Coruscant

[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Penthouse | Exodus und Giselle ]

Es war offensichtlich, dass Giselle Coruscant nicht so kannte wie er, der hier schon sein halbes Leben wohnte. Sicher, Exodus war vor allem in den oberen Ebenen sozialisiert worden – aber wenn man den Egoismus und die Rücksichtslosigkeit derer sah, denen es finanziell sogar sehr gut ging, wie viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft konnte man dann wohl in den unteren Ebenen erwarten? Die Leute dort hatten nichts, ebenso wie Giselle. Es ging nur ums eigene Überleben. Die Kriminalitätstatistiken von Coruscant belegten, dass dabei sehr häufig die Schwächeren auf der Strecke blieben. Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Menschenhandel und andere illegale Geschäfte waren dort unten an der Tagesordnung. Coruscant war kein wunderschöner, mystischer Urwald, wo man weltfremde Einheimische traf und sich mit ihnen anfreunden konnte. Obwohl sich mit diesem Körper in den unteren Ebenen sicherlich Geld verdienen ließ … – aber diesen Weg durfte Giselle nicht einschlagen. Sie gehörte ihm, seit sie an jenem schicksalhaften Abend an die Tür seiner Hütte geklopft hatte. Exodus musterte die Vahla ein letztes Mal, bevor sie begann, sich wieder Kleidung überzustreifen. Er musste diese Gier für einen Moment unterdrücken. Dieses Verlangen nach ihr.

„Wenn du meinst.“

Seine Stimme klang betont beiläufig und Exodus versuchte mit einem Schulterzucken zu unterstreichen wie gleichgültig ihm war, was Giselle zu tun gedachte. Natürlich stimmte das nicht. Natürlich war es ihm sehr wohl sehr wichtig, wie sie ihre nächsten Schritte plante. Giselle war der einzige Lichtblick dieser drögen Tage auf Coruscant gewesen. Die Konferenzen, Geschäftsmeetings und Empfänge waren nichts worauf er sich freute. Es war Arbeitsalltag und diese Arbeit erfüllte ihn nicht. Und wenn sie ging, blieb ihm nur noch das. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, betonte Giselle in ihren Ausführungen plötzlich, wie wenig ihm sein Geld bisher genutzt hatte um glücklich zu werden. In Exodus zog sich etwas zusammen und er spürte wie seine Schultern unweigerlich nach unten sanken. Er fühlte sich entwaffnet. Diese Spitze war … gemein. Giselle zog die Unterhaltung auf eine völlig andere Ebene. Seine Vergangenheit und seine Fehler hatten nichts mit dem Verlauf des heutigen abends oder überhaupt mit Giselle zu tun. Nichts.

„War das jetzt wirklich notwendig?“

seine Mundwinkel zuckten, doch es war nur ein Reflex und keine Freude. Er räusperte sich und wandte instinktiv den Blick von ihr ab. Nicht, weil sie sich gerade wieder etwas angezogen hatte, eher aus der unbewussten Angst noch einen solchen Schlag abzubekommen. Einige Sekunden lang schwieg er, suchte nach den richtigen Worten.

„Du hast Recht.“

Es war das erste Mal an diesem Abend, dass er ihr Recht gab.

„Ich konnte mir die Dinge, die mir wirklich etwas bedeuten niemals erkaufen.“

Noch einmal zuckte er mit den Schultern, als gingen ihm die Worte aus. Das gewinnende Grinsen, das er ansonsten immer hervorzaubern konnte, schien zu klemmen wie der Abzug eines altersschwachen Blasters.

„Und vermutlich hast du auch darin Recht, dass du irgendwie klar kommst. Ich glaube dir das.“

Exodus machte einen Schritt zurück und griff nach dem Stuhl, der an der Wand neben der Tür des Gästezimmers stand. Dann setzte er sich hin.

„Aber weißt du was?“

Seine niedrige Sitzposition zwang ihn zu ihr aufzusetzen. Man hätte es als Geste der Demut verstehen können.

Ich bin vorher nicht klar gekommen. Ich bin als Wrack nach Fresia geflogen. Fingers Mark hat mir meine Lebensgeister zurückgebracht.“

Mit seiner rechten Hand fuhr Exodus sich durch die Haare und fixierte dann mit zusammengezogenen Augenbrauen Giselle, die immer noch dabei war ihre Sachen zu packen.

„Ich will nicht, dass du gehst.“

Es waren die richtigen Worte im richtigen Moment – doch aus irgendeinem Grund klang der Satz in seinen eigenen Ohren trotzdem falsch. Nicht so zärtlich, nicht so liebevoll, wie er hätte sein sollen. Entgegen Exodus‘ Intention klang seine Stimme wie die eines quengelnden Kindes, das nicht einsehen wollte, ein geliebtes Spielzeug abgeben zu müssen. Aber wann hatte Quengeln schon einmal zum Erfolg geführt? Selbst in den oberen Ebenen von Coruscant bekam ein reicher Junge nicht alles, was er wollte.

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Seine Schultern sackten hinunter, deuteten leicht nach vorne. Exodus‘ Blick war leer und plötzlich hatte er nichts mehr gemeinsam mit dem Mann, der so arrogant die Feier seines Geschäftspartners verlassen hatte, eine Schlägerei hinter sich hatte und Giselle behandelt hatte als sei sie nicht viel mehr wert als das Geld, mit dem sie sich angeblich bezahlen ließ, damit sie bei ihm blieb. Genau das sollte sie auch jetzt tun, bei ihm bleiben. Doch diesmal bot er ihr nichts dafür an. Die Vahla hielt in ihren Bewegungen inne, das Gepäckstück vor ihr für einen Moment fast vergessen. Der Augenblick schien sich zu dehnen wie in Zeitlupe, doch leider wollten sich auch ihre Gedanken nur entsprechend langsam bewegen. Giselle wusste nicht, was das, das Exodus ihr sagte zu bedeuten hatte. Wollte er, dass sie blieb, nicht nur bei ihm sondern auch mit ihm, an seiner Seite? Oder waren das lediglich wieder ihre eigenen vergeblichen Hoffnungen, die erneut versuchten an die Oberfläche zu gelangen? Hoffnungen, die sie längst nicht mehr haben sollte? Seine Worte ergaben keinen Sinn. Nichts schien zusammen zu passen, es sei denn, er hatte ihr das Wichtigste bisher verschwiegen. Mit klopfendem Herzen starrte Giselle hinunter auf ihre gepackte Tasche. Was auch immer Exodus sagte, sie hatte sich bereits entschieden… oder nicht? Sie würde gehen. Langsam ließ sie sich auf die Bettkante sinken. Zu stehen fiel ihr auf einmal schwer. Sie sah Exodus an und realisierte, dass sie sich wieder auf einer Augenhöhe befanden. Das war es, das sie gemocht hatte mit ihm, auf Fresia, bevor ihre Beziehung gekippt war. Nach dem Feuer hatte sich alles verändert.

“Ich muss eines von dir wissen.“

Sie hatte gesprochen, bevor sie Gelegenheit hatte es sich anders zu überlegen. Das hier war der richtige Moment, der einzige den sie vielleicht noch haben würde. Wenn sie ihn jetzt nicht fragte, würde sie niemals erfahren, was seine Antwort gewesen wäre und das würde sie bereuen für den Rest ihres Lebens.

“Warum, Exodus? Warum wolltest du, dass ich mit dir nach Coruscant komme? Warum bist du so eifersüchtig gewesen, heute Abend? Und warum willst du nicht, dass ich jetzt gehe? Ist es nur, damit es dir besser geht?“

Giselles Mund war trocken.

“Wenn du willst, dass ich bleibe, dann gib‘ auch mir einen Grund dazu.“

Inzwischen waren ihr Blick und ihre Stimme fast flehentlich. Sie hatte den Anflug eines ähnlichen Tonfalls in seiner Stimme ebenfalls gehört, doch er genügte längst nicht mehr, um sie zu überreden. Bis zu diesem Punkt hatte Giselle mehr gegeben als sie besaß. Sie konnte sich nicht auch noch selbst aufgeben. Dafür war sie zu weit gekommen. Giselle holte tief Luft, bereit auszusprechen, was sie bisher nicht gewagt hatte. Alles hing von seiner Antwort ab.

“Ich muss wissen, ob du mich liebst.“

Die Frage stand zwischen ihnen, zu spät um sie zurück zu nehmen. Giselle wandte den Blick ab, plötzlich sicher, dass sie nicht sehen wollte, was Exodus dachte – nicht, wenn es nicht das war, das sie hören wollte. Sie spürte ihr eigenes Herz schlagen, lauter und kraftvoller als sonst. In diesen Sekunden würde sich alles entscheiden. Ihrer beider Welten konnten miteinander kollidieren, oder aneinander vorüber ziehen, als hätten sie sich einander niemals genähert.

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[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Penthouse | Exodus und Giselle ]

Als Giselle von ihrer Tasche abließ, wusste Exodus, dass sich ihm erneut eine Chance offenbarte. Wie so häufig seit ihrem erstmaligen Entschluss ihn zu verlassen, standen sie an diesem Punkt: Die Vahla wollte gehen, Exodus versuchte sie zum Bleiben zu überreden – und schaffte es tatsächlich irgendwie; sie verbrachten eine gute Zeit, wenn auch nur wenige Stunden, und kamen doch wieder an diesen Punkt. Es musste etwas an ihm geben, das sie gleichzeitig abstieß und anzog. Vielleicht sah sie in ihm mehr als er war. Vielleicht sah sie auch genau wer er war. Es gab nicht wenige Leute, die sich davon ebenfalls abgestoßen fühlten. Vielleicht hatte sie sogar Mitleid mit ihm.
Und jetzt wollte sie wissen, warum das Ganze. Warum die Eifersucht, warum er sie nicht gehen lassen, warum er sie überhaupt auf Coruscant dabei haben wollte, warum, warum. Es war schwierig für ihn Antworten auf diese Fragen zu formulieren, denn ihm war selbst bewusst, dass sein Verhalten nicht völlig rational war. Es war die unbändige Anziehungskraft, die von Giselle ausging – ihr dunkler Kern, ihre dunkle Seite. Und diese perfekte Hülle, die sie dafür bot. Doch das würde ihr nicht genügen. Ob er sie liebte, wollte sie wissen – und Exodus fragte sich unwillkürlich, ob Giselle ihn liebte. Ihn wirklich liebte. Ob es das war, was sie immer wieder einknicken ließ, wenn er nur lange genug bettelte. Es war ihm unangenehm sie bei diesem Gedanken anzusehen. Liebte sie ihn? Exodus rutschte auf seinem Stuhl nach vorne.


„Ich verbringe gerne Zeit mit dir. Sehr gerne sogar.“

Für die perfekte Show müsste er nun ihre Hand nehmen und ihr tief in die Augen sehen. Ihr sagen, was sie hören wollte, den charmanten Prinzen mimen, den er so gut beherrschte. Stattdessen blickte er ins Leere und verschränkte seine Hände.

„Ich habe nicht viel in meinem Leben, das mir echte Freude bereitet. Das tust du und deshalb will ich dich nicht verlieren. Deshalb wollte ich dich heute Abend nicht mit einem anderen gehen lassen.“

Seine Worte klangen nett und sie waren ehrlich. Doch indirekt bestätigte er damit auch ihre Vermutung: Er wollte sie um sich haben, damit es ihm besser ging, damit er sich gut fühlte. Damit er nicht an Yuna und all die anderen Sachen denken musste, an denen er gescheitert war. Aber so wie es gesagt hatte, klang es unfair und einseitig. Er bot ihr doch auch etwas! Sie hatte doch ebenfalls eine gute Zeit, oder etwa nicht? Schließlich versuchte er es doch noch mit einem Lächeln und einem direkten Blick.

„Und ich begehre dich. Du hast mir damals in der Red Square Bar den Verstand geraubt … und deine Wirkung auf mich hat nicht einen Deut nachgelassen.“

Hilflos hob er die Schultern und ließ sie dann langsam wieder sinken. Das Lächeln auf seinen Lippen schwand beim Anblick ihrer ernsten Gesichtszüge wieder. Exodus unterdrückte ein Seufzen und zwang sich, ihr in die Augen zu sehen und nicht erneut ihrem Blick auszuweichen.

„Reicht das nicht?“

Seine Stimme war leiser geworden und es kostete ihn Anstrengung ihren Blick zu halten, aus Angst vor dem, was er darin sehen würde. Es wäre leicht, jetzt die Worte zu sagen, die ihn zum Ziel brachten. Er konnte Giselle belügen, erzählen wie viel er für sie empfand und sie damit vielleicht überzeugen. Ein Teil von ihm wollte genau das tun. Aber in diesem Moment brachte er es nicht über sich. Er hatte Yuna geliebt. Doch Giselle liebte er nicht.

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- Coruscant – City – Wingston Tower – Penthouse – Mit Exodus –

Exodus'
Worte sagten alles und das, obwohl er ihre Frage gar nicht direkt beantwortete. Er hatte versucht auszuweichen, doch Giselle konnte die Wahrheit zwischen den Zeilen heraus lesen. Er liebte sie nicht. Es war vorbei. Seltsamerweise fühlte sie sich nicht schwach, oder leer. Seine Worte wuschen über sie hinweg wie eine kraftvolle Welle, unter der man hindurch tauchte. Sie hatte es ja geahnt und sich darauf vorbereitet und sie wusste, was jetzt zu tun war. Sie würde gehen, Exodus hinter sich lassen und an einem neuen Ufer aus dem Wasser steigen.

"Nein, es reicht nicht."

Erwiderte sie und Bedauern lag in ihrer Stimme. Sie hob den Blick an, um sich Exodus' Gesicht noch einmal einzuprägen. Sie würde ihn nicht vergessen, doch anders als in ihrer Erinnerung gab es keinen Platz mehr für ihn. Aufzustehen fiel ihr dennoch schwer. Es war der letzte Ruck, den sich Giselle geben musste. Gab es noch etwas zu sagen? Bis zu diesem Augenblick hatte sie sich einen Abschied nie vorgestellt. An einem anderen Tag, in einem anderen Augenblick, wäre sie vermutlich zu ihm gegangen und hätte ihn umarmt, oder vielleicht sogar zärtlich geküsst, doch jetzt nicht mehr. An Exodus' weißem Hemdkragen klebte noch immer das Blut des Mannes, auf den er eingeschlagen hatte. Zumindest wusste Giselle jetzt, warum er es getan hatte. Es hatte nichts mit Gefühlen für sie zu tun gehabt, er hatte nur gefürchtet, ein anderer könnte ihm wegnehmen, was ihm gehörte. Als wäre Giselle Givenchy ein Gegenstand.

"Lebewohl, Exodus."

Sagte sie und bückte sich, um ihr Gepäck aufzuheben. Dann ging sie, Schritt für Schritt, hinaus aus seinem Wohnbereich, hinaus aus dem Penthouse und hinaus aus dem Wingston Tower. Als die Türen des Lifts sich vor ihren Augen schlossen, dachte sie, dass sie diesen Ort nicht vermissen würde, wohl aber den Mann, der dort lebte. Draußen auf der Straße zwang sie sich, weder zurück zu blicken noch stehen zu bleiben. Vielleicht hätte sie es sich sonst anders überlegt. Sie ging weiter, wie so oft, hinein in eine unbekannte Zukunft und hinaus aus Exodus' Leben.

