Seth Caomhin
Baron von Wolfenstein
Preußenblut - Die Erben der Götterdämmerung
Einmal keine Star Wars Story, sondern ein SciFi-Roman an dem ich gerade arbeite und in der nahen Zukunft spielt. Es erzählt die Geschichte, einer sadistischen jungen Frau und einem Jurastudenten, die erwarteten, dass sich das Jahr 2021 nur durch einen enorm warmen Sommer und eine schwere, dunkle Wolke auszeichnete, die seit Wochen über dem Land hing. Schlagartig müssen Sie jedoch feststellen, dass sie sich geirrt hatten und ein Kampf ums nackte überleben und eine fremde Besatzungsmacht beginnt.
Preußenblut - Die Erben der Götterdämmerung
Kapitel 1 – Eröffnung
Das laute Ringen eines alten Wählscheibentelefons durchbrach die Stille des kleinen, schummerigen Zimmers, in dem sich Kisten mit Hunderten von Aktenordnern türmten. Durch die Schlitze zwischen den Rolläden drangen einige spärliche Lichtstrahlen hindurch und tauchten das Szenario in einen diffusen Schein. Am anderen Ende erklang eine betörende weibliche Stimme.
„Wie versprochen habe ich Ihnen ein kleines Präsent zukommen lassen, sehen Sie in Ihrem Postfach nach. Viel Glück Herr Steiner und enttäuschen Sie mich nicht.“ Das einzige was daraufhin noch zu hören war, war das Besetztzeichen, dass unangenehm in seinem Ohr dröhnte. Mit einem unbefriedigten Gesichtsausdruck ließ Seth den Hörer beim Aufstehen in die Verankerung gleiten und fischte sein Sakko von einem der Haken. Seit einiger Zeit recherchierte er eine Reihe befremdlicher Ereignisse deren Tragweite bisher niemand überblicken konnte. Vor einigen Jahren häuften sich spektakuläre Morde von denen bis heute kein einziger befriedigend aufgeklärt werden konnte. Zu bizarr waren die Umstände der Todesfälle, zu phantastisch ihre Lösungsansätze. Dementsprechend geringe Beachtung fanden sie in den Medien, die zu sehr fürchteten mit solchen abstrusen Nachrichten unglaubwürdig zu erscheinen. Noch mehr als ohnehin schon. Für Seth dagegen war diese Geschichte ein brach liegendes Feld, das gepflügt und fruchtbar gemacht werden wollte.
Inmitten der deutschen Hauptstadt hatte er vor einigen Monaten bei einem kleinen lokalen Sender angefangen, um sein Jurastudium besser finanzieren zu können. Hier interessierte sich niemand für sein Faible, solange es ihn in seiner Arbeit nicht behinderte. Den Großteil seiner Informationen über die Mordfälle bekam er von dieser unbekannten Frau namens Thot, der er bisher nur ein einziges Mal begegnet war. Aus irgendeinem Grund schien sie in ihm die beste Wahl zusehen, die ungeheuerlichen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu bringen. Vielleicht ahnte sie den kaltblütigen Ehrgeiz mit dem er vorging und das er keine Mühen scheuen würde, den Menschen von dem was vor sich ging zu berichten. Beherzten Schrittes verließ der junge Mann das Gebäude und eilte zur nächsten Busstation. Bob, ein langjähriger Freund aus Hochschultagen, wartete bereits seit zehn Uhr vor dem Reichstag. Sie hatten sich dort verabredet um ihren ersten Fernsehbeitrag zu drehen, welcher am späten Abend gesendet werden sollte. Er hinter, Seth vor der Kamera.
Über der Stadt hing, wie an fast allen Orten der Welt, eine finstere Wolkendecke. Vereinzelte Risse erhellten Straßenzüge und Bezirke, der größte Teil jedoch lag in einem düsteren Zwielicht gehüllt. Offiziell ein Wetterphänomen für das man bisher nur halbgare Erklärungen parat hatte, ahnten die Menschen jedoch das mehr dahinter stecken musste. Ein Umstand den obskure Geschäftemacher, Quacksalber und die Medien schamlos ausnutzten. Acht Jahre war es nun her, seit sich zum letzten Mal etwas ähnliches ereignete. Als der Maya Kalender am 21. Dezember 2012 endete sah manch einer schon die Apokalypse nahen, Sekten verkündeten das Ende aller Tage und es wurden Millionen mit den Narren verdient, die den Blödsinn glauben. Als das nächste Jahr anbrach, waren die Mülltonnen voll mit all dem Plunder, mit dem sich die naiven Käufer eingedeckt hatten. Nichts hatte sich ereignet, alles blieb wie es war.
Nach einem kurzen Sprint über die Promenade hatte es Seth endlich geschafft. Keuchend sah er auf seinen beleibten Freund hinunter, der die letzten zwei Stunden damit verbracht hatte auf den Stufen des Reichstags zu warten und den knapp bekleideten Frauen hinterher zusehen. Immerhin änderte die dicke Wolkendecke bis jetzt nur wenig an den sommerlichen Temperaturen.
“Es ist dein Arsch, wenn irgendwann jemand herausfindet, dass du deiner kleinen Verschwörungstheorie mehr Aufmerksamkeit schenkst, als für die Geschichten für die du bezahlt wirst.“ Brummte er säuerlich ohne ihn zu begrüßen. Trotz der ungehaltenen Reaktion lächelte Seth freundlich herunter. Er kannte seinen Freund zu gut, als das er nicht wüsste dass sein Ärger nicht von langer Dauer sein würde.
„Und mein Porsche, wenn ich mit der Geschichte Millionen verdiene. Tut mir leid das ich dich warten lassen habe.“ Er streckte ihm seine Hand entgegen und half seinem Freund auf die Beine.
