Uyter

[ Uyter-System | Uyter | Fourb-House | Parkanlage ] - Joseph Fourb, Julius Fourb

Was das Dinner anging, schien sein Enkel sich noch nicht ganz sicher zu sein. Mehr als verständlich, wie Joseph fand, immerhin konnte ein solches Treffen schnell in recht peinlicher Stille enden, wenn man sich ja nichts groß anfangs zu sagen hatte, sich überhaupt gar nicht kannte. Quasi, wie um diesen letzten Punkt zu unterstreichen, verwechselte Julius auch noch den Namen seiner zukünftigen Ehefrau, was Joseph allerdings gutmütig überhörte. Das Ganze war nun wohl etwas überraschend auf ihn eingeprasselt, ohne, dass er eine große Atempause gehabt hätte. Das man so nicht unbedingt den Namen der Frau behielt, die einem wenige Minuten zuvor das aller erste Mal vorgestellt worden war, konnte man gut verzeihen. Später, da war sich Joseph sicher, wenn sich Julius erstmal gesammelt hatte, die Situation vollständig für sich angenommen hatte, würde es an diesem Namen nicht mehr scheitern. Ronan Flanagan würde mehr als glücklich sein, wenn er erstmal seinen zukünftigen Schwiegersohn kennen lernen würde. Joseph musste zugeben, dass er ganz am Anfang ein wenig skeptisch gewesen war, Ronans Tochter mit seinem Enkel zu vermählen, zu sehr hatte er dieses Bild des schwarzen Schafes im Kopf gehabt. Und auch, wenn das Unternehmen der Flanagans nicht an die Fourb-Gruppe heranreichen konnte, so waren es doch diese Bündnisse zu den kleineren, lokalen Machthabern und Eliten auf Uyter, welche einen Hegemon-artigen Status der Fourb-Gruppe hier sicherte. Diese ganzen kleineren Unternehmen musste man zufrieden halten, sodass sie ihren Status unter den Fourbs akzeptierten und bisher hatte Joseph, ohne in zu viel Selbstlob zu verfallen, diese Disziplin sehr gut beherrscht. Und wie sich jetzt zeigte, stellte auch diese Hochzeit keine Bedrohung dieses Status dar, ganz im Gegenteil.

Und auch bei dem nächsten Punkt überzeugte Julius. Anfangs war in seiner Haltung noch eine gewisse Skepsis der Idee gegenüber abzulesen, wenn auch vor dem weniger geschulten und aufmerksamen Auge gut verborgen, doch nachdem Joseph geendet hatte, schien Joseph mehr als bereit, sich auch noch diese Aufgabe zuzumuten. Joseph erhob, wie sein Enkel, ebenfalls das Weinglas und stieß mit ihm an. Ein durchweg gelungener und erfolgreicher Tag. Was nun auch noch passieren mochte, es müsste schon einer Katastrophe gleich kommen, um diesen Status zu verändern. Bei der Annahme des Angebots machte Joseph ganz den Eindruck eines Mann von Welt, welche sich in solche, gesellschaftlichen Einrichtungen so gut einfügten. Über die Kosten im großen und ganzen machte er sich keine Sorgen und wahrscheinlich hatte er damit auch recht, dass sein Gehalt wohl für noblere Kleidung sowie das ein oder andere Dinner mehr als genügen würde. Zudem geizte die Familie mit gelegentlichen Zuwendung ja auch nicht übermäßig. Das nächste Thema, welches er ansprach, hatte allerdings das Potential, zu einem, ein wenig teureren Vergnügen heranzuwachsen. Zwei Menschen aus ausgezeichnetem Haus, der Ehemann noch mit einer aufsteigenden Stellung in Armee und Gesellschaft, da war es definitiv nicht mit einem kleinen Apartment in einem Mehrfamilienhäuschen getan. Man musste den Stand waren, was allerdings keinerlei Problem darstellen sollte.

,,Definitiv. Für einen Mann in deiner jetzigen und noch mehr in deinen zukünftigen Positionen müsste schon etwas mit einem … naja, zumindest gewissen repräsentativen Charakter bereit stehen. Die Mitgift deiner Zukünftigen wird euch wohl vieles erleichtern, so, wie es sich bei Ronan anhörte, aber du hast recht, das wir trotzdem schonmal darüber sprechen sollten. Immerhin sollte dein Domizil am besten schon am Tage der Hochzeit bereit stehen."

Joseph genehmigte sich noch einen Schluck des Weines. Kurz huschte sein Blick über die Wiesen seines mehr als prächtigen eigenen Domizils. Das Julius sich mit einem ... etwas bescheideneren Rahmen zufriedenstellen müsste, war den beiden wohl mehr als klar.

,,Hast du schon einen Ort, wo du dich mit deiner Familie niederlassen willst? Wirst oder möchtest du von Borosk versetzt werden oder willst du überhaupt deinen Wohnsitz dort haben, wo du auch stationiert bist? Einige meiner Bekannten haben eine Art repräsentativen Wohnsitz, wo deren Familie lebt und sie ab und an Feste und ähnliches geben, sie selbst leben und arbeiten aber an einem völlig anderen Ort. Nicht unbedingt die beste Art und Weise, eine Ehe lebendig zu halten, doch ich möchte da niemandem meine Moral aufzwingen. Gerade bei einem Mann im militärischen Dienst wäre dies ja mehr als verständlich, vor allem, wenn irgendwann mal Kinder deine Familie bereichern werden."