- Coruscant - Obere Ebenen - City -
 
[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Penthouse | Exodus ]

Es reichte nicht. Giselle genügte nicht, was Exodus ihr anbot. Nicht sein Geld, nicht seine Zeit, nicht seine Nähe. Oder zumindest nicht nur. Sie sagte es nicht, doch es klang danach, als sehnte sie sich nach echter Liebe. Liebe. Exodus konnte nicht sagen, wieso er ihr diese eine Sache nicht geben konnte, obwohl er ihr ansonsten die Welt zu Füßen legte. Vielleicht lag es an Yuna. Vielleicht war irgendetwas in ihm irreparabel zerstört worden, als sie sich von ihm getrennt hatte. Vielleicht braucht er auch einfach noch mehr Zeit. Zeit, die Giselle ihm nie zugestanden hatte. Ständig hatte sie ihm den Blaster vor die Brust gehalten. Doch dieses Mal war er ihren Wünschen nicht nachgekommen.
Die Vahla ließ ihn zurück wie paralysiert. Es kam ihm so unwirklich vor. War nicht alles nach Plan gelaufen, bis zu diesem unsäglichen Empfang heute Abend? Sie hatten den perfekten Tag verbracht – und sie waren auf Coruscant, auf seinem Planeten. Sie konnte nicht gehen, er hatte es ihr gegenüber mehrmals betont. Und trotzdem hatte sie es getan. Aus irgendeinem Grund realisierte er dieses Mal, dass es nichts brachte ihr hinterher zu laufen. Also blieb er im Gästezimmer, während er nur dumpf wahrnahm, wie sie das Penthouse verließ. Ihre Schritte auf dem teuren Parkett, das Öffnen und Schließen der Tür. Das ferne Summen des Aufzugs, der sie nach unten brachte. Weg von ihm.


„Lebewohl, Giselle.“

murmelte er viel zu spät, während er in die Leere stierte und quälend langsam von dem Stuhl aufstand. Außer ihrem, sich schnell über die Klimaanlage verflüchtigenden, Geruch deutete nichts darauf hin, dass Giselle hier gewesen war. Coruscant war anders als die Natur, in der man zwangsläufig Spuren hinterließ. Auf Coruscant konnte man völlig unsichtbar sein, wenn man wollte. Man verschwand einfach inmitten dieser Masse von Menschen. Wobei … – das vertraute Geräusch der sich schließenden Wohnungstür riss Exodus aus seinen Gedanken. Ruckartig fuhr er herum und eilte den Flur hinunter. Wenn sie nun doch zurückgekommen war … wenn sie es sich doch anders überlegt hatte …!

„Guten Abend, Exodus.“

begrüßte ihn die tiefe Stimme seines Vaters, als er mit schnellem Schritt um die Ecke in den gemeinsamen Wohnbereichs der Wingstons trat. Exodus stoppte jäh in seiner Bewegung und versuchte seine aufkeimende Enttäuschung zu verbergen. Wenn es doch Giselle gewesen wäre, wenn sie doch noch einmal umgekehrt hätte …

„Guten Abend.“

Die steife Förmlichkeit hatte er seit der letzten Auseinandersetzung mit seinem Vater noch nicht abgelegt. Und auch heute Abend schien sich an der unterschwelligen Spannung zwischen ihnen nichts zu ändern: Alad musterte ihn und sein Blick blieb an dem blutbefleckten Kragen von Exodus hängen. Der alte Mann zog die buschigen Augenbrauen missbilligend nach oben.

„Ich habe schon davon gehört. Die Klatschpresse ist voll davon.“

Exodus stieß ein gleichförmiges Grunzen aus. Und wenn schon. Was interessierte ihn die Klatschpresse? Es gab sowieso nichts, was er vor denen verborgen konnte, sie hatten überall ihre Spitzel, ihre Informanten … – plötzlich weiteten sich seine Augen. Es stimmte nicht – man war auf Coruscant nicht unsichtbar! Man hinterließ Spuren. Auf Überwachungskameras, bei Kontrollen, wenn man einkaufte oder irgendwo einen Job anfing. Nichts blieb verborgen!

„Vater?“

Wenn man nur ausreichend dafür bezahlte, konnte man an auf Coruscant alles bekommen. Auch Informationen. Und Geld, das war kein Problem. Vielleicht konnte er es heute doch noch gewinnbringend investieren, nachdem es ihm bis zur jetzigen Stunde so wenig genutzt hatte.

„Hast du noch die Kontaktdaten dieses Privatdetektivs, den du in dem Kattani-Fall angeheuert hast?“

Die plötzliche Heiterkeit auf Exodus‘ Miene schien seinen Vater zu irritieren und die Dringlichkeit mit der sein Sohn sprach gleichzeitig sprach, hielt den älteren Mann davon ab, darauf zu beharren zuerst über den medienwirksamen Zwischenfall auf dem Empfang von Cedon Alateen zu sprechen. Alad räusperte sich.

„Ich denke schon …“

Exodus nickte knapp und ein zufriedenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

„Kannst du sie mir durchgeben? Ich bin im Büro.“

Dann drehte er sich auf dem Absatz herum und verließ mit großen Schritten das Wohnzimmer. Coruscant war sein Planet, seine Stadt. Und auf Coruscant regierte das Geld. Wenn er den Detektiv sofort kontaktierte und ihn mit genügend Credits köderte, konnte er vermutlich gleich mit der Arbeit beginnen. Niemand tauchte auf diesem Planeten völlig ungesehen unter. Niemand! Und Giselle konnte noch nicht weit gekommen sein …

[ Coruscant – City – Wingston Corp. | Exodus ]
 
- Coruscant – Obere Ebenen – City –

Es war dunkel und kühl, nicht erfrischend kühl wie der angenehme Temperaturfall auf Fresia, nach dem Einsetzen der Regenperiode, sondern schneidend kalt, sodass man den Kopf einziehen und die Schultern anheben wollte, um sich so gut wie möglich vor dem kalten Wind zu schützen. Giselle spürte ein paar Tropfen auf ihrem Gesicht und betete, dass es nicht richtig beginnen würde zu regnen, nicht bevor sie nicht irgendwo im Trockenen war. Sie hatte noch nicht einmal angehalten, war noch nicht ein einziges Mal stehen geblieben, seit sie den Wingston Tower verlassen hatte. Sie konnte nicht. Alles was sie tun musste war, nach vorne zu blicken und sich darauf zu konzentrieren, wieder einen neuen Anfang zu finden. Schaffte sie es nicht, würde sie hier auf Coruscant tatsächlich verloren sein, so wie Exodus prophezeit hatte. Er hatte mit zwei Dingen Recht gehabt, Giselle hatte kein Geld und sie kannte hier niemanden, doch weder das eine noch das andere hatte sie in der Vergangenheit aufgehalten. Sie hob ihre Tasche an und wechselte den Tragriemen von der rechten Schulter auf die linke, während sie gleichzeitig noch immer ihren Koffer hinter sich her zog. Es könnte schlimmer sein, sagte sie sich. Sie könnte noch immer bei Exodus sein und sich von ihm demütigen lassen. Die Bilder des Abends drehten sich vor Giselles innerem Auge wie auf einem Karussell. Sie sah die gleichen Szenen immer und immer wieder, wie in einer Endlosschleife: Exodus mit kaltem Blick, Exodus wie er Giselle herab würdigte, Exodus wie er den anderen Mann schlug. Ihre Schritte beschleunigten sich. Je öfter sie all das sah, desto weiter wollte sie weg von ihm. Sie hatte gedacht, er könnte mehr für sie sein, doch die Wahrheit war, er war einfach nicht gut für sie gewesen.

Die Stadt leuchtete wie das Innere einer Lichtorgel. Hier auf Coruscant schien sich niemand sagen lassen zu wollen, wann Tag war und wann Nacht. Zeitliche Grenzen wurden verschoben, es gab keine Pausen, keinen Stillstand und die Straßen schienen nur geringfügig leerer als an diesem Morgen oder am Tag zuvor. Ohne ein genaues Ziel vor Augen konzentrierte sich Giselle auf die Bars und Clubs, an denen sie vorbei kam. Zuerst waren es nur wenige, doch der Strom der Masse, die Musik und die Spur solcher, denen man ansah, dass sie einen Drink zu viel gehabt hatten, führten sie in die richtige Richtung. Irgendwann hatte Giselle eines der vielen Vergnügungsviertel erreicht, die sich überall auf Coruscant fanden. Sie hatte davon gehört, aber es war noch viel greller und lauter, als sie sich hatte vorstellen können. Hier reihte sich eine hell erleuchtete Kneipe an die andere, aus einem Wettbüro drang lautes Gegröle heraus und zu Giselles Linken wartete eine lange Schlange auf Einlass in einer angesagten Diskothek. Sie nahm dies alles in sich auf, ohne recht zu wissen, was sie damit anfangen sollte und zog langsam weiter. Ein Speeder rauschte an ihr vorbei. Eine Twi’lek, in nichts gekleidet als einen goldfarben schimmernden Bikini, schmiegte sich an einen in dunkelblauen Samt gekleideten Duros. Giselle hörte Lachen, durcheinander gerufene Worte und das Klirren von Flaschen und Gläsern, alles gemischt vor dem Hintergrund eines beständigen Wummerns, das Musik sein sollte. In diesem Moment fragte sie sich tatsächlich, warum sie überhaupt nach Coruscant gekommen war. Das war nicht ihre Welt. Sie wünschte sich zurück in den Dschungel, zurück dorthin, wo sie sich auskannte.


- Coruscant – Obere Ebenen – Vergnügungsviertel –
 
[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Büro | Exodus mit Zeth D’jek ]

Die junge Twi‘lek warf Exodus über den breiten Schreibtisch hinweg einen neugierigen Blick zu. Er hatte in der Kürze der Zeit alle Infos über Giselle zusammengetragen, die er besaß – inklusive des Bildmaterials, das er der Twi’lek nun über das Tischdisplay hinweg mit einem ungeduldigen Fingerwischen zuschob. Die junge Frau beugte sich über die Bildauswahl und betrachtete die Fotos eindringlich.

„Und der Name war …?“

„Giselle Givenchy.“

Mit einem weiteren Wischen schob Exodus das Datenblatt von Giselle ans andere Ende des Tisches.

„Dort steht alles, was Sie wissen müssen. Name, Alter, Größe …“

Nervös begann er mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte zu trommeln und seine Augen verengten sich zu Schlitzen als sein Kinn ruckartig in Richtung der Twi’lek zuckte.

„Sollten Sie nicht schon längst unterwegs sein?! Die Zielperson kann doch schon wer weiß wo sein!“

Die Twi’lek hob den Kopf und strich sich lächelnd über eine der blauen Lekku.

„Keine Sorge …“

sagte sie bloß und entlockte Exodus damit ein Schnauben. Unzufrieden stierte er auf das Display und die dort abgebildeten Bilder von Giselle. Auch das Videomaterial des Empfangs hatte er der kleinen Sammlung an Fotos von ihr hinzugefügt. Als sein Blick wieder nach oben wanderte, sah er direkt in die Augen eines reptilienartigen Wesens.

„… ich habe da so meine Tricks.“

Exodus zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Die Kleidung seines Gastes war noch unverändert – ein nichtssagender dunkler Mantel und darunter ein graues Shirt – doch die blau glänzenden Lekku waren verschwunden und auch die feinen Gesichtszüge der Frau, mit der er eben noch gesprochen hatte, waren nicht mehr zu erkennen. Die Stimmlage seines Gegenübers hatte sich mit der äußeren Erscheinung geändert. Sie war tiefer, rauer, ganz ähnlich der schuppig grünen Haut und den kantigen Gesichtszügen, die Zeth D’jek jetzt zur Schau stellte.

„Ihr Clawdite seid komisch.“

grunzte Exodus. Sein Vater hatte den Privatdetektiv schon bei einem prekären Erpressungsfall vor einigen Jahren engagiert und damals hatte Zeth hervorragende Arbeit geleistet. Doch mit jemandem zu verhandeln, der seine Erscheinung ändern konnte, behagte Exodus nicht. Auch wenn er ihn über die Macht leichter enttarnen konnte als die üblichen Kunden des Gestaltwandlers.

„Meine Informanten werden Miss Givenchy finden.“

bekräftigte der Clawdite, den Exodus jetzt in seiner natürlichen Form wähnte, erneut.

„Und dann werde ich zu ihrem Schatten.“

Wieder änderte sich die Stimmlage seines Gegenübers und plötzlich blickte Exodus in ein nur allzu bekanntes Gesicht. Die blonden Haare, die gebräunte Haut, die vollen Lippen …

„Lassen Sie den Quatsch!“

Exodus warf der falschen Giselle einen strengen Blick zu. Vermutlich war das eine übliche Masche des Clawdite um seinen Kunden ihr Objekt der Begierde noch einmal vor Augen zu führen – und entsprechend mehr Credits locker zu machen. Aber so etwas wirkte bei Exodus nicht, auch wenn er sich zwang, die falsche Giselle nicht zu genau anzusehen. Für ihn machte die Vahla nicht nur ein hübsches Gesicht aus – entscheidend war, wie sie sich über die Macht anfühlte. Und diese Giselle hatte eine kaum ausgeprägte Aura in der Macht. Es war als säße er einer toten Version seiner ehemaligen Assistentin gegenüber.

„Ich will über jeden ihrer Schritte informiert werden.“

führte er das Gesprächsthema zurück zum Geschäft. Der Clawdite nahm wieder die Form der jungen Twi’lek an, in der er hier aufgekreuzt war.

„Das werden sie. Solange ich regelmäßige Überweisungen von Ihnen auf meinem Bankkonto finde, bekommen sie regelmäßige Informationen.“

„Solange Ihre Informationen gut sind, bekommen Sie ihre Credits.“

„Oh, die Informationen werden akkurat sein.“

Die hübsche Twi’lek lehnte sich zurück und lächelte ihn charmant an.

„Aber ob Ihnen die Dinge, die ich berichten werde, gefallen – dafür kann ich keine Garantie geben.“

[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Büro | Exodus mit Zeth D’jek ]
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Vergnügungsviertel - Musik-Bar „Zuraid“ –

Auf jeden, der sich hier nicht auskannte, musste eine Bar so gut wie die andere wirken. Giselle empfand es so. Aus jedem geöffneten Fenster drang Musik nach draußen, vor jeder Tür standen Gruppen von Leuten, die auf Einlass warten, oder sich einfach nur mit Bekannten oder Freunden unterhielten. Sie sah viele Menschen, aber nicht nur, und da es keinen großen Unterschied zu machen schien, oder sie zumindest keinen erkennen konnte, hatte sich Giselle schließlich für eine weniger überfüllt erscheinende Bar entschieden und war aus der windigen Kälte in einen gut geheizten Schankraum getreten, dessen warmes Licht die Konturen im Raum verwischte und nicht nur der nichtmenschlichen Bedienung, sondern auch den Gästen in ihren bequemen Nischen und auf der Tanzfläche, einen rötlichen Schimmer auf die Gesichter zauberte.

„Hi, Babe, willkommen in der Lounge.“

Die Bedienung hinter der Bar begrüßte Giselle lässig, grinste sie an und entblößte dabei ihre Zähne, die wie Diamanten glitzerten. So etwas hatte Giselle noch nie gesehen.

“Hi.“

Die Vahla näherte sich der Theke, zog sich einen Barhocker heran und schob sich darauf. Es tat gut, zu sitzen. Sie ließ ihre Tasche zu Boden gleiten, zog den Verschluss ihrer Jacke auf und rollte zur Entspannung ihre Schultern, die den ganzen Fußweg hierher das Gewicht ihres Gepäcks hatten tragen müssen.

„Na, anstrengender Tag?“

Fragte die Barkeeperin. Giselle sah auf.

“Ja, könnte man so sagen.“

Bestätigte sie. Sie waren eigentlich den ganzen Tag unterwegs gewesen, Exodus und sie. Er hatte ihr seine Heimat gezeigt und sie hatte gedacht, es könnte ewig so weiter gehen.

„Was kann ich dir bringen?“

Mit dieser Frage hatte Giselle natürlich rechnen müssen. Vorbereitet war sie darauf aber trotzdem nicht. Ein Wasser würde sie sich wohl leisten können, überlegte sie. Die Wahrheit war, sie hatte keinen blassen Schimmer, wie viel Geld sie überhaupt besaß. Geld war für die Vahla, die in einem Clan aufgewachsen war, in dem solche Dinge keine Rolle spielten, immer zweitrangig gewesen. Sie hatte erst im Alter von XX überhaupt zum ersten Mal welches besessen. Danach hatte sie zwar begonnen zu arbeiten und sich ihre eigenen Credits zu verdienen, doch es war ihr nie wichtig gewesen. Wenn Giselle Geld besessen hatte, hatte sie es ausgegeben. Zu sparen hatte sie nie gelernt und sie hätte auch gar nicht gewusst, wofür.

