Drama Napoleon (2023) von Ridley Scott

Ich finde die Gesamtdarstellung von der Person Napoleon völlig misslungen im Film. Irgendwie kommt er mir wie ein Tollpatsch vor, der mutwillig in andere Länder einfällt. Laut Filmtext ist sein Erbe quasi das Verschleißen der eigenen Landsleute. Mehr nicht. Völlig triebgesteuert unterliegt er seiner Frau, die gegen diesen Tölpel wie eine Heilige ist.
Ich hab ja nix dagegen, wenn man Herrscher kritisiert. Aber ich weiß noch aus dem Schulunterricht und einer (kleinen) Biographie über ihn, dass er durchaus intelligent war und auch viel Gutes in den eroberten Ländern durchgesetzt hat. Diese unfassbar dämliche filmische Darstellung von Napoleon wird sicher nicht in einer längeren Schnittfassung besser.

Er hat viele Errungenschaften der Revolution gerettet und bewahrt, den Code Civil, auf dem unser Bürgerliches Gesetzbuch basiert, eingeführt, die kleinstaaterei in Deutschland beendet.
Man muss auch so ehrlich sein: Viele Kriege die Napoleon geführt hat wurden nicht von ihm begonnen, England, Preußen, Russland, Österreich haben Frankreich damals öfter den Krieg erklärt als anders rum,
Eben weil diese Länder Angst vor der Revolution hatten und es den Franzosen übel nahmen das sie ihren König geköpft haben.

Ich hab durchaus Sympathien für ihn, aber mir macht es auch nichts aus wenn er so dagestellt wird, wie er in diesem Film dargestellt wird. Mich stört nur das viele das für bare Münze nehmen.
 
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Hmm okay von dem mal abgesehen, sind sonst noch gravierende Fehler drin?

Was mir bei den Schlachten am ehesten aufgefallen ist, dass Napoleon sowohl in Borodino als auch in Waterloo sich aktiv an Kavallerieattacken beteiligt, was totaler Quatsch ist. Napoleon stand im Ruf, ein eher mittelmäßiger Reiter gewesen zu sein. Er war von Haus aus Artilleriegeneral, wahrscheinlich der beste seiner Zeit, und falls er mal wirklich an einer Kavallerieattacke teilgenommen hat, dürfte das eher am Anfang seiner Karriere stattgefunden haben, aber sicher nicht als Kaiser und oberster Feldherr 1812 bzw. 1815.

Der dickste und unverständlichste Fehler: Napoleons Geburtsdatum wird falsch angegeben. :crazy
Vereinfachte Darstellungen, Änderungen aufgrund der Dynamik, alles kein Thema, aber warum zur Hölle macht man in einer 200 Millionen teuren internationalen Großproduktion immer wieder solche Fehler, und lässt diese bis zum endgültigen Schnitt drin? Das sind Dinge, die leicht zu beheben sind, und die jedem historischen Berater am Set sofort auffallen müssten.

Zum Film selbst:
Er ist bildgewaltig, besonders bei den Massenszenen, und beeindruckt dabei durchaus, trotz einige historischer Fehler, und des Runterbrechens der Schlachten auf wenige Schlüsselmomente. Das ist zu verschmerzen, da es immerhin ein Unterhaltungsfilm, und keine militärhistorische Dokumentation darstellt. Alles in allem will der Film aber zu viel in zu wenig Zeit. Die politischen Umstände nach der Revolution, der Aufstieg Napoleons, dessen Verhältnis zu Josephine, die Koalitionskriege... ständig springt der Film von einem Thema zum nächsten, und oft hat man das Gefühl, das nicht alles gesagt oder gezeigt wurde. Die Darstellung des Kaisers... hm naja. Sein Aufstieg zur Macht kommt etwas zu kurz, und auch, wie recht zielgerichtet daraufhin gearbeitet hat. Die Darstellung als fähiger Armeeführer kommt eigentlich ganz gut rüber, während seine Rolle als Politiker, Reformer und Vollender der Französischen Revolution hingegen fast völlig unter den Tisch fällt. Wie es in des Imperators Schlafzimmer zuging, ist bis heute Subjekt vielfacher Spekulation. Sein Verhältnis zu Josephine nimmt sehr viel Platz im Film ein, und da kommt er halt leider oft wie ein triebgesteuerter Trottel rüber, der es im Bett nicht so recht bringt, dies an seiner Frau auslässt, und den Mutti auf den rechten Weg bringen muss. Vielleicht war es so, vielleicht auch nicht. Es ist halt schwierig für die Charakterisierung einer historischen Persönlichkeit, wenn spekulative Aspekte gegenüber historischen Fakten in den Vordergrund gerückt werden.

Ich warte mal ab, was die 4-Stunden-Version so bringt. Spätestens seit "Königreich der Himmel" sollte man sehr gespannt sein. Auch bei diesem Film von Scott war die Kinoversion eher so mittel, während die Langfassung einen völlig anderen, um Welten besseren Film darstellt.