Der letzte Punkt war für Joseph von Vornherein völlig klar gewesen und erst nachdem er geendet hatte, war ihm eingefallen, dass dies bei Julius vielleicht nicht unbedingt der Fall sein mochte. Eine Heirat war die eine Sache, mit Kindern dann aber vom Konstrukt einer Scheinehe abzuweichen, nochmals eine andere. Doch wenn es dem Jungen vorher noch nicht klar gewesen war, so war es ihm spätestens jetzt durch diesen kleinen Einwurf bewusst. Die Familie musste wachsen, man brauchte neue Mitglieder, die ihrerseits das Netzwerk stärkten und die Bündnisse festigten. Ohne sie wäre eine Hochzeit nur halb so viel Wert.
Ein anderer Punkt, um den Josephs Gedanken kreisten, war das, was er ganz am Anfang angesprochen hatte. Borosk war ja schön und gut, aber konnte man diesen Planeten als Sprungbrett für eine Karriere im Militär nutzen? Abseits von der Front und nun auch bereinigt von der akuten Gefahr des Terrorismus. Aber von solcherlei Dingen hatte Julius wahrscheinlich mehr Ahnung und bevor er irgendetwas großartig dazu sagen würde, würde er seinen Enkel erstmal die anderen Fragen beantworten lassen. Irgendwie würde man Julius schon von Borosk wegversetzt bekommen, an einen Ort, mit mehr Möglichkeiten, wenn es denn Not tat.

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Wenn es sich immer so gut anfühlte, zur Abwechslung einmal die Erwartungen der eigenen Familie zu erfüllen, dann konnte sich Julius sich durchaus vorstellen, sich an dieses Gefühl zu gewöhnen. Nicht nur dass er die vollste Anerkennung seines Großvaters geschenkt bekam, nein, obendrein noch eine anscheinend bildhübsche Frau und eine üppige Mitgift zur Eheschließung. Und eine prestigeträchtige Position, die seiner Karriere mehr als nur förderlich sein würde. Julius kam kaum aus dem Staunen heraus; nach all den Jahren sollte sich das Blatt also wenden, denn nun war er der Liebling des Familienoberhaupts und obendrein einer der engsten Vertrauen von dessen Nachfolger in Zukunft, nämlich Aren. Es war eine harter, langer Weg, doch am Ende des Tages zahlten sich seine Mühen endlich aus und sein in die Karriere investiertes Herzblut musste der Familie nicht mehr eine Schande sein, sondern viel mehr Grund zum Stolz. Mit einer eleganten Bewegung ließ der Offizier seinen verzierten Gehstock um das Handgelenk wirbeln, um ihn dann zufrieden in seiner Hand zu wiegen und das Siegel, das Wappen des Wolfkopfes, zu begutachten. Er tat es Joseph Fourb gleich und gönnte sich seinerseits einen Schluck des edlen roten Tropfens und konnte sein nunmehr zufriedenes Lächeln nicht mehr so einfach herunterspielen. Es war ein Siegerlächeln und einen Sieg trug er schließlich mit Stolz zur Schau, egal ob auf dem Schlachtfeld oder abseits davon. Die Frage seines Großvaters war dennoch wichtig und für einen Moment ging der Captain in sich.

"Über etwaige Versetzungen meinerseits kann ich leider nicht verfügen. Ich werde dem Imperator stets dort dienen, wo er mich in Gestalt seiner Generäle stationiert sehen möchte. Doch keine Sorge; ich werde in keinem Fall völlig vom Schuss sein. Uyter ist ein wunderschöner Fleck, doch auch Borosk ist in vielen seiner Regionen nicht zu vernachlässigen. Sehen wir doch, was Emilia vorschwebt. Schließlich wird sie es sein, die sich dort die meiste Zeit über aufhalten wird."

Im Grunde genommen war Julius offen für alles, wenn es nicht vollkommen abgelegen und degeneriert war. Außerdem war es bei vielen Offizieren üblich, die Ehefrau bei zeremoniellen Veranstaltungen an ihrer Seite zu haben, eine allzu weite Distanz von den relevanten Orten des Imperiums würde demnach auch nicht unbedingt praktisch sein. Einerseits konnte sich Julius gut vorstellen, irgendwo hier in der Nähe seines Großvaters heimisch zu sein. Doch auch Aren war ein grandioser Verwandter und Freund, in dessen Nähe er es sich ebenso gut vorstellen konnte. Und wenn die Frauen der beiden Cousins nah beieinander lebten, würden sie viel Zeit miteinander verbringen können und dem Offizier wiederum weiteren Freiraum schaffen. So oder so; die Zukunft sah rosig aus und das erfreute ihn.

Nun galt es nur noch, wieder dienstbereit zu werden und dort weiterzumachen, wo er zuletzt aufgehört hatte. Der Rest würde sich quasi von selbst ergeben.

"So gesehen, habe ich mich entschieden. Verbringen wir das Dinner doch am Besten gemeinsam."