“Ich hätte gerne ein Wasser.“

Bestellte sie also. Die Bedienung hob eine ihrer schwarz tätowierten Augenbrauen.

„Ein Wasser? Niemand in der Lounge trinkt Wasser.“

Klärte sie ihre Kundin auf.

„Wer hier her kommt, will sich amüsieren.“

Es blitzte in ihrem Mund auf und diesmal war sie Giselle nah genug, dass die Vahla die funkelnden Steine auf ihren Zähnen sehen konnte. Es sah gespenstisch schön aus.

“Eigentlich bin ich nicht deswegen hier.“

Sagte sie ernst. Sie konnte sich einen Drink aufschwatzen lassen, doch was brachte ihr das? Die meisten Leute kamen ins Vergnügungsviertel, um Spaß zu haben, um für ein paar Stunden los zu lassen, für Drogen, Alkohol oder Sex. Giselle Givenchy war hierher gekommen, weil sie glaubte, dass sich hier am leichtesten Kontakte knüpfen ließen. Was sie brauchte war eine Bleibe, mindestens für diese Nacht, besser für mehrere. Coruscant war der erste Planet, den sie besuchte, auf dem sie auf keinen Fall unter freiem Himmel schlafen würde.

- Coruscant – Obere Ebenen – Vergnügungsviertel - Musik-Bar „Zuraid“ –
 
[ Coruscant – City – Wingston Corp. | Exodus ]

Schon am nächsten Tag meldete sich Zeth D’jek via Com-Nachricht bei Exodus, mitten in einer Konferenz, welche der Vizepräsident daraufhin nur noch beiläufig verfolgte. Es war nicht so, dass ihn die Planungen, die in diesen Meetings besprochen wurden, nicht interessierten. Ganz im Gegenteil, eigentlich versuchte er stets seinen Einfluss innerhalb des Unternehmens möglichst groß zu halten, über alles Bescheid zu wissen und an jeder Schraube zur besseren Effektivität drehen zu können. Aber Neuigkeiten über Giselle waren eine Ablenkung, der er sich nicht entziehen konnte. Giselle war in ihrer ersten Nacht tatsächlich bei einer neuen Bekannten untergekommen, berichtete Zeth in einem überraschend professionellen und akkuraten Protokoll. Infos zu dieser Person hatte der Privatdetektiv – dessen Äußeres vor Exodus‘ innerem Auge immer noch dem einer jungen Twi’lek entsprach – ebenfalls beigefügt: eine Togruta namens Sheela Kothari, Kellnerin in den oberen Ebenen, alleinerziehende Mutter eines kleines Jungens und offensichtlich trotzdem bereit Giselle Obhut anzubieten. Exodus war ehrlich erstaunt: So viel spontane Großherzigkeit hatte er auf Coruscant nicht erwartet. Aber gut – es waren immerhin die oberen Ebenen. Ganz unten, im Bodensatz des Planeten würde das anders aussehen.

Zu Exodus‘ erneuter Überraschung blieb Giselle bei dieser Frau auch die folgenden zwei Nächte. Auch über ihre Aktivitäten tagsüber enthielten Zeths Protokolle ausgiebige Informationen. Die Vahla besuchte verschiedene Tanzschulen, eine Tanzakademie, sowie ein Ballettheater. Sie war auf der Suche nach einem Job, stand in dem Bericht, doch das hätte Exodus anhand dieser Liste ebenfalls sagen können. Bisher war sie allerdings noch nicht fündig geworden, obwohl manche Rückmeldung vielleicht erst in einigen Tagen eintrudelte. Für einen Moment überlegte der Vizepräsident bei den Tanzschulen anzurufen und ihnen Geld dafür zu bieten, Giselle nicht anzustellen. Denn ohne Job würde sie irgendwann zurückkommen müssen.

Am darauffolgenden Tag verkroch sich Exodus in seinem Büro um eine Follow-Up-Analyse des Projekts von Fingers Mark durchzuführen. Zwar waren sie schon in der Konferenz einige Zahlen durchgegangen, doch er wollte noch einmal persönlich alle Fakten checken, um die weitere Zielsetzung besser planen zu können. Nun war Fingers Mark nicht gerade ein Thema, das ihn von Giselle ablenkte, und so erwischte er sich dabei, wie er regelmäßig nach seinem Comlink griff und es auf Meldungen von Zeth kontrollierte. Er hatte davon abgesehen, die Tanzschulen zu bestechen. Wenn sie in den oberen Ebenen einen Job fand, war sie immerhin in seiner Reichweite und er konnte bald einen Versuch starten, sie zurückzuholen. Dann würde alles wieder wie vorher und es käme doch noch zu einem Happy End. Doch als endlich die Nachricht von Zeth endlich kam, gab es keine weiteren Informationen zu Giselles Job-Erfolgen. Die Nachricht war im Gegenteil, überhaupt nicht erfreulich. Sie war sogar katastrophal schlecht. Giselle hatte eine neue Bleibe gefunden – und damit vorerst keinen Grund zurückzukommen. Aber nicht nur das: Sie wohnte bei einem Mann. Natürlich nicht irgendeinem Mann, er war Tänzer, wie das Dossier in humorlosen Fakten verkündete. Exodus stierte einen Augenblick lang auf das Foto des Mannes, der Giselle ein Dach über dem Kopf angeboten hatte. Er war nicht übermäßig attraktiv, aber auch nicht hässlich. Ein Durchschnittstyp, aber durchtrainiert, natürlich. An so einem fand die Vahla bestimmt Gefallen. Er teilte ihre Leidenschaft, das Tanzen, bestimmt waren sie Seelenverwandte, bla bla bla. Bestimmt belohnte sie ihn dafür, so wie sie es üblicherweise machte. Natürlich vögelte der Typ sie! Welchen Grund hätte er sonst sie aufzunehmen?!


„Aaaargh!!“

Plötzlich von der Wut gepackt, schleuderte er die Utensilien auf seinem Schreibtisch mittels eines wüsten Machtstoßes gegen die gegenüber liegende Wand. Ein lautes Scheppern deutete an, dass die teure Uhr, die Exodus von einmal seinem Vater bekommen hatte, irreparabel zerstört worden war. Aber wen kümmert das schon?! Bestimmt hatte sich Zeth dämlich angestellt und sich verraten und nun wusste Giselle, dass Exodus über jeden ihrer Schritte informiert wurde. Und deshalb hatte sie sich den nächstbesten Typen geschnappt und ihm Sex versprochen, wenn er sie nur aufnahm! Weil sie wusste, dass sie ihn damit treffen würde. Das war ihre Rache für ihren letzten gemeinsamen Abend.

„Verdammte Schlampe!“

bellte Exodus die zerstörte Designer-Uhr am anderen Ende des Raumes an. Als die Tür sich kurz darauf öffnete, zuckte er leicht erschreckt zusammen. Seine Sekretärin schob sich unsicher in den Raum und blickte ihn fragend an.

„Ist alles in Ordnung, Mr. Wingston?“

Exodus schüttelte den Kopf und wollte damit eigentlich signalisieren, dass sie wieder gehen konnte, gab damit aber gleichzeitig eine ehrliche Antwort.

„Schlechte Nachrichten.“

verkündete er knapp. Die junge Frau warf einen heimlichen Blick in die Ecke mit den zerstörten Gegenständen.

„Ich komme allein klar, danke.“

Noch bevor sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, fiel sein Blick auf das Foto des Tänzers. Erik Droma. Nun, dachte er grimmig, vielleicht würde Mr. Droma in nächster Zeit ein Unfall passieren – wer wusste das schon? Vielleicht konnte er dann nicht mehr tanzen, würde kein Geld mehr verdienen und konnte es sich gewiss nicht mehr leisten, einer Fremden Unterkunft zu gewähren. Und dann würde Giselle zurückkommen müssen.

[ Coruscant – City – Wingston Corp. | Exodus ]
 
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- Coruscant – Obere Ebenen – Wohnung von Erik Droma – Wohnbereich –

Es war noch dämmrig draußen, in jenen frühen Morgenstunden, in denen der Himmel sich veränderte und sich durch die verschiedenen Nuancen von Blau, Gelb und Orange tastete, die ein Malfarbkasten bieten konnte. Als wäre dort draußen ein Künstler am Werk, dachte Giselle, der jeden neuen Tag nutzte um endlich das Kunstwerk seines Lebens zu zeichnen. Dabei gab es keinen größeren Künstler als die Natur selbst. Die Federn der ausgebeutelten Couch unter ihr knarrten, als sich die junge Frau bewegte, sich aufsetzte und die Beine auf den Boden stellte. Hinter ihr rauschte in der kleinen Nasszelle der Wohnung das Wasser, während Erik unter der Dusche stand. on ihrem Schlafplatz aus konnte sie aus dem Fenster schauen und einen Teil des Himmels sehen, doch der Großteil des Ausblicks war verdeckt durch eines der großen dunklen Gebäude, die überall auf Coruscant aus dem Boden schossen. Giselle wollte mehr von diesem herrlichen Farbenspiel sehen. Lautlos trat sie ans Fenster, eine Decke um ihre Schultern gelegt. Sie fröstelte. Eriks Wohnung war alt und zugig und die elektrische Heizung schaltete sich nachts automatisch ab und benötigte morgens eine lange Anlaufphase, bis sie wieder richtig heizte. Selbst wenn Coruscant nicht der zugebaute, mit Häusern, Firmen, Hotels und Industrie zugepflastertete Planet wäre, der er war, könnte Giselle allein aufgrund des Wetters niemals auf Dauer hier bleiben. Sie war warme Orte gewohnt, die heißen Wüsten durch die sie als Kind gerannt war, die sonnige Seite Alderaans und zuletzt natürlich die tropische Hitze Fresias. Sie könnte sich auf einem Planeten mit moderaten Temperaturen Zuhause fühlen, doch nicht in der Kälte und der Nässe Coruscants, die den Planeten noch hässlicher machten, als er ohnehin schon war. Es gab für sie nur einen Plan und der lautete, möglichst schnell eine Anstellung zu finden, so viel Geld zu sparen wie sie benötigte und dann von hier zu verschwinden, irgendwohin wo es schön war und wo sie sich erneut auf die Suche nach ihrer Bestimmung würde machen können. Das Kapitel Exodus Winston hatte Giselle zu lange geträumt. Sie musste es endgültig schließen.

Das gleichmäßige Rauschen des Wassers war inzwischen verstummt. Erik war ein Frühaufsteher. Sein Wecker klingelte vor Sonnenaufgang und seine morgendliche Routine bestand aus einer halben Stunde Fitness- und Krafttraining, einer ausgiebigen Dusche und einem anschließenden reichhaltigen Frühstück. Erik war Tänzer. Giselle hatte ihn bei einem ihrer Bewerbungsrundgänge kennen gelernt. Einen Job zu finden hatte sie sich auf Coruscant leicht vorgestellt, doch überall dort, wo sie sich bisher vorgestellt hatte, hatte man ihr gesagt, man sei nicht auf der Suche nach frischen Talenten. Nur einige wenige der Rezeptionistinnen und Empfangsdroiden hatten sich ihre Unterlagen überhaupt angesehen. In der „Beréat Ballett Akademie“ hatte Giselles Ausbildung auf Alderaan zwar durchaus Eindruck gemacht und man hatte ihr versichert, sich bei ihr zu melden, doch große Hoffnung hatte sie nicht. Erik, der sich ein wenig in der Szene auf Coruscant auskannte, hatte ihr erzählt, wie wählerisch der Vorstand bei Beréat war. Nur die besten der Besten tanzten dort. Giselle besaß zwar eine klassische Ballettausbildung der allgemeinen Theaterhochschule für Musik und darstellenden Kunst in Belleau-a-Lir, doch sie hatte seit Jahren nicht mehr professionell getanzt. Es war genau das, wovor Madame Eloise sie gewarnt hatte, als sie sich gleich nach ihrer Ausbildung einem wandernden Zirkus angeschlossen und dort als Tänzerin angeheuert hatte. Für einen solchen Job sei sie zu überqualifiziert, hatte die Madame gesagt, doch Giselle hatte davon nichts wissen wollen. Die Freiheit, zu tun was immer sie wollte und die Aussicht, mit dem Zirkus durch die Lande zu reisen und alle paar Abende in einem anderen Ort aufzutreten, waren ihr verlockender erschienen als alles andere. Ihr war egal gewesen, ob sie wertvolle Zeit ihrer Jugend verschenkte und bald zu alt sein würde, um die großen Rollen zu tanzen, oder ob sie aus der Übung geriet und irgendwann nicht mehr den hohen Ansprüchen der Profis genügen würde. Ein Wanderzirkus hatte nach einem wunderbaren Abenteuer, nach Familie und Freunden und Nächten unter dem freien Sternenhimmel geklungen und die Nomadin in Giselle hatte die Entscheidung für sie getroffen. Madame Eloise war enttäuscht gewesen, zurecht, wie die Vahla wusste. Sie hatte viel Zeit und Geduld investiert, um Giselle zu helfen und sie zu unterrichten.


„Guten Morgen.“

Erschrocken fuhr Giselle herum. Sie hatte Erik nicht herein kommen hören. Tatsächlich stand er nur einen kleinen Schritt hinter ihr. Er lacht, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

„Wo bist du denn grad‘ gewesen?“

Wollte er wissen. Giselle schüttelte den Kopf, ihr Herz klopfte noch immer einen Takt zu schnell.

“Sehr weit weg.“

Antwortete sie, schob sich an ihm vorbei und begab sich in die Küche, um frischen Kaf aufzusetzen. Sie hätte längst beginnen sollen, das Frühstück vorzubereiten. Erik, der sie kaum kannte, ließ sie für ein paar Nächte kostenlos bei ihr wohnen. Da sollte sie sich wenigstens auf diese Art und Weise revanchieren. Er lehnte gegen die Fensterbank. Hinter ihm zog der planetare Verkehr vorbei. Erik war halb Mensch, halb Mirialaner, doch seine multikulturelle Herkunft sah man ihm nicht an. Seine Hautfarbe hatte nur einen minimalen gelblichen Stich, kaum auffällig wenn man es nicht wusste. Er war groß, gut trainiert, aber kein übertriebenes Muskelpaket, mit langen sehnigen Armen und Beinen, die eine Tanzpartnerin sicher halten und durch die Luft werfen konnten.

„Wenn du willst, kannst‘ mich heute in die Akademie begleiten. Es dürfte heute passen, und ich könnt‘ dich vorstellen. Vielleicht lässt man dich sogar vortanzen.“

Schlug er vor. Giselle wandte sich zu ihm um. Sie hatte gerade Wasser in den Tank des Kaf-Automaten gefüllt und wollte gerade anfangen, ballaststoffreichen Brei in einer Schüssel zu verrühren. Wie alle Tänzer war Erik kontinuierlich auf Diät.

“Meinst du, das geht in Ordnung, dass du mich einfach mit nimmst?“

Versicherte sich Giselle.

“Es wäre toll, natürlich. Ich möchte mich nur nicht aufdrängen.“

„Ach, passt schon.“

Erik gab sich zuversichtlich.

„Ich hab‘ doch gesagt, ich helf dir. Und wenn du Ja sagst, lad‘ ich dich nachher noch zum Essen ein. - Also?“

Es war kein reines, selbstloses Hilfsangebot. Erik war zwar nett und freundlich, doch er hatte sie nicht nur bei sich aufgenommen, weil er so ein gutes Herz hatte. Er machte sich definitiv Hoffnungen, dass etwas zwischen laufen könnte. Die Einladung zum Abendessen sollte ein Rendezvous sein. Was das anging, war Giselles Aufenthalt bei der Togruta, die sie in der Bar kennen gelernt hatte, in die sie sich an jenem Abend nach ihrem Abschied von Exodus geflüchtet hatte, angenehmer gewesen. Sheela hatte ihr nicht den Eindruck vermittelt, dass sie versuchte ihre Chancen zu nutzen. Erik dagegen war zwar höflich und gab sich als Kumpel, doch er ließ keine Gelegenheit aus, Giselle seinen Freunden vorzuführen, indem er sie mit zu seinen Verabredungen einlud, oder sie in verschiedenen Situationen zu beeindrucken. Nun, er war ein Mann und sie nahm es ihm nicht übel. Ihre Prioritäten lagen zur Zeit jedoch schlicht woanders. Und außerdem dachte sie noch immer an Exodus.

