@riepichiep:
Die Bibel lehrt natürlich eine bestimmte Vorstellung von Gott, genau wie andere Weltreligionen. Meine Weltanschauung liegt irgendwo zwischen Atheist und Angnostiker (meist bezeichne ich mich der Einfachhalt halber als Atheist). Ich habe aber auch eine Gottesvorstellung, wie er denn wäre, sollte er existieren. Diese Vorstellung versuche ich weitestgehend logisch herzuleiten (ob mir das gelingt oder generell möglich ist, ist eine andere Frage). Diese Unterscheidet sich teilweise stark vom Gott des Christentums oder den anderen Weltreligionen. So ist es meine persönliche Auffassung, dass Gott weder gut noch böse sein kann. Meiner Meinung nach muss es ein Gott der absoluten Neutralität sein, da meiner Meinung nach ansonsten ein Ungleichgewicht herrscht, das für mich mit unserem Universum nicht vereinbar ist. Auch ist mir der biblische Gott viel zu sehr vermenschlicht mit typisch menschlichen Eigenschaften, Emotionen und Handlungsweisen. Meiner Meinung nach müsste ein Gott davon weitestgehend frei sein. Auch glaube ich nicht, dass er sich seit der Erschaffung des Universums großartig eingreifen würde. Aber das geht denke ich jetzt zu weit das alles auszuführen. Andere Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen von Gott und das ist auch gut so.
Im Juden- und im Christentum hat Gott vor allem den freien Willen geschaffen und damit die "Möglichkeit zum Bösen". Übrigens gilt der freie Wille in beiden Religionen nicht nur den Menschen, sondern auch den Engeln
Auch im Christentum ist der Teufel eigentlich kein gleichstarker Gegenspieler Gottes (auch wenn die Geschichte das teilweise anders sah). Er ist, wie im Judentum ein Engel, der sich von Gott abgewandt hat. Damit ist er auch Geschöpf - nicht Schöpfer.
Nur entsteht Leid ja nicht nur durch andere Menschen. So hat Gott ja z.B. auch Krankheiten und Naturkatastrophen erschaffen. Das Leiden der Menschen scheint also durchaus in seiner Absicht zu sein und ist nicht bloßes Resultat zu freien Willen. Im Alten Testament gibt es ja die Geschichte von Hiob. Von Satan kommt zwar der Einwand, dass er nicht glaube, dass die Menschen Gott veehren würde, wenn ihnen nur schlechtes geschehe. Aber die Idee Hiobs Glauben zu Prüfen und der Auftrag an Satan Hiob deswegen Leid zuzufügen stammt dort ganz allein von Gott. Hier ist Satan nur Ausführendes Organ, der ganz in Gottes Willen handelt. Ich meine so würde es sich auch durch das gesamte Alte Testament ziehen. Oder gibt es dort stellen, in denen Satan gegen den Willen Gottes dem Menschen Leid zufügt?
Im Christentum sieht das für mich anders aus. Zwar ist der Teufel nicht genau so stark, wie Gott und seine Schöpfung, aber scheint aktiv gegen Gott arbeiten zu können. Entweder er ist mächtig genug dafür, was ihn zumindest gottähnlich macht oder Gott erlaubt ihm das (teilweise). So oder so handelt er aber dort nicht in Gottes Auftrag. Die Vorstellung vom Teufel unterscheidet sich aber auch innerhalb des Christentums stark. So gibt es sicherlich Christen, die das ähnlich wie im Judentum sehen und wieder andere, bei denen das eher ein Zweigötterglaube ist.
Das mit dem freien Willen ist sowieso so eine Frage. Es gibt ja genetische Faktoren, die einen Menschen z.B. aggressiver und gewalttätiger werden lassen oder aber friedfertiger und besonnener. Sind wir Menschen da wirklich so frei, wie wir glauben? Ist dann das Böse wirklich nur Resultat des freien Willens, oder doch aktiv so gewollt?
Was, wenn ein solcher Gott sagt, dass ihm ein Menschenleben wichtig ist? Zumal wir uns nun bei der Theodizee-Frage befinden, die seit circa 300 n.Chr. offen ist und unzählige (mehr oder weniger gute) Antworten hat ...
Auch da kann ich erstmal nur auf die Bibel verweisen:
Es gibt im AT und im NT Geschichten, wo Gebet viel bewirkt. Es gibt aber eben auch Geschichten, wo Gebet wenig/nichts bewirkt. Man müsste nun gucken, ob es auch Geschichten gibt, wo keiner betet und Gott trotzdem handelt -> Nachteil ist natürlich, dass man nicht weiß, ob einfach das entsprechende Gebet nicht aufgeschrieben wurde ...
Auch da streiten sich Theologen aller Art auch darüber, ob, welches und wieviel Gebet welche Auswirkung hat.
Ok. Nach christlicher Lehre greift Gott also durchaus aufgrund von Gebeten ein. Nur Frage ich mich, was genau sie bewirken, dass dies Gott eingreifen lässt? Gott ist ja allwissend. Also kann es schonmal keine Informationsmeldung wie ein Notruf sein. Gott weiß ja schon längst davon. Mitleid zu erzeugen wird denke ich aus dem selben Grund auch nicht funktionieren, denn Gott sieht ja schon, wie andere leiden. Eine Überredung ist es wahrscheinlich auch nicht, da Gott schon alle Argumente kennt und ich glaube auch nicht, dass man mit Gebeten versucht Gott zu überzeugen. Das einzige was mir einfallen würde wäre, dass Gott dann eingreift, wenn Menschen ihren Glauben bezeugen, wenn sie ihm aktiv um seine Hilfe bitten. Diese Vorstellung gefällt mir persönlich aber nicht. Angenommen ein Mensch könnte einen anderen vor dem Tod retten. Er tut das aber nur, wenn er darum gebeten wird und lässt ihn ansonsten willentlich sterben. Das wäre meiner Meinung nach ein ziemlich schlechter Charakterzug und moralisch sehr verwerflich. Aber das ist auch wieder ein Problem, das ich mit sämtlichen Göttern aus den meisten Religionen habe. Denen scheint es immens wichtig zu sein angebetet zu werden. Auf mich wirkt das irgendwie wie eine Art Ego-Problem . Das ist beim christlichen Gott in vielen Bibelstellen auch nicht so viel anders. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott sich für so etwas interessiert. Da ist es mir auch lieber, wenn Gott generell nicht eingreift als unter diesen Bedingungen selektiv vorzugehen. Aber auch die christliche Lehre scheint dem teilweise doch zu widersprechen, da auch Gebete von sehr streng Gläubigen nicht erhöhrt werden. Also kann es nicht nur um Gottes Ego gehen. Hab ich möglicherweise sonst noch irgendwas übersehen? Bestimmt. Möglicherweise gäbt es auch Gründe, die sich unserer Vorstellungskraft entziehen. Aber über die kann man naturgemäß schlecht nachdenken und diskutieren.
Edit:
Wie gesagt, spannend wäre nochmal zu gucken, worum es in den meisten Gebeten wirklich geht. Ich weiß z.B. von Hans Peter Royer (stellvertrender Leiter der Fackelträgerbewegung), dass für ihn das Wichtigste am Gebet die Beziehungspflege zwischen Betendem und Gott war. In einem seiner Bücher sagt er, dass nach seiner Auffassung man Gott weder über einen IST-Stand informieren müsse noch ihn zur Handlung motivieren müsse, sondern eben betet, um Beziehung zu haben.
Gerade erst gelesen. Das ist ein sehr interessanter Punkt, über den ich erst einmal etwas nachdenken muss.