„Schon gut, aber vergiss nicht wer dich die ganze Zeit gedeckt hat mein Lieber.“ Bob hob die Kamera auf seine Schulter und drückte Seth das Mikrofon in die Hand „Ich schlage vor, wir bringen die Sache so schnell wie möglich hinter uns.“
Sie postierten sich auf der Wiese, vor dem Reichstagsgebäude mit seiner markanten Glaskuppel. Dann begannen sie mit der Reportage.
Etwas mehr als einen Kilometer entfernt bewegte sich eine junge Frau mit schnellen Schritten durch die Straßen der großen Stadt, ihr Ziel war das Restauration Tucholsky. Ein gemütliches Restaurant im Stil der zwanziger Jahre. Ihr Bruder sollte sich dort mit seiner neuen Freundin treffen. Neu für Kassandra jedenfalls, die beiden waren immerhin schon ein gutes Jahr zusammen. Aber diese Frau blieb Kassandra einfach nicht geheuer. Noch bis vor ein paar Wochen hatte sich die Kassandra strickt geweigert sie näher kennen zu lernen. Nach dem letzten großen Streit mit ihrem geliebten Bruder jedoch, entschied sie sich schließlich nachzugeben und die zwei heute zu überraschen. Vielleicht schätzte sie, sie ja tatsächlich falsch ein. Ihr Blick ging seufzend hoch in den dichtverhangenen Himmel. Sich konnte sich kaum mehr daran erinnern, wann die Sonne zuletzt klar auf ihre Heimatstadt herunter schien. Als jemand der sich gerne bei gutem Wetter im grünen Gras sonnte, deprimierte sie dieses grauenhafte Wetter. Es hielt nun bereits seit gut drei Monaten an und wenn sie ehrlich zu sich war, machte ihr diese penetrante, hoch über ihnen schwebende Wolkendecke Angst. Die meiste Zeit über jedoch verdrängte sie den Gedanken daran, wie lange dieser Zustand wohl noch anhalten konnte. Das mit dem Braun werden konnte sie jetzt jedenfalls vergessen.
Als sie um die Ecke bog und am anderen Ende das Restaurant bereits erkennen konnte, hoben sich Kassandras Grübchen zu einem breiten Grinsen. Sie versuchte sich Bens Gesicht vorzustellen, wenn er sie gleich eintreten und sich das erste Mal seiner Freundin vorstellen sah. Ein heftiger Knall ließ die junge Frau jedoch abrupt zusammenzucken. Geschockt blieb Kassandra stehen und riss die Augen weit auf. In ihren Pupillen spiegelte sich ein staubdurchdrungener Feuerball, der aus dem Teil des Gebäudes, der das Restaurant beherbergte, herausschoss. Noch bevor sie vor den durch die Luft fliegenden Trümmerteilen in Deckung hasten konnte, wurde sie von der Druckwelle erfasst und gegen einen parkenden Wagen geschleudert. Eine Staubwelle fegte durch die Straßen und über sie hinweg. Stöhnend und von einer dünnen grauen Schicht überdeckt, erhob sich Kassandra und realisierte dass soeben alle Menschen die sich im Restaurant befanden, in den Tod gerissen wurden. Die ohrenbetäubende Explosion hatte sie taub gemacht für eine weitere Detonation. Während hinter ihr eine dunkle Wolke über den Dächern aufstieg, blieb Kassandras Blick auf den verschleierten Punkt haften, an dem sich noch vor einem Moment das Café befand.
Seth rappelte sich wieder auf, nachdem ihm die gewaltige Explosion zu Boden geworfen hatte. Blind und beinahe schwerhörig tastete er nach seinem Freund. „*******, was war das? ...Bob?!“ Rief er hustend und konnte sich dabei selbst kaum hören.
„Seth! Oh mein Gott Seth, es hat das halbe Gebäude weggerissen!“ Dumpf drang Bobs Stimme an ihn heran und endlich bekam er ihn zu fassen. Ungeachtet dessen wie sehr er sich wehrte, zog er ihn einfach in die nächstbeste Richtung. „Zu deinem Wagen!“ schrie er seinem dicklichen Freund ins Ohr und ließ sich von ihm über den Platz führen, bis zu einem schwarzen Auto. In dem Moment in dem Bob den Zündschlüssel umdrehte, begutachtete Seth den Film durch den aufgeklappten Bildschirm an der Seite der großen Kamera. „Alles in Ordnung bei dir?“ Fragte ihn sein Freund, den in Blut getränkten Riss seines Jacketts am Oberarm registrierend, als er aus der Parklücke heraus auf die Straße fuhr.
„Ja, ja mir fehlt nichts.“ Gab er lapidar zurück. Seth bemerkte die Wunde kaum, er war viel zu sehr von den Bildern gefesselt die selbst den Reichstagsbrand vor beinahe hundert Jahren in den Schatten stellten. Das Material das die Kamera bot war zwar kurz, aber die Qualität schien wie für die Nachrichten gemacht zusein.
“Halt, wir müssen zu dir.“ Rief er laut, gerade in dem Augenblick als Bob abbiegen wollte. Dieser reagierte sofort und heizte mit hohem Tempo weiter, über die holprige Strecke der Brücke hinweg.
“Ho! Hättest du die Güte mich vorzuwarnen? Ich überlebe diese Explosion...“
„Explosion? Der verdammte Reichstag ist uns um die Ohren geflogen und das lag sicher nicht an einer defekten Gasleitung. Wenn da kein eiskalt berechneter Plan dahinter steckt, will ich nicht mehr Steiner heissen. Das war ein verdammter Anschlag!“ Sagte Seth mit fester Stimme, klappte den Bildschirm zu und stellte die Kamera auf den Rücksitz ab.
„Von mir aus. Jedenfalls, beim nächsten Mal warn mich vor, sonst sind wir die längste Zeit Freunde gewesen!“
Bob sprach wütend weiter, er hörte jedoch gar nicht mehr hin und dankte dabei der anhaltenden Taubheit, das er seinen weiteren Ausführungen nicht folgen musste. Es war ihm ohnehin wichtiger seine Gedanken zu ordnen, worin er jäh gestört wurde als Bob die Handbremse betätigte. Der LKW vor ihnen hatte aus heiteren Himmel abgebremst.