“Ich bin für jede Chance dankbar.“

Giselle lächelte, füllte den Brei in zwei Teller um und warf Erik einen Löffel zu.

“Alles andere sehen wir dann später.“

- Coruscant – Obere Ebenen – Wohnung von Erik Droma – Wohnbereich – mit Erik -
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Eriks Wohnung – Mit Eriks Freunden und Partygästen -

Die Musik war so laut, dass man sich gerade eben noch unterhalten konnte, ohne sich anschreien zu müssen. Das gemütliche Beisammensitzen vom Nachmittag hatte sich im Laufe des Abends zu einer echten Party gewandelt. Giselle war müde, doch sie konnte nicht schlafen gehen, so lange Eriks Gäste da waren. Die Leute waren überall. Sie saßen auf der Couch, die eigentlich Giselles Bett hätte sein sollen, standen in der Küche mit Bierflaschen in den Händen und besiedelten den schmalen Flur zwischen Wohn-, Schlaf- und Badezimmer. Giselle kannte nicht einmal ein Drittel von ihnen und sie fragte sich sogar, ob Erik sie alle kannte. Er selbst war verschwunden, wieder einmal. Vorhin hatte Giselle ihn kurz gesehen, bester Laune bei einem Trinkspiel. Danach war er mit einer quirligen Rothaarigen verschwunden, definitiv nicht menschlich, aber nahe genug dran. Es war zwei Tage her, dass er Giselle mit in die Tanzakademie genommen hatte, doch zu einem Vortanzen dort war es nie gekommen. Sie schien einfach kein Glück zu haben.

„Erik sagt, du tanzt auch?“

Fly’ola, eine Twi’lek, hatte schon länger neben Giselle gestanden und sich mit ihrer Freundin unterhalten. Die war jetzt jedoch weg, vielleicht war sie gegangen um sich etwas neues zu trinken zu holen, oder um die Toilette aufzusuchen. Fly’ola lächelte. Sie war einen Kopf kleiner als Giselle, hatte ein niedliches Gesicht und trug ein hautenges Top aus glänzendem Latex, das reichlich unbequem aussah.

“Ja, das stimmt, oder viel mehr, ich würde gerne, wenn ich endlich einen Job finden würde.“

Antwortete Giselle wahrheitsgemäß.

„Uhh, schwierig.“

Pflichtete ihr Fly’ola ihr bei, als verstünde sie das Problem genau, dabei wagte Giselle das zu bezweifeln. Genau genommen war der fehlende Job längst nicht mehr ihr einziges Problem. Fast noch kritischer war, dass sie dringend eine neue Bleibe brauchte. Nachdem Giselle ihn auf seiner Arbeit besucht hatte, hatte Erik sie tatsächlich zum Dinner eingeladen und sich unverkennbar mehr erhofft als am Ende für ihn raus gesprungen war. Seitdem war die Stimmung zwischen ihnen leicht angeknackst. Erik war frustriert und gab sich spürbar reservierter. Noch hatte er Giselle nicht raus geworfen, doch sie rechnete damit, dass er sich bald eine Ausrede würde einfallen lassen, warum sie nicht mehr bei ihm schlafen konnte. Wohin würde sie dann gehen?

„Willst du nen‘ Tipp?“

Fly’ola führte ihr Glas zu ihrem Mund, bevor sie auf halbem Weg realisierte, dass es leer war. Enttäuscht ließ sie es wieder sinken. Bei Giselle hatte sie dafür Interesse geweckt. Die Vahla wandte sich ihr mehr zu. Natürlich wollte sie einen Tipp, sie war für jede Hilfe dankbar.

“Natürlich, gerne.“

Die Twi’lek lächelte.

„Wenn’s dir nur um die Kohle geht, zieh‘ dich einfach aus. Damit machst du Credits ohne Ende. Ich kenn‘ da einen Club. Wenn du willst, geb‘ ich dir die Adresse.“

“Einen Club?“

Echote Giselle, während sie die Bemerkung der anderen Frau verarbeitete.

“Du meinst so etwas wie einen Stripclub.“

Fly’ola nickte.

„Du musst dich nur bewegen können. Ausziehen ist ja nicht so die Schwierigkeit. Ich hab‘ das ne‘ ganze Weile gemacht. Total easy.“

“Aber jetzt nicht mehr?“

Fly’ola begann, in ihrer Handtasche nach etwas zu suchen.

„Nee. Nicht mehr, seit ich mit Ned zusammen bin. Er mag das nicht so.“

Sie verdrehte die Augen.

„Will nicht, dass mich andere Typen nackt sehen und so… ziemlich bescheuert, huh?“

Triumphierend zog sie ein winziges Datapad aus ihrer Handtasche hervor, ließ die Tasche auf den Boden zwischen ihre Füße fallen und aktivierte das Gerät.

„Ich geb‘ dir ne‘ elektronische Visitenkarte von dem Laden. Sprich mit Chorn und sag ihm, dass Fly dich schickt.“

Sie grinste vielsagend.

„Ich hab‘ noch was gut bei ihm, sozusagen.“

Giselle stand sprachlos neben der Twi’lek. Als sie gesagt hatte, sie würde sich über einen Tipp freuen, hatte sie geglaubt, einen ernsthaften, verlässlichen Rat zu erhalten. Sie hatte nicht hören wollen, dass sie sich ausziehen sollte, für Geld. Das käme Exodus‘ lächerlichen Anschuldigungen näher als ihr lieb sein konnte. Giselle schüttelte den Kopf, mehr zu sich selbst als zur Erwiderung Fly’ola gegenüber. Sie suchte händeringend einen Job, ja, doch so verzweifelt war sie noch nicht. Der Twi’lek mochte es nichts ausmachen, sich vor anderen Männern auszuziehen, nur um deren Bedürfnisse oder Gelüste zu stillen, doch Giselle war nicht bereit, sich auf diese Art und Weise zu einer Sache herabwürdigen zu lassen. Es war ein Problem dieser Gesellschaft, dieser Kultur, dachte sie, noch während Fly’ola nach der Adresse des Clubs suchte. Es war diese Besessenheit mit Erotik. Von ihrem Clan kannte Giselle so etwas nicht.

„Hab’s gefunden. Wenn du mir dein Komlink gibst, spiel ich die Daten drauf.“

Die Twi’lek hielt ihr ihr Datapad hin. Für Giselle fühlte es sich an wie ein Moment der Entscheidung. Sie persönlich hatte kein Problem damit, sich vor anderen auszuziehen. Sie genierte sich nicht. Doch es war eine Sache, es zu tun, weil es einen vernünftigen Grund dafür gab, oder weil es sich natürlich anfühlte und man nicht darüber nachdachte, und eine ganz andere Sache, wenn man es tat, weil man dafür bezahlt wurde. Das war nicht sie. Das war genau so wenig Giselle Givenchy wie die Frau, die der republikanischen Flotte gedient hatte, oder die, die ihr Leben von einem Mann bestimmen ließ, der sie nicht liebte. Giselle war noch immer auf der Suche nach ihrer Bestimmung. Sie war auf der Suche nach ihrem Weg, so wie ihr Volk seit Jahrhunderten nach seiner verlorenen Heimat suchte, doch auch wenn sie noch nicht wusste wer sie war, oder wohin ihr Weg sie führen würde, so wusste sie doch genau, wer sie nicht war – und wer sie nicht sein wollte.

“Ich denke nicht, nein.“

Sagte sie schließlich. Fly’ola sah sie verständnislos an und Giselle versuchte es mit anderen Worten.

“Das ist nicht ganz die Art Job, die ich suche.“

Für einen Moment sagte die Twi’lek nichts und Giselle fürchtete schon, sie wäre persönlich beleidigt, weil ihre Hilfe nicht gefragt war, doch dann zuckte sie lediglich mit den Schultern und steckte ihr Datapad wieder weg.

„Deine Entscheidung.“

Sagte sie, mehr oder weniger gleichgültig.

„Viel Glück bei der Suche.“

Sie lächelte Giselle zu, doch es lag kein Gefühl der Wärme darin. Wenn überhaupt, dachte Giselle überrascht, sah sie eine Spur von Mitleid. Dann griff die Twi’lek unter sich, nahm ihre Tasche wieder an sich und ging. Sie verschwand nach draußen, irgendwo zwischen den anderen Partygästen. Vielleicht suchte sie nach ihrer Freundin, die noch immer nicht wieder gekommen war, oder nach ihrem Freund Ned. Giselle sah sie nicht wieder. In den frühen Morgenstunden leerte sich die Wohnung schließlich. Einige Leute waren geblieben und schliefen auf dem Teppichboden oder in einem Sessel. Auch das Sofa, das Giselles Bett hätte sein sollen, war belegt. Spätestens in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie nicht länger hier bleiben konnte. Sie würde noch am gleichen Tag weiter ziehen müssen. Vorerst fand sie einen freien Platz auf dem Boden unter dem Fenster und deckte sich mit einer Jacke zu, wo Schlaf sie innerhalb von Sekunden übermannte und sie in einen tiefen Traum zog, der alles zum Guten wandte.

- Coruscant – Obere Ebenen – Eriks Wohnung – Mit Erik und seinen Freunden -
 
[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Büro | Exodus mit Zeth D’jek ]

Der Privatdetektiv besuchte Exodus erst nach einigen Tagen wieder. Sie hatten sich per Com-Nachricht geschrieben, natürlich. Aber Exodus saß dem Detektiv lieber von Angesicht zu Angesicht gegenüber wenn er von seinen Entdeckungen berichtete. Manche Informationen waren via Text-Nachricht einfach zu … sachlich. Exodus fürchtete, dass etwas verloren ging, wenn Zeth D’jek ihm nur schrieb. Er wollte dessen Mimik und dessen Gestik sehen, wenn er ihm über seine Beschattung von Giselle erzählte – auch wenn die Hoffnung, bei einem Gestaltwandler Informationen aus der Körpersprache ziehen zu können, vermutlich vergeblich war. Er befand sich in einer Zwickmühle: Exodus fürchtete, dass jemand die falschen Schlüsse ziehen würde, wenn D’jek ihn dauernd besuchte, auch wenn er in verschiedenen Gestalten hier auftauchte. Andererseits war auch nicht auszuschließen, dass die Nachrichten, die der Detektiv ihm schickte, abgefangen werden konnten. Obwohl dieser Gedanke natürlich unsinnig war. Selbst wenn jemand von Exodus‘ Beschattungsauftrag wusste – wen interessierte auf Coruscant schon das Schicksal von Giselle Givenchy?

„Ich will alles wissen.“

Der Vizepräsident nahm den Gestaltwandler fest in den Blick und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl nach vorne. Die Berichte von D’jek konnten zum Highlight oder zur schlimmsten Nachricht des Tages werden – es war wie ein Glücksspiel. Er mochte es nicht, so abhängig von dem Detektiv zu sein, aber gleichzeitig konnte momentan nur der Clawdite Exodus‘ Sucht nach Informationen befriedigen.

„Wie ist der Abend gelaufen?“

hakte er nach, weil D’jek für wenige Sekunden zögerte. Ob der Gestaltwandler es genoss, seinen Kunden so am Haken zu haben? Vermutlich – denn wer wählte sonst schon den Beruf eines Detektiv, wenn nicht, weil es ihm Spaß bereitete über Informationen zu verfügen, die für andere sehr wertvoll waren?

„Ich würde sagen er war erfolgreich. Oder auch nicht. Je nachdem, was Sie gehofft hatten.“

„Ich habe gehofft, dass Sie umsetzen, was ich angewiesen habe.“

Über Exodus‘ Patzigkeit schmunzelte D’jek nur. Einzig die ansehnliche Gestalt der Twi’lek, die er heute gewählt hatte und bei der das Schmunzeln irgendwie niedlich wirkte, ließ Exodus davon absehen den Detektiv zu Recht zu weisen.

„Das habe ich getan.“

Die Twi’lek zuckte mit den Schultern.

„Ich bin zu der Party gegangen, wie vereinbart. Ich habe mich mit Leuten unterhalten, Smalltalk eben, dies und das. Dann habe ich mit Giselle gesprochen.“

„Und?!“

„Sie hat meine Rolle nicht durchschaut. Sie war felsenfest davon überzeugt mit einer Twi’lek namens Fly’ola zu sprechen.“

D’jek konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der Typ musste mächtig stolz auf seine natürliche Gabe sein. Exodus unterdrückte dieNachfrage, ob er sich wirklich sicher sei, nicht aufgefallen zu sein. Selbst wenn Giselle ihn durchschaut hatte, so war es ihm offensichtlich nicht aufgefallen. Aber wie sollte die Vahla den Detektiv enttarnen? Exodus war sich nicht einmal sicher, ob sie wusste, was ein Clawdite mit seinem Äußeren anstellen konnte.

„Ich habe ihr vom Strip-Club erzählt und dass ich mal dort gearbeitet habe, aber aufgehört habe, seit ich mit meinem Freund – Ned habe ich ihn genannt – zusammen bin. Sie schien neugierig, wollte sich zumindest mal anhören, was ich zu sagen habe. Aber sie hat abgelehnt. Das sei nicht die Art von Job, die sie sucht, meinte sie.“

Wieder zuckte D’jek in seiner Twi’lek-Gestalt mit den Schultern.

„Also … war es das, was Sie hören wollten? Wollten Sie hören, dass Giselle ablehnt oder wollten Sie, dass sie es im Club versucht?“

Soweit Exodus beurteilen konnte, lag echte Neugier im Blick der Twi’lek. Natürlich war es für den Detektiv interessant zu wissen, welche Motive sein Auftraggeber verfolgte. Der Vizepräsident lehnte sich, Entspannung vortäuschend, in seinem Sessel zurück und funkelte sein Gegenüber an. Für den Moment war die Abhängigkeit gebrochen und Exodus konnte Überlegenheit ausspielen.

„Das spielt doch gar keine Rolle.“

Tatsächlich war er sich selbst nicht sicher, welches Ergebnis er bevorzugt hätte. Es war schlichtweg eine Prüfung für Giselle gewesen. Exodus hatte sehen wollen, welchen Pfad sie bereit war einzuschlagen und wie stark er diesen Weg manipulieren konnte. Hätte sie sich für den Strip-Club entschieden – vielleicht hätte er es nicht einmal geschehen lassen und ihr aus heiterem Himmel irgendwo ein anderes Jobangebot verschafft. Jetzt hatte sie sich dagegen ausgesprochen und das war ihm insofern Recht, als dass sie sich nicht vor irgendwelchen fremden Typen ausziehen wollte. Andererseits war sie seiner Kontrolle wieder entschlüpft. D’jek kannte den Inhaber des Strip-Clubs – obwohl sich Exodus nicht sicher war unter welchem Namen und welcher Gestalt diese Beziehung lief – und hätte ihm gegen einen kleinen Bonus auch hier Zugang zu exklusiven Informationen verschafft. Jetzt hieß es wieder ausharren und auf Giselles nächsten Schritt warten.

„Achja. Ich habe das Gespräch aufgezeichnet.“

D’jek beugte sich vor und schob einen kleinen Datenstick über den breiten Schreibtisch. Exodus schnappte danach wie ein Raubtier nach seiner Beute.

„Danke.“

Er hielt den Datenzylinder fest in seiner Faust umschlossen. Sobald er alleine war, würde er sich das Gespräch komplett anhören können. Giselles Stimme, ihre Reaktion auf das Angebot in einem Strip-Club zu tanzen, vielleicht war sogar ihr Atem zu hören. Ihr heißer Atem, den er noch immer auf seiner Haut zu spüren glaubte, wenn er nur die Augen schloss.

„Sie können dann gehen.“

„Klar.“

Die Twi’lek stand auf, gähnte und streckte sich. D’jek hatte es wirklich raus seinen Kunden gerade so viel Respektlosigkeit zu zeigen, dass man es ihm durchgehen ließ. Vielleicht lag es auch an diesem knappen Latextop, das er der Twi’lek angezogen hatte. Selbst wenn man wusste, das hinter dieser Maskerade nur ein Mann steckte – das Auge ließ sich bei so einem Anblick gerne täuschen.

