Eine Unart die weit verbreitet war in den Memorien sowjetischer Marschälle.
Besonderst bei deutschen Verlusten.
Alleine in den ersten Monaten des Krieges haben die Deutschen nach Behauptung Schukows,Rokossowkis,Wassilewskie und Konjews mehr Panzer verloren als überhaupt vorhanden waren.
Merezkow und Tschuikow schlagen in die selbe Kerbe.
Ich denke, das hängt neben dem Wunsch danach, die eigenen Leistungen zu betonen, auch mit dem paranoiden Klima der Stalin-Zeit (und darüber hinaus) zusammen. Die "Säuberungen" der 30er-Jahren, von denen ja im Grunde das ganze Offizierskorps bedroht war bzw. in Erinnerung geblieben ist, spielen da eine wichtige Rolle. Wenn man auch als hochrangiger Militär und Kriegsheld Angst haben muss, dass man wegen eines falschen Wortes inhaftiert wird, wählt gerade in für die Öffentlichkeit bestimmten Werken seine Aussagen sehr sorgfältig und im Einklang mit der Parteilinie. Da passen enorme deutsche Verluste und ein humaner Umgang mit der Zivilbevölkerung in das von der Propaganda gezeichnete Bild, an das die Leute entweder glaubten oder es zumindest nicht öffentlich zu hinterfragen wagten. Dann passt es auch, dass man den Anteil des "kapitalistisch-imperialistischen Klassenfeindes" USA am Sieg der Sowjetunion kleiner darstellt, als er tatsächlich war, gerade der Zeit, als die Spannungen zwischen den beiden Staaten wieder deutlicher zutage traten. Gab es umgekehrt auch, als amerikanische und britische Historiker teilweise kritiklos die Darstellungen von ehemaligen Wehrmachtsgenerälen übernahmen, die die Rote Armee als nur durch zahlenmäßige Überlegenheit siegreiche Streitmacht beschrieben und alle Verantwortung für Niederlagen allein Hitler zuschrieben. Quellenkritik ist bei Memoiren deshalb enorm wichtig.
"Übererfüllung" ist in der Sowjetunion auch im zivilen Sektor ein weit verbreitetes Phänomen gewesen. Es wurden in der Planwirtschaft teilweise völlig unrealistische Quoten festgelegt (z. B. bei der Ernte), die man aber aus Angst vor Repressalien dann irgendwie "erfüllte", beispielsweise indem man Unterlagen fälschte und man so tat, als wären die Ergebnisse tatsächlich erzielt worden. Da könnte meiner Ansicht nach auch ein Zusammenhang bestehen.
Fairerweise muss man anmerken, dass Memoiren natürlich immer persönlich geprägt sind und Menschen psychologisch dazu neigen, die eigenen Leistungen höher einzuschätzen als es ein "neutraler" Beobachter tun würde. Wenn man beispielsweise die Memoiren von Montgomery liest, bekommt man auch den Eindruck, er sei so ziemlich der einzige fähige General auf britischer Seite gewesen, eine Darstellung, der viele widersprechen würde.
Ich möchte noch kurz etwas zu den 4% anmerken, die das Lend-Lease-Programm anmachten. Die Zahl ist irreführend und warum das so ist, ähnelt dem Fall Schweiz und NS-Deutschland. Der Anteil der aus der Schweiz exportierten Güter an der ganzen Kriegsproduktion von NS-Deutschland betrug "nur" 0,5%, aber es handelte sich um hochwertige und in der Produktion teure Güter (z. B. Zünder), das heißt, ihr Markwert war deutlich höher und auch ihr Wert für die Kriegsanstrengungen. Dank der Lieferungen vermieden NS-Deutschland und die Sowjetunion die sogenannten Opportunitätskosten, die entstanden wären, wenn sie die Güter selbst hätten produzieren müssen, jedes gelieferte Gut erlaubte es ihnen, ihre eigenen Ressourcen für andere Güter aufzuwenden. Die amerikanische Lieferung von Winterstiefeln, Fleisch und Transportfahrzeugen machte es den Sowjets z. B. möglich, sich auf die noch vorhandene Getreideindustrie (Getreide für Menschen hätte für Zuchttiere abgezweigt werden müssen) und Panzerproduktion zu konzentrieren. Im Fall der Schweizer Exporte an NS-Deutschland kam noch hinzu, dass die Deutschen anders als bei unter Zwangsarbeit gefertigten Gütern davon ausgehen konnten, dass keine Sabotage vorlag. Die Prozentzahlen verschleiern also in beiden Fällen den wahren Anteil.
Interessanterweise kann man da einen Vergleich zu der Katana-Flotte aus der Thrawn-Trilogie ziehen. Für sich genommen sind 200 veraltete Dreadnaughts nicht allzu beeindruckend, aber da zu diesem Zeitpunkt Imperium und Neue Republik nahezu gleichstark sind, wird daraus der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und das Gleichgewicht kippt, zunächst kaum merklich und dann immer stärker, sozusagen ein Schneeball-Effekt.