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Die Welt eines Soldaten war Joseph doch eine Fremde. Natürlich hatte er einiges von Aren und auch seinem Schwiegersohn erzählt bekommen und stand auch außerhalb seiner Familie in Kontakt mit Militär, sei es des Imperiums oder auch der lokalen Streitkräfte Uyters. Doch wirklich nachfühlen hatte er diese Erzählungen nie können. Er war von quasi seit seiner Geburt eine Person gewesen, welche nie hatte Befehle ausführen müssen, er war es gewesen, der befohlen hatte. Und auch den großen Patriotismus, eine gewisse Vernarrtheit, suchte man bei Joseph beinahe vergeblich. Nicht, dass er traurig darum war, niemals die Erfahrung gemacht zu haben, sich auf Befehl irgendeines Mannes, welchen er kaum kannte, sich im Schlamm irgendeines Planeten zu wälzen und um sein Leben zu kämpfen, darum konnte er doch recht gut verzichten. Doch hatten Männer wie Aren, nach und nach auch Bewiss und nun auch Julius doch dafür gesorgt, dass er sehr respektvoll auf die Menschen blickte, die solcherlei Erfahrungen gemacht hatten und dabei nicht zu blinden Drohnen und Befehlsempfängern verkommen waren.
So hatte Joseph auch kurz vergessen, dass es für Julius doch eine recht ... schwierige Lage sein konnte, in die Zukunft betreffend seines Wohnortes zu planen. So nickte Joseph nur zustimmend, als Julius diesen Punkt zur Sprache brachte. Es läge zwar im Bereich des möglichen, ein wenig Einfluss geltend zu machen und so dafür zu sorgen, dass Julius nicht auf einer völlig unwichtigen Welt im hintersten Rand landete, doch schien Julius seine Stationierung betreffend recht offen zu sein und zudem ging Joseph auch nicht davon aus, dass das Oberkommando einen Mann wie Julius, aus exzellentem Hause und noch dazu nun auch noch Held des Imperiums irgendwo verschwenden würde.

,,Da hast du wohl recht. Und selbst weniger verlockende Orte lassen sich doch mit einer kleinen Investition und einer hübschen Frau an seiner Seite deutlich angenehmer gestalten. Aber das Oberkommando wird deinen Wert wohl mehr als zu schätzen wissen und dich erst gar nicht auf einer solchen Welt verschwenden."

Gerade bei dem ersten Punkt sprach Joseph aus Erfahrung hatte er doch eine gewisse Zeit lang auf Kessel beim Hauptsitz von Fourb-Mining gelebt, als er in die dortigen Unternehmensstrukturen eingeführt worden war. Sein Vater hatte schon dafür gesorgt, dass er den Luxus von Uyter nicht zu sehr vermisste und selbst ein unwirtlicher Planet wie Kessel erschien hinter den dicken, getönten Gläsern seines sehr luxuriösen Heimes dort gar nicht mehr so unwirtlich. Da diese Zeit nach seinem Leben unter den strengen Blicken der Familie auf Uyter nun erstmals ein wenig ausgelassener begangen werden konnte, hatte ihm dort auch die ein oder andere hübsche Dame die Zeit angenehmer gestaltet. Im Nachhinein hatte er sich für diese lasche Selbstdisziplin die er in den wenigen Monaten dort an den Tag gelegt hatte, oft geschämt. Doch nun, wo sein Leben vor Erfahrungen und Erfolgen nur so strotzte blickte er doch mit einem lächeln an diese Zeit zurück. Wie jung, frei und unbekümmert er damals noch gewesen war. Nur sehr wenige Jahre danach war plötzlich sein Vater gestorben und es war völlig ausgeschlossen, jemals wieder zu einem solchen Lebensstil zurückzukehren. Umso süßer kam ihm nun im Nachhinein diese Zeit vor und Joseph ertappte sich dabei, wie er ein wenig lächelnd über die Wiesen seines Gartens blickte.

Doch dann riss ihn Julius aus seinen Träumereien. Er hatte eine Entscheidung getroffen, das Dinner würden sie beide gemeinsam mit Emilia verbringen. Immer noch lächelnd nickte Joseph.

,,Wunderbar. Ich werde gleich das Nötige in die Wege leiten."

Dann holte er sich einen Gehstock heran, der doch nochmal ein wenig wuchtiger und weniger elegant als der seines Enkels war und ihn so besser stützen konnte. Mühsam erhob er sich.

,,Ich würde mich dann wohl ein wenig zurückziehen, damit ich heute Abend ausgeruht für den hohen Besuch bin und mich entsprechend vorbereiten kann. Solltest du keine entsprechende Kleidung dabei haben, sag einem der Diener bescheid und kurz darauf wirst du alles haben, was du brauchst. Um den Rest kümmere ich mich. Ich werde auch einen Diener schicken, dich auf dein Zimmer zu bringen, genieß ruhig die Gärten noch etwas."

Langsam aber sicher entfernte sich Joseph nun, nicht ganz ohne sich dabei auf die Hilfe eines Dieners zu verlassen, der stetig für diesen Zweck bereit stand.

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Es war ein warmer Abend, mit klarem Himmel, wie man sie oft in dieser Gegend hatte. Mond und Sterne warfen ihr Licht auf den Bereich vor dem breiten Eingangsportal zu Fourb-House, dessen reich mit Schnitzereien und weiteren Verschönerungen im Mondlicht leicht glitzerte. Hier würde gleich Emilia Flanagan eintreffen und hier warteten bereits auch Joseph, Julius, sowie einige weitere Bedienstete zur Begrüßung. Joseph selbst hatte sich in einen schwarzen Frack geworfen und stützte sich auf seinen schweren Stock, welcher ihn so gut es ging stützte. Er hatte sich vorgenommen während der Anwesenheit von Miss Flanagan sich nicht auf fremde Hilfe verlassen zu müssen, auch wenn für den Notfall bereits sein Leibdiener bereit stand, helfend einzugreifen. Joseph hasste es, darauf angewiesen zu sein. Das Innere des Hauses war bereits entsprechend vorbereitet. Alles war an Ort und Stelle und der große Speisesaal war auch für die drei vorbereitet worden. Die Köchin des Hauses hatte ebenfalls Nachricht erhalten, etwas gutes zu zaubern. Joseph wusste zwar nicht genau, was ihn erwartete, doch hatte er in die gute Frau vollstes Vertrauen. Etwas verschmitzt beugte er sich zu seinem Enkel herüber.