„Sie hören von mir.“

„Ich weiß. Dafür bezahle ich Sie schließlich.“

D’jek nickte Exodus noch zur Verabschiedung zu und verließ dann das Büro. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, drückte Exodus den Datenstick hastig in den Slot seines Datapads. Sekunden später drang gedämpftes Stimmengewirr einer Party aus den kleinen Lautsprechern. Exodus blickte angespannt auf das Display, betrachtete wie die Anzeige Sekunde und Sekunde hochzählte. Erst als ganz plötzlich Giselles Stimme aus der Menge auszumachen war, löste sich Exodus‘ Anspannung. Das Gespräch zwischen D’jek und der Vahla begann und Exodus wusste jetzt schon, dass er es vermutlich so häufig anhören würde, bis er jedes Detail davon aufgesaugt hatte. Langsam lehnte er sich zurück und schloss die Augen, während Giselle auf der Aufnahme zum ersten Mal darüber nachdachte, ob sie sich in Zukunft vor fremden Männern ausziehen würde.

[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Büro | Exodus ]
 
- Coruscant – Obere Ebenen – Kinderspielplatz – Mit Sheela -

„Es tut mir wirklich Leid, dass ich dir nicht helfen kann.“

Sheela sah ernsthaft betroffen aus. Wenn einer wusste, wie es war, kein Dach über dem Kopf zu haben, dann sie.

„Aber ich brauche das Geld.“

Es war Nachmittag. Der Himmel hatte sich zugezogen und über Coruscant hingen dicke, schwarze Wolken. Vom Spielplatz her erklang das laute Lachen und Rufen tobender Kinder. Die Parkanlagen hier auf Coruscant sahen anders aus als anderswo in der Galaxis. Sie bestanden aus Beton, kein Grasflecken war weit und breit zu sehen und manche von ihnen waren auf den Dächern der städtischen Gebäude gebaut. Der Spielplatz, den Sheela mit ihrer Tochter besuchte, lag zwischen ihrem Wohnort und einer ihrer beiden Arbeitsstellen. Er besaß nur ein paar wenige Vergnügungsgeräte, um sie herum sauste der Luftverkehr der Stadt und wenn ein Kind hinfiel, schlug es sich die Knie auf dem harten Untergrund auf. Giselle hatte lange geschlafen. Als sie aufgewacht war, war Eriks Wohnung leer gewesen und der schöne Traum, aus dem sie erwacht war, nicht mehr als eine blasse Erinnerung. Sie hatte heiß geduscht, um ihre Muskeln nach Stunden des Schlafens auf hartem Untergrund zu entspannen, hatte gefrühstückt und sich dann auf den Weg gemacht, Sheela zu treffen. Die Trogruta war Giselles erste Anlaufstelle in ihrem Versuch, eine neue Bleibe zu finden. Sie hatte bei ihr übernachtet, bevor sie Erik kennen gelernt hatte. Sheela lebte mit ihrer Tochter in einer winzigen Zweizimmerwohnung, war allein erziehend und hatte kaum genug Geld, um jeden Tag das Essen auf den Tisch zu bringen. Sie arbeitete hart und vermietete eines ihrer beiden Zimmer regelmäßig zu einem kleinen Preis für ein zusätzliches Einkommen. Giselle hatte sie kurzzeitig ohne Gegenleistung bei sich schlafen lassen, doch jetzt hatte sie einen neuen Mieter gefunden, auf dessen Geld sie nicht verzichten konnte – und Giselle besaß nicht genug, als dass sie Sheela hätte bezahlen können.

“Mach dir keine Gedanken. Ich verstehe das.“

Es war nicht unbedingt einfach, doch Giselle lächelte der Togruta zu. Sie verstand tatsächlich. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich alleine durch schlug. Das war schon schwer genug, doch zusätzlich für ein Kind verantwortlich zu sein, war eine weitere, kaum überwindbare Hürde. Ihre Tochter war Sheelas oberste Priorität, ganz so wie es sein sollte.

“Ich finde schon etwas anderes.“

Giselle versuchte, zuversichtlich zu klingen, wusste inzwischen aber, dass es so einfach nicht war.

“Ich danke dir trotzdem und ich wünsche dir alles Gute, dir und Mareille.“

Sie drehte sich in Richtung des Spielplatzes und winkte dem dünnen Togruta-Mädchen zu, das einen Kopf kleiner war als seine Spielkameraden, aber mindestens genau so unermüdlich herum rannte.

„Giselle!“

Bevor sie gehen konnte, fiel Sheela doch noch etwas ein. Sie sah die Vahla an und das exotische Blau-Weiß in ihrem Gesicht verzog sich zu einem gequält wirkenden Bild.

„Es gibt noch eine Möglichkeit, wenn du wirklich gar nichts anderes findest, aber das ist nicht ohne Risiko.“

“Okay, was ist es?“

Sheela rang sichtlich mit sich selbst.

„Ich kenne einen Mann, der dir Geld leihen könnte, nur so lange, bis du wieder auf die Füße kommst.“

Sie sah sich um, als fürchte sie, dass sie jemand belauschen könnte und das Gespräch nahm eine mysteriöse Note an.

„Er hat mir geholfen, als ich nicht wusste, wohin. Ich bin damals auch über jemand anderen an ihn verwiesen worden.“

“Was ist das für ein Mann?“

Skeptisch, aber zugleich auch neugierig, hatte sich eine kleine Falte zwischen Giselles Augenbrauen gebildet. Sie spürte einen feuchten Tropfen erst auf ihrer Wange, dann auf ihrer Stirn und sah hinauf zum Himmel. Es begann allmählich zu regnen.

„Er hat mir eine großzügige Summe geliehen, ohne die wäre ich in der Gosse gelandet. Allerdings verlangt er Zinsen bei der Rückzahlung…“

Sheela schüttelte den Kopf.

„…und die sind nicht niedrig.“

Der Regen wurde stärker. Aus vereinzelten, kaum sichtbaren Tropfen, wurden lange, schmale Fäden, die weich fielen und eine leicht ölige Konsistenz hatten. Mareille kam angelaufen und suchte Schutz bei ihrer Mutter.

“Also rätst du mir… was genau?“

Fragte Giselle, die nicht ganz verstand. Sheela schüttelte erneut den Kopf, drückte Mareille an sich und zog sie, vor dem Wetter Schutz suchend, unter ein schmales Vordach. Giselle folgte den beiden auf dem Fuße.

„Ich rate dir gar nichts.“

Stellte Sheela klar.

„Ich nenne dir nur eine Option.“

Das, so dachte Giselle, war immerhin mehr, als sie bisher hatte. Sie nickte, um Sheela anzudeuten, dass sie verstanden hatte. Es war schon mehr, als Sheela für sie hätte tun müssen. Eigentlich kannten sie aneinander ja kaum.

„Ich gebe dir seine Kontaktdaten. Aber Giselle, sei vorsichtig. Sieh es als allerletzte Option.“

Sheelas Stimme war eindringlich.

„Du willst nicht wissen, was passiert, wenn du das Geld nicht zurück zahlen kannst.“

Es war keine leere Warnung. Aus Sheelas Blick war zu lesen, dass sie genau wusste, wovon sie sprach. Giselle starrte auf ihr Komlink, auf dem die Togruta einen neuen Kontakt vernetzt hatte. Wenn alle Dämme brachen, dachte sie, hatte sie eine neue Möglichkeit in der Hand. Sie musste sich nur sicher sein, dass sie sie wirklich nutzen wollte. Mit einem lag Sheela jedenfalls falsch: sich Geld von einem Fremden zu leihen war für Giselle Givenchy alles andere als der letzte Ausweg und wenn er noch so gefährlich erschien. Es gab eine ganze Menge Dinge, die sie tun würde, bevor sie gezwungen war, zu Exodus Wingston zurück zu kriechen.

- Coruscant – Obere Ebenen – Kinderspielplatz – Mit Sheela -
 
- Coruscant – Mittlere Ebenen – Diner – Küche -

Das Fett war heiß und dampfte. Schweiß stand Giselle auf der Stirn. Es war stickig in der Küche des Diners, die Luft war warm und feucht und ihr weißes Hemd klebte ihr am Körper. Sie hatte Arbeit gefunden, endlich, auch wenn es nicht das war, was sie angestrebt hatte. Allerdings konnte sie es sich nicht leisten, wählerisch zu sein. Sie packte den stählernen Griff, der den Korb aus dem Frittierbecken hob und hievte die Menge an gebackenen Bantha-Frikadellen heraus, frisch frittiert mit einer gold-gelben Kruste und lecker duftend, sofern man es nicht den ganzen Tag riechen musste. Was zahlenden Kunden und vorbei laufenden Passanten das Wasser im Mund zusammen laufen ließ, war für Giselle schon nach nur wenigen Stunden zum Gestank geworden. Sie hatte nie geplant, in einer Küche zu arbeiten, doch der Job war einfach und ihr durch ein einfaches Aushängeschild im Fenster mehr oder weniger zugeflogen. Man musste wahrlich nicht viel dafür können. Alles was sie tat, war runde Fleischbälle zu formen aus einer Masse, die Graen, der Koch, ihr in einer großen Schüssel hin stellte, und diese dann zu frittieren. Es war der dritte Tag, an dem sie dies tat. Die Bezahlung war zwar mies, erfolgte jedoch auf täglicher Basis. Yurié, der Falleen, dem das Diner gehörte, lud jeden Abend Giselles Credit-Stick auf für das, was sie am Tag geleistet hatte. In dieser Gegend lohne es sich nicht, Verträge mit Angestellten zu schließen, sagte er. Man nahm jeden Tag so, wie er kam. Giselle war das nur recht. Sie brauchte das Geld dringend, um über die Runden zu kommen. Wie erwartet hatte Erik sie schließlich raus geworfen. Er hatte noch einmal versucht bei ihr zu landen, dann hatte er endgültig aufgegeben und sie damit konfrontiert, dass er ihren Anteil der Miete brauchte, wenn sie weiter bei ihm schlafen wollte. Jetzt schlief Giselle in einem billigen Motel und von dem, was sie im Diner verdiente, blieben am Tag nur wenige Cents übrig, die sie sparen konnte. Eine Lösung war auch das nicht, aber es war besser, als draußen in der zugigen Kälte zu sitzen.

„Hey, Mädchen, des‘ die letzte Fuhre für heut.“

Graen knallte ihr eine große Blechschüssel auf den Tisch, gefüllt mit einer bräunlichen Masse von stark gewürztem Banthafleisch – und was sich sonst noch an Zutaten darin befand. Giselle gab sich Mühe, dem beleibten Koch nicht zu genau über die Schulter zu schauen. Der einzige Vorteil an der Arbeit hier war, dass sie von den Resten essen durfte, ohne bezahlen zu müssen und sie war ziemlich sicher, dass sie nicht über alles Bescheid wissen wollte, was Graen den ganzen Tag über trieb. Der ältere Iktotchi war die meiste Zeit über grantig und schweigsam, rülpste vor sich hin und wischte seine Arbeitsplatte nur gelegentlich mit einem alten Lappen ab, wenn Schmutz und Krümel bereits begannen sich festzusetzen.

„Was ned weg geht machst in d‘ Kühlung für morgen.“

Er wirkte, als sei er fertig um Feierabend zu machen. Graen passte seine Arbeitszeit dem täglichen Betrieb an. Wenn wenig los war, ging er früher, so wie heute. Er hatte genug Fleischmasse vorbereitet, aus denen Giselle Frikadellen zubereiten konnte.

„Rest ist fertig.“

Er deutete auf die Kühleinheit, in der die wenigen Beilagen, die der Diner anbot, fertig zu bereitet lagen, und nahm seine ausgebeutelte Lederjacke vom Haken. Dann grummelte er lediglich etwas zum Abschied und war weg. Giselle atmete auf. Es arbeitete sich leichter, wenn sie alleine war, zumal sie jetzt die beiden schmalen Oberlichter öffnen konnte, die einzigen Fenster in der Küche. Graen mochte es nicht, wenn sie offen waren, warum auch immer, darum blieben sie zu, so lange er da war. Für Giselle war die wenige kühle Luft, die jetzt von draußen hinein kam, jedoch eine Wohltat. Sie hatte das Gefühl, dass es hier drinnen an frischem Sauerstoff mangelte und das machte sie müde. Sie arbeitete weiter, ihre Hände ölig und warm. Ab und zu rief die Bedienung von vorne Bestellungen herüber und Giselle füllte die Einwegschalen aus Plastik mit Fleisch-Frikadellen, während sie versuchte sich einzureden, dass sie bald von hier fort kam. Das Problem war, in der Zeit in der sie hier stand und arbeitete, konnte sie sich nirgendwo anders bewerben und sich nirgendwo vorstellen. Wie sie das Problem löste, war ihr selbst noch nicht klar.

Als ihre Schicht zu Ende war, entledigte sich Giselle mit Freuden des verschwitzten Hemds. Die Nasszelle, die ihnen als Mitarbeitern zur Verfügung stand, bestand aus nicht viel mehr als einer Toilette und einem Waschbecken und es gab nur kaltes Wasser, doch es genügte, um sich kurz frisch zu machen, zumindest für ihre Ansprüche. Vom Flur aus rief Laria, die Bedienung, Giselle noch einen schönen Abend. Giselle wünschte ihr selbiges zurück. Sie rieb ihre Hände ausgiebig mit Seife ein und hielt sie so lange unter den kalten Wasserstrahl, bis sie fast tauben waren. Der kräftige Geruch von Gewürz und Fleisch hatte sich hartnäckig in ihre Haut hinein gefressen. Vielleicht machte sie einen Abstecher in eine der nahe gelegenen Bars, dachte Giselle, während sie ihre eigenen Sachen überzog. Wo sonst konnte sie neue Leute kennen lernen, die gewillt waren ihr auszuhelfen? Mit jeder Nacht, die sie nicht im Motel verbringen musste, konnte sie Geld sparen. Sie war die Letzte an diesem Abend, die schließlich an Yuriés Tür klopfte. Die Tür zum Diner war abgeschlossen, die nächsten Kunden würden erst am darauffolgenden Mittag kommen. Der Trandoshaner saß hinter seinem Schreibtisch, einem alten, verrosteten Teil und Giselle wusste nicht warum, aber plötzlich musste sie an Exodus denken und daran, wie gegensätzlich seine Welt doch zu allem war, das sie hier erlebte. Exodus war reich, alles in seiner Wohnung und sicher auch in seinem Büro, das Giselle nie gesehen hatte, war neu und teuer. Es gab nichts, das er nicht haben konnte, so lange es mit Geld zu bekommen war. Bei ihm hatte Giselle in einem weichen Bett geschlafen, hatte exquisiten Wein getrunken und war in goldenen Sandalen gelaufen. Das war die eine Seite Coruscants, die, die er ihr schmackhaft hatte machen wollen. Das hier unten war die ärmere Hälfte einer Welt mit zwei Gesichtern – ganz so, wie Exodus zwei Gesichter hatte.


“Ich bin fertig für heute.“

Die Gespräche mit Yurié waren kurz und ergiebig. Sie sagte ihm, dass sie nach Hause ging, gab ihm ihren Credit-Stick und er buchte ihren Lohn darauf. Wie lange noch, fragte sich Giselle. Sie war erst ein paar Tage hier und konnte es doch kaum abwarten, etwas anderes zu finden.

„Gut.“

Der Besitzer des Diners nahm den Credit-Stick entgegen und veranlasste die Buchung. Sein reptilienartiges Gesicht zuckte in Giselles Richtung, doch er sagte nichts. Erst, als er ihr den Stick wieder hin hielt, bleckte er seine Zähne – längliche, weiße Dolche, so scharf wie eine Vibroklinge. Es sollte wohl ein Grinsen sein. Giselle streckte ihre Hand aus, um ihren Stick entgegen zu nehmen, doch Yurié so seine Hand ruckartig wieder zurück.

„Weißt du, Giselle, du könntest mehr verdienen.“

Sagte er und ein Teil der Schuppen links und rechts von seinem Gesicht stellte sich seltsam schräg auf. Er beugte sich nach vorne und stützte sich mit einem Ellbogen auf den Tisch.