Sie kamen um Haaresbreite vor dem Lastwagen zum Stehen.
„*******, wenn das so weitergeht überlebe ich diesen Tag wirklich nicht mehr!“ Stöhnte Bob, seine Nerven lagen blank. Der Lastwagen vor ihnen fuhr mit quietschenden Reifen weiter. Der Fahrer zeterte derart laut, dass sie es selbst Taub noch verstehen konnten und nun sahen auch den Grund für seine Wut. Aufgelöst stand eine junge Frau auf der Straße, die über und über mit Staub und Dreck bedeckt war. Ihr Blick fiel auf ihren Wagen, auf den sie sofort zueilte. Wütend stützte sie sich auf der Motorhaube ab und spannte die Muskeln an, als könne sie den Wagen eigenhändig an Ort und Stelle halten.
„Bitte, hat jemand von Ihnen ein Handy?!“
Ihr Blick ging zwischen den Beiden hin und her. Das startende Hupkonzert ignorierte sie getrost. Ungeachtet der ungünstigen Position in der sie stand, machte Bob dennoch Anstalten weiterzufahren als Seth die Tür aufstieß.
„Bereite das Material auf, ich kümmere mich um den Rest. Erwarte mich heute Abend um Acht bei dir.“ Sagte er, nachdem er ausgestiegen war, bevor er die Tür zuschlug. Der dickliche Mann konnte es kaum fassen, seit wann gab er sich mit Pennern ab? Der kurze rot/schwarz karierte Rock war überzogen mit grauen Flecken, ebenso wie ihre weiße Bluse, dessen Ärmel sie bis zu ihren Ellenbogen umgekrempelt hatte. Das Hupkonzert nahm an Stärke zu. „Ja, ja ich fahr ja schon!“ Rief er laut raus und fuhr entnervt los.
„Hier.“ Seth reichte ihr den Gegenstand, nachdem sie von der Straße runter waren. Mit langsamen Schritten ging er in die Seitenstraße aus der sie gerannt sein musste. Erst jetzt offenbahrte sich die Verwüstung, herumliegenden Trümmer, um Hilfe schreiende Verletzte und kleine Feuer die sich weiter hinten aus einem großen Loch des Gebäudes heraustraten. Bereits beim ersten Blick auf sie hatte er erwartet, das hier etwas ähnliches geschehen sein musste. Ihr wilder Pagenkopf lag unter einer schrecklichen grauen Staubschicht verborgen, nur an einigen Stellen stach die pechschwarze Farbe ihrer Haare hervor, dieser Anblick reichte ihm um zu wissen was passiert war. „*******, ich kriege schon wieder keine Verbindung.“ Sie ging die wenigen Meter die er gelaufen war auf ihn zu und versuchte dabei weiter durchzukommen.
„Was ist nur los? Polizei, Feuerwehr, irgendwas muss doch funktionieren!“ Ihre Stimme zitterte, sie war nah dran das Handy einfach an die Wand zu werfen und zusammenzubrechen.
„Das hier ist nicht die einzige Bombe. Ich komme gerade vom Reichstag.“ Erwiderte er.
Sein Gegenüber wollte darauf gerade etwas entgegnen, als sie eine Stimme am anderen Ende hörte und sich sofort von ihm abwendete, um sich ganz auf den Anruf zu konzentrieren. Erst einige Minuten später legte sie auf und erklärte ihm erschöpft die Situation.
„Er sagte es wären schon längst einige Wagen auf dem Weg und das er sich nicht erklären kann, wo sie abbleiben. Bei denen geht alles drunter und drüber, die ganze Stadt geht vor die Hunde.“ Der jungen Frau viel es sichtlich schwer den Satz überhaupt zuende zu bringen. Sie lehnte sich an die Wand und rutschte runter auf den Boden.
„Das klingt gewaltig.“ Seth wartete einige Sekunden, ehe er sich räusperte. „Sagen Sie, kriege ich mein Handy vielleicht zurück?“
Die Frau sah irritiert hoch, ehe sie aufstöhnte. „Oh richtig, hier.“ Sie war immer noch komplett durch den Wind.
„Danke, ich dachte schon Sie wollen es behalten. Nicht das ich sehr daran hänge aber so schnell kann ich mir kein neues leisten, nicht mal mit dem Nebenjob als Journalist.“
„Darum also haben Sie mir geholfen.“ Kombinierte die junge Frau und blickte mit einem müden Lächeln auf.
„Es war jedenfalls ein Grund. Seth Steiner.“ Er reichte ihr seine Hand. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sie ihre hineinlegte und schwach zudrückte.
„Kassandra Stark.“
Sie fühlte sich beinahe dazu hingerissen sich über seine merkwürdige Anmache lustig zu machen, aber die Situation machte es ihr schwer überhaupt zu sprechen. Bisher hatte sie keine Sekunde zum Verschnaufen und nun wo ihr nichts mehr übrig blieb als zu warten und sich ihren Gedanken hinzugeben, begannen ihre Gefühle endgültig von ihr Besitz zu ergreifen. Resignierend stützte sie ihren Kopf auf ihre Hände und schloss die Augen. Seth hörte das zaghafte aufbegehren der Verzweiflung und Trauer. Er wusste nicht recht was er tun sollte und so legte er ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid.“
„Fick dich!“ Ihre Reaktion kam ebenso überraschend wie schnell. Kassandras Antwort war gepaart mit einem unerwartet gefassten und ernsten Blick, auf den Seth nichts gescheites mehr zu erwidern wusste. Dazu ließ ihm die junge Frau allerdings auch gar keine Gelegenheit mehr.