,,Nun, wie geht es dir? Schon ein wenig aufgeregt?"

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/// Uyter /// Fourb-House /// Parkanlage /// Julius Fourb, Joseph Fourb

Die Entgegnung seines Großvaters brachte Julius für ein paar Sekunden zum Nachdenken. Seine Verletzung hatte seiner Laufbahn als Offizier einen erheblichen Dämpfer verpasst und obwohl die Therapie gute Fortschritte machte, war es für den Captain schwer abzusehen, wie es überhaupt für ihn weitergehen sollte. Ohne seinen Gehstock war es quasi unmöglich für ihn, fünfzigMeter weit zu gehen, ohne eine fünfminütige Pause einlegen zu müssen und auch ansonsten fühlte er sich weitaus schwächer als zuvor. Natürlich würden noch zahlreiche Erfolge im Zuge der Therapie eintreten und sich seine Kondition noch deutlich verbessern, doch ob er je wieder der Alte sein würde, stand in den Sternen. Aus dem Stand fielen Julius zwar drei dutzend berühmte Persönlichkeiten des Militärs ein, die ohne körperliche Anstrengungen Größe und Ruhm erlangt haben, doch allzu sicher sollte sich sein Großvater Joseph noch nicht sein, was seine künftigen Versetzungen anging. Nicht wenige seiner Vorgesetzten würden eher weniger davor zurückschrecken, einen Versehrten aus obendrein reichem und mächtigem Hause wie ihn auf irgendeine verlassene Welt zu versetzen, wo er eine ruhige Kugel schieben und ungefährdet die Jahre verstreichen lassen würde. Denn wer wollte es schon verantworten, ein Mitglied der Fourb-Familie zu gefährden und sich damit mächtige Feinde zu machen? Es waren Gedanken wie diese, die Julius seit Wochen umtrieben und gelegentlich den letzten Nerv raubten. Vermutlich musste er endlich anfangen umzudenken und die Gegebenheiten zu akzeptieren, denn nur so würde es ihm gelingen können, das Beste aus seiner Situation zu machen. Und gewiss erkannte er die Ironie darin, erst seinen Cousin Aren für dessen Wechsel in die Verwaltung belächelt zu haben, und nun selbst nach einer schwerwiegenden Verletzung vor einem einschneidendem Wendepunkt zu stehen.
Jedenfalls würde er es nicht akzeptieren, durch irgendwelche Spielerein seiner Eltern oder seines Großvaters zurück in seine altgewohnte Position versetzt zu werden. Dies würde seine Ehre als Offizier und seine Leidenschaft dafür nur bis zu einem Punkt konterkarieren, an dem er genauso gut ganz damit aufhören könnte.
Zurück im Hier und Jetzt neigte sich die Unterredung jedoch dem Ende zu, woraufhin das Familienoberhaupt nach seinem eigenen Gehstock griff, um sich zu erheben. Sich nun endgültig vier mal so alt fühlend nutzte Julius all seine Kraft, um ohne Stütze aufzustehen und sich die Anstrengung nicht anmerken zu lassen, die er dabei verspürte. Dann erst einmal stehend, musste er sich eingestehen, dass es ohne Hilfe nicht ging, denn der verdammte Stützstock lehnte unterhalb seiner Greifreichweite am Sessel, aus dem er sich eben noch erhoben hatte. Mit einem grimmigen Nicken nahm er ihn entgegen, als ihm der Bedienstete seines Großvaters zu Hilfe kam. Der kündigte an, sich noch ein wenig zurückzuziehen und bot Julius diverse Bequemlichkeiten an, ehe er schließlich begleitet von seinem ergebenem Diener verschwand. Der beurlaubte Offizier sah dem Patriarchen noch eine Weile nach und flanierte noch mit langsamen Schritten einige Minuten durch den mit allen möglichen Pflanzen bewachsenen Park des Anwesens, ehe er von einem Angestellten abgeholt und auf sein im Erdgeschoss des Anwesens gelegenes Zimmer geführt wurde.

Bis zum Einbruch des Abends waren es noch wenige Stunden, die Julius nutzte, um sich über neu eingegangene Berichte seiner Kompanie zu kümmern. Diese war in der Zwischenzeit vom beförderten Hall übernommen worden, was für Julius bedeutete, dass eine Rückkehr nur im Falle einer Beförderung zum Mayor möglich sein würde, was momentan unwahrscheinlich war. Der Offizier konnte nicht behaupten, seine unerfahrene Einheit zu vermissen, die zwar im Großen und Ganzen zuverlässig Befehle befolgte, aber in manchen Belangen zu widerspenstig und kopflos agierte. Doch dass sein Lieutenant die Position einnehmen würde, die ihm zustand, wurmte den Captain, der sich dennoch daran machte, seinen bürokratischen Krimskrams an den Nachfolger zu leiten und diesem noch viel Erfolg für die Zukunft zu wünschen. Anschließend nahm er noch eine Dusche und entschied sich anschließend vor dem Spiegel stehend, sich heute ausnahmsweise nicht glattzurasieren und dem Bart zumindest eine Chance zu geben. Damit näherte er sich unterbewusst dem typischen Stil innerhalb der Familie und zog sich ein weinrotes Hemd über, dass ihm gebracht wurde, ebenso eine schwarze Paisleyweste. Das sündhaft teure Rasierwasser aus der kristallenen Schatulle kam zuletzt und mit der etwas rustikaleren Eleganz der Fourbs stieß er schließlich zu seinem Großvater, der flankiert von seinen Bediensteten bereits vor dem Eingang des Anwesens wartete.