„Wir würden da bestimmt ein Arrangement finden.“

Giselle sagte nichts. Sie fühlte sich eigenartig angewidert. Lief es eigentlich immer auf diese Art von Angeboten hinaus? Lag das an ihr? Was um alles in der Galaxis machte sie falsch? Yurié schien enttäuscht über ihre ausbleibende Reaktion.

„Nicht? Schade.“

Fügte er an und hielt der Vahla ihren Credit-Stick zum zweiten Mal entgegen. Als sie diesmal danach griff, packte der Trandoshaner sie blitzschnell am Handgelenk. Sie stolperte nach vorne, als er sie zu sich zog.

„Verdammt schade.“

Wiederholte er, sein Gesicht dem ihren plötzlich beängstigend nah. Giselle konnte seinen Atem riechen.

“Lass mich los!“

Forderte sie erschrocken. Seine runden Augen glitten über sie hinweg: über ihr Gesicht, ihren Hals und ihren Körper. Selbst ohne dass sie die Mimik des Nichtmenschen verstand, konnte Giselle sehen, dass etwas Lüsternes in seinem Blick lag. Er hatte ihr Handgelenk schmerzhaft verdreht. Sie wollte weg, einfach nur weg. Yurié grinste und stellte dabei wieder seine spitzen Zähne zur Schau.

„Vergiss deinen Credit-Stick nicht.“

Ganz plötzlich ließ er sie wieder los. Giselle schnappte nach Luft. Sie riss ihm den winzigen Zylinder aus den Händen und trat einen Schritt zurück. Dann lief sie los.


- Coruscant – Mittlere Ebenen – Straßen & Gassen -
 
- Coruscant – Untere Ebenen – Shak's Bar – Zimmer über dem Lokal -

In der Kammer war es weitestgehend dunkel. Sie besaß nur eine einzige Lichtquelle, eine schwache Leuchtröhre über der verrosteten Waschschüssel aus Stahl, gleich hinter der Tür. Von Zeit zu Zeit flackerte das Licht und drohte auszugehen. Bisher hatte es sich jedoch tapfer gehalten. Das Bett an der gegenüberliegenden Wand war schmal, die Matratze fleckig und löchrig und die dünne Decke roch nach hundert ungewaschenen Männern, die hier schon für kleines Geld gelegen hatten – einige alleine, andere zwischen den Schenkeln einer Frau. In ihrer ersten Nacht hatte Giselle auf dem Fußboden geschlafen, in der zweiten hatte sie einen langen Rock von sich aufgeschnitten und als Laken über die Matratze gelegt. Damit ging es halbwegs. Trotzdem fühlte sie sich schmutzig und das war auch das Wort, mit dem sich die Unteren Ebenen Coruscants am besten beschreiben ließen. Hier unten war alles schmutzig: die Straße, an deren Seiten sich Berge von Müll türmten, die Wände der Gebäude, von denen Putz und Steine abbröckelten, die Menschen und Nichtmenschen, die nach Schweiß stanken und sogar das Wasser, das einen leichten braunen Film hinterließ, wenn es - angeblich frisch - aus der Leitung kam. Hierher hatte es Giselle verschlagen und sie wusste genau, warum. Sie war so unvorsichtig gewesen war, sich auf einen Mann wie Exodus Wingston einzulassen. Als sie gemerkt hatte, dass sie begann etwas für ihn zu empfinden, hätte sie sich sofort von ihm lösen sollen. Sex ohne Gefühle war das eine, Sex mit Gefühlen, die nicht erwidert wurden, eine ganz andere, gefährliche Sache. Genau die hatte Giselle hierher geführt, zu Shak's Bar.

Sie tanzte jeden Tag, vom späten Nachmittag bis tief in die Nacht, vor dem Publikum bestehend aus trunkenrer Männer, die nichts anderes zu tun hatten als das wenige Geld, das sie besaßen, für Bier und Frauen auszugeben. Giselle vermutete, dass Alea, die blauhäutige Kellnerin, schon für ein paar Credits alles tat, das man von ihr verlangte. Sie hatte Andeutungen in diese Richtung gemacht. Für Giselle bestand der Job nur aus Tanzen. Shak wollte zwar, dass sie sich dabei auszog, doch sie hatte ihm bewiesen, dass es auch ohne ging. Sie schob nur manchmal ihren Rock etwas höher, bewegte sich lasziv. Giselle hatte das Tanzen professionell gelernt, sie wusste genau, was sie tun musste, um sexy zu sein. Der Haken an der Sache war die dürftige Bezahlung. Giselle bekam noch weniger als bei ihrem Küchenjob im Diner, doch immerhin war das Zimmer über der Bar kostenlos. So klein und herunter gekommen das auch war, es war ein Dach über dem Kopf, auf das sie nicht verzichten konnte. Kurz vor Mitternacht war am meisten los. Giselle wusste nicht, woran es lag, doch in dieser Zeit war die Bar in den vier Tagen, in denen sie jetzt hier war, am meisten frequentiert worden. Sie tanzte auf einer kleinen Erhebung im hinteren Teil des Schankraums (eine Bühne konnt man die wenigen Quadratmeter, auf denen sie sich bewegen konnte, kaum nennen) und spürte dort die Blicke der Männer auf sich. Ein paar von ihnen waren Menschen, doch der Großteil waren Nichtmenschen, die meisten unter ihnen Spezies, die Giselle noch nie gesehen hatte, nicht einmal bei der republikanischen Flotte, deren Schiffsbesatzungen sehr gemischt gewesen waren. Sie versuchte, die Aufmerksamkeit zu ignorieren, insbesondere die Lüsternheit in den Augen ihrer Zuschauer. Wenn sie glaubten, die Tänzerin wäre käuflich, hatten sie sich geirrt.

In dämmrigen Licht ihrer Kammer wusch sich Giselle an dem alten Waschbecken. Eine richtige Nasszelle gab es nicht. Die Toilette teilte sie sich mit Alea, die ebenfalls ein Zimmer über dem Schankraum besaß. Es war ein wenig größer als Giselles und etwas komfortabler. Alea schien schon länger hier zu leben, ein Gedanke, der Giselle unwohl werden ließ, denn wenn Alea bisher keine bessere Arbeit und keine bessere Bleibe gefunden hatte, wieso sollte es dann ausgerechnet ihr selbst gelingen? Es klopfte an der Tür, als sie gerade dabei war, sich abzutrocknen. Giselle schlang sich ihr Handtuch um den Körper.


“Wer ist da?“

Wollte sie wissen. Wer in den Unteren Ebenen seine Tür nicht absperrte, war selbst Schuld, wenn er im Schlaf überfallen, erstochen und ausgeraubt wurde.

„Shak.“

Antwortete eine tiefe Stimme. Es war das erst Mal, dass der Arkanier mit dem kurz geschorenen, weißhaarigen Schädel zu ihrer Kammer hinauf kam. Giselle zog das Handtuch noch ein wenig fester um sich, bevor sie die Tür öffnete. Er hielt ihr einen Beutel aus Plastik hin.

„Was zu essen.“

Teilte er ihr mit.

„Nimm schon. Damit was an dich dran kommt.“

Sie nahm den Beutel entgegen. Er war schwerer, als sie gedacht hatte. Die Geste der Hilfsbereitschaft verwirrte sie. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Barbesitzer nicht wie ein Samariter benommen. Er hatte ihr einen Job gegeben und ließ sie in der Kammer schlafen, doch er bezahlte sie schlecht und wurde nicht müde, zu betonen, dass sie sich ein zusätzliches Trinkgeld verdienen könnte, wäre sie nicht so prüde und würde sich endlich ausziehen. Als sich jetzt ein berechnendes Grinsen in seinem Gesicht abbildete, wurde Giselle bewusst, dass er noch immer genau darauf wartete. Sein Blick wanderte über ihren Körper entlang, über Stellen, die nicht von dem rauen Handtuch verdeckt waren. Giselles Schulterknochen standen spitz hervor, das taten sie immer, doch sie wusste selbst, dass sie in den letzten Tagen noch weniger gegessen hatte als üblich.

“Danke.“

Sagte sie, ohne das Gesicht zu verziehen. Abzulehnen, das wusste sie selbst, wäre dumm. Shak grinste weiter, doch sein Blick hatte nichts freundliches. Wenn überhaupt, machte er Giselle Angst. Sheela hatte sie vor diesem Mann gewarnt und das würde sie im Hinterkopf behalten.

- Coruscant – Untere Ebenen – Shak's Bar – Zimmer über dem Lokal -
 
[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Penthouse – Dachterrasse ]

Nach den letzten Informationen von Zeth D’jek arbeitete Giselle in einem Diner in den mittleren Ebenen. Sie war dort in der Küche beschäftigt, ein Job für den sie sicher nicht ausgebildet war. Nachdem sie sich von neuen Bekanntschaften hatte durchbringen lassen, war sie jetzt also auf sich allein gestellt und verdiente ihr eigenes Geld. Genau wie Exodus nun wieder auf sich allein gestellt war. Der Vizepräsident stand nach einem anstrengenden Arbeitstag auf der Dachterrasse des Penthouses und sah hinaus in die Dunkelheit, die niemals dunkel wurde. Manchmal konnte man die Nacht auf Coruscant nur erahnen, so hell blieb es selbst zu später Stunde. Exodus blickte hinunter in die Tiefe. Natürlich hatte er die genauen Koordinaten von Giselles Arbeitsstelle schon herausgefunden – und sogar mit dem Gedanken gespielt, sie dort unten heimlich zu besuchen. Aber solange sie in einer Küche eingesperrt war, würde er keinen Blick auf sie werfen können. Und selbst wenn er es konnte, sie würde ihn ebenfalls sehen und sofort abweisen. In dieser Hinsicht war sie sehr deutlich gewesen. Mit müden Augen suchte er die Lichtpunkte unter ihm nach Giselles Diner ab, wohl wissend, dass dies ein vergeblicher Versuch bleiben würde.

„Ich bin froh, dass du sie weggeschickt hast.“

Die Stimme ließ Exodus aufschrecken, obwohl sie ihm so vertraut war wie kaum eine andere. Alad Wingston schritt neben ihm an das Geländer und Exodus konnte dem Gedankengang seines Vaters durch dessen plötzliches Auftauchen nicht sofort folgen.

„Hm?“

„Die Frau. Giselle. Es ist gut, dass du es nach dem Desaster auf Alateens Empfang beendet hast.“

Exodus blickte seinen Vater verständnislos von der Seite an, seinen Mund zur Erwiderung halb geöffnet. Alad ließ sich davon nicht irritieren und fuhr fort:

„Sie war schlechter Einfluss für dich. Das hat man gestern Abend deutlich gesehen. So einen Ausfall hattest du schon lange nicht mehr.“

Der alte Mann besah seinen Sohn mit einem sorgenvollen Blick und Exodus fühlte sich plötzlich wieder wie ein kleiner Junge. Die Verständnislosigkeit war allerdings nicht aus seiner Miene gewichen. So einen Ausfall hatte er schon lange nicht mehr gehabt? Was sollte das denn heißen?! Sah sein Vater in ihm einen labilen Choleriker, der jederzeit explodieren konnte? Einen Sith, der nur den kontrollierten Geschäftsmann, den Vater, den Ehemann spielte? Das alles lag hinter ihm! Der Ausbruch auf dem Empfang hatte nichts mit seiner Vergangenheit zu tun und nichts mit der dunklen Seite. Es war ein Streit gewesen wie jeder andere.

„Ich habe sie nicht weggeschickt.“

stellte er energisch klar und fuhr mit der rechten Hand durch die Luft.

„Sie ist selbst gegangen.“

Jetzt war es sein Vater, der durch ein Stirnrunzeln Verständnislosigkeit ausdrückte. Mit dem Ellbogen stützte sich Alad auf dem Geländer ab und drehte sich zu Exodus herum. Langsam schüttelte er den Kopf und sah seinen Sohn einen zweifelnd an.

„Wieso das? Sie hatte hier doch alles, was sie wollte. Geld, Aufmerksamkeit, …“

Obwohl er Exodus für zumindest teilweise labil zu halten schien, betrachtete er seinen Sohn immer noch als gute Partie. Oder zumindest erkannte er, dass Exodus Frauen gewisse Dinge bieten konnte, auch wenn diese Dinge größtenteils auf Alads eigene gute Vorarbeit zurückgingen. Giselle steckte er allerdings in eine Schublade, in die sie nicht hinein gehörte.

„So ist sie nicht.“

Exodus bedachte seinen Vater mit einem Kopfschütteln, ehe sein von Resignation gezeichneter Blick wieder hinaus in das Meer aus kleinen, blinkenden, sich bewegenden und die Farbe wechselnden Lichtern unter ihnen wanderte.

„Das Geld war ihr egal. Sie will sich selbst durchschlagen.“

Giselle war dort draußen, dort unten besser gesagt, und soweit er aus Zeth D’jeks Berichten wusste, ging ihr Plan bisher nur mäßig auf. Ihr war zwar noch nichts Ernsthaftes zugestoßen, aber rosig sah ihr Leben auch nicht aus. Es wäre so leicht sich einzumischen und dafür zu sorgen, dass es ihr besser ginge. Aber wieso sollte er das tun? Sie würde ihn nur wieder abweisen.

„Aber das ergibt doch keinen Sinn. Coruscant wird sie verschlingen.“

„Ich weiß. Das habe ich auch gesagt.“

Damit musste seinem Vater klar sein, dass Exodus den Versuch unternommen hatte, die Vahla zum Bleiben zu bewegen. Trotzdem dachten Vater und Sohn in dieser Hinsicht gleich. Coruscant war kein einfaches Pflaster, insbesondere ohne Geld oder die richtigen Beziehungen. Sie hatten dies beide schon erlebt und für einen Moment gab es nichts weiter dazu zu sagen. Weder verspürte Exodus große Lust das Thema weiter zu vertiefen, noch schien sein Vater weiter über Giselle reden zu wollen. Exodus war versucht das Schweigen als kleines Friedensangebot zu deuten. Doch dann durchbrach Alad die Stille und griff das Gespräch mit sanfter Stimme wieder auf.

„Du solltest es vielleicht wirklich noch einmal mit Yuna versuchen. Ihr beide seid ein gutes Paar.“

Schlagartig fuhr Exodus zu dem älteren Mann herum.

„Vater!“

Sein Gesicht verzerrte sich in einer Mischung aus Wut und Trauer. Unwillkürlich hob er die Stimme und stieß sich dabei vom Geländer der Dachterrasse ab.

„Yuna hat mich verlassen!“

Mit wütendem Schnauben stierte er seinen Vater an, drehte sich dann herum und stapfte zielstrebig auf die Tür zum Penthouse zu. Der Druck auf den Türöffner glich eher einem Schlag und die Tür öffnete sich nur quälend langsam. Mit bebender Unterlippe drehte sich Exodus noch einmal um und sah dem alten Mann in die Augen.

