-Gegner gemacht.“
Erklärte er, als hätte Akemi dies schon längst sehen müssen. Und das hätte sie.
“Oh. Ach so.“
Erwiderte sie schwach, nicht sicher, was sie denken sollte. Es stimmte, mit der Veröffentlichung eines Romans, in dem Jedi als Helden stilisiert wurden, hatte sich Richard Cohn offiziell als Sympathisant der Neuen Republik geoutet. Damit war es ihm unmöglich, sich gefahrlos weiterhin auf Coruscant oder innerhalb anderer imperialer Gebiete aufzuhalten. Er musste den Stadtplaneten also bereits vor der Veröffentlichung seines Buches verlassen haben.
“Na ja… ich dachte auch bloß…“
Akemi schüttelte den Kopf. Sie hätte wirklich selbst darauf kommen müssen. Die Schultern straffend sah sie auf und lächelte Nathaniel an.
“Sein Buch verkauft sich gut. Es ist ein voller Erfolg. Jeder spricht davon.“
Sagte sie und freute sich ehrlich. Nathaniel nickte.
“Das stimmt. Ich habe es gelesen. Es ist gut.“
“Sehr gut sogar.“
Akemi lächelte noch immer, doch über ihren Augen lag das Echo eines Schattens
“Ich muss jetzt wirklich los.“
Das Hologramm verschwand, als sie beide zeitgleich die Verbindung trennten, doch es dauerte, bis Akemi schließlich aufstand und das Gespräch hinter sich ließ. Sie hatte nicht daran gedacht, welche Konsequenzen Richards Schritt, seinen Roman zu veröffentlichen, für ihn haben würde. Als er begonnen hatte an Deirdres Geschichte zu arbeiten, hatte er nicht bewusst damit gerechnet, den Roman irgendwann wirklich zu verkaufen. Wann hatte er sich wohl entschieden, es zu tun? Akemi warf einen letzten Blick in das Hotelzimmer und griff nach ihrer Handtasche. Dass sie sich öffentlich zur Neuen Republik bekannt hatte, war der Grund für ihre Trennung gewesen. Richard war nicht bereit gewesen, seine Heimat Coruscant aufzugeben und hatte befürchtet, weder Freunde noch Familie wieder sehen zu können, wenn er sich weiterhin zu Akemi und damit ebenfalls zur Republik bekannte. Und nun war er diesen Schritt doch gegangen. Allein. Sie sollte es nicht hinterfragen, aber es war schwer, es nicht zu tun. Akemi wandte sich um, verließ das Hotelzimmer und schloss die Tür hinter sich.
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