[Ansion – Anwesen der Jevarin’s – Haus] – Vorin, Nekki, Mutter & Hombe
Ihre Mutter unter dem Arm genommen, trat sie ein in die Welt ihrer Kindheit. Überwältigt von den alten Bildern, der hölzernen Treppe und dem Geruch frisch gebratenem Fleischs wanderte sie versunken durch das Haus. Ihre Mutter hatte sie zwischendurch auf dem alten Sessel Opas abgeladen. Sie war so sehr von Trauer durchzogen. Aber der Anblick des Landhauses im alten ansionischen Stil lenkte sie für wenige Minuten von dem Leid um sie und in ihr ab. Erinnerungen alter Zeiten durchsetzten ihre Sinne blitzhaft und manifestierten sich lebendig vor ihr. Der Geruch des kräftigen Holzes, die Möbel und die Bilder an der Wand. Es war alles wie früher, als habe sie eine Zeitreise in die Vergangenheit unternommen. Hier war wahrhaftig die Zeit nach Vaters Tod stehen geblieben.
Nekki kehrte zurück zu der zerfließenden Mutter. Sie fühlte sich so hilflos und wusste nicht wie sie Mum wieder aufbauen sollte. Vorin schaffte es irgendwie immer Mut und Hoffnung in seine Worte zu tragen und an andere zu übermitteln. Aber sie stand nur da und kein gut klingender Satz, nicht einmal ein einziges Wort, kamen ihr in den Sinn. Statt dessen kniete sie sich neben Mum und hielt ihre Hand fest, strich ihr über den Rücken und die Tränen vom Gesicht.
Vorin hat recht, wir müssen jetzt in dieser schweren Zeit zusammenhalten. Nur so können wir diesen weiteren Verlust verkraften.
Sie glaubte sich selbst nicht, so steif und emotionslos hörten sich diese Worte an. Sie wollte mehr Gefühl und Wärme in das Gesagte legen, aber es erschien wie ein monotones berichten von Zukunftsperspektiven und Plänen eines multigalaktischen Konzerns.
Wo brachte Vorin jetzt wohl Dressilya hin? Von der Angst geplagt sie so schnell nicht mehr zu Gesicht zu bekommen tastete sie im Augenschein ihren Bruder von oben bis unten ab, als er wieder zu der Gruppe stieß.
Wohin hast du ... sie gelegt?
Sein "willkommen zu Hause" hallte noch immer in ihr. Sie fühlte sich nicht wie zu Hause, sie fühlte sich als würde sie ihre Erinnerungen persönlich durchleben und real berühren dürfen, aber nicht wie zu Hause. Dieser Ort hier erinnerte an so viele schöne Tage, an Tage des Friedens, an Tage an denen die Welt noch in Ordnung war. Jedoch war genau jener Ort auch ein Sinnbild all der Verluste und des gesamten auferlegten Schmerzes der Familie Jevarin. Sie wollte so gerne hier bleiben, die Wiedervereinigung der Familie feiern, der Menschen denen sie ohne Zweifel vertrauen konnte, aber etwas in ihr drängte sie den Planeten auch schnell wieder zu verlassen. Der Frieden und die Unbeschwertheit, welche von diesem Haus ausgingen, erinnerten sie nur daran, was sie alles im Laufe der Zeit verloren hatte.
Nekki stand auf und überließ Vorin den Platz an Mums Seite. Er war sowieso besser darin andere aufzumuntern. Sie selbst ging die langen, geschwungenen Treppen hinauf bis sie vor der Tür zu Hombes Zimmer stand. Von außen war es mit skurilen Plakaten beklebt, die noch dunkler und zerissener als ihre Kleidung zu sein schienen. Nekki klopfte vorsichtig an.
Hombe?
Lass mich in Ruhe. Ich will alleine sein.
Hombe, ich bin zurück und weiß nicht wie lange ich noch bleiben werde, bitte lass mich doch rein kommen.
Verschwinde!
Ich weiß es ist wie bei Vaters Tod. Und ich sehe wie viel sich damals bereits verändert hat. Aber jetzt sind Vorin und ich da. Wir werden nicht zulassen, dass sich alles noch einmal so verändert. Wir werden zusammenhalten um diesmal ein besseres Ende zu finden.
Und ... ich brauche dich.
Keine Antwort kam mehr aus dem Zimmer. Nekki wollte schon aufgeben und zurückgehen als sie den Schlüssel im Schloss knacken hörte und die Türe hinter ihr aufschwang. Unsicher und verweint stand sie nur da und Nekki war im ersten Moment genauso überfordert wie zuvor. Schweigend starrten sie sich nur an bis Nekki den ersten Schritt machte und Hombe in den Arm nahm und mit ihr zurück ins Zimmer ging. Zusammen setzten sie sich auf das weiche Bett. Beinahe hätte sich Nekki an dem schiefen Dach den Kopf gestoßen. Hombe lächelte erstmals als Nekki einen sehr verwirrten Eindruck nach der Beinahekollision machte.
Das passiert fast jedem.
Nekki lächelte zurück zu ihrer Schwester.
Das ist ja gemeingefährlich. Wie konntest du nur dein Bett da hin stellen. Du willst mich wohl umbringen.
Hombes Gesicht verdunkelte sich bei den Worten des Umbringens wieder. Nekki war schön ins Fettnäpfchen getreten und auch sie selbst war nicht mehr in der Lage eines aufmunternten Lächelns, nachdem nun wieder Dressilya in ihre Gedankenwelt stieß.
Ich kann mich kaum noch an sie erinnern. Eigentlich ist es doch egal dann.
Nachdenklich gestimmt musterte Nekki Hombe. Sie waren wirklich schon lange Zeit weg gewesen, die Erinnerungen verblassten mit der Zeit und Hombe war bei ihrer Entführung noch sehr jung gewesen.
Ich kann dir ein wenig von ihr erzählen.
Als du noch klein warst, etwa 1 Jahr alt, da gehörte dieses Zimmer noch Dressilya. Sie hat dich jeden Tag herumgeführt und mit dir gespielt, dich immer wieder bei der Hand genommen und ist mit dir spazieren gegangen. Man könnte sagen sie hat dir darauf das Laufen beigebracht. Und rate mal was dein erstes Wort gewesen ist. ..Dressilya, laufen...
Zusammen saß Nekki auf dem Bett mit ihrer erwachsen werdenden Schwester und erzählte ihr in zeitloser Ewigkeit von Dressilya. Gerührt und mit feuchten Augen hörte Hombe den Erzählungen wortlos zu, manchmal bahnte sich allerdings für wenige Sekunden so etwas wie ein Lächeln in ihrem Gesicht an. Jene Momente nahm Nekki auf und nutzte sie sich selbst dazu zu motivieren weiterzureden. Und so sprach sie von rührenden, sowieo lustigen Erzählungen von Dressilya, mit denen sie alles Leid und die vielen Steine auf ihrem Herzen von der Seele redete. Bis nur noch die letzte ungestellte Frage im Raum ungesagt hängen blieb. Warum?
[Ansion – Anwesen der Jevarin’s – Haus] – Vorin, Nekki, Mutter & Hombe