Es war ein klarer und warmer Abend nach Sonnenuntergang und mit langsamen, aber sicheren Schritten trat Julius unmittelbar neben das Familienoberhaupt, der sich hinüberbeugte und fragte, ob er denn schon aufgeregt sei. Und Schlag auf Schlag wurde dem Offizier nun bewusst, dass er in wenigen Augenblicken jene Frau traf, mit der er wohl bis zum Ende zusammenleben würde. Während er sich daran machte, sich des Namens des Mädchens zu entsinnen, der ihm vorhin erst mitgeteilt wurde, musste er schmunzeln:

"Aufregung ist nicht unbedingt das richtige Wort."

Es war viel mehr Verwunderung. Verwunderung darüber, in welche Richtung sich die Dinge entwickelten.

“Gespannt trifft es wohl eher.”

/// Uyter /// Fourb-House /// Eingangsportal /// Julius Fourb, Joseph Fourb
 
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[ Uyter-System | Uyter | auf dem Weg zu Fourb-House | Gleiter ] - Emilia Flanagan

Etwas unsicher zog Emilia ihr tiefgrünes Kleid zurecht. Sie war recht glücklich damit, dass die Strecke von ihrem Elternhaus bis nach Fourb-House eine etwas längere war und sie sich während dieser auf der Rückbank des langen, schwarzen Gleiters noch ein wenig sammeln konnte. Eine solche Situation war für sie absolutes Neuland, Neuland, welches sie noch dazu völlig spontan erkunden musste. Noch heute Vormittag hatte sie mit dem Gedanken gespielt, das Theater zu besuchen oder mit ihrer Schwester etwas zu unternehmen, welche sich momentan nach viel zu langer Abwesenheit wieder auf Uyter aufhielt. Doch dann war ihr Vater zu ihr gekommen und hatte ihr mitgeteilt, dass sie zu einem Dinner geladen sei, bei welchem außer ihr noch Joseph Fourb und dessen Enkel anwesend sein würden, welcher lediglich wenige Jahre älter war als Emilia und noch dazu eine Karriere in den imperialen Streitkräften verfolgte. Ihr Vater hatte gar nicht sagen müssen, um was es bei diesem Essen genau ging. Es war ihr bereits seit längerem klar, dass sie bald heiraten würde und auch, dass es ein Fourb werden würde, hatte ihr Vater in den letzten Wochen hin und wieder zumindest angedeutet. Dies war auch eine Tatsache, welche Emilia nicht ganz ohne Stolz vor sich hertrug. Ein Fourb gehörte immerhin mit zu der besten Partie, die man auf Uyter bekommen konnte und nicht wenige ihrer Freundinnen zeigten ihren Neid recht unverhohlen, was es Emilia noch mehr genießen ließ. Das ihr Zukünftiger wohl auch noch ungefähr im selben Alter und Soldat war, wie ihr Vater ihr dann mitgeteilt hatte, machte das ganze eigentlich noch besser. Allerdings war das ganze so spontan, dass nun doch Nervosität in ihr aufkam. Was wenn sie etwas falsch machte? Mr. Fourb oder seinen Enkel irgendwie verärgerte? Sie hatte ja kaum Zeit gehabt, sich vorzubereiten und wurde nun quasi ins kalte Wasser geworfen, noch dazu ohne Anstaltsdame. Schnell überprüfte Emilia ein weiteres Mal ihr eher dezentes Makeup und vergewisserte sich, dass ihre blonden Haare, welche mit einem leichten rot Stich versehen waren, auch richtig saßen. Ein Blick aus dem Fenster, der sich diesem Prozedere anschloss sorgte nochmals dafür, dass die Nervosität zunahm. Allem Anschein nach hatten sie bereits das Privatgelände rund um Fourb-House erreicht, es würden also nur noch Minuten, wenn überhaupt, verstreichen, bis sie vor einem der mächtigsten und mit Sicherheit reichsten Mann Uyters stehen würde und ihrem zukünftigen Ehemann. Sie musste sich anstrengen, ihren Atem ruhig zu halten und nicht zu sehr auf das pochende Herz hören. Was, wenn sie den beiden zu langweilig war? Wenn sie nicht genug wusste, oder für einen gestandenen Soldaten einfach zu zart war? Sie zwang sich, sich zu beruhigen. Zumindest den alten Mr. Fourb kannte sie bereits. Er war ein guter, freundlicher Mensch, sie musste sich doch keine Sorgen machen, dass er sie irgendwie unfair oder von oben herab behandeln würde. Und auch Fourb-House kannte sie noch von dem 90. Geburtstag von Mr. Fourb. Uyter war ihre Heimat, sie wusste hier Bescheid, kannte sich aus und kannte die Leute. Sie musste sich doch eigentlich kaum Sorgen machen, hier war ihr Zuhause, quasi ein Heimspiel also.

Als plötzlich der Wagen hielt, fiel Emilia auf, dass das, was sie sich gerade noch versucht hatte einzureden, nur sehr begrenzt Früchte getragen hatte. Die kurze Benachrichtigung von Seiten des Chauffeurs, dass sie angekommen seien, quittierte sie lediglich mit einem kurzen Nicken. Es verging noch ein Moment, bis die Tür geöffnet wurde, in welchem sie versuchte, ein möglichst natürliches Lächeln aufzusetzen. Dann trat sie heraus in die warme Nacht. Vor dem Eingang zu Fourb-House stand bereits Joseph Fourb, welchem sie bereits von weitem aus zulächelte, versuchend, irgendwie die Nervosität zu überspielen. Und neben ihm ein überaus staatlicher Mann. Emilia wusste gar nicht so recht, wie sie auf ihn reagieren sollte und so lächelte sie auch einfach in seine Richtung. Die paar Meter zu ihnen kamen ihr ewig vor und doch hätte sie gerne doppelt so lange dafür gebraucht. Zuerst begrüßte sie Mr. Fourb Sr. mit einem Knicks.

