Ich frag mich ja, worin der Unterschied zwischen dem Remake im Film oder einer Neuinszenierung eines Theaterstücks, einer Oper oder wasauchimmer liegt. Ist die (eher) feindliche Haltung gegenüber Remakes an dem Vorhandensein des Originals geschuldet? Liegt das an ständiger Verfügbarkeit von Kopien? Im Kino bzw generell im Medium Film können wir auf Aufnahmen aus den Anfängen zurückgreifen und haben quasi Zugang zur Originalinterpretation der Regisseure. Desweiteren kann man Kopien des Ausgangsmaterials an jeden Ort der Welt schicken und sich dort ansehen. Jeder sieht Quasi das gleiche „Original“. Das ging theoretischer Weise schon mit den ersten Filmrollen. Dem Postboten geben und schwupps hat der Zirkus zwei Länder Weiter die gleichen Bilder.
Ganz so trivial ist diese Angelegenheit dann aber doch nicht. Einen derartigen kulturellen Konservatismus hat es auch schon vor dem Zeitalter der digitalen Medien gegeben. Diese Beständigkeit eines bestimmten Werkes hat meiner Ansicht nach mehrere Ursachen:
1.
Werktreue
Diese wird einem schon in der Schule beigebracht. Dazu gehört, dass man zum Beispiel neben Vokabeln und Rechenregeln eben auch Gedichte, Lieder, Textpassagen und Theaterstücke auswendig lernt und folgerichtig auch korrekt wieder gibt, weil es sonst einfach nicht richtig funktioniert bzw. schlechte Schulnoten folgen. Das fängt ja schon im Kindergarten mit den Liedern zum Martinszug an und geht auch die vier Jahre in der Grundschule direkt so weiter und hört auch danach nicht auf.
Da ist ein regelrecht anerzogener Widerwille gegen "falsche"Nacherzählung bzw. Interpretation naheliegend. Ein banales Beispiel ist das ganz klassische "Alle meine Entchen" in C-Dur, also alle weißen Tasten eines Klaviers vom C bis hoch zum A. Das geht aber eben auch in C-Moll (Es statt E und As statt A) , nur würde dies schlicht und ergreifend als falsch empfunden werden, weil es nicht fröhlich und leichtfüßig, sondern deprimierend und schwerfällig klingt, obwohl weder Rhythmus noch Notenlängen geändert werden, sondern lediglich zwei Noten um nur einen Halbton nach unten rutschen.
Und wer sich überdies noch mit einem Musikinstrument beschäftigt, der ist ohnehin dazu angehalten, erst mal das zu spielen, was die gedruckten Noten einem sagen. Das Erfolgserlebnis ist hier, ein funktionierendes Musikstück eben so nah wie möglich der Vorlage entsprechend nachspielen zu können, und zwar so, wie es der Autor einmal sich ausgedacht und niedergeschrieben hat.
2. Emotion & Assoziation
Erste Erlebnisse in jungen Jahren haben einen deutlich mächtigeren Einfluss, als spätere. So weiß ich zum Beispiel jetzt schon, dass die Neufassung vom Dschungelbuch mir höchstwahrscheinlich nicht im selben Maße zusagen wird, wie der alte Zeichentrickfilm. Letzterer war mein allererster Kinofilm, den ich zusammen mit meiner Familie gesehen habe. Da können Bombastsurround-Sound, digitale Effekte, krasse Action und leckeres Junkfood schlicht und ergreifend kein Bisschen mit konkurrieren.
Der neue Streifen ist bestimmt ein guter Film, aber die Chance, dass mich diese Neuauflage eben so tief berührt wie das Original, halte ich für gering.
Damit einher geht eine grundsätzliche Wertschätzung, die wohl so ziemlich jede Nuance von absoluter Zustimmung bis zur totalen Ablehnung (oder sogar eine Mischung dieser beiden Extreme!) einnehmen kann.
3. Peergroups / Gruppenstress
Wenn man genügend Leuten mit einer anderen Meinung begegnet, dann gibt es eine Chance, dass man eben diese Meinung der anderen übernimmt. Je trivialer der Gegenstand der Meinungsverschiedenheit ist, umso einfacher ist dieser Prozess möglich. Oftmals kann man sich bewusst dafür entscheiden, ein Werk gut oder schlecht zu finden. Diese Art der Freiheit steht jedem Menschen zur Verfügung, nur ist es eben deutlich einfacher, sich zu der Gruppe der Erfahrenen zu stellen, die schon lange Zeit mit ihrer Sichtweise Erfolg hatten, als etwas Neues zu akzeptieren und gegen den Widerstand der Konservativen als etwas Konsumierbares zu propagieren.