Im Kino sollte man sich Napoleon trotz der Schwächen schon geben, allein wegen der Bilder bei den einzelnen Schlachten, und dem Sound, wenn z.B. die Kavallerie bei Austerlitz und Waterloo anreitet. Für solche Szenen wurden Kinos gebaut.

C.
 
So ich habe den Film gestern nun gesehen.

Blitz Fazit.

Er hat mir mässig gefallen. Um einiges schwächer als Gladiator und man merkt das viel Content fehlt. Die sprünge sind manchmal brutal. Da ist Napoleon in einer Szene kumpel mit dem Zaren und in der nächsten sind sie im Krieg. Vermute das solche Details dann in der 4 Stunden Fassung etwas besser beleuchtet werden. Sein Aufstieg ist auch etwas Wirr bzw wird nicht wirklich gezeigt wie er das so schnell schaffte. Auch die Darstellung von Napoleon hat mir nicht gefallen. Er wirkt oft wie ein Idiot ja fast schon einfälltig... Und der Film ist teilweise ungewollt komisch... Die Schlachten sind ok aber auch da hatt man irgendwie mehr erwartet. Generell rusht der Film sehr und wenn man nicht so viel Ahnung von diesem Teil der Geschichte hat ist man völlig verloren. Meine Frau ist zb eingechlafen haha. Wieder 20 chf aus dem Fester geworfen... :P
Ich würde ihm 6/10 Notgeilen Imperatoren geben. Ich werde mir den 4 Stunden Film auf Apple mal geben nur um zu sehen was alles nicht drin war. Aber gross scharf drauf bin ich nicht.
 
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Auch die Darstellung von Napoleon hat mir nicht gefallen. Er wirkt oft wie ein Idiot ja fast schon einfälltig..

Man sollte aber im Hinterkopf haben, dass Napoleon als Korse von seinen Zeitgenossen auf dem Festland sehr oft als Bauerntölpel und Provinzler angesehen wurde, und er auch in manchen Verhaltensweisen und Manieren zunächst diesem Bild entsprach. Dies gereichte ihm bisweilen sogar zum Vorteil, da er deswesgen unterschätzt wurde. Ducos und Sieyès hatten z.B. Napoleon bei ihrem Staatsstreich als Mann für's Grobe mit ins Boot genommen, und wurden von ihm schnell ins politische Abseits geschoben, nachdem sie einmal an der Macht waren.

C.
 
Vermutlich war dies der Hintergedanke ja. Aber für mich hat mans über Ziel hinausgeschossen. Bauerntölpel ist das eine aber geistig Beinträchtig wie er manchmal auf mich wirkte was anderes. Gut möglich das dies in den 2 zusätzlichen Stunden etwas differenzierter angeschaut wird. Vielleicht erkennt man dort das Militärischegenie von Napoleon besser.

und wurden von ihm schnell ins politische Abseits geschoben, nachdem sie einmal an der Macht waren.
Genau solche Politische spielchen etc haben mir gefehlt. Man sieht zu wenig von den Taktiken von Napoleon und wie er alles plannte und seine Gegner übertrumpfte. Wie gesagt vielleicht sieht man dies in der 4 Stunden Fassung.
 
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Vereinfachte Darstellungen, Änderungen aufgrund der Dynamik, alles kein Thema, aber warum zur Hölle macht man in einer 200 Millionen teuren internationalen Großproduktion immer wieder solche Fehler, und lässt diese bis zum endgültigen Schnitt drin? Das sind Dinge, die leicht zu beheben sind, und die jedem historischen Berater am Set sofort auffallen müssten.
Das ist tatsächlich kein Fehler, sondern ein historisch korrektes Detail.


"Despite these objections, the general wed her in a civil ceremony in March 1796. Both faked their ages on the marriage certificate, with Joséphine taking four years off (to 28) and Napoleon adding 18 months (to 26 and a half)."

Das Echo zu dem Film scheint ja doch eher negativ zu sein - jetzt bin ich am überlegen, ihn für Bild und Ton doch im Kino anzusehen oder auf eine längere (und vielleicht bessere) Version zu warten.
 
Ich würde den Film auch gerne als Unterhaltungsfilm abtun. Leider machen es einem die ganzen Texttafeln und vielen historischen Datumseinblendungen nicht leicht.
 
Ich würde den Film auch gerne als Unterhaltungsfilm abtun.
Aber selbst als Unterhaltsungsfilm ist er keine Bombe. Meine Frau ist zb eingeschlafen, wenn man also nicht wirklich Interesse an Geschichte hat ist er eher langweilig. Die Geschichtsfans stösst er aber mit anderen Problemen vor den Kopf.
Wieder so ein Hybride der nicht weiss was er sein will. Da hat mit Gladiator um welten besser gefallen.
 
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He Hallo Maximus wäre fast Imperator geworden das ist dann doch noch eine Stufe grösser als Napoleon :P
Aber spass beiseite, obwohl bei Gladiator das meiste Fantasy ist, konnte man die Story geniesen bzw hat es auch der breiteren Masse gefallen.
Bei Napoleon frage ich mich einfach für wenn er ist, für 08/15 Kinogänger eben nicht. Aber Geschichtsfans werden auch keine Freude dran habe.. Den Franzosen selber scheint es auch nicht gefallen zu haben.. Naja ich warte auch mal auf die 4 Stunden Fassung.
 
