Eigentlich ist die Frage nach falsch oder richtig bei einer Abtreibung gar nicht so schwierig. Es hängt an der Frage, ob das Kind im Mutterleib genau so Mensch ist wie jeder geborene, oder eben nicht. Und da ist sich die Wissenschaft schon seit langer Zeit einig: Das ungeborene Kind ist Mensch vom Zeitpunkt der Befruchtung an. Nur kurz ein paar Stichworte dazu: Das ungeborene Kind gehört zur Spezies Mensch, lebt und ist ganz offensichtlich ein und dasselbe "Ding", in- und außerhalb des Mutterleibes. Es wächst und entwickelt sich, aber es kommt von der Mutter (außer hoffentlich viel Liebe und der Versorgung mit Nährstoffen) nichts Wesentliches mehr hinzu (Nein, damit würdige ich die Mutter in keiner Weise herab. Meine Aussage entspricht lediglich den Fakten.) Das Kind hat sein eigenes genetisches Profil und kann auch eine andere Blutgruppe haben als die Mutter.
Es gibt außerdem keinen anderen Zeitpunkt als die Befruchtung, den man sinnvollerweise als Start des Lebens dieses einen Menschen betrachten kann. Vorher existieren nur getrennte Ei- und Samenzellen, jeder spätere Zeitpunkt (Beginn des Herzschlags, Ausbildung des Gehirns, Extrakorporale Lebensfähigkeit etc.) ist nicht haltbar, weil er zu fundamentalen Widersprüchen mit unserem sonstigen Verständnis von "Menschsein" führt. Falls das nicht geglaubt wird, kann ich das gerne ausführen.
Das Kind ist auch kein Teil des Körpers der Frau. Das ist auch keine Ansichtssache, zumindest nicht, sofern diese Aussage irgendeine ethische oder rechtliche Bedeutung haben soll. Sechs oder sieben Monate alte Kinder können schon ganz gut (bei intensiver medizinischer Betreuung) außerhalb des Mutterleibes überleben. Macht es da Sinn, acht Monate alte Kinder im Mutterleib als weniger schützenswert zu betrachten, als jüngere Kinder außerhalb? Und seit der Erzeugung von Menschen in der Retorte, die dann später in die Gebärmutter eingepflanzt werden, sollte sich die Auffassung "Teil des Körpers der Frau" eigentlich erledigt haben.
Langer Rede kurzer Sinn: Bei einer logischen Betrachtung dessen, was wir über das ungeborene Kind wissen, kann man eigentlich zu keinem anderen Schluss kommen, als dass das Kind im Mutterleib ein Mensch ist wie du und ich, dem dementsprechend natürlich auch die gleichen Rechte zustehen.
Bei einer Abtreibung wird dieser Mensch getötet. Dies könnte logischerweise nur in einem von zwei Fällen gerechtfertigt sein:
I. Falls man in einem vergleichbaren Fall auch bei einem geborenen Menschen zum Schluss kommen würde, dass man ihn töten dürfte.
Hierzu fällt mir absolut nichts ein. Notwehr kann wohl nicht zum Tragen kommen. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass es andere Menschen gibt, die weniger Bedenken als ich hätten, auch Geborene umzubringen, z.B. im Bereich der Euthanasie/Sterbehilfe. Wer meint, es sei zulässig, jemanden ohne dessen Einwilligung umzubringen, weil er Wachkoma liegt, geistig behindert sei, kein lebenswertes Leben vor sich habe, zu viele Kosten verursacht o.ä., der kann diese Denke natürlich auch auf das ungeborene Kind übertragen. Aber mir graust dabei. Das ist genau die "Kultur des Todes", die der Papst völlig zu Recht in unserer modernen Welt anprangert.
II. Falls irgendwie ein Recht auf Entfernung des Kindes aus dem Körper der Mutter abzuleiten ist.
Hierzu fallen mir in der Tat zwei Fälle ein:
1.: Bei einer Vergewaltigung, da hier die Mutter niemals auch nur implizit ihr Einverständnis dazu gegeben hat, ihren Körper zu benutzen, dem Kind nicht, und dem Vergewaltiger erst recht nicht. Allerdings sollte man mE auch in solchen Fällen den betroffenen Müttern so gut wie möglich helfen, das Kind auszutragen und es entweder doch selbst anzunehmen oder zur Adoption freizugeben. Dem erlittenen massiven Unrecht noch die (zwar rechtmäßige) Tötung eines Menschen dranzuhängen, wird wohl häufig mehr Wunden aufreißen, als schließen. Teilweise gibt es auch psychologische Untersuchungen, die in diese Richtung hindeuten.
2.: Bei einer schweren Bedrohung für Leben oder Gesundheit der Mutter, die anders als durch Abtreibung nicht mehr abgewendet werden kann.