„Sie verlassen mich alle, verstehst du?!“

Dann durchschritt er den Wohnbereich ohne sich ein weiteres Mal nach seinem Vater umzusehen und peilte den Turbolift an. In seinem Büro würde er Ablenkung finden. Arbeit lenkte ihn immer ab, wenn es ihn auch nicht auf gute Gedanken brachte. Zu tun gab es immer etwas. Wie konnte sein Vater nur immer wieder mit Yuna ankommen? Wieso konnte der alte Mann nicht akzeptieren, dass die Ehe seines Sohnes gescheitert war? Wieso versuchte er nicht, es Exodus leicht zu machen, in dem er gerade nicht darüber sprach? So wurde alles nur schlimmer und die alten Wunden immer wieder aufgerissen.
Als Exodus den Turbolift gerade erreicht hatte, vibrierte das Comlink in seiner Hosentasche. Für einen Augenblick wollte er es ignorieren, wollte nichts hören von niemandem. Doch es bestand immer die Möglichkeit, dass eine Nachricht von D’jek kam und das allein war Grund genug nachzusehen. In einer fließenden Bewegung zog Exodus das kleine Gerät aus seiner Tasche – und spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, als tatsächlich der Name des Privatdetektivs auf dem Display erschien. Nur zwei Meter vor ihm kündigte der Turbolift seine Ankunft mit einem leisen Klingen an, gefolgt von dem sanften Öffnen der Kabinentür. Exodus entging dies völlig, während seine Augen über die so sehnsüchtig herbeigesehnten Zeilen huschten. Giselle hatte einen neuen Job, in einer Bar in den unteren Ebenen. Doch sie arbeitete dort nicht als Kellnerin und auch nicht als Köchin. Sie tanzte.
Giselle tanzte wieder! Unwillkürlich musste Exodus an ihren Auftritt in der Red Square Bar denken. Verdammt, das musste er noch einmal sehen! Egal wie schmierig die Bar auch sein mochte, egal wie finster die Gestalten waren, die sie dort begafften – er konnte nicht hier oben sitzen und Däumchen drehen, wenn er wusste, dass die Vahla wieder tanzte, dass sie ihre Hüften kreisen ließ und ihren grazilen Körper zum Takt der Musik bewegte. Sie war jetzt angekommen am Bodensatz des Planeten, in den Tiefen der Stadt, aus denen man aus eigener Kraft kaum herauskommen konnte – und es war perfekt! An einem Ort, den kein Sonnenstrahl mehr erreichte, und an dem die meisten Leute mit gesenktem Blick durch die Straßen liefen, um das Elend nicht sehen zu müssen oder zu verhindern die Aufmerksamkeit der falschen Leute auf sich zu lenken, konnte man nicht so leicht erkannt werden. Die Fähigkeit Unterzutauchen war in den unteren Ebenen überlebensnotwendig. Ein Mann mit hochgeschlagenem Kragen, der im dreckigen Schatten einer Bar saß und sich den Abend versüßte, indem er einer der Tänzerinnen zusah, würde nicht auffallen. Etwas besseres hätte ihm kaum passieren können. Giselle würde wieder für ihn tanzen – ob sie wollte oder nicht.


[ Coruscant – City – Wingston Corp. – Penthouse ]
 
- Coruscant – Untere Ebenen – Shak's Bar – Zimmer über dem Lokal –

Sie hatte schlecht geschlafen. Müde genug war sie gewesen, doch irgendwann hatte es unten auf der Straße einen Aufruhr gegeben. Giselle konnte sich nicht an viel erinnern. Sie war nur einmal kurz im Halbschlaf ans Fenster geschlichen, hatte die mottenzerfressenen Vorhänge zur Seite geschoben und vorsichtig nach draußen geschaut. Eine Gruppe von Männern hatte dort einiges an Aufsehen erregt. Sie hatten geschimpft und randaliert, Mülltonnen waren umgeworfen worden und ein dunkler Fleck auf dem Asphalt ließ darauf schließen, dass sie auch handgreiflich geworden waren. Giselle war wieder zurück in ihr Bett gekrochen, hatte sich die dünne Decke über den Kopf gezogen und sich danach ziemlich lange hin und her gewälzt. Man mischte sich nirgendwo ein, diese Lektion hatte sie bereits gelernt. Am besten tat man so, als wäre man gar nicht da. Vor zwei Tagen hatte Alea ihr genau das eingetrichtert, als es in der Bar zu einer Schlägerei gekommen war. Giselle hatte helfen wollen, als einer der Beteiligten verletzt worden war, doch ihre Kollegin hatte sie abgehalten. Hier unten, sagte sie, achtete jeder nur auf sich. Man riskierte zu viel, wenn man sich in die Probleme anderer hinein ziehen ließ. Es war eine harte Einstellung, doch wahrscheinlich lag sie damit nicht falsch. Der Verletzte war ursprünglich nicht in den Streit verwickelt gewesen, sondern hatte die Schläger aufgefordert, ihre Angelegenheiten draußen zu regeln. Sie hatten sich gemeinsam auf ihn gestürzt.

Sie zog eine feine schwarze Linie an ihrem oberen Augenlid entlang, erst an dem einen, dann an dem anderen, und setzte silbrig schimmernde Highlights direkt unterhalb der Augenbrauen. Früher, beim Zirkus, hatte es länger gedauert sich für einen Auftritt zurecht zu machen. Sie waren zu mehreren gewesen, hatten gelacht und gescherzt und manchmal sogar die eine oder andere Flasche Sekt gemeinsam geleert, während sie untereinander ihre Schminke ausgetauscht und sich gegenseitig ihre Kostüme geflickt hatten, wenn mal wieder irgendwo eine Naht gerissen war. Es waren bunte, aufregende Abende gewesen, an die Giselle sich erinnerte, warme Sommernächte und späte, gemütliche Lagerfeuer. Und sie erinnerte sich an Morten. Eine Zeit wie diese hatte sie niemals wieder gehabt. Keiner ihrer Auftritte hatte sich nach Arbeit angefühlt, kein einziger. Sie hatte immer gerne vor Publikum getanzt, bis sie hierher gekommen war. In den Unteren Ebenen Coruscants war alles anders. Sie musste sich keine sonderliche Mühe mit ihrem Aussehen geben. Ein leichtes Betonen der Augen genügte völlig. Es achtete sowieso niemand darauf. Hier bewunderte niemand die Kunst des Tanzes, die einstudierte Choreoprahie oder die phantasievoll genähten Kostüme. Alles was die Männer, die hier her kamen, sahen, war eine leicht bekleidete Frau. Ein Stück Fleisch. Es war entweder das, oder sie sahen gar nichts, weil sie die Tänzerin nicht einmal beachteten. Viele kamen nur in die Bar, um sich zu trinken. „Die ham nix andres‘ zu tun.“, hatte Alea zu Giselle gesagt, und wenn sie daran dachte, wie schwer es allein für sie war, einen ordentlich Job zu finden, dann wusste sie auch, warum. Die Ersten saßen schon über ihrem Bier, als sie nach unten kam. Es war noch früh und im Laufe des Abends würden es mehr werden. Für die Musik war Giselle selbst verantwortlich. Shak hatte keine Lust, sich um solche Dinge zu kümmern. Er saß die meiste Zeit in seinem beengten Büro gegenüber der Toiletten und sah sich die Übertragung von Grav Ball Spielen im Holo-TV an. Zwischendurch bekam er immer wieder Besuch, dann ging die Tür hinter ihm zu und er wickelte seine illegalen Geschäfte ab. Möglich, dass er mit Drogen handelte, oder andere Dinge, die Giselle sich lieber gar nicht erst vorstellen wollte. Sie hatte keine Angst vor Shak, aber sie hielt so viel Abstand zu ihm wie möglich. Jetzt, wo es noch so früh war, hielt sie die Musik noch leiser. Alea würde erst zur späteren Schicht kommen, doch ihre Kollegen Asshia war schon da und Giselle half ihr beim Abwischen der Tische. Sie gähnte, als sie den feuchten Lappen zur Bar zurück brachte und auswusch.


„Junge, siehst du müde aus.“

Beobachtete die Twi’lek. Giselle grinste schief.

“Ich fühle mich auch so.“

Gab sie zu.

“Heute Nacht war’s draußen ziemlich laut.“

„Dann trink viel Koffein, irgendwas das dich wach hält. Das wird ein laaaanger Abend.“

Wahrscheinlich hatte sie Recht. Wenn Giselles Glieder schon jetzt so schwer waren, wie sollte sie dann noch ein paar weitere Stunden durchhalten und dabei auch noch tanzen?

„Ich mach dir nen‘ Kaf. Einen starken.“

Asshia griff nach einer Tasse, füllte sie mit einer dunklen Flüssigkeit und schob sie Giselle über die Theke zu. Der Geruch war verführerisch und die das heiße Getränk dampfte. Als sie einen Schluck probierte, verzog Giselle jedoch das Gesicht.

“Eww.“

Asshia lachte.

„Och komm, so schlecht ist er auch wieder nicht!“

Giselle probierte ein weiteres Mal.

“Schmeckt irgendwie… metallisch.“

Urteilte sie.

„Ich gebe zu, es ist nicht der beste Kaf.“

Die Twi’lek zuckte mit den Schultern.

„Aber du bist hier auch nicht in den Oberen Ebenen. Nicht, dass ich wüsste, wie der Kaf dort schmeckt.“

Sie zuckte mit den Schultern und obwohl ihre Worte locker waren und keine Schwermut in ihrer Stimme lag, überkam Giselle eine dunkle Vorahnung.

“Bist du schon mal oben gewesen?“

Wollte sie wissen. Asshia schüttelte den Kopf.

„Die wenigsten sind das.“

Antwortete sie sachlich und es sah nicht so aus, dass ihr diese Tatsache zu schaffen machte. Wenn man nichts anderes kannte, nichts anderes gewohnt war, dachte Giselle, war es dann leichter zu akzeptieren, an einem Ort wie diesem zu leben? Es gab auf Coruscant keine Natur, aber in den Oberen Ebenen gab es zumindest künstlich gepflanzte Bäume und Pflanzen in den Einkaufszentren und Museen. Hier gab es nichts von alldem. Asshia hatte noch nie grüne Blätter gesehen, war noch nie barfuß in einer Wiese gelaufen. Die Erkenntnis rief großes Heimweh in Giselle hervor, nicht nach einem bestimmten Ort, aber irgendwo dort hin, wo sie wieder unter freiem Himmel schlafen und die Sterne sehen konnte.

Der Kaf erfüllte seine Pflicht und vertrieb einen Teil von Giselles Müdigkeit. Sie hatte ihre Tasse tapfer ausgetrunken und nahm später sogar noch eine zweite, auch wenn ihr das dunkle Gebräu nicht wirklich schmeckte. So aber überstand sie wenigstens den Abend. Die Bar wurde mit jeder Stunde voller. Billiges Bier und Ale flossen in großen Strömen und Giselle passte ihren Tanz dem rhythmischen Rauschen der Musik an. Sie trug schwarze Spitze. Da wo sie her kam, wäre so etwas verpönt gewesen, aber hier mochten die Männer das. Ihre Bewegungen waren fließend, ihr Tempo langsam. Giselle bog ihren Rücken nach hinten, stellte ihre Biegsamkeit zur Schau, und hob an anderer Stelle ein Bein weit nach oben, in die Horizontale, während ihr Oberkörper sich zum Boden senkte. Wenn die Musik schneller wurde, ließ sie die schmalen Hüften kreisen. Wie üblich waren die meisten Leute kurz nach Mitternacht da. Irgendwann vorher war Asshia von Alea abgelöst worden und in Shaks Büro herrschte mal wieder reges Kommen und Gehen. Giselle versuchte, sich nur auf sich zu konzentrieren. Je später es wurde, desto mehr ließ die Wirkung des Kafs doch wieder nach. Sie freute sich auf ihr Bett, freute sich darauf, von blauen Himmeln und duftenden Wildblumen zu träumen und Coruscant hinter sich zu lassen, irgendwann.


- Coruscant – Untere Ebenen – Shak's Bar –
 
[ Coruscant – Untere Ebenen – Shak’s Bar ]

Das Bier schmeckte scheußlich. Es war eben erst frisch aus dem Zapfhahn geflossen und doch kam es Exodus vor, als hätte es schon stundenlang auf der Theke gestanden. Das Getränk war schal und irgendwas stimmte auch mit der Farbe nicht. Es war so blass, dass man glauben konnte, es enthielte größtenteils Wasser. Aber Exodus war auch nicht wegen des Bieres hier. Er war wegen ihr hier. Wegen der Tänzerin, die sich gerade in schwarzer Spitze auf der kleinen Bühne für die gaffenden und geifernden Männer darbot. Sie war dünner als Exodus sie in Erinnerung hatte, doch ansonsten hatte sie nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Der Vizepräsident saß in der dunkelsten Ecke der Bar, um sich unerkannt die Show anzusehen – eigentlich viel zu weit weg für seinen Geschmack, viel zu weit um überhaupt ordentlich sehen zu können. Trotzdem war er Giselle somit näher als in den ganzen letzten Wochen, näher als er ihr seit ihrem Abschied gekommen war. Und das musste für den Anfang reichen.
Die ganze Szenerie erinnert ihn an ihre erste Begegnung in der Red Square Bar auf Fresia. Die Vahla hatte dort getanzt – wenn auch mit etwas mehr Bekleidung, einem Tanzpartner und in einer saubereren Location – und er hatte an der Bar gesessen und etwas getrunken. Damals war er mit einer Geschäftsfrau verabredet gewesen, für die er allerdings keinen Blick mehr übrig gehabt hatte, nachdem die geheimnisvolle Tänzerin auf der Bühne erschienen war. Giselles Tanz wirkte hypnotisch auf ihn. Damals wie heute. Und so verbrachte er eine gute halbe Stunde in der Bar und sah ihr einfach nur zu. Gelegentlich nippte er an dem scheußlichen Bier, doch eigentlich hatte er nur Augen für Giselle. Es ärgerte ihn, dass ihr nicht jeder in der Bar so viel Beachtung schenkte. Viele Gäste schienen sie kaum zu bemerken und gaben entsprechend wenig Trinkgeld. Vermutlich verdiente die Vahla hier ohnehin schon fast nichts – dabei hätte Giselle die Hauptattraktion sein müssen. Der Trandoshaner neben ihm wirkte hingegen ähnlich fasziniert von der blonden Tänzerin wie Exodus. Er betrachtete ihn eine Weile und sprach ihn schließlich an.


„Hey! Hast du Lust auf ein Bier?“

Erst tat der Trandoshaner so, als hätte er Exodus nicht gehört, nach einigen Sekunden blickte er aber doch hinüber, schweigend. Das Echsenwesen wirkte skeptisch – und das zu Recht. In den unteren Ebenen gab es keine Geschenke. Aber das hier sollte auch keines werden.

„Du könntest mir dafür einen Gefallen tun.“

schob Exodus nach, zuckte mit den Schultern und konnte damit tatsächlich den Argwohn aus den Augen des Anderen vertreiben, ehe sein Blick wieder zur Bühne wanderte.

„Hab schon ne ganz schön trockene Kehle.“

gab der andere zurück und zog seinen Barhocker näher zu Exodus herüber. Damit waren sie dann wohl im Geschäft. Exodus klopfte auf die Theke und bestellte ein Bier für seinen neuen Bekannten. Der unmotivierte Barkeeper schob ihm ein Bier rüber und Exodus reichte es weiter, allerdings ohne den Blick von [color=slategray=slategray]Giselle[/color] abzuwenden. Normalerweise blühte sie beim Tanz auf und war voll in ihrem Element. Heute wirkte sie blass, müde und unglücklich. Es war nur noch ein Job, keine Leidenschaft.

„Blondie? Sie ist heiß, was!“

Der Trandoshaner entblößte seine scharfen Zähne zu einem Grinsen. Exodus runzelte die Stirn und bedachte den anderen mit einem argwöhnischen Blick, was dem anderen allerdings entging, da sich seine kleinen Augen nun ebenfalls an die Vahla geheftet hatten. Es war nicht richtig, dass Giselle hier so wenig Aufmerksamkeit bekam. Doch es gefiel Exodus ebenso wenig, dass sich hier jeder für ein billiges Bier an seiner Giselle ergötzen konnte. Das war einfach nicht richtig – sie sollte sich hier nicht so zur Schau stellen. Blondie … dieser Idiot kannte nicht mal ihren Namen! Er verdiente es nicht Giselle überhaupt anzusehen.

„Stimmt.“

erwiderte Exodus dennoch kurz angebunden und schluckte alle anderen Gedanken, die ihm noch auf der Zunge lagen, herunter. Unter keinen Umständen durfte er auffallen, sonst würde Giselle vor ihm davon laufen, zu einer anderen Bar vielleicht oder auch nur unter eine andere Brücke. Damit verlor er auch die Möglichkeit erneut herzukommen und sie sich anzusehen, im Stillen aus seiner dunklen Ecke heraus.

„Also … wegen des Gefallens.“

Der Trandoshaner stierte weiter zur Bühne, geradeso als wollte er Exodus ignorieren. Der Geschäftsmann ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, griff in seine Hosentasche und holte einen schmalen Creditchip heraus, auf dem sich nicht viel Geld befand. Ein kleines Trinkgeld, mehr nicht. Exodus legt den Chip auf die Theke und schob ihn zu dem anderen Gast hinüber. Plötzlich hatte er die Aufmerksamkeit des Echsenwesens zurückgewonnen.