Es ist eben schon ein Unterschied ob ich einen dahergelaufenen Maximus verfilme, oder eine der bekanntesten historischen Figuren aller Zeiten.

Gladiator ist allerdings auch voller historischer Fehler, was Architektur, Ausstattung, Kostüme, Waffen und Rüstungen angeht. Ebenso werden tatsächliche historische Figuren verwurstet, die in der Realität nicht wie im Film gezeigt agiert haben, oder die völlig anders charakterisiert werden.
Das funktionierte halt, weil das Wissen über das Römische Reich bei vielen Leuten im wesentlichen aus Asterix-Heften stammt, und Scott ohnehin eher eine Wiederbelebung der Sandalen-Filme der 40er - 60er Jahre im Sinn hatte.
Ob das Wissen bei normalen Kinogängern über Leben und Wirken von Bonaparte nun ausgeprägter ist, vermag ich nicht zu sagen.


Bei Napoleon frage ich mich einfach für wenn er ist, für 08/15 Kinogänger eben nicht.

Also, die 08/15-Kinogänger mit denen ich gesprochen habe, fanden ihn allesamt besser als ich, da sie sich nicht von den ganzen falschen geschichtlichen Details ablenken lassen. Meiner Frau hat er z.B. recht gut gefallen wegen der Bilder und der ganzen Liebesgeschichte um Napoleon und Josephine, da sie sich für Geschichte wenig bis gar nicht interessiert, und es ihr schlicht egal war, ob Napoleon wirklich selbst Kavellerieattacken angeführt hat oder ob die Schlachtaufstellung bei Austerlitz korrekt dargestellt war.

Seltsamerweise scheinen Filme mit geschichtlichem Hintergrund gerade aber bei allen Alterklassen hoch im Kurs zu stehen. Ich hätte zB nie gedacht, das Oppenheimer ein solcher Erfolg wird. Immerhin ein fast drei-stündiges Werk über eine historische Figur, mit der vor dem Film vermutlich 8 von 10 Passanten in einer beliebigen Fussgängerzone nichts hätten anfangen können, und der quasi die meiste Zeit aus Verhören in Hinterzimmern besteht.
Immerhin war der einiges akkurater als Napoleon, aber wenn nach dem Kinobesuch der ein oder andere mal ein Geschichtsbuch in die Hand nimmt, und sich mit der echten Geschichte von Bonaparte befasst, wäre das auf jeden Fall ein Gewinn.

C.
 
Dann will ich mal kurz meine Gedanken erklären.
Zum einen muß ich sagen das mir die die Bilder der Schlachten und auch der Soundtrack zu den Schlachten sehr gut gefallen haben.
Aber das war es auch schon.
Der Film hatte keine Tiefe im Bezug auf Napoleon und er hatte keinen flüssigen Handlungsbogen. Napoleon kam zuweilen rüber wie ein Dorftrottel und nicht wie der Mann der er war.
Was zu den historischen Fehlern zu sagen wäre ist folgendes :
Ja, es soll ein Unterhaltungsfilm sein. Und wie wir alle wissen nimmt es der gute Ridley mit der Genauigkeit der Geschichte nicht so ernst.

Aber hier wurden ja fast 4/5 aller wichtigen Dinge ausgelassen. Ich spreche jetzt nicht von dem falschen Geburtsdaten oder dem Treffen zwischen Napi und Zar Alexander I.
Der der Italienfeldzug wurde in einem Nebensatz abgetan. Die Feldzüge in Spanien kamen gar nicht zur Sprache. Ebensowenig Napis Nepotismus bei der Besetzung wichtiger Posten in Italien und Spanien.
Der Russlandfeldzug wurde ich ein paar Minuten abgetan. Nicht einmal der Übergang über die Beresina wurde erwähnt.
Der Krieg gegen Preussen wurde gar nicht erwähnt. Die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt ? Mekka Nix. Besetzung Berlins ? Ach was .
Die Völkerschlacht bei Leipzig ? Mekka Nix.
Der Mann, der wie kaum ein anderer die Hauptlast der Kriege gegen Napoleon getragen hat, der österreichische Feldmarschall zu Schwarzenberg ? Keine Erwähnung würdig. Nach der Dreikaiserschlacht wurde Wien von Napi besetzt. Muß man nicht erwähnen.
Wiener Kongress ? Wasn das ?
Napoleon fällt an der Klippe von St.Helena einfach tot um. Aber natürlich.
Oh, ich wüßte noch mehr.
 
Kennt jemand eigentlich ein gutes Buch über Napoleon?
Von Günter Müchler - Napoleon

„Wo immer auch nur eine Pfütze war, stellte mir die britische Marine ein Schiff entgegen“ (oder ein Buch) - Napoleon
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