Und da wären wir. Ich weiß, dass sich meine Argumentation recht unterkühlt anhört, aber ich möchte wirklich jeden und jede, dem/der jetzt spontan viele Gründe einfallen, wann eine Abtreibung doch o.k. ist, fragen, ob es in einem vergleichbaren Fall auch o.k. wäre, einen geborenen Menschen zu töten. Wer darauf mit "nein" antwortet, muss schlüssig nachweisen, warum das ungeborene Kind weniger wert ist oder weniger Rechte haben soll, als der geborene Mensch.
Zum Abschluss möchte ich noch einige Irrtümer hinsichtlich der Rechtslage in Deutschland ausräumen, da hier einige völlig irre Ansichten herumgeistern.
1. Abtreibung ist in Deutschland prinzipiell verboten ab der Einnistung des Kindes in die Gebärmutter (ca. 2. Schwangerschaftswoche). (Terminus: Rechtswidrig)
2. Praktisch jegliche Konsequenzen, die mit einer rechtswidrigen Handlung verknüpft sind, sind aber in Deutschland per Gesetz aufgehoben: Verträge über Abtreibungen (zwischen Arzt und Patientin) sind gültig, obwohl die Abtreibung rechtswidrig ist. Notwehr von dritten zu Gunsten des Kindes ist nicht erlaubt, obwohl Abtreibung rechtswidrig ist. Die Kosten werden ggf. von den Krankenkassen vorgeschossen und vom Sozialamt erstattet, obwohl die Abtreibung rechtswidrig ist. uswusf.
Der Gesetzgeber hat sich selten mit einer Regelung so blamiert wie mit dieser. Um den Anschein des "Verbotes" aufrecht zu erhalten, werden Abtreibungen als rechtswidrig bezeichnet, aber in jeder praktischen Konsequenz erlaubt.
3. Eine Abtreibung ist dann straffrei, aber nachwievor rechtswidrig, wenn sich die Schwangere hat beraten lassen, die Abtreibung ein Arzt vornimmt und das Kind nicht älter als zwölf Wochen ab der Befruchtung ist. Einen expliziten Grund für die Abtreibung braucht es nicht zu geben.
4. Eine Abtreibung ist erlaubt, also rechtmäßig, wenn eine Indikation (Grund) zur Abtreibung vorliegt. Eine Beratung ist in diesen Fällen nicht nötig. Dafür hat der Gesetzgeber zwei Fälle genannt:
a) Bei einer Vergewaltigung ist eine Abtreibung bis zur zwölften Woche erlaubt.
b) Bei einer Gefährdung der physischen oder psychischen Gesundheit der Mutter ist eine Abtreibung bis zur Geburt erlaubt.
Punkt 4b) ist ein echter, fetter Riesen-Skandal, den aber fast niemand kennt und den Leute nicht glauben wollen, selbst wenn man es ihnen sagt.
Die gesundheitliche Gefahr für die Mutter muss in keiner Weise gravierend oder schwerwiegend sein.
Schlimmer noch ist, dass der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetz explizit gesagt hat, dass eine zu erwartende Behinderung des Kindes als Grund für eine medizinische Indikation ausreicht, und zwar, weil die Mutter durch das möglicherweise behinderte Kind später psychisch belastet ist. Da reicht jede beliebige Behinderung, selbst eine vermutete Hasenscharte, und schon ist Abtreibung bis zum neunten Monat, bis zum Einsetzen der Wehen in Deutschland nicht nur straffrei, sondern rechtmäßig.
Ich übertreibe nicht, das ist so. Auch wenn ihr's nicht glauben wollt.
Besonders fies daran ist, dass Kinder so kurz vor der Geburt nicht mehr durch Absaugung oder Zerstückelung abgetrieben werden können. Man versucht dann statt dessen meistens, Fehlgeburten einzuleiten. Immer wieder kommt es vor, dass diese Kinder dann ihre eigene Abtreibung überleben, was für das Krankenhaus sehr peinsam ist. Kurz nach dem Erlass des neuen §218 war es gängige Praxis, das Kind einfach liegen zu lassen, bis es tot ist. Dann schlug jedoch der Fall des kleinen Tim (sog. "Oldenburger Baby") Wellen in der Presse, da Tim sich auch nach zehn Stunden noch weigerte zu sterben, und das Krankenhaus endlich die Behandlung von Tim einleitete. Tim lebt heute bei Pflegeeltern und ist natürlich gerade durch das lange Liegenlassen erst so richtig schön behindert.
Um Fälle wie Tim zu vermeiden, versucht man angeblich inzwischen sogar, die Kinder vor der Abtreibung via Giftspritze o.ä. zu töten, damit sie ja nicht lebend aus der Abtreibungsprozedur rauskommen. "Angeblich" ist die Sache deswegen, weil die Krankenhäuser, die Spätabtreibungen vornehmen, absolut keine Informationen raus lassen und die Politik bewusst weghört und wegsieht. Deswegen kann man über die Zahl solcher Spätabtreibungen in Deutschland auch nur spekulieren, einige Tausend werden es aber mindestens sein, jedenfalls deutlich mehr als die amtliche Statistik angibt.
Ich hoffe, ein wenig zur Aufklärung der verwirrenden Rechtslage beigetragen zu haben.