Schicksal oder Zufall

Am 25. November 2023, um 18:50 Uhr bemerke ich, als ich den Kirchturm der Marienkirche Osnabrück besteigen möchte, dass mein Portemonnaie verschwunden ist. Ich hatte es in meiner seitlichen Manteltasche über den Osnabrücker Weihnachtsmarkt getragen. Zuletzt hatte ich es 15 Minuten zuvor auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus in der Hand gehalten. Ungewohnt, hatte ich in der Manteltasche auch ein Paar Handschuhe gestopft. War das Portemonnaie aus der Jackentasche gefallen? War es im dichten Treiben geklaut worden? In meinem Portemonnaie befanden sich auch alle denkbaren Ausweise, Geldkarten, quasi mein Leben. Eine surreale Situation.

Ich frage bei einigen Buden nach, ob ein Portemonnaie abgegeben worden ist, breche dann aber ab, um zunächst die ganze Strecke abzugehen, die ich seit dem Verlust gegangen war, in der wagen Hoffnung, dass mir a) das Portemonnaie tatsächlich verlorengegangen und b) liegengeblieben ist. Ich eile durch einige Altstadtstraßen, laufe durch das Heger Tor, über die Kreuzung vor dem Heger Tor und nehme schließlich die Treppenstufen, die auf das Heger-Tor führen, wie bereits eine halbe Stunde zuvor.

Auf dem Heger-Tor steht eine Familie. Mutter, Vater, zwei junge erwachsene Töchter. Sie halten ein Portemonnaie in der Hand. "Haben Sie ein Portemonnaie gefunden?" "Sind Sie ...?"

Sie hatten mein Portemonnaie zehn Minuten zuvor auf den Treppenstufen entdeckt. Es ist mir beim Aufstieg aus der vollen Manteltasche gerutscht. Sie hatten bereits meine Festnetznummer gegoogelt, versucht meine mobile Telefonnummer über den ADAC herauszufinden, der Ihnen aber aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben wollte. Sie wollten gerade das Heger Tor verlassen. Ein Gefühl der Euphorie durchströmte meinen Körper. Ich war der Familie unendlich dankbar.

Seit dem Abend befindet sich meine mobile Telefonnummer gut lesbar in meinem Portemonnaie.​

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