,,Vielen Dank für die Einladung. Mein Vater lässt seine besten Grüße ausrichten, ist heute aber leider bereits geschäftlich verhindert. Sonst wäre er so gerne heute auch noch hier gewesen."

,,Sei gegrüßt mein Kind."

Der alte Mr. Fourb strahlte auch für Emilia, obwohl sie ihn doch eigentlich gar nicht richtig kannte, eine gewisse Großväterliche Geborgenheit aus.

,,Darf ich dir meinen Enkel vorstellen? Julius Aurelian Maximus Fourb, der Sohn meines jüngsten Sohnes und noch dazu Captain der Imperialen Armee."

Nun blieb Emilia nichts anderes übrig, als auch ihn direkt in die Augen zu schauen, zu lächeln und einen Knicks zu machen."

,,Sehr erfreut."

, brachte sie noch gerade so heraus.

,,Julius, Emilia Flanagan, die Tochter meines guten Freundes und Geschäftspartners Ronan Flanagan."

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/// Uyter /// Fourb-House /// Eingangsportal /// Julius Fourb, Joseph Fourb

Immer wieder waren es die Worte seines Cousins Aren, die in seinem Gedächtnis widerhallten, während er vor dem Eingang des Fourb-House stehend wartete: Julius sollte warten, bis es ihn selbst treffe, um erst nachfühlen zu können, wie es Aren damals ging, als er von seiner politischen Vermählung mit dem Figg-Mädchen erfahren hatte. Der Offizier hatte bereits damals erwartet, dass der Tag schon bald kommen würde, doch die paar Wochen seit der Unterredung mit dem verwandten Verwalter waren nun wirklich keine allzu große Zeitspanne, um sich mit dem Gedanken anfreunden zu können. Ihr Großvater setzte zu einem wahnwitzigen Schlussspurt an und zog sämtliche Register, um den Stand der Familie Fourb für die Zeit nach seinem Tod zu sichern und Bündnisse zu schmieden, die die Lebenszeiten einzelner Familienmitglieder um ein Vielfaches überdauern sollten. Zumindest stellte Joeseph es sich so vor, denn aus Julius Sicht gab es gewiss modernere und erträglichere Arten der Bündnisschließung als diese unsäglichen Zwangsehen auf Kosten der Nachkommen. Gegenseitige Beteiligungen an den Unternehmungen der Familien, politische Gefälligkeiten und Anbiederungen auf persönlicher Ebene fielen selbst dem jungen Offizier ein, der für das Geschäft innerhalb der Familie mit Sicherheit am Wenigsten übrig hatte. Joseph Fourb entschied sich aber dazu, stur auf altbekannten Pfaden zu wandern und hier standen sie nun, Seite an Seite, um auf die künftige Ehefrau von Julius zu warten. Gespannt war auch nicht das richtige Wort, um seine Gefühle gegenüber diesen Entwicklungen zu beschreiben, doch mit Sicherheit die diplomatischste Option gegenüber dem Familienoberhaupt, dessen Vorfreude und Stolz nicht zu verkennen waren.
Julius blieb gar nichts anderes übrig, als mitzuspielen und seine Emotionen zu verschleiern, schließlich hatte er jenem Plan zu folgen, den er gemeinsam mit seinem Cousin auf Borosk geschmiedet hatte und in letzter Konsequenz darauf abzielen würde, die Verhältnisse innerhalb der Dynastie ein für alle Mal zurechtzubiegen. Zu welchem Preis, würde er in wenigen Sekunden erfahren, denn der Gleiter hielt just in diesen Augenblicken vor dem Portal und ehe sich der Captain versah, stieg die blondhaarige und junge Emilia Flanagan, seine Versprochene, aus diesem. Noch aus der Ferne konnte Julius ihre Nervosität förmlich riechen, als sie in ihrem dunkelgrünen Kleid auf sie zutrat und zunächst das Familienoberhaupt begrüßte, wobei sie die Abwesenheit ihres Vaters entschuldigte; Julius künftigem Schwiegervater. Der junge Fourb beobachtete die junge Frau und durfte erleichtert feststellen, dass es sich bei ihr keineswegs um eine unansehnliche Erscheinung handelte. Emilia war auch kein mit Schminke und Schmuck zugekleisterter Blickfänger, sondern wirkte eher zurückhaltend, was ihr schüchternes Auftreten unterstrich. Mit hinter dem Rücken verschränkten Schultern nickte Julius, als sein Großvater sie einander vorstellte und ihn Emilia ebenfalls mit einem Knicks und knappen Worten begrüßte.

"Nun...du hast gewiss nicht übertrieben, Großvater. Das muss ich Dir lassen."

