Ein schneller Blick auf Wikipedia verrät mir, dass das katholische De locis theologicis 1563 erschienen.
Die reformatorischen Loci communis von Phillip Melanchton, die den Begriff wohl einführen, bereits 1521.
Und welches dieser Traktate kann deiner Meinung nach nun eindeutig als der veraltetere Zugang zu Glaubensinhalten aufgefasst werden?
Melanchton bezieht sich auf Luthers sola scriptura und unterscheidet sich genau dadurch von der etablierten katholischen Theologie indem er den Text wieder als Basis des Glaubens ins Zentrum rückt. Der scheint da also auch ein paar Bereiche zu streichen, weil sie seiner Vorstellung vom christlichen Glauben zuwider laufen.
Argumentierst du jetzt nicht einfach aus einer katholischen Sicht und ich aus einer protestantischen?
Nein, seh ich nicht so.
Es ist nämlich nicht mehr als eine Unterstellung, wenn du davon ausgehst, dass diese ursprüngliche Dogmatik seit ihrer Entstehung keinerlei Entwicklung und Modernisierung durchlief. Auch die protestantische Kirche ist nicht mehr dieselbe, die sie zum Zeitpunkt von Luther war. Das lässt sich am Beispiel der Frauenordination ganz besonders gut nachvollziehen.
... woraufhin ich entgegnete, dass der Fundamentalismus Begriff mir da zu schwierig ist, da Buchreligionen mit dem Text ein explizites Fundament besitzen.
Sind jetzt die Reformatoren mit dem "back to the roots"-Ansatz durch sola scriptura Fundamentalisten oder Reformatoren?
Du verwechselst offenbar Fundamentalismus (die wortwörtliche Auslegung der Schriften) mit Fundamentaltheologie, die sich mit den – wie der Name schon andeutet - Fundamenten des Glaubens beschäftigt. Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Letztere hat sich sogar dezidiert der Aufgabe gewidmet, den Glauben möglichst vernunftmäßig darzulegen. Verantworteter Glaube darf sich eben nicht nur auf ein bloßes "Fürwahrhalten" überlieferter Glaubenssätze beschränken, sondern muss stets überprüfen, inwieweit der Glaube mit den Grundsätzen der Vernunft übereinstimmt. Und auch nach außen darüber Rechenschaft ablegen können.
Ich hab zudem nie abgestritten, dass der christliche Glaube auf der Bibel als zentrale Schrift beruht.
Man muss aber die reine Textebene, die das geschriebene Wort darstellt, von einer davon abgeleiteten Bedeutungsebene unterscheiden, durch die sich erst der eigentlich Sinn des Textes ergibt.
Man kann das eigentlich gut auf die Rechtswissenschaften übertragen, die sich ebenfalls auf Gesetztestexte beziehen. Das anwendbare Recht ermittelt sich aber erst durch eine zulässige Auslegung, die zudem in Wechselwirkung mit bereits gefallenen Urteilen und Entscheidungen der Verfassungsgerichte stehen, die man somit ebenfalls als ein Fundament des geltenden Rechts auffassen muss.
Und so ähnlich verhält es sich eben auch mit dem christlichen Glauben, der erst durch Interpretation und Anwendung seiner schriftlichen Grundlagen bindende Wirkung entfaltet.
Mir ist schon klar, worauf du vorhin mit dem Zirkelschluss hinauswolltest: dass sich die Auslegung ebenfalls auf die Bibel bezieht und von dieser somit definiert wird, oder?
Ich habe aber bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass nur solche Textstellen überhaupt Wirkung entfalten, die auch auf eine Entsprechung in der heutigen Realität treffen. Aus genau diesem Grund ist die Ebene der kritischen Auslegung auch so wichtig.
Das sagst du mir als Konter, gerade wo ich eine historische Einordnung mache und darüber nachdenke, wie der Begriff "Christ" sich z.B. gewandelt hat. Naja.
Nö, das sag ich dir als Reaktion auf dein selektives Lesen.
Und es ist ja keine Geheimnis, dass bereits vorhandene Empfindungen bzw. Haltungen die Wahrnehmung der Welt, oder eben bestimmter Aspekte davon, stark beeinflussen. Du selbst hattest das ins Spiel gebracht, als du von einem "Bias" sprachst, dem Gläubige deiner Meinung nach unterliegen (...aber eben nicht nur diese, sondern alle Menschen).
Aus dem Grund scheinst du mir auch nicht mehr sonderlich offen für andere Sichtweisen zu sein. Was für mich aber nicht gleichbedeutend damit ist, eine Meinung vertreten zu müssen, die man blöde findet. Es hat eher was mit Reflexion der eigenen, starren Überzeugungen zu tun.
Die deutsche Statistik liegt natürlich falsch, da sie nur evangelische und Katholiken erfasst und da auch nicht die Religiosität sondern nur die Mitgliedschaft. Millionen Kirchenmitgliedern gehen aber höchstens zu Weihnachten in die Kirche...
Das bedeutet aber nicht, dass den gemäßigten Gläubigen diese in deinen Augen unbedeutenden Rituale nicht doch spürbar abgehen würden, würde man sie zur Gänze abschaffen.
Gleichwertig im Sinne von frei äußerbar. Ja klar, das habe ich auch mehrfach geschrieben, das bitte jeder Redefreiheit genießen soll.
Gleichwertig im Sinne des Wahrheitsanspruchs. Nein natürlich nicht. Glaub meinetwegen an die flache Erde. Aber ist halt Quatsch.
Dass die Erde eine Scheibe ist, wurde aber bereits wissenschaftlich widerlegt, die göttliche Existenz hingegen nicht.
Warum sollte ich bewusst an etwas glauben, von dem ich
weiß, dass es falsch ist? Hältst du mich für blöd, oder so?