„Wir kennen uns gerade einmal zehn Minuten, wie also sollte es dir schon leid tun?!“
Die ganze Wut in ihrem Leib drohte sich auf ihn zu fokussieren, als er sie unterbrach, ehe sie Möglichkeit hatte fortfahren konnte.
„Du hast recht, es tut mir nicht leid.“ Sagte er ruhig und hockte sich vor ihr, um ihr direkt in die dunklen blauen, Augen sehen zu können, die ihn wachsam im Fokus hielten. „Ich wollte dir nur eben den Anruf überlassen, unter dem Vorwand dir noch einige Fragen stellen zu wollen deine Nummer bekommen und dann meine Arbeit hier machen.“
Mit dieser geballten Ehrlichkeit hatte Kassandra nicht gerechnet und sie machte es ihr auch nicht leichter mit der Situation fertig zu werden. Einerseits hatte sie nun nach diesen Worten große Lust ihm ihre Faust ins Gesicht zu schlagen, andererseits gefiel es ihr, dass er sich nicht herausredete und soviel Mumm besaß, ihrem Blick nicht auszuweichen.
Unerwartet sah Seth wie sie ihre Hände, die in fingerlosen Lederhandschuhen steckten, ausstreckte und ihn förmlich an sich heranzerrte. Für einen Augenblick war es ihr egal wer er war oder welches Motiv er hatte. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter und ließ ihren Gefühlen freien Lauf, die wie eine Welle über sie kamen und von ihr Besitz ergriffen. Mehrere Minuten lang verharrten sie so und je länger und fester Kassandra an ihm zog, desto stärker fühlte Seth den stechenden Schmerz in seinem Arm. Erst als die Sirenen von Ambulanz und Feuerwehr laut zu hören waren und die Wagen vor dem zerstörten Café eintrafen, ließ Kassandra von ihm ab. Sie erhob sich mit ihm, wobei es ihm vorkam als würde sie den letzten Rest ihrer Trauer einfach hinunterschlucken um nun wieder gefasst in seine Augen sehen zu können.
„Entschuldige, ich hatte eigentlich nicht vor dich als menschliches Taschentuch zu missbrauchen.“ Ihr Blick ging zu dem immer noch rauchenden Loch, vor dem sich die Sicherheitskräfte versammelten. Sanitäter kümmerten sich um Verletzte und die Feuerwehr machte sich daran die Brände zu löschen..
„Ist schon in Ordnung, aber ich denke du solltest jetzt los, vielleicht kann man dir jetzt mehr sagen.“
„Was soll man mir schon sagen…“ fragte sich Kassandra leise selbst, als sie losging. Dann blieb sie noch einmal stehen und sah zurück. „Du solltest dir übrigens auch Hilfe suchen, das schaut ernst aus.“
Seth nahm ihren Vorschlag stillschweigend an, dachte aber noch gar nicht daran die Wunde untersuchen zu lassen.
Mit jedem Schritt dem sie sich dem Ort der Zerstörung näherten, stach ihnen der unangenehme, perverse Gestank von verbranntem Fleisch stärker in die Nasen. Er war dermaßen stark, dass selbst einige der Hilfskräfte Masken aufsetzten mussten. Während sich die junge Frau versuchte zu Jemanden durchzuschlagen der etwas mehr Licht ins Dunkel dieses Geschehens bringen konnte, schob sich Seth ungeachtet der Menschen um ihn herum weiter bis er direkt vor dem vollkommen verwüsteten Café stand. Er ignorierte das beißen tief oben in seiner Nasenhöhle und versuchte seine Arbeit zu machen. Mit seinem Handy fotografierte er notdürftig ob der fehlenden Kamera Tod und Verwüstung. Auf eine sehr harsche Weise stoppten Seth die Polizisten, welche den gesamten Bereich absperrten und ihn rasch den Sanitätern zuwiesen. Man eskortiere ihn zum Notfallwagen, wo man sich mehr oder weniger intensiv um ihn kümmerte, was der internen Prioritätsliste geschuldet war, die man so akkurat wie nur möglich versuchte abzuarbeiten. Die zwei Männer besahen provisorisch seine Wunde an der Schulter. Sie war allerdings nicht weiter wild, man begnügte sich damit sie rasch zu verbinden, um sich dann so schnell wie möglich um die anderen Verletzten zu kümmern, denen es schlechter ging als dem Paparazzi vor ihnen. Noch bevor die beiden Männer ihn verließen, bat man ihn jedoch sitzen zu bleiben, damit man sich seine Verletzungen später noch einmal genauer ansehen konnte, da es ihn auch am Rücken erwischt hatte und man sich nicht sicher sein konnten, ob es nicht doch ernster war als es auf dem ersten Blick erschien.
Gleichzeitig dazu versuchte Kassandra von den Polizisten Informationen zu den Explosionen zu bekommen. Sie erfuhr nicht mehr als sie ohnehin schon wusste. Bisher waren in der ganzen Stadt verstreut zum gleichen Zeitpunkt über zwanzig Bomben hochgegangen. Die Opferzahlen stiegen minütlich, während das Telefonnetz an den Rand seiner Kapazitäten gebracht wurde. Die Ziele gingen von Regierungsgebäuden, über Sehenswürdigkeiten und Verkehrsknotenpunkten bis hin zu einfachen Lokalen. Bisher gab es keine Verbindung zwischen ihnen, noch hatte man eine Ahnung, wer dafür verantwortlich sein könnte. Resignierend warf Kassandra einen Blick durch die Menge und erblickte entfernt den geschundenen Leib des Mannes, der ihr eben noch Trost gespendet hatte, bevor man sie bat in einen der Wagen zu kommen um ihre Aussage aufzunehmen. Der Augenblick reichte jedoch um den Bauchansatz zu erkennen, über dem auf seiner Brust drei Narben prangten, fast wie von einem Tier. Sie mussten jedoch schon alt sein, denn so schnell heilte keine Wunde.