In Situationen wie diesen war Julius vollkommen unbegabt und ungeübt, was ein gewisses Risiko schuf, verbal zu entgleisen und bei anderen ins Fettnäpfchen zu treten. So wie er es sah, war es ihm hiermit vorerst gelungen, dies zu vermeiden und in seinen Gedanken vermutete er, mit diesen Worten die Stimmung aufzulockern und die Nervosität der jungen Dame zu nehmen. Doch ob ihm dies auch wirklich gelang, würde sich erst noch herausstellen. Und eine melodramatische Peinlichkeit in Form eines unverhofften Gefühlsausbruchs der Flanagan war das Allerletzte, was er nun brauchte. Genauso wenig aber hatte Julius vor, es seinem Großvater zu einfach zu machen, denn wenn er schon von ihm verlangte, sich bis in alle Ewigkeiten an dieses Mädchen zu binden, dann musste er sich schon ein wenig ins Zeug legen, um das Eis zwischen ihnen zu brechen.
Von seinem Gehstock mit versilberten Wolfskopf gestützt, folgte er dem Rest der Belegschaft nach der Begrüßung also ins Innere des Anwesens, dessen Prunk er erst jetzt so richtig in Augenschein nehmen konnte. Die perfekte Gelegenheit, um doch noch zu ein paar Worten auszuholen:

"Zu schade, dass ich meinen künftigen Schwiegervater heute Abend noch nicht kennenlernen werde. Aber zum anderen erleichtert es mich, dass meinetwegen nicht das Geschäftliche auf der Strecke bleiben muss, denn das Geschäft hat immer Vorrang. Bist Du denn selbst in die Unternehmung deiner Familie involviert, Emilia?"

Unterstrichen von dem Klackern seines Gehstocks, das von den meterhohen Wänden widerhallte, führte ihr Weg sie durch den weiten Gang in den Speisesaal des Anwesens, wo es sich Julius augenblicklich bequem machte. Am Kopf des Tisches nahm Joseph Platz, zu seiner rechten Emilia und gegenüber von ihr der Offizier.

"Fabelhaft. Wann ich hier wohl das Letzte mal gesessen habe? "

/// Uyter /// Fourb-House /// Großer Speisesaal /// Julius Fourb, Joseph Fourb, Emilia Flanagan
 
[ Uyter-System | Uyter | Fourb-House | vor Eingangsportal ] - Emilia Flanagan, Joseph Fourb, Julius Fourb

Die ersten Worte ihres zukünftigen Verlobten machten Emilia noch nervöser als ohnehin schon und sie wusste noch nicht mal, wieso überhaupt. Verlegen lächelte sie und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, war mit der Situation irgendwie überfordert. Dabei sollte man doch gerade meinen, dass sie in einer solchen Situation aufblühen müsste. Zwar hatte sie nie zu der Art Mensch gehört, die vor Selbstvertrauen nur so sprühte und eine große Extrovertiertheit ausdrückte, doch hatte sie stets gewusst, was zu tuen war, wenn man sich auf einem solch hohen gesellschaftlichen Parkett bewegte. Sie konnte geistreiche Anmerkungen beisteuern und auch lustige Anekdoten erzählen. Das hatte sie schon oft genug unter Beweis gestellt. Und nun versagte sie hier schon dabei, ihren Mund vernünftig zu öffnen. Dabei hatte sie doch seit ihrer frühesten Kindheit im Endeffekt gewusst, dass eines Tages ein solches Dinner anstehen würde, bei der sie einem halb Fremden als Mann vorgestellt bekommen würde. Und es hatte sie nie gestört. Auch in den letzten Tagen, in Gesprächen mit ihren Freundinnen und ihrer Mutter war sie weit davon entfernt gewesen, dieses Prozedere wirklich zu hinter denken oder gar in Panik zu geraten. Doch nun machte sie sich in ihren Augen zum halben Affen, was sie nur nochmals nervöser machte. Nun, wo sie ihren Verlobten näher in Augenschein nehmen konnte, fiel ihr auch ein Gehstock in dessen Hand auf. Sofort flammten zwei Gedanken in ihr auf. Der erste war, dass es doch hoffentlich nichts ernstes sei und lediglich eine temporäre Verletzung, die von dem Mut ihres Verlobten in irgendeiner Schlacht zeugte. Der zweite Gedanke war ein deutlich unrühmlicherer. Sie sollte hier doch nicht etwa zu einer Krankenschwester gemacht werden? Eine Frau, die ihren verkrüppelten Mann den Rest ihres Lebens in irgendeinem verstaubten Häuschen pflegte. Schnell setzte der Scham für diesen Gedankengang ein und Emilia versuchte ihn wegzuschieben und für den Moment nicht weiter den Gehstock zu beachten. Doch ganz gelang ihr das nicht, flammte er doch immer wieder auf. Sie war nicht all zu oberflächlich und schämte sich ja bereits, soetwas überhaupt nur zu denken, aber sie hatte sich auf einen stattlichen, jungen Soldaten gefreut ... ihr zukünftiger Ehemann würde aber nun doch nicht ein Krüppel sein, dessen Jugend mit seiner Beweglichkeit verschwunden war und der das Schlachtfeld auch nur noch von irgendwelchen Holoaufzeichnungen aus einem Büro heraus studierte.
Endlich setzte sich das Trio in Bewegung und die Pracht von Fourb-House erstrahlte vor ihnen, die es ihr leicht machte, auf andere Gedanken zu kommen. Eigentlich hatte sie gehofft, die kurze Strecke bis zum Esszimmer durchatmen zu können und vorzugeben, so von dem Anblick der Kunstwerke an den Wänden und der Möblierung gefesselt zu sein, doch ihr Zukünftiger hatte andere Pläne, suchte er doch nun das Gespräch mit ihr.

,,Nein, leider nicht wirklich."

Sie lächelte erneut verlegen und überlegte kurz, was sie noch sagen sollte, als ihr Mister Fourb unter die Arme griff.

,,Ach, Emilia untertreibt. Ronan erzählte mir doch von euren Ställen."

Nun verschwand die Spur Verlegenheit ein wenig aus ihrem Gesicht und machte einem echteren Lächeln Platz.