Dass du Verschwörungstheoretiker und religiöse Menschen allesamt in einen Topf wirfst, zeigt aber einmal mehr, dass du dich gar nicht um einen differenzierten Blick auf dieses Thema bemühst.
Für dich sind die alle gleich schwachsinnig.
Nein, nein, nein. Ich habe das doch recht deutlich gemacht, auch in dem kleinen Exkurs mit Ben.
Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt. Das ist etwas völlig anderes (als Ich glaube, dass es keinen Gott gibt).
Ja ja ja... ^^
Also hast du einfach gar keine Überzeugungen, was Gott betrifft. Auch gut. Deckt sich sogar ziemlich genau mit meinem eigenen Standpunkt, den ich allerdings eher als Agnostizismus als (weichen) Atheismus bezeichnen würde. Weil ich nicht wissen kann, ob es einen Gott gibt, halte ich seine Existenz für ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich. Woraus sich für mein Verständnis auch eine Gleichwertigkeit dieser Positionen ergibt.
Kennst du eigentlich die "Pascalsche Wette", mit der sich der Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal um eine Argumentation bemüht, die nachweisen soll, dass es immer besser sei, an einen Gott zu glauben, als dies nicht zu tun?
Dabei geht er davon aus, dass der zu erwartende Gewinn für einen Gläubigen immer größer ist als für einen Ungläubigen.
Würde sich herausstellen, dass Gott existiert, würde der Ungläubige einen größtmöglichen Verlust erleiden. Im Falle einer Nichtexistenz würde es einem Gläubigen aber auch nicht schlechter gehen als einem Menschen, der die Existenz Gottes von Anfang an abgelehnt hat. Zudem führt er auch an, dass ein Glaube, sofern er positiv konnotiert ist, das Leben in vielen Situationen erheblich erleichtern kann, weil er das im Menschen angelegte Grundbedürfnis nach Sicherheit befriedigt.
Ich stelle meinerseits keine Behauptung über Gott auf. Ich mache lediglich deutlich, dass die Behauptungen anderer Menschen/Religionen über Gott mich nicht überzeugen.
Ist ja auch in Ordnung so.
Und wenn ich hier etwas kritisiere, dann bestimmt nicht deine persönliche Aversion (von der ich weiter vorne bereits schrieb, sie vor dem Hintergrund deiner Erfahrungen sogar sehr gut nachvollziehen zu können), sondern hauptsächlich den davon abgeleiteten Schluss, dass alle gläubigen Menschen verblendet sein müssen, wenn sie was Gutes in ihrer Religion erkennen können und entsprechend daran festhalten wollen.
Religion nimmt sich heraus sich in reale Angelegenheiten der Menschen einzumischen, die sie nichts angehen. Sie wäre mir völlig egal, wenn sie hinter verschlossenen Türen ihre Inhalte vertreten würde, aber sie tritt hinaus in die Welt und beeinflusst vieles, zumeist schlecht.
Das, was du hier gerade als Negativbeispiele anführst, sind Missstände, die ich ebenfalls unbedingt abgeschafft sehen möchte. Aus dem Grund plädiere ich ja auch die ganze Zeit dafür, dass sich die Weltreligionen und insbesondere deren Institutionen unbedingt entwickeln müssen, und das deutlich schneller als sie es bisher getan haben.
Du entgegnest dieser Aussage aber wiederholt damit, dass du ihre diese Entwicklungsfähigkeit einfach nur absprichst und auf das viele Schlechte verweist, das die Kirchen bereits über die Menschheit gebracht haben und teilweise immer noch tun.
Das zeigt doch erstmal nur, dass Fortschritt in diesen Reihen dringend erforderlich ist, nicht aber, dass er gar nicht möglich ist.
Habe ich je bestritten, dass die Praktiken so mancher Kirchenträger (Stand jetzt) einfach nur menschenverachtend sind?
Wohl eher nicht...
Halte ich in großen Teilen für ein religiöses Gerücht um Kritik zu umschiffen.
Fragen wie: Wie entstand das Universum? Ist masturbieren/schwul sein/verhüten eine Sünde? Was passiert nach dem Tod? Ist unter der Erde eine Unterwelt für Sünder? Das sind doch faktische Fragen, bzw. Behauptungen mit faktischen Antworten.
Das sind aber keine Gerüchte, du ziehst es bloß vor, sie als solche zu betrachten, damit sie deinen eigenen Ansichten nicht in die Quere kommen...(wage ich jetzt einfach mal zu behaupten)
Theologie und Naturwissenschaften liegen zwei völlig unterschiedliche Weltsichten zugrunde und ergänzen sich somit eher, als dass sie miteinander konkurrieren würden.
Der Schöpfungsgeschichte kommt somit auch nur mehr eine symbolische Bedeutung zu, und keine faktische.
Mit der Darstellung, dass Gott die Welt nach einer bestimmten zeitlichen und sachlichen Reihenfolge erschaffen hat, soll demnach (nur) der Gedanke zum Ausdruck gebracht werden, dass die Welt in ihrem Grundprinzip auf Ordnung ausgelegt ist. Dass Gott die Menschen dazu auffordert, ihm bei der Benennung der Tiere zu helfen (Gen 2,4b-25), kann als Aufforderung gedeutet werden, dass der Mensch Verantwortung für die Schöpfung übernehmen kann und soll.
Und das ist doch nichts Schlechtes?
Die Religion möchte demnach nur Sinnfragen klären, indem sie nach dem Zweck hinter dem Dasein der Welt und der Menschen sucht. Kausalzusammenhänge, die in den Naturwissenschaften durch experimentelle Untersuchungen ermittelt werden, sind nicht deren Bier.