Einmal keine Star Wars Story, sondern ein SciFi-Roman an dem ich gerade arbeite und in der nahen Zukunft spielt. Es erzählt die Geschichte, einer sadistischen jungen Frau und einem Jurastudenten, die erwarteten, dass sich das Jahr 2021 nur durch einen enorm warmen Sommer und eine schwere, dunkle Wolke auszeichnete, die seit Wochen über dem Land hing. Schlagartig müssen Sie jedoch feststellen, dass sie sich geirrt hatten und ein Kampf ums nackte überleben und eine fremde Besatzungsmacht beginnt.
Preußenblut - Die Erben der Götterdämmerung
Kapitel 1 – Eröffnung
Das laute Ringen eines alten Wählscheibentelefons durchbrach die Stille des kleinen, schummerigen Zimmers, in dem sich Kisten mit Hunderten von Aktenordnern türmten. Durch die Schlitze zwischen den Rolläden drangen einige spärliche Lichtstrahlen hindurch und tauchten das Szenario in einen diffusen Schein. Am anderen Ende erklang eine betörende weibliche Stimme.
„Wie versprochen habe ich Ihnen ein kleines Präsent zukommen lassen, sehen Sie in Ihrem Postfach nach. Viel Glück Herr Steiner und enttäuschen Sie mich nicht.“ Das einzige was daraufhin noch zu hören war, war das Besetztzeichen, dass unangenehm in seinem Ohr dröhnte. Mit einem unbefriedigten Gesichtsausdruck ließ Seth den Hörer beim Aufstehen in die Verankerung gleiten und fischte sein Sakko von einem der Haken. Seit einiger Zeit recherchierte er eine Reihe befremdlicher Ereignisse deren Tragweite bisher niemand überblicken konnte. Vor einigen Jahren häuften sich spektakuläre Morde von denen bis heute kein einziger befriedigend aufgeklärt werden konnte. Zu bizarr waren die Umstände der Todesfälle, zu phantastisch ihre Lösungsansätze. Dementsprechend geringe Beachtung fanden sie in den Medien, die zu sehr fürchteten mit solchen abstrusen Nachrichten unglaubwürdig zu erscheinen. Noch mehr als ohnehin schon. Für Seth dagegen war diese Geschichte ein brach liegendes Feld, das gepflügt und fruchtbar gemacht werden wollte.
Inmitten der deutschen Hauptstadt hatte er vor einigen Monaten bei einem kleinen lokalen Sender angefangen, um sein Jurastudium besser finanzieren zu können. Hier interessierte sich niemand für sein Faible, solange es ihn in seiner Arbeit nicht behinderte. Den Großteil seiner Informationen über die Mordfälle bekam er von dieser unbekannten Frau namens Thot, der er bisher nur ein einziges Mal begegnet war. Aus irgendeinem Grund schien sie in ihm die beste Wahl zusehen, die ungeheuerlichen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu bringen. Vielleicht ahnte sie den kaltblütigen Ehrgeiz mit dem er vorging und das er keine Mühen scheuen würde, den Menschen von dem was vor sich ging zu berichten. Beherzten Schrittes verließ der junge Mann das Gebäude und eilte zur nächsten Busstation. Bob, ein langjähriger Freund aus Hochschultagen, wartete bereits seit zehn Uhr vor dem Reichstag. Sie hatten sich dort verabredet um ihren ersten Fernsehbeitrag zu drehen, welcher am späten Abend gesendet werden sollte. Er hinter, Seth vor der Kamera.
Über der Stadt hing, wie an fast allen Orten der Welt, eine finstere Wolkendecke. Vereinzelte Risse erhellten Straßenzüge und Bezirke, der größte Teil jedoch lag in einem düsteren Zwielicht gehüllt. Offiziell ein Wetterphänomen für das man bisher nur halbgare Erklärungen parat hatte, ahnten die Menschen jedoch das mehr dahinter stecken musste. Ein Umstand den obskure Geschäftemacher, Quacksalber und die Medien schamlos ausnutzten. Acht Jahre war es nun her, seit sich zum letzten Mal etwas ähnliches ereignete. Als der Maya Kalender am 21. Dezember 2012 endete sah manch einer schon die Apokalypse nahen, Sekten verkündeten das Ende aller Tage und es wurden Millionen mit den Narren verdient, die den Blödsinn glauben. Als das nächste Jahr anbrach, waren die Mülltonnen voll mit all dem Plunder, mit dem sich die naiven Käufer eingedeckt hatten. Nichts hatte sich ereignet, alles blieb wie es war.
Nach einem kurzen Sprint über die Promenade hatte es Seth endlich geschafft. Keuchend sah er auf seinen beleibten Freund hinunter, der die letzten zwei Stunden damit verbracht hatte auf den Stufen des Reichstags zu warten und den knapp bekleideten Frauen hinterher zusehen. Immerhin änderte die dicke Wolkendecke bis jetzt nur wenig an den sommerlichen Temperaturen.
“Es ist dein Arsch, wenn irgendwann jemand herausfindet, dass du deiner kleinen Verschwörungstheorie mehr Aufmerksamkeit schenkst, als für die Geschichten für die du bezahlt wirst.“ Brummte er säuerlich ohne ihn zu begrüßen. Trotz der ungehaltenen Reaktion lächelte Seth freundlich herunter. Er kannte seinen Freund zu gut, als das er nicht wüsste dass sein Ärger nicht von langer Dauer sein würde.
„Und mein Porsche, wenn ich mit der Geschichte Millionen verdiene. Tut mir leid das ich dich warten lassen habe.“ Er streckte ihm seine Hand entgegen und half seinem Freund auf die Beine.