,,Naja, wirkliche Arbeit für das Unternehmen ist dies zwar nicht, aber ihr habt schon recht. Meiner Familie gehören einige Ställe, unter anderem auch ein paar mit Reittieren, besonders Fathiere. Mein Vater hält sich dort eigentlich gänzlich raus und hat die Verantwortung mir überlassen, mit ein paar Stallmeistern zusammen. Ich bin auch eine recht gute Fathier-Reiterin und habe schon ein paar Preise gewonnen. Aber eigentlich ist das ganze eher etwas Familieninternes, nichts, was unternehmerisches groß genutzt wird. Gerade Fathiere werden überall in der Galaxie zu unmenschlichen Bedingungen gehalten und für den Reitsport nahezu ausgeschlachtet. Deswegen ist es mir recht wichtig, unseren Tieren hier auf Uyter ein gutes Zuhause zu geben und nicht um des Profitswillen die Tiere in viel zu engen Boxen durch die Galaxie zu treiben. Wenn Sie beide möchten, kann ich Ihnen gerne demnächst eine unserer Ställe zeigen. Wir haben auch Tiere dort, wo sich der erste Ritt vielleicht ein wenig einfacher gestaltet, als auf den doch schon recht anspruchsvollen Fathieren."

Emilia kicherte kurz ein wenig. Fathiere waren gerade für den ungeübten Reiter nichts, was man unterschätzen sollte und auch als sie angefangen hatte auf ihnen zu reiten, und zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon einiges an Reiterfahrung, waren ihr viele blaue Flecken und Prellungen nicht erspart geblieben. Als sie schließlich im Esszimmer angelangt waren und Emilia auf der rechten Seite des Gastgebers Platz nahm, war sie schon etwas weniger Nervös. Gerade während und wegen ihres Monologs über Fathiere hatten sie begonnen, sich doch etwas wohler zu fühlen. Bei diesem Thema handelte es sich aber auch um eine solche Herzensangelegenheit, dass ihr es nicht schwer viel, sich ein wenig lockerer zu machen. Ihr zukünftiger fragte sich, wann er hier wohl das letzte Mal gegessen hatte.

,,Nun, es würde mich nicht wundern, wenn es bei euch beiden das gleiche letzte Mal gewesen ist. Ich meine du, Emilia, warst auch bei meinem 90. Geburtstag ... meine Güte, mittlerweile ist es auch schon 8 Jahre her. Das müsste auch das letzte Mal für dich gewesen sein, Julius, zumindest hier. Danach habe ich mich, wenn du mit deinem Vater denn mal nach Uyter kamst, hauptsächlich immer im Victorius-Palais getroffen, wenn ich mich nicht gänzlich irre. So oft war es ja leider nicht."

Der alte Mann lachte und man nahm ihm ab, dass er den letzten Satz keineswegs beleidigend oder als Provokation gemeint hatte, sondern eher als kleineres Amüsement. Das letzte Mal waren sie hier also gemeinsam gewesen. Sie war damals erst 12 Jahre alt, hatte dementsprechend kaum noch wirklich Erinnerungen an die Feier, doch meinte sie, sich damals schon mit einem etwas älteren Jungen unterhalten zu haben, der zumindest meinte, mit Joseph Fourb verwand gewesen zu sein. Er war nicht viel älter gewesen als sie, geschätzt vielleicht zwei oder drei Jahre, also musste er auch irgendwie um das Alter von Julius nun sein. Der Junge war ein bisschen sehr von sich selbst überzeugt gewesen und war, wenn sie sich richtig erinnerte, der ein oder anderen Rauferei auch nicht gänzlich abgeneigt gewesen. Sie erinnerte sich so gut daran, da sie diesem Jungen in der Zeit danach vielleicht ein wenig hinterhergeschmachtet hatte. War das vielleicht Julius gewesen? Dieser würde sich aber wohl kaum daran erinnern und ihn zu fragen, dazu konnte sie sich gerade noch nicht überwinden.
Der erste Gang wurde gereicht, eine Wildrahmsuppe mit einer wirklich hervorragenden Kräuter und Wildauswahl, gerade dafür, dass dieses Dinner ohnehin wohl eher improvisiert worden war. Der dazu gereichte Wein leerte sich gerade bei Emilia recht schnell und auch einem zweiten Gläschen war sie nicht abgeneigt. Sie besoff sich definitiv nicht, was gegen jede gute Manier verstoßen hätte, und trank auch nicht so viel schneller als der Rest, dass es groß auffallen würde, aber ihre wieder leicht zunehmende Nervosität, gerade durch den Gedankengang ob sie Julius denn nun schon kannte aufgekommen, wollte sie doch ganz gerne vertreiben und so ihre gesellschaftlichen Qualitäten zur Schau stellen. Und als sie dann nun doch einen Schluck mehr getrunken hatte, traute sie sich doch auch, den Nebel um die vielleicht gemeinsame Vergangenheit ein wenig zu lüften.

,,Ihr werdet euch wahrscheinlich nicht mehr erinnert, aber ich habe an besagtem 90. Geburtstag von ihnen, Mister Fourb, mit einem Jungen recht viel Zeit verbracht, der jetzt in Eurem Alter sein müsste, Julius. Ihr erinnert euch nicht zufälligerweise daran, ob ihr das auch wirklich gewesen seid, oder? Sonst müsste es wohl einer eurer Cousins oder Brüder gewesen sein, da der betreffende Junge auch ein Enkel von Mister Fourb war, sagte er zumindest. Ich hatte damals noch etwas rötlichere Haare als heute."

[ Uyter-System | Uyter | Fourb-House | vor Eingangsportal ] - Emilia Flanagan, Joseph Fourb, Julius Fourb
 
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