„Kannst du nach vorne gehen und der blonden Tänzerin dieses Trinkgeld zustecken?“

„Warum machst du’s nicht selbst?“

Trotz seiner Gegenfrage hatte der Trandoshaner schon seine Krallen auf den Creditchip gelegt, sodass beide Männer eine der Seiten berührten.

„Ich habe eben meine Gründe. Tust du’s nun?“

„Naja … ein Blick aus der Nähe könnte wohl nicht schaden.“

Der Trandoshaner grinste ihn wieder mit seinen spitzen Zähnen an. Der Typ gefiel Exodus nicht, aber einen besseren Handlanger würde er auf die Schnelle nicht finden.

„Na dann los.“

befahl Exodus ihm und löste seine Finger vom Creditchip. Der andere steckte ihn sich in die Jackentasche, leerte sein Bier in einem Zug aus und erhob sich dann schwerfällig von seinem Barhocker. Exodus folgte ihm mit dem Blick, sah wie er sich langsam zum Mittelgang der Bar schob und Anstalten machte, sich auf die Bühne zuzubewegen. Dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz herum, warf noch einen gehetzten Blick hinüber zu Exodus in die Dunkelheit und rannte auf den Ausgang zu. Dann war er weg. Exodus‘ Augen verengten sich zu Schlitzen.

Arschloch.“

murmelte er, stand jedoch nicht auf um den Typen zu verfolgen. Er durfte keine Aufmerksamkeit erregen. Und die wenigen Credits, die der Trandoshaner nun erbeutet hatte, waren es sowieso nicht wert. Trotzdem: Mit diesem Trinkgeld hätte sich Giselle etwas zu Essen kaufen können, etwas Besseres als den üblichen Fraß, den sie sich vermutlich nur leisten konnte. Es war niemals sein Ziel gewesen, sie hungern zu lassen und doch war es jetzt soweit gekommen. Seufzend lehnte sich Exodus gegen die Bar und sah der Vahla wieder beim Tanz zu. Sie war an der Misere selbst Schuld, das wusste er. Und trotzdem fühlte er sich auf eigentümliche Art verantwortlich. Es gab nur nichts, was er tun konnte.

[ Coruscant – Untere Ebenen – Shak’s Bar ]
 
*NPC-Post für Voth
[ Coruscant - Untere Ebenen - Ebene 1138- Bar 'Recharge Station' - Senior Operative Nek Huntz ]

Unauffällig, ganz seiner reptilienhaften Natur folgend schob sich der Trandoshaner Nek durch die Menge. Es war laut. Musik dröhnte aus irgendwelchen Lautsprechern an der Decke und beschallte die Gäste auf der Tanzfläche, am Tresen und an den Tischen mit eintönig bebender Musik. Manche von ihnen waren hier um sich fallen zu lassen, den alltäglichen Stress zu vergessen und mit Hilfe von Alkohol und Betäubungsmitteln in eine Welt abzudriften, die schmerzlos war. Nicht so Nek. Ihn betörte die laute Musik nicht. Stören ließ er sich davon allerdings ebenfalls nicht, er nahm sie nicht einmal wirklich wahr. Während seiner Ausbildung hatte er gelernte solche Störfaktoren auszublenden. Ihn interessierte nur eins. Eine Menschenfrau mittleren Alters hatte die ‚Recharge Station‘ vor wenigen Sekunden betreten. Er musste sie ausfindig machen. Eigentlich sollte das nicht zu schwer sein. Nicht viele Menschen verirrten sich in diese Bar, die so weit entfernt von der kultivierten Oberfläche war. Sonnenlicht hatte diesen Ort schon mehrere Jahrhunderte nicht mehr erreicht. Stattdessen war das Innere der Bar in neonhafte Lila-und Pink-Töne getaucht. Ansonsten waren besonders die Ecken in Dunkelheit getaucht, die sich generell dazu eigneten, seine inoffiziellen Geschäfte dort abzuwickeln. Für viele Agenten des imperialen Geheimdiensts wäre dies zum Problem geworden, für ihn jedoch nicht. Mit seinen orange-roten Augen konnte er in Spektren sehen, die für andere verborgen blieben. Dunkelheit war dank seiner Fähigkeit, ‚infrarot‘ sehen zu können, kein wirkliches Problem. Schwierigkeiten bereitete da eher der schwielige Geruch der Schweißdrüsen verschiedenster Spezies , der sich mit dem Duft von konsumierten Genussmitteln, die solche, die es mochten, an den Tischen über die Lunge einnehmen konnten, vermischte. Der Gestank lagerte sich auf seiner Zunge ab und bereitete ihm Übelkeit.

Mit der rechten Klaue voran bahnte er sich langsam, beinahe behutsam seinen Weg durch die Besucher. Die Augen weit aufgerissen sah er von links nach rechts und versuchte irgendwo den blonden Schopf auszumachen, auf den er sich fixiert hatte. Tagelang beobachtete er sie nun. Sie stand unter Verdacht einer örtlichen Terrorzelle anzugehören, die sich dem Widerstand gegen die imperiale Regierung verschrieben hat. Zwar war der Friedensvertrag zwischen Neks Arbeitgeber und der Neuen Republik erst gestern geschlossen worden und Coruscant damit überraschend in die Hände der Rebellen gefallen, doch noch waren sie nicht hier. Er hatte Monate an dieser Operation gearbeitet und würde sie sich nun nicht mehr nehmen lassen.

Ein wirbelnder Holo-Scheinwerfer, der der Allgemeinheit durch optische Effekte Vergnügen bereitete, lenkte die Aufmerksamkeit des Senior Operative auf einen Tisch, der etwas erhöht auf einer zweiten Ebene über der Bar thronte. Dort erspähte er sie. Ihre goldenen Haare waren in dieser Umgebung einzigartig und unverkennbar. Geduldig glitt sein Blick weg von ihr, entlang des stählernen Gerüsts, das über eine Treppe die Verbindung zwischen den beiden Ebenen darstellte. Leise zischte er, während er einen männlichen Bith zur Seite schob, der offensichtlich angetrunken über die Tanzfläche zur Bar torkelte und ihm den Weg versperrte. Dann setzte er einen Fuß nach dem anderen auf die Treppe. Er wollte um jeden Preis verhindern, Aufmerksamkeit zu erregen und so stahl er sich unbemerkt ein blauleuchtendes Getränk vom Tablett eines vorbeieilenden Angestellten, nahm einen Schluck und versuchte wie einer der betäubten Gäste zu wirken. Zur Hilfe kam ihm dabei ein wieder der Bith, der ihm auf die zweite Ebene gefolgt war und nun felsenfest behauptete ihn zu kennen. Nek ließ sich auf das Spiel ein, schlang einen Arm um die Schulter des Nichtmenschen, grölte erheitert und torkelte zusammen mit ihm an den Tisch, den die Zielperson im Rücken hatte. Beide setzten sich, wobei der Bith einige unverständliche Sätze vor sich hin brabbelte, ehe er abtauchte und den Boden mit Erbrochenem bedeckte. Wieder zischte Nek, ließ sich jedoch erneut auf das Schauspiel ein und lachte in einem dunkel-zischendem Ton. Nachdem sein betrunkener Statist wieder aufgetaucht war, schwankte sein Kopf gefährlich, und landete schließlich mit einem lauten Knall auf der Tischplatte. Der Gesprächspartner der Verfolgten lehnte sich kurz zur Seite und sah nach dem Rechten. Das lief zwar alles nicht nach dem ursprünglichen Plan des trandoshanischen Jägers, doch es erfüllte seinen Zweck. So erhaschte er schließlich einen Blick auf das Gesicht der männlichen Person.

Aufregung machte sich in ihm breit, als er es erkannte. Unter dem Kapuzenmantel deutete er die Züge von Dan Kilian, einen Hochkaräter der aufrührerischen Widerstandszelle. Sofort schnellten seine Hände unter die Tischplatte. Er sendete eine knappe Nachricht an seinen Vorgesetzten, ehe er das Miniatur-Comlink wieder in seinen Taschen verstaute. Dann tat er so, als würde er sich über den Tisch beugen, um das Wohlergehen seines Freundes zu kontrollieren und zog stattdessen einen versteckten Blaster aus dem Brusthalfter.

Die nächsten Schritte mussten wohl überlegt sein. Sollte er die beiden hier und jetzt stellen? Er war sich nicht sicher. Was, wenn er die beiden bis zum Unterschlupf verfolgen konnte und damit als Held seiner Einheit dastände? Trandoshaner waren Jäger und immer auf der Suche nach der größeren Beute. Wollte er zwei Fische fangen, oder gleich den ganzen Schwarm?

Die Antwort wurde ihm schnell klar. Er verstaute den Blaster wieder und nahm sich stattdessen seinen Cocktail zur Hand. Über den Glasrand hinweg konnte er sehen, wie die blonde Frau nervös zuckte. Ahnten sie etwas?

Noch bevor er sich der Situation bewusst wurde, stand sie auf, packte die Lehne ihres Stuhls und schlug mit voller Wucht zu. Ein höllischer Schmerz machte sich in Neks Schläfe breit und für Bruchteile einer Sekunde wurde ihm schwarz vor Augen. Ehe er einen weiteren Gedanken fassen konnte, sah er wie beide Subjekte einen Satz über das Geländer machten und auf der Theke der Bar landeten. Hektisch wühlte der Agent nach seinem Blaster.

„Halt!“, rief er, als er den Griff zu packen bekam. Natürlich machte niemand Anstalten seinen Worten Folge zu leisten. Plötzlich löste sich ein Blasterschuss aus Richtung der Flüchtenden und zwang den Trandoshaner erneut nieder. Zischend fegte der Energiestrahl über seinen schuppigen Kopf hinweg und traf eine der Lampen hinter ihm, die funkensprühend in ihre Einzelteile zersprang. Keine weitere Sekunde verschwendend, hechtete er ebenfalls über das Geländer und nahm die Verfolgung der beiden Flüchtenden auf. Der Blasterschuss hatte jedoch Gäste und Personal in helle Aufregung versetzt, so dass alle in verschiedene Richtungen davonliefen, teils ineinander prallten und sämtliche Wege versperrten.

„Ich habe einen Code Drei, wiederhole, Code Drei! Verfolge zwei Verdächtige auf Ebene 1138. Erbitte Verstärkung!“

Er brüllte in sein Comlink in der hoffnungslosen Annahme, dass die Operationszentrale dadurch schneller in der Lage war seiner Bitte nachzukommen.

„Operative Darkey ist auf dem Weg“, war die nüchterne Antwort aus der Zentrale. Darkey? Das war doch nicht etwa dieser Droide?

[ Coruscant - Untere Ebenen - Ebene 1138 - Bar 'Recharge Station' - Senior Operative Nek Huntz ]
 
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[Coruscant | Untere Ebenen | Ebene 1136 | Straße] CS-410

CS-410, genannt Darkey, seines Zeichens Spionagedroide, hatte gerade erst eine Viertelstunde Pause. Seine Arbeit war zwar hin und wieder anstrengend und er war froh über die Pausen, dennoch mochte er seinen Job beim Geheimdienst. Er war zwar "nur" Operative und zählte damit zu einem der unteren Ränge, dennoch ging man mit ihm um wie mit jedem anderen auch, trotz der Tatsache, dass er ein Droide war. Das war nicht überall so.

Auch auf Coruscant hatte es ihm auf Anhieb gefallen. Hier gab es so viel Verschiedenes zu entdecken, einfach überwältigend. Auch die technisierte Atmosphäre mochte er. Hier waren Droiden wie er etwas vollkommen alltägliches, sodass er nicht weiter auffiel. Gerade in den unteren Ebenen des Planeten, die fast ausschließlich von künstlichem Licht erhellt wurden, waren voll von zwielichtigen Gestalten, fragwürdigen Etablissements und anderen Dingen, die ein normales Lebewesen wohl nicht unbedingt sehen wollte. In so einer Umgebung fühlte er sich irgendwie wohl.

Gerade hatte er sich an einer heruntergekommenen Droiden-Bar polieren lassen. Er legte Wert auf ein gepflegtes Aussehen, trotz der Umgebung, in der er sich meistens aufhielt.
Jetzt schwebte er gemächlich eine Straße entlang. Es machte ihm Spaß, die entgegenkommenden Passanten zu mustern und sich einen möglichen Hintergrund zu überlegen. Und niemand betrachtete ihn weiter, da jeder seine eigenen Probleme hatte.

Doch jetzt vernahm er ein schrilles Piepen, gefolgt von der monotonen Stimme der Geheimdienst-Zentrale, die er über seine Antenne empfing.


"Operative Darkey, bitte kommen. Ein Code Drei auf Ebene 1138. Senior Operative Huntz benötigt Hilfe bei der Verfolgung zweier Verdächtiger."

"Okay, bin schon auf dem Weg", funkte Darkey zurück.
Ebene 1138. Das war nicht weit von hier. In ein paar Minuten konnte er dort sein. Gerne hätte er noch etwas länger Pause gemacht. Aber die Arbeit ging vor. Und so drehte er auf der Stelle um und flog summend Richtung Ebene 1138.
Nek Huntz brauchte also seine Hilfe? Das kam nicht häufig vor. Sonst erledigte der Trandoshander seine Aufträge oftmals allein. Da musste es ja schon etwas ernsteres sein. Im Flug checkte der Droide noch einmal sein Equipment durch, so wie ein lebender Agent vielleicht noch einmal seine Waffen prüfen würde.


Wenige Augenblicke später war Darkey am beschriebenen Ort angekommen. Sein Fotorezeptor suchte nach Anzeichen einer Verfolgung, eines Handgemenges, oder irgendetwas anderem, was mit Senior Operative Huntz zu tun haben könnte. Dort! Da war der Trandoshaner, mit dem Blaster in der Hand kam er aus einer Bar gehechtet. Weiter entfernt sah er zwei Gestalten, die gehetzt wegliefen.
CS-410 schaltete seinen Repulsorantrieb auf Höchstgeschwindigkeit, während er an Huntz vorbeisauste. Zeitgleich verständigte er seinen Kollegen per Komlink.


"Hallo Huntz. Hier bin ich. Ich versuche, sie unbemerkt zu verfolgen."

Am besten wäre es wohl, die beiden Flüchtlinge zu betäuben. Schließlich gehörten sie einer gefährlichen Terrorzelle an und könnten noch nützlich sein, um den Rest auffliegen zu lassen.
Allmählich holte er auf. Die beiden Gestalten mussten sich hin und wieder durch eine Gruppe Passanten kämpfen, während Darkey einfach über deren Köpfe hinwegfliegen konnte. Allerdings war er dort nicht besonders gut getarnt, und die eine Person, die eine Kapuze aufhatte, schien ihn sogleich entdeckt zu haben, denn erst deutete ein Finger auf ihn und dann sauste eine grün leuchtende Energieladung knapp an ihm vorbei. Soviel zu unbemerkt.

Hier konnte er allerdings nicht zurückschießen. Zu hoch wäre das Risiko, dass er einen Zivilisten traf und betäubte. Und er wollte nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als nötig. Jetzt musste Darkey anders handeln. Er versuchte, vor die beiden zu gelangen, um ihnen den Weg abzuschneiden. Im Sturzflug stürzte er auf die zwei Gestalten zu und traf dabei eine der beiden am Kopf.

'Hm', dachte der Droide, als die Person strauchelte und auf dem Boden landete. 'So geht's auch.'

Der andere Flüchtling hielt an, um seinem Freund aufzuhelfen. Darkey stoppte vor ihnen und rief laut

"Halt! Sofort stehenbleiben! Ihr sein verhaftet!"

Und, für andere unhörbar, funkte er Nek Huntz an.

"Ich habe sie vorerst gestoppt. Jetzt haben wir eine Chance."

Doch in seiner Euphorie, seine allerersten Verdächtigen jetzt verhaften zu können, vergaß er ganz, die beiden schnell zu betäuben...


[Coruscant | Untere Ebenen | Ebene 1138 | Straße] CS-410, zwei Verdächtige, Nek Huntz (etwas entfernt)
 
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