„Schon gut, aber vergiss nicht wer dich die ganze Zeit gedeckt hat mein Lieber.“ Bob hob die Kamera auf seine Schulter und drückte Seth das Mikrofon in die Hand „Ich schlage vor, wir bringen die Sache so schnell wie möglich hinter uns.“
Sie postierten sich auf der Wiese, vor dem Reichstagsgebäude mit seiner markanten Glaskuppel. Dann begannen sie mit der Reportage.
Etwas mehr als einen Kilometer entfernt bewegte sich eine junge Frau mit schnellen Schritten durch die Straßen der großen Stadt, ihr Ziel war das Restauration Tucholsky. Ein gemütliches Restaurant im Stil der zwanziger Jahre. Ihr Bruder sollte sich dort mit seiner neuen Freundin treffen. Neu für Kassandra jedenfalls, die beiden waren immerhin schon ein gutes Jahr zusammen. Aber diese Frau blieb Kassandra einfach nicht geheuer. Noch bis vor ein paar Wochen hatte sich die Kassandra strickt geweigert sie näher kennen zu lernen. Nach dem letzten großen Streit mit ihrem geliebten Bruder jedoch, entschied sie sich schließlich nachzugeben und die zwei heute zu überraschen. Vielleicht schätzte sie, sie ja tatsächlich falsch ein. Ihr Blick ging seufzend hoch in den dichtverhangenen Himmel. Sich konnte sich kaum mehr daran erinnern, wann die Sonne zuletzt klar auf ihre Heimatstadt herunter schien. Als jemand der sich gerne bei gutem Wetter im grünen Gras sonnte, deprimierte sie dieses grauenhafte Wetter. Es hielt nun bereits seit gut drei Monaten an und wenn sie ehrlich zu sich war, machte ihr diese penetrante, hoch über ihnen schwebende Wolkendecke Angst. Die meiste Zeit über jedoch verdrängte sie den Gedanken daran, wie lange dieser Zustand wohl noch anhalten konnte. Das mit dem Braun werden konnte sie jetzt jedenfalls vergessen.
Als sie um die Ecke bog und am anderen Ende das Restaurant bereits erkennen konnte, hoben sich Kassandras Grübchen zu einem breiten Grinsen. Sie versuchte sich Bens Gesicht vorzustellen, wenn er sie gleich eintreten und sich das erste Mal seiner Freundin vorstellen sah. Ein heftiger Knall ließ die junge Frau jedoch abrupt zusammenzucken. Geschockt blieb Kassandra stehen und riss die Augen weit auf. In ihren Pupillen spiegelte sich ein staubdurchdrungener Feuerball, der aus dem Teil des Gebäudes, der das Restaurant beherbergte, herausschoss. Noch bevor sie vor den durch die Luft fliegenden Trümmerteilen in Deckung hasten konnte, wurde sie von der Druckwelle erfasst und gegen einen parkenden Wagen geschleudert. Eine Staubwelle fegte durch die Straßen und über sie hinweg. Stöhnend und von einer dünnen grauen Schicht überdeckt, erhob sich Kassandra und realisierte dass soeben alle Menschen die sich im Restaurant befanden, in den Tod gerissen wurden. Die ohrenbetäubende Explosion hatte sie taub gemacht für eine weitere Detonation. Während hinter ihr eine dunkle Wolke über den Dächern aufstieg, blieb Kassandras Blick auf den verschleierten Punkt haften, an dem sich noch vor einem Moment das Café befand.
Seth rappelte sich wieder auf, nachdem ihm die gewaltige Explosion zu Boden geworfen hatte. Blind und beinahe schwerhörig tastete er nach seinem Freund. „*******, was war das? ...Bob?!“ Rief er hustend und konnte sich dabei selbst kaum hören.
„Seth! Oh mein Gott Seth, es hat das halbe Gebäude weggerissen!“ Dumpf drang Bobs Stimme an ihn heran und endlich bekam er ihn zu fassen. Ungeachtet dessen wie sehr er sich wehrte, zog er ihn einfach in die nächstbeste Richtung. „Zu deinem Wagen!“ schrie er seinem dicklichen Freund ins Ohr und ließ sich von ihm über den Platz führen, bis zu einem schwarzen Auto. In dem Moment in dem Bob den Zündschlüssel umdrehte, begutachtete Seth den Film durch den aufgeklappten Bildschirm an der Seite der großen Kamera. „Alles in Ordnung bei dir?“ Fragte ihn sein Freund, den in Blut getränkten Riss seines Jacketts am Oberarm registrierend, als er aus der Parklücke heraus auf die Straße fuhr.
„Ja, ja mir fehlt nichts.“ Gab er lapidar zurück. Seth bemerkte die Wunde kaum, er war viel zu sehr von den Bildern gefesselt die selbst den Reichstagsbrand vor beinahe hundert Jahren in den Schatten stellten. Das Material das die Kamera bot war zwar kurz, aber die Qualität schien wie für die Nachrichten gemacht zusein.
“Halt, wir müssen zu dir.“ Rief er laut, gerade in dem Augenblick als Bob abbiegen wollte. Dieser reagierte sofort und heizte mit hohem Tempo weiter, über die holprige Strecke der Brücke hinweg.
“Ho! Hättest du die Güte mich vorzuwarnen? Ich überlebe diese Explosion...“
„Explosion? Der verdammte Reichstag ist uns um die Ohren geflogen und das lag sicher nicht an einer defekten Gasleitung. Wenn da kein eiskalt berechneter Plan dahinter steckt, will ich nicht mehr Steiner heissen. Das war ein verdammter Anschlag!“ Sagte Seth mit fester Stimme, klappte den Bildschirm zu und stellte die Kamera auf den Rücksitz ab.
„Von mir aus. Jedenfalls, beim nächsten Mal warn mich vor, sonst sind wir die längste Zeit Freunde gewesen!“
Bob sprach wütend weiter, er hörte jedoch gar nicht mehr hin und dankte dabei der anhaltenden Taubheit, das er seinen weiteren Ausführungen nicht folgen musste. Es war ihm ohnehin wichtiger seine Gedanken zu ordnen, worin er jäh gestört wurde als Bob die Handbremse betätigte. Der LKW vor ihnen hatte aus heiteren Himmel abgebremst.
Sie kamen um Haaresbreite vor dem Lastwagen zum Stehen.
„*******, wenn das so weitergeht überlebe ich diesen Tag wirklich nicht mehr!“ Stöhnte Bob, seine Nerven lagen blank. Der Lastwagen vor ihnen fuhr mit quietschenden Reifen weiter. Der Fahrer zeterte derart laut, dass sie es selbst Taub noch verstehen konnten und nun sahen auch den Grund für seine Wut. Aufgelöst stand eine junge Frau auf der Straße, die über und über mit Staub und Dreck bedeckt war. Ihr Blick fiel auf ihren Wagen, auf den sie sofort zueilte. Wütend stützte sie sich auf der Motorhaube ab und spannte die Muskeln an, als könne sie den Wagen eigenhändig an Ort und Stelle halten.
„Bitte, hat jemand von Ihnen ein Handy?!“
Ihr Blick ging zwischen den Beiden hin und her. Das startende Hupkonzert ignorierte sie getrost. Ungeachtet der ungünstigen Position in der sie stand, machte Bob dennoch Anstalten weiterzufahren als Seth die Tür aufstieß.
„Bereite das Material auf, ich kümmere mich um den Rest. Erwarte mich heute Abend um Acht bei dir.“ Sagte er, nachdem er ausgestiegen war, bevor er die Tür zuschlug. Der dickliche Mann konnte es kaum fassen, seit wann gab er sich mit Pennern ab? Der kurze rot/schwarz karierte Rock war überzogen mit grauen Flecken, ebenso wie ihre weiße Bluse, dessen Ärmel sie bis zu ihren Ellenbogen umgekrempelt hatte. Das Hupkonzert nahm an Stärke zu. „Ja, ja ich fahr ja schon!“ Rief er laut raus und fuhr entnervt los.
„Hier.“ Seth reichte ihr den Gegenstand, nachdem sie von der Straße runter waren. Mit langsamen Schritten ging er in die Seitenstraße aus der sie gerannt sein musste. Erst jetzt offenbahrte sich die Verwüstung, herumliegenden Trümmer, um Hilfe schreiende Verletzte und kleine Feuer die sich weiter hinten aus einem großen Loch des Gebäudes heraustraten. Bereits beim ersten Blick auf sie hatte er erwartet, das hier etwas ähnliches geschehen sein musste. Ihr wilder Pagenkopf lag unter einer schrecklichen grauen Staubschicht verborgen, nur an einigen Stellen stach die pechschwarze Farbe ihrer Haare hervor, dieser Anblick reichte ihm um zu wissen was passiert war. „*******, ich kriege schon wieder keine Verbindung.“ Sie ging die wenigen Meter die er gelaufen war auf ihn zu und versuchte dabei weiter durchzukommen.
„Was ist nur los? Polizei, Feuerwehr, irgendwas muss doch funktionieren!“ Ihre Stimme zitterte, sie war nah dran das Handy einfach an die Wand zu werfen und zusammenzubrechen.
„Das hier ist nicht die einzige Bombe. Ich komme gerade vom Reichstag.“ Erwiderte er.
Sein Gegenüber wollte darauf gerade etwas entgegnen, als sie eine Stimme am anderen Ende hörte und sich sofort von ihm abwendete, um sich ganz auf den Anruf zu konzentrieren. Erst einige Minuten später legte sie auf und erklärte ihm erschöpft die Situation.
„Er sagte es wären schon längst einige Wagen auf dem Weg und das er sich nicht erklären kann, wo sie abbleiben. Bei denen geht alles drunter und drüber, die ganze Stadt geht vor die Hunde.“ Der jungen Frau viel es sichtlich schwer den Satz überhaupt zuende zu bringen. Sie lehnte sich an die Wand und rutschte runter auf den Boden.
„Das klingt gewaltig.“ Seth wartete einige Sekunden, ehe er sich räusperte. „Sagen Sie, kriege ich mein Handy vielleicht zurück?“
Die Frau sah irritiert hoch, ehe sie aufstöhnte. „Oh richtig, hier.“ Sie war immer noch komplett durch den Wind.
„Danke, ich dachte schon Sie wollen es behalten. Nicht das ich sehr daran hänge aber so schnell kann ich mir kein neues leisten, nicht mal mit dem Nebenjob als Journalist.“
„Darum also haben Sie mir geholfen.“ Kombinierte die junge Frau und blickte mit einem müden Lächeln auf.
„Es war jedenfalls ein Grund. Seth Steiner.“ Er reichte ihr seine Hand. Es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor, bis sie ihre hineinlegte und schwach zudrückte.
„Kassandra Stark.“
Sie fühlte sich beinahe dazu hingerissen sich über seine merkwürdige Anmache lustig zu machen, aber die Situation machte es ihr schwer überhaupt zu sprechen. Bisher hatte sie keine Sekunde zum Verschnaufen und nun wo ihr nichts mehr übrig blieb als zu warten und sich ihren Gedanken hinzugeben, begannen ihre Gefühle endgültig von ihr Besitz zu ergreifen. Resignierend stützte sie ihren Kopf auf ihre Hände und schloss die Augen. Seth hörte das zaghafte aufbegehren der Verzweiflung und Trauer. Er wusste nicht recht was er tun sollte und so legte er ihr sanft eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid.“
„Fick dich!“ Ihre Reaktion kam ebenso überraschend wie schnell. Kassandras Antwort war gepaart mit einem unerwartet gefassten und ernsten Blick, auf den Seth nichts gescheites mehr zu erwidern wusste. Dazu ließ ihm die junge Frau allerdings auch gar keine Gelegenheit mehr.
„Wir kennen uns gerade einmal zehn Minuten, wie also sollte es dir schon leid tun?!“
Die ganze Wut in ihrem Leib drohte sich auf ihn zu fokussieren, als er sie unterbrach, ehe sie Möglichkeit hatte fortfahren konnte.
„Du hast recht, es tut mir nicht leid.“ Sagte er ruhig und hockte sich vor ihr, um ihr direkt in die dunklen blauen, Augen sehen zu können, die ihn wachsam im Fokus hielten. „Ich wollte dir nur eben den Anruf überlassen, unter dem Vorwand dir noch einige Fragen stellen zu wollen deine Nummer bekommen und dann meine Arbeit hier machen.“
Mit dieser geballten Ehrlichkeit hatte Kassandra nicht gerechnet und sie machte es ihr auch nicht leichter mit der Situation fertig zu werden. Einerseits hatte sie nun nach diesen Worten große Lust ihm ihre Faust ins Gesicht zu schlagen, andererseits gefiel es ihr, dass er sich nicht herausredete und soviel Mumm besaß, ihrem Blick nicht auszuweichen.
Unerwartet sah Seth wie sie ihre Hände, die in fingerlosen Lederhandschuhen steckten, ausstreckte und ihn förmlich an sich heranzerrte. Für einen Augenblick war es ihr egal wer er war oder welches Motiv er hatte. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter und ließ ihren Gefühlen freien Lauf, die wie eine Welle über sie kamen und von ihr Besitz ergriffen. Mehrere Minuten lang verharrten sie so und je länger und fester Kassandra an ihm zog, desto stärker fühlte Seth den stechenden Schmerz in seinem Arm. Erst als die Sirenen von Ambulanz und Feuerwehr laut zu hören waren und die Wagen vor dem zerstörten Café eintrafen, ließ Kassandra von ihm ab. Sie erhob sich mit ihm, wobei es ihm vorkam als würde sie den letzten Rest ihrer Trauer einfach hinunterschlucken um nun wieder gefasst in seine Augen sehen zu können.
„Entschuldige, ich hatte eigentlich nicht vor dich als menschliches Taschentuch zu missbrauchen.“ Ihr Blick ging zu dem immer noch rauchenden Loch, vor dem sich die Sicherheitskräfte versammelten. Sanitäter kümmerten sich um Verletzte und die Feuerwehr machte sich daran die Brände zu löschen..
„Ist schon in Ordnung, aber ich denke du solltest jetzt los, vielleicht kann man dir jetzt mehr sagen.“
„Was soll man mir schon sagen…“ fragte sich Kassandra leise selbst, als sie losging. Dann blieb sie noch einmal stehen und sah zurück. „Du solltest dir übrigens auch Hilfe suchen, das schaut ernst aus.“
Seth nahm ihren Vorschlag stillschweigend an, dachte aber noch gar nicht daran die Wunde untersuchen zu lassen.
Mit jedem Schritt dem sie sich dem Ort der Zerstörung näherten, stach ihnen der unangenehme, perverse Gestank von verbranntem Fleisch stärker in die Nasen. Er war dermaßen stark, dass selbst einige der Hilfskräfte Masken aufsetzten mussten. Während sich die junge Frau versuchte zu Jemanden durchzuschlagen der etwas mehr Licht ins Dunkel dieses Geschehens bringen konnte, schob sich Seth ungeachtet der Menschen um ihn herum weiter bis er direkt vor dem vollkommen verwüsteten Café stand. Er ignorierte das beißen tief oben in seiner Nasenhöhle und versuchte seine Arbeit zu machen. Mit seinem Handy fotografierte er notdürftig ob der fehlenden Kamera Tod und Verwüstung. Auf eine sehr harsche Weise stoppten Seth die Polizisten, welche den gesamten Bereich absperrten und ihn rasch den Sanitätern zuwiesen. Man eskortiere ihn zum Notfallwagen, wo man sich mehr oder weniger intensiv um ihn kümmerte, was der internen Prioritätsliste geschuldet war, die man so akkurat wie nur möglich versuchte abzuarbeiten. Die zwei Männer besahen provisorisch seine Wunde an der Schulter. Sie war allerdings nicht weiter wild, man begnügte sich damit sie rasch zu verbinden, um sich dann so schnell wie möglich um die anderen Verletzten zu kümmern, denen es schlechter ging als dem Paparazzi vor ihnen. Noch bevor die beiden Männer ihn verließen, bat man ihn jedoch sitzen zu bleiben, damit man sich seine Verletzungen später noch einmal genauer ansehen konnte, da es ihn auch am Rücken erwischt hatte und man sich nicht sicher sein konnten, ob es nicht doch ernster war als es auf dem ersten Blick erschien.
Gleichzeitig dazu versuchte Kassandra von den Polizisten Informationen zu den Explosionen zu bekommen. Sie erfuhr nicht mehr als sie ohnehin schon wusste. Bisher waren in der ganzen Stadt verstreut zum gleichen Zeitpunkt über zwanzig Bomben hochgegangen. Die Opferzahlen stiegen minütlich, während das Telefonnetz an den Rand seiner Kapazitäten gebracht wurde. Die Ziele gingen von Regierungsgebäuden, über Sehenswürdigkeiten und Verkehrsknotenpunkten bis hin zu einfachen Lokalen. Bisher gab es keine Verbindung zwischen ihnen, noch hatte man eine Ahnung, wer dafür verantwortlich sein könnte. Resignierend warf Kassandra einen Blick durch die Menge und erblickte entfernt den geschundenen Leib des Mannes, der ihr eben noch Trost gespendet hatte, bevor man sie bat in einen der Wagen zu kommen um ihre Aussage aufzunehmen. Der Augenblick reichte jedoch um den Bauchansatz zu erkennen, über dem auf seiner Brust drei Narben prangten, fast wie von einem Tier. Sie mussten jedoch schon alt sein, denn so schnell heilte